OLG Frankfurt, Az.: 7 U 214/99, Urteil vom 21.02.2001
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Oktober 1999 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichtes in Frankfurt am Main – Aktenzeichen 2/5 O 175/99 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger ist mit 26.364,04 DM beschwert.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zwar statthaft und zulässig, bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist gemäß § 61 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung freigeworden, weil der Kläger den streitgegenständlichen Verkehrsunfall dadurch grob fahrlässig herbeigeführt hat, daß er nach seinem heruntergefallenen Handy gesucht hat.
I. Das Suchen nach heruntergefallenen Gegenständen während der Fahrt ist ein grob fahrlässiges Verhalten i.S. des § 61 VVG, da die Gefahr eines Unfalles nahe liegt (vgl. OLG Stuttgart, r+s 99, 56; OLG Jena VersR 98, 839; OLG Frankfurt VersR 96, 446; Stiefel-Hofmann, AKB, 17. Aufl. Rn 27 zu § 61 VVG m.w.N.). Dies ist in besonderem Maße auf den vorliegenden Fall zu übertragen: der ortskundige Kläger befand sich unter erschwerten Bedingungen – starker Regen – vor einer deutlichen Rechtskurve. Um in einem Audi A4 mit Seriensitzen den Boden vor dem Beifahrersitz nach einem verhältnismäßig kleinen Gegenstand wie einem Handy abzutasten, muss der Fahrer seine Position ganz erheblich verlagern, so dass ein Kontrollverlust nahe liegt. Es handelt sich auch nicht, wie etwa bei dem Herunterfallen einer glühenden Zigarette, um eine spontane Schrecksituation, sondern um ein bewusstes, zielgerichtetes Vorgehen. Schließlich hat der Kläger selbst die ihm zur Last gelegte Vorgehensweise als unverständlich bezeichnet.
II. Aufgrund der Aussage des Polizeibeamten C. steht fest, dass der Kläger den Unfall durch die von der Beklagten behauptete Suche nach seinem Handy verursacht hat.
1. Die Angaben des mit fast 25 Dienstjahren besonders erfahrenen Beamten sind eindeutig und unmissverständlich. Sie decken sich zudem mit seinen Aufzeichnungen in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige. Die Behauptung des Klägers, der Beamte sei über die Notwendigkeit der Unfallaufnahme unwirsch gewesen, lässt nicht den Schluss einer bewussten Falschaussage zu. Der wiedergegebene Sachverhalt ist einfach strukturiert: Der Beamte hat angegeben, ausdrücklich nach einer Unfallursache gefragt und dafür eine passende Antwort erhalten zu haben. Die Frage, ob die Unfallursache von einem Beteiligten selbst eingeräumt oder nur von Zuschauern als Vermutung geäußert wird, ist erkennbar derart wesentlich, dass von einem erfahrenen Beamten zu erwarten ist, dass er den Urheber derartiger Angaben zuverlässig festhält. Eine unterbewusste Fehlbeurteilung aufgrund einer angeblich negativen Einstellung kann damit ausgeschlossen werden. Auffällig ist zudem, dass der Kläger erstmals in II. Instanz behauptet hat, der Polizist sei unwirsch gewesen, während er in I. Instanz noch allein angegeben hatte, er könne sich noch nicht einmal erinnern, überhaupt etwas gegenüber dem Beamten geäußert zu haben. Schließlich spricht gegen die Zuverlässigkeit der Aussage auch nicht entscheidend, dass sich der Zeuge C. an den Kläger persönlich nicht mehr erinnern konnte. Angesichts des Zeitablaufes ist es nachvollziehbar, dass dem Beamten zwar nicht mehr das Äußere des Klägers, wohl aber die auffällige Unfallursache in Erinnerung geblieben ist.
2. Die mit der Berufung gegen die Aussage des Zeugen C. vorgebrachten Hilfstatsachen führen zu keiner anderen Bewertung. a) Zugunsten des Klägers kann als wahr unterstellt werden, dass die Zeugen K. und E. die von dem Polizeibeamten wiedergegebene Äußerung des Klägers nicht wahrgenommen haben, da der Kläger nicht behauptet, die Zeugen hätten die vollständige Anhörung mitverfolgt und könnten daher mit Gewissheit ausschließen, dass eine solche Äußerung gefallen ist.
b) Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung ausgeführt hat, er habe gegenüber den Zeugen K. und E. sinngemäß angegeben, sein Handy müsse durch den Unfall aus der Halterung gefallen sein und sich wahrscheinlich am Boden befinden, er wolle seine Freundin und seine Eltern anrufen, so zielt dieser Vortrag nicht auf die Behauptung ab, die Zeugen könnten bestätigen, dass sich seiner Äußerung nach das Handy zunächst in der Halterung befunden habe. Einen derartigen Inhalt hat der Kläger seiner Spontanäußerung gegenüber den Zeugen zuvor nie beigemessen. Er hat ihn auch bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat nicht aufrechterhalten, bei der er seine Bemerkung gegenüber den Zeugen K. und E. nunmehr lediglich dahin wiedergegeben hat, er habe diesen bedeutet, das Handy müsse irgendwo im Fußraum vor dem Beifahrersitz sein.
c) Der Umstand, dass das Fahrzeug über eine Handy-Haltevorrichtung verfügte, schließt nicht aus, dass der Kläger sein Gerät aus der Hand verloren hat, weil er etwa diese Haltevorrichtung für sein Mobil-Gerät erst nach Fahrtantritt benutzen wollte und dann ungeschickt hantierte.
d) Eine erhebliche Beeinflussung des Klägers durch einen erlittenen Schock ist nicht dargetan. Der Kläger hat nach dem Unfall noch telefoniert. Er vermag den Unfallablauf detailliert zu schildern. Der Airbag hat nicht ausgelöst. Eine Kopfverletzung hat der Kläger nicht erlitten. Schließlich hat der Zeuge C. berichtet, der Kläger habe ihm sinnvoll auf mehrere Fragen antworten können.
In das Wissen der Ärztin Dr. B. hat der Kläger lediglich gestellt, dass er unter einem erheblichem Schock gelitten habe. Hieraus folgt aber weder, welche konkreten Auswirkungen und damit welchen Umfang dieser Schock hatte, noch, dass dieser Schock geeignet war, eine falsche Angabe gegenüber dem Zeugen C. herbeizuführen. Der Antrag des Klägers, die Ärztin Dr. B. zu seinem Zustand und zur Einschätzung seiner Zurechnungsfähigkeit nach dem Unfall zu befragen, zielt mithin auf eine zivilprozessual unzulässige Ausforschung ab.
Soweit es den Zeugen K. und E. höchst unwahrscheinlich erschienen sein soll, dass der Kläger in seinem stark benommenen Zustand überhaupt klare, verständliche und schlüssige Angabe zum Unfallhergang habe machen können, würde es sich alleine um nicht aussagekräftige Bewertungen von Laien handeln. Wie aber nun konkret sich der „stark benommene“ Zustand des Klägers geäußert haben soll, hat der Kläger nicht im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt.
e) Dass der nach eigenem Bekunden ortskundige Kläger, der nicht behauptet, mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren zu sein, auf einer ihm geläufigen Straße mit ordnungsgemäßem Belag bei einem Vorderrad-Profil von 4 mm allein wegen Aquaplaning ins Schleudern gekommen sein sollte, ist eher unwahrscheinlich. Aus dem Unfallablauf selbst läßt sich entgegen der Auffassung des Klägers Aquaplaning als Erstursache nicht ableiten. So gibt der Kläger selbst an, sein Fahrzeug sei erst ausgebrochen und geschleudert, um dann erst nach einem erneuten Ausbrechen tangential aus der Kurve gezogen worden zu sein. Spuren des 1. Ausbrechens sind nicht gesichert. Worauf dieses als wesentliche Unfallursache beruhte, Aquaplaning oder Verreißen der Lenkung, lässt sich damit nicht mehr feststellen.
III. Die Berufung ist mithin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nummer 10, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer entspricht der abgewiesenen Klageforderung.