Versicherungsbetrug oder echter Schadensfall? – Rechtsstreit vor Dortmunder Gericht endet mit abgewiesener Klage
In einem Rechtsstreit um einen vermeintlichen Einbruchdiebstahl, bei dem hochwertige Baby- und Kinderbekleidung gestohlen worden sein soll, hat das Landgericht Dortmund die Klage der Versicherungsnehmerin gegen ihre Versicherung abgewiesen. Das Gericht konnte nicht überzeugt werden, dass die behaupteten Waren zum Zeitpunkt des Diebstahls tatsächlich vorhanden waren. Zudem gab es erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der vorgelegten Beweise und Zeugenaussagen. Die Entscheidung bedeutet, dass die Versicherung nicht zur Zahlung des geltend gemachten Schadens verpflichtet ist.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Landgericht Dortmund hat die Klage einer Versicherungsnehmerin abgewiesen, die nach einem angeblichen Einbruchdiebstahl Schadensersatz von ihrer Versicherung verlangte.
- Das Gericht sah es als nicht bewiesen an, dass die als gestohlen gemeldeten Waren tatsächlich existierten und am Versicherungsort vorhanden waren.
- Widersprüchliche Aussagen der Zeugen und Unstimmigkeiten bei den vorgelegten Dokumenten führten zu erheblichen Zweifeln an der Behauptung eines Einbruchdiebstahls.
- Die Versicherungsnehmerin konnte den erforderlichen Vollbeweis für das Vorhandensein und den Diebstahl der Waren nicht erbringen.
- Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung glaubhafter Beweise in Versicherungsfällen und die Beweislast des Versicherungsnehmers.
Vorgetäuschter Einbruchdiebstahl: Wenn die Klage abgewiesen wird
Versicherungsbetrug ist ein ernstes Problem, bei dem Personen versuchen, Versicherungsgesellschaften durch gefälschte oder übertriebene Schäden auszunutzen. Ein besonders häufiger Fall von Versicherungsbetrug ist der vermeintliche Einbruchdiebstahl, bei dem es dem Betrüger gelingt, Verluste höher erscheinen zu lassen als sie tatsächlich sind oder vorgibt, dass Waren gestohlen wurden, die es nie gab. Wenn solche Fälle vor Gericht landen, versuchen die Betrüger oft, die Klage gewinnen zu lassen, indem sie vorgeben, rechtlich im Recht zu sein. Doch wie kann es sein, dass die Klage gegen sie abgewiesen wird? Diese Frage kann viele Antworten haben, aber es geht hauptsächlich um die Unfähigkeit des Klägers, den Vollbeweis für seine Behauptungen zu erbringen.
Versicherungsbetrug oder echter Schadensfall? Ein brisanter Rechtsstreit vor dem LG Dortmund
Ein spektakulärer Fall von mutmaßlichem Versicherungsbetrug beschäftigte das Landgericht Dortmund, bei dem eine Klägerin nach einem angeblichen Einbruchdiebstahl in ihren Geschäftsräumen von ihrer Versicherung Schadensersatz forderte. Die Versicherungsnehmerin, eine Geschäftsinhaberin, behauptete, unbekannte Täter hätten hochwertige Baby- und Kinderbekleidung sowie sonstige Babyausstattung im Wert von über 300.000 Euro aus dem Keller ihres Ladengeschäfts gestohlen. Diese Ware sei zuvor bei einem polnischen Outlet-Store erworben und durch einen Bekannten angeliefert worden.
Der Streitpunkt: Echtheit des Schadensanspruchs
Die Versicherungsgesellschaft wies die Forderung der Klägerin zurück und argumentierte, es gebe erhebliche Zweifel an der Authentizität des Einbruchdiebstahls. Unter anderem wurden die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Rechnungen und Lieferscheine sowie die Plausibilität der Schilderungen zur Anlieferung und Lagerung der Waren in Frage gestellt. Besonders auffällig erschien der Versicherung die kurzfristige Erhöhung der Versicherungssumme vor dem angeblichen Diebstahl sowie die mangelnde Sicherheit am Lagerort, die einen Diebstahl dieser Größenordnung unwahrscheinlich machte.
Beweislast und Beweisführung im Fokus des Gerichts
Das Gericht stellte fest, dass die Beweislast für das Vorhandensein und den Diebstahl der Ware bei der Klägerin liege. Trotz umfangreicher Beweisaufnahme, einschließlich der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin und mehrerer Zeugen, konnte die Klägerin nicht überzeugend darlegen, dass die behaupteten Waren tatsächlich existierten und am Versicherungsort vorhanden waren. Widersprüchliche Aussagen und die Unplausibilität der vorgelegten Beweismittel ließen erhebliche Zweifel an der Echtheit des Schadensfalls aufkommen.
Gerichtsurteil: Klage abgewiesen
Das Landgericht Dortmund kam zu dem Schluss, dass die Klägerin den erforderlichen Vollbeweis für einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl nicht erbringen konnte. Folglich wurde die Klage abgewiesen, und die Klägerin wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet. Das Urteil betont die Wichtigkeit glaubhafter und konsistenter Beweisführung in Versicherungsfällen und stellt klar, dass ohne überzeugende Beweise kein Anspruch auf Versicherungsleistungen besteht.
In diesem brisanten Fall wurde deutlich, wie entscheidend die sorgfältige Prüfung und Bewertung aller vorgelegten Beweise und Aussagen für die Rechtsprechung ist, besonders wenn der Verdacht auf Versicherungsbetrug im Raum steht.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Wie wird Versicherungsbetrug definiert und welche Merkmale sind typisch für solche Fälle?
Versicherungsbetrug wird definiert als der Versuch eines Versicherungsnehmers, durch Täuschungen oder unwahre Behauptungen unrechtmäßig Zahlungen von einem Versicherungsunternehmen zu erhalten. Dies stellt eine Straftat dar, die gemäß § 263 des Strafgesetzbuches (StGB) als Betrug gewertet wird und kann mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden. Typische Merkmale für Versicherungsbetrug sind das Vortäuschen eines Schadens, das Übertreiben der Schadenshöhe oder das Umdefinieren eines nicht versicherten Schadens, sodass dieser unter den Versicherungsschutz fällt.
Im Kontext einer Hausratversicherung, wie in dem Fall, bei dem eine Klage nach einem vermuteten Einbruchdiebstahl abgewiesen wurde, muss der Versicherungsnehmer das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nachweisen. Dazu gehören in der Regel Einbruchsspuren oder andere Indizien, die auf einen Diebstahl hinweisen. Wenn der Versicherungsnehmer diesen Nachweis nicht erbringen kann und die Versicherung Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers hat, kann sie die Leistung verweigern und die Klage wird möglicherweise abgewiesen.
In dem spezifischen Fall, der hier angesprochen wird, scheint das Gericht aufgrund von Glaubwürdigkeitszweifeln und fehlenden Beweisen die Klage abgewiesen zu haben. Der Kläger konnte nicht überzeugend nachweisen, dass die behaupteten Gegenstände tatsächlich vorhanden und gestohlen wurden.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 1 Nr. 2 AERB 2008: Dieser Paragraph bezieht sich auf die Allgemeinen Bedingungen für die Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung. Er regelt die Voraussetzungen, unter denen Versicherungsschutz für Schäden durch Einbruchdiebstahl und Raub besteht. Im vorliegenden Urteil ist er relevant, da die Klägerin auf dieser Grundlage versuchte, Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend zu machen.
- § 286 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die freie Beweiswürdigung durch das Gericht. Er besagt, dass das Gericht nach freier Überzeugung entscheidet, ob eine tatsächliche Behauptung wahr ist oder nicht. Im Kontext des Urteils war dieser Paragraph maßgeblich, da das Gericht nicht überzeugt war, dass der behauptete Einbruchdiebstahl tatsächlich stattgefunden hat.
- § 91 Abs. 1 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Kostenpflicht im Falle des Unterliegens im Prozess. Demnach muss die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits tragen. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, da ihre Klage abgewiesen wurde.
- § 709 ZPO: Dieser Paragraph bezieht sich auf die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen. Er ermöglicht die Vollstreckung eines Urteils vor Rechtskraft gegen Sicherheitsleistung. Im Urteil wurde entschieden, dass das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar ist.
Das vorliegende Urteil
LG Dortmund – Az.: 2 O 333/16 – Urteil vom 31.01.2023
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer-01 eine gebündelte Geschäftsinhaltsversicherung inklusive Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung aus dem Jahr 2008 (AERB 2008, Anlage K10) zugrunde. Versicherungsbeginn war laut Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26.05.2014 (Anlage K9) der 19.05.2014. Als Versicherungsort ist ein …handel Straße-01 00 in Ort-01 angegeben.
Ursprüngliche Versicherungsnehmerin war die A1. Mit Nachtrag zum Versicherungsschein wurde die hiesige Klägerin, die A2 mit Wirkung zum 19.05.2014 Versicherungsnehmerin.
Ursprüngliche Geschäftsführer der Klägerin waren laut Gewerberegisterauskunft der Stadt-01 (Bl. 114 d.A.) der Zeuge B1, auch bekannt unter seinem Künstlernamen „xxx“ sowie eine C1. Zum Zeitpunkt der Übernahme der streitgegenständlichen Versicherung im Mai 2014 waren D1 sowie C1 Geschäftsführerinnen der A2. Zwischenzeitlich erfolgte ein neuerlicher Wechsel. Geschäftsführer der Klägerin war seit Januar 2016 E1 (vgl. Bl. 113 d.A.).
Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26.05.2014 wurde die ursprüngliche Versicherungssumme in der Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung von 150.000,00 EUR auf 350.000,00 EUR erhöht. Als versichert galten technische und kaufmännische Betriebseinrichtungen sowie Vorräte und Waren.
Im September 2014 nahm die Klägerin mit einem Mitarbeiter der Beklagten Kontakt auf und bat um Vornahme einer Ortsbesichtigung zur Bestätigung, dass aufgrund der vorhandenen Sicherungsmaßnahmen am Versicherungsort Versicherungsschutz bestehe. Es erfolgte ein Ortstermin am 25.09.2014, Versicherungsschutz wurde bestätigt.
Bei dem Versicherungsort handelt es sich um ein Wohn- und Geschäftsgebäude Straße-01 in Ort-01. Die Verkaufsräume der Klägerin befinden sich straßenseitig im Erdgeschoss des Objekts. Die von ihr genutzten Lagerräume befinden sich hingegen im Keller. Das Objekt wird regelmäßig durch einen Sicherheitsdienst bestreift.
Am 30.10.2014 erfolgte seitens der Klägerin eine schriftliche Schadensanzeige bei der Beklagten. Unter Bezugnahme auf eine Rechnung vom 26.09.2014 (Anlage BLD 2c) und einen Lieferschein vom 24.10.2014 (Anlage K3) teilte die Klägerin mit, es sei am 26.10.2014 zu einem Einbruchdiebstahl in den im Keller gelegenen Lagerräumen der Klägerin gekommen. Insgesamt seien Waren im Wert von 312.792,85 EUR netto (372.223,49 EUR brutto) entwendet worden seien.
Ausgestellt ist die Rechnung auf den Zeugen F1. Ausweislich eines Auszugs aus der G1-Firmendatenbank (Anlage BLD 2e) findet sich ein Eintrag zu F1 – Bodenleger/Trockenbau – unter der Anschrift Straße-02, Ort-01. Der Eintrag enthält einen Hinweis auf Eintragungen im Schuldnerregister. Zu den Az. DR II 140/14, DR II 144/14, DR II 287/14 und DR II 501/14 des Amtsgerichts Charlottenburg wurde unter dem 07.07.2014 vermerkt, dass eine Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen sei, nachdem eine Vermögensauskunft im Verfahren DR II 10/13, ebenfalls AG Charlottenburg, bereits am 19.11.2013 nicht abgegeben wurde.
In der Rechnung findet sich unter der Positionsbezeichnung der Hinweis auf „Kinderware laut Lieferschein“, weitere Positionen sind nicht aufgeführt. Die Rechnung enthält lediglich eine Kopfzeile mit Name und Anschrift des Rechnungsstellers, ein Firmenkopf o.ä. ist nicht enthalten. Der auf den 24.10.2014 datierende Lieferschein (Anlage K3) umfasst hingegen 75 Seiten mit Einzelpositionen unter Angabe von Artikel- und Etikettennummer sowie Nettoeinzelpreis. Aufgeführt sind Oberbegriffe wie Jacke, Hose, Short, Shirt etc. Herstellerangaben finden sich im Lieferschein nicht.
Ausweislich eines als „Empfangsbestätigung“ überschriebenen Schreibens vom 08.04.2015 (Anlage BLD 5h) erhielt der Verkäufer von der Geschäftsführerin der Klägerin 372.223,49 EUR in bar ausgehändigt. Unterzeichnet ist das Schreiben u.a. durch den aktuellen Geschäftsführer der Klägerin, Herrn E1, sowie durch einen Mitarbeiter des Landeskriminalamts Ort-01.
Die Beklagte verweigerte – auch nach Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin – die Regulierung des angezeigten Einbruchdiebstahls vom 26.10.2014.
Mit ihrer der Beklagten am 09.12.2016 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Leistungsbegehren nunmehr gerichtlich weiter.
Sie behauptet, am 26.10.2014 seien unbekannte Täter unter gewaltsamer Überwindung der bestehenden Türsicherungen an den Zugangstüren zum Keller des Gebäudes Straße-01 00 in Ort-01 in die dort befindlichen Lagerräumlichkeiten eingedrungen und hätten sämtliche, am 24.10.2014 gelieferte, in neutralen Kartons verpackte Ware entwendet. Bei der Ware habe es sich um hochwertige Baby- und Kinderbekleidung sowie um sonstige Babyausstattung gehandelt, die die Klägerin ausschließlich bei dem Zeugen F1 erworben habe. Dieser sei Ende des Jahres 2013 an den vormaligen Geschäftsführer der A1 und jetzigen Geschäftsführer der Klägerin herangetreten und habe ihm hochwertige Kinderausstattung zu günstigen Preisen angeboten. Die angebotene Ware sei auf einem Tablet-PC präsentiert worden. Die Bestellung habe wiederum die Frau des damaligen Geschäftsführers veranlasst, die hierfür auf eine Warenpräsentation auf einem USB-Stick habe zurückgreifen könne. Der Zeuge F1 habe in der Folgezeit die Ware u.a. in einem Outlet-Store im polnischen Ort-02 beschafft und vor Ort sämtliche Ware bar bezahlt.
Die Ware sei sodann am 24.10.2014 durch einen Transporteuer, den Zeugen H1, in zwei Chargen angeliefert worden und durch den aktuellen Geschäftsführer der Klägerin, eine Mitarbeiterin der Klägerin sowie einen unabhängigen Makler, den Zeugen I1, in Empfang genommen worden. Die in neutrale Kartons verpackte Ware sei in den Lagerraum im Keller verbracht und stichprobenartig auf Vollständigkeit überprüft worden. Der Einbruch sei sodann am Abend des 26.10.2014 festgestellt worden. Sämtliche Kartons der Warenlieferung seien entwendet worden.
Die Klägerin ist der Auffassung, für den Einbruchdiebstahl am 24.10.2014 bestehe Versicherungsschutz nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen.
Die Klägerin beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 312.792,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 3.260,90 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass es am 26.10.2014 zu einem bedingungsgemäßen Versicherungsfall gekommen sei. Sie behauptet, der Einbruch sei vielmehr durch die Klägerin vorgetäuscht worden. Bei den an der Tür zum Lagerraum befindlichen vermeintlichen Einbruchsspuren handele es sich um sog. Trugspuren und keine echten Einbruchspuren. Es sei im Übrigen auffällig, dass lediglich die Tür zum Lagerraum beschädigt sei, die Zugangstüren zum Keller des Gebäudes jedoch ebenso wenige Schäden aufwiesen, wie Schranke und Rolltor zum Innenhof. Es sei außerdem unklar, wie es den Täter in zeitlicher Hinsicht gelungen sein solle, trotz regelmäßiger Bestreifung des Objekts durch einen Sicherheitsdienst, in die Lagerräume einzudringen und Waren in erheblichem Umfange abzutransportieren. Weiter sei nicht nachvollziehbar, weswegen zwar Waren aus dem klägerischen Lagerraum, nicht aber auch aus den weiteren im Objekt befindlichen Lagerräumen gestohlen worden sein sollten.
Sie behauptet weiter, die als gestohlen angezeigte Ware habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Sowohl die auf einen Zeitpunkt vor Warenlieferung ausgestellte Rechnung vom 26.09.2014 wie auch der Lieferschein vom 24.10.2014 seien gefälscht. Hierfür spreche vor allem die optische Erscheinung der Rechnung ohne Firmenkopf und mit fehlerhafter Anschrift des Rechnungsausstellers. Aus dem Lieferschein hingegen lasse sich die vermeintlich gelieferte Ware mangels Herstellerangaben und genauer Bezeichnungen nicht erkennen.
Sie ist der Auffassung, es sei weit überwiegend wahrscheinlich, dass der vorliegend behauptete Versicherungsfall vorgetäuscht sei.
Zunächst spreche hierfür die Tatsache, dass noch kurz vor dem vermeintlichen Einbruchsdiebstahl die Versicherungssumme von 150.000,00 EUR auf 350.000,00 EUR erhöht worden sei. Während die behauptete Schadenssumme zu großen Teilen nicht von der ursprünglichen Versicherungssumme gedeckt gewesen wäre, decke die neu vereinbarte Versicherungssumme den vermeintlichen Schaden nunmehr ab. Eine Notwendigkeit für die Erhöhung der Versicherungssumme habe objektiv jedoch nicht bestanden, da sich aus den Bilanzen der Klägerin für die Vorjahre ergebe, dass Warenbestellungen lediglich im deutlich geringeren Umfange vorgenommen worden seien und hierfür die ursprüngliche Versicherungssumme mehr als ausreichend gewesen sei.
Des Weiteren erscheine es fernliegend, dass der in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befindliche Zeuge F1 in der Lage gewesen sei, Waren im Wert von rund 300.000,00 EUR zu beschaffen und bar zu bezahlen. Es sei auch nicht ersichtlich, weswegen der im Trockenbau tätige Zeuge F1, der zuvor noch nie mit Babyausstattung gehandelt habe, mit einer Bestellung in einem derartigen Umfange betraut worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Kammer hat den Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört und im Übrigen Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F1, J1, H1 und I1. Es wird insoweit auf die Sitzungsprotokolle vom 19.09.2019 (Bl. 234 d.A.), 25.05.2022 (Bl. 397 d.A.) sowie vom 08.12.2022 Bezug genommen. Die Zeugin K1 wurde schriftlich vernommen. Es wird insoweit auf die schriftlichen Bekundungen der Zeugin (Bl. 325 ff. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 312.792,85 EUR aus dem mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag i.V.m. § 1 Nr. 2 AERB 2008. Der Klägerin ist es nicht gelungen, einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl zur Überzeugung der Kammer zu beweisen.
Nach den allgemeinen Regeln obliegt dem Versicherungsnehmer die Beweislast für seine Behauptung der Versicherungsfall sei eingetreten. Hierfür muss er grundsätzlich den Vollbeweis erbringen (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 31. Aufl. 2021, § 1 AERB 2010, Rn. 51). Aufgrund typischerweise bestehender Beweisnot des Versicherungsnehmers, genügt dieser seiner Beweislast im Fall eines streitigen Einbruchdiebstahls, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist. Zu diesem äußeren Bild gehört ein Mindestmaß an objektiven Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine versicherte Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die bei einem Einbruchdiebstahl das äußere Bild ausmachen gehört insbesondere der Umstand, dass der als gestohlen bezeichnete versicherte Gegenstand vor dem behaupteten Diebstahl am Versicherungsort vorhanden war und nach dem behaupteten Diebstahl nicht mehr dort aufgefunden werden konnte. Für diese Minimaltatsachen ist der Vollbeweis zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2006 – IV ZR 130/05 – juris, Rn. 14 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 21.10.2011 – I-20 U 62/11 – juris, Rn. 18; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 1 AERB 2010, Rn. 54).
Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht im Sinne von § 286 ZPO davon überzeugt, dass die als gestohlen gemeldete Babykleidung tatsächlich am Versicherungsort vorhanden gewesen war. Dabei ist eine Tatsache dann als erwiesen anzusehen, wenn sich das Gericht über ihr Vorliegen einen für das alltägliche Leben brauchbaren Grad an Gewissheit verschaffen konnte, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 286, Rn. 19). Diesen Maßstab zugrunde gelegt, gelingt der Klägerin der Beutenachweis nicht. Die Angaben des Geschäftsführers der Klägerin sowie die Aussagen der Zeugen widersprechen sich in mehreren Punkten, sodass erhebliche Zweifel bleiben, ob den Aussagen ein tatsächlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegt.
Der Geschäftsführer der Klägerin gab im Rahmen seiner persönlichen Anhörung an, er sei dabei gewesen, als die von dem Zeugen F1 bestellte Ware durch den Zeugen H1 in das Geschäft der Klägerin Straße-01 geliefert worden sei. Der Zeuge H1 habe für die Klägerin gearbeitet und bereits in der Vergangenheit Möbel ausgeliefert und aufgestellt. Insgesamt seien circa 100 Kartons geliefert worden. Er habe alle Kartons aufgemacht und 15-20 Kartons näher kontrolliert. Zeitweise sei der Zeuge I1 bei der Inhaltskontrolle zugegen gewesen. Diesen habe er angerufen und gebeten vorbei zu kommen, um zu prüfen, ob die Kartons ordentlich aufgestellt und gelagert seien.
Diese Angaben konnte der Zeuge I1 nicht bestätigen. Er sagte aus, der Kläger habe ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass die Ware angekommen sei. Er sei dann zu dem Geschäft gefahren, weil der Geschäftsführer der Klägerin gefragte habe, ob er in der Nähe sei und ob man gemeinsam einen Kaffee trinken wolle. Ob die Lieferung am gleichen Tag erfolgt sei, könne er jedoch nicht sagen, da er bei der Anlieferung nicht zugegen gewesen sei. Die Pappkartons hätten sich bereits im Lagerraum im Keller befunden. An geöffnete Kartons im Keller könne er sich nicht erinnern. Die Angaben des Zeugen I1 widersprechen insoweit dem klägerischen Vortrag, dass der Zeuge bei der Lieferung der Ware und der Inhaltskontrolle dabei gewesen sei. Im Hinblick auf den konkreten Inhalt der gelieferten Kartons war die Aussage des Zeugen I1 unergiebig.
Auch anhand der Aussage des Zeugen F1 kann sich die Kammer aufgrund zahlreicher Widersprüche in Gesamtschau kein konkretes Bild von den tatsächlichen Ereignissen machen. Der Zeuge sagte aus, er habe bereits mit dem Geschäftsführer der Klägerin auf Baustellen zusammengearbeitet und als Vermittler Provisionen in bar erhalten. Dieses Geld habe er im Kleiderschrank aufbewahrt. Es müsse sich um 600.000,00 bis 700.000,00 EUR gehandelt haben. Er habe mit dem Weiterverkauf der Babysachen Geld verdienen wollen. Vor dem streitgegenständlichen Geschäft habe er sich mit Kinderkleidung nicht ausgekannt.
Aus den durch den Zeugen vorgelegten xxx VAT-Dokumenten, die als Anlage zu Protokoll genommen worden sind, ergibt sich ein Betrag in Höhe von 650.000,00 EUR (vgl. 406-411 d.A.). Der Zeuge erklärte hierzu, es handele sich um die Kaufdokumente für die streitgegenständliche Babykleidung. Den Betrag habe er in bar an eine L1 gezahlt. Es sei geplant gewesen, aus dem Eingangspreis von 600.000,00 EUR einen Verkaufserlös in Höhe von 1.000.000,00 EUR zu erzielen. Nach dem Teilverkauf an die Klägerin habe er die andere Hälfte der Ware über das Internet an einen ukrainischen Anbieter für etwa 300.000,00 EUR verkauft. Über die Einnahmen habe er eine Steuererklärung abgegeben. Mit der Klägerin war eine Gewinnspanne von 50 % vereinbart. Die Provision sollte 50 % betragen. Vor dem Hintergrund des der Klägerin unter dem 26.09.2014 in Rechnung gestellten Betrages in Höhe von 372.223,409 EUR brutto (312.792,85 EUR netto) ist die durch den Zeugen vorgenommene Gewinnkalkulation nicht nachvollziehbar. Sofern der Zeuge tatsächlich – wie zuletzt ausgesagt – etwa die Hälfte der eingekauften Kleidungsstücke an die Klägerin verkauft hat, ist unter Berücksichtigung des kalkulierten Gewinnes der Verkaufspreis nicht plausibel. Der Zeuge hätte die Ware beinahe zum Einkaufspreis an die Klägerin verkauft. Dies steht im Widerspruch zu den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin, der aussagte, er habe später erfahren, dass der Zeuge F1 50 % von seinem Einkaufspreis aufgeschlagen habe.
Zudem weist die Aussage des Zeugen F1 weitere Widersprüchlichkeiten auf. Der Zeuge sagte aus, er habe sich um den Transport der Ware gekümmert. Diese sei zunächst von Polen nach Ort-01 in das Lagerhaus „xxx“ transportiert worden und von dort aus in das Ladengeschäft der Klägerin Straße-01. In seiner ersten Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2019 gab der Zeuge an, es habe zwei verschiedene Transporteure gegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2022 teilte er mit, der Transport von Polen in das Lagerhaus und von dort zum Geschäftslokal sei von ein und demselben Fahrer durchgeführt worden, allerdings mit unterschiedlichen Fahrzeugen. Für den Transport von Polen nach Ort-01 sei ein größeres Fahrzeug genutzt worden, der Transport vom Lagerhaus zum Geschäftslokal sei mit einem kleineren Fahrzeug durchgeführt worden.
Zur Qualität der Kleidungsstücke hat der nicht in der Textilbranche tätige Zeuge zunächst ausgesagt, dass er die Hersteller und Marken der Kindersachen nicht nennen könne, da er sich damit nicht auskenne. Er könne daher nicht sagen, ob es sich um Originalprodukte handele. Im Gegensatz hierzu sagte der Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2022 aus, er habe die Echtheit der Kleidung haptisch geprüft und festgestellt, dass es keine Billigware sei.
Die Aussage des Zeugen F1 zu den Umständen der Anlieferung ist nicht nur in sich widersprüchlich, sondern steht auch im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen H1.
Der Zeuge H1 sagte aus, von dem Inhaber des Babygeschäftes auf dem Straße-01 – nicht von dem Zeugen F1 – habe er den Auftrag erhalten aus dem Lagerraum „xxx“ Sachen abzuholen und in das Geschäftslokal zu transportieren. Den Transport der Kartons von Polen nach Ort-01 habe er nicht durchgeführt. Bei Anlieferung habe er sämtliche Kartons durch das Geschäftslokal in den Keller getragen. Zudem sei nicht jede Kiste durch den Inhaber des Geschäftes kontrolliert worden. Er habe einige der Kartons in dem Landelokal auf dem Tisch abgestellt, sodass der Inhaber habe hineinschauen können. Andere Kartons habe er direkt von dem Transporter aus in den Keller getragen. Hinsichtlich des Inhalts der Kartons war die Aussage des Zeugen unergiebig. Er gab insoweit lediglich an, im Vorbeigehen kleine Verpackungen gesehen zu haben. Weil in dem Geschäft Kindermöbel und -sachen angeboten wurden, sei er davon ausgegangen, dass es sich um Kindersachen handeln müsse. Selber in Augenschein genommen habe er die Ware aber nicht.
Die Aussage der Zeugin K1 war im Hinblick auf den zu führenden Beutenachweis ebenfalls unergiebig.
Die Zeugin sagte aus, sie sei von September 2014 bis zum Sommer 2015 in dem Ladengeschäft der Klägerin tätig gewesen. Sie könne sich daran erinnern, dass es im Herbst 2014 zu einer Warenlieferung gekommen sei. Sie habe hinter dem Verkaufstresen gestanden, während mehrere geschlossene Kartons an ihr vorbeigetragen worden seien. Angaben zum Inhalt der Kartons könne sie aber nicht machen. Diese seien verschlossen gewesen. Sie könne sich nur noch daran erinnern, dass der Geschäftsführer der Klägerin während des mehrstündigen Prozesses des Hineintragens sich einen Karton gegriffen und diesen in circa drei Meter Entfernung zu ihr geöffnet habe. Er habe ihr eine in verpackte Textilie gezeigt und gesagt, jetzt hätte sie etwas zu verkaufen. Konkrete Angaben zu dem Inhalt der Kartons konnte die Zeugin hingegen nicht machen. Widersprüche entstehen insoweit auch zu den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin selbst und des Zeugen H1. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte angegeben, er habe stichprobenartige Kontrollen der Kartons vorgenommen, bevor diese in den Keller gebracht worden seien. Auch der Zeuge H1 hatte ausgesagt, er habe einige der Kartons in dem Ladenlokal auf dem Tisch abgestellt, sodass der Inhaber des Geschäftes hineinschauen könne.
Die Kammer ist sich bei Würdigung der Zeugenaussagen darüber bewusst, dass diese sich über Ereignisse verhalten die teilweise Jahre zurückliegen und es daher nachvollziehbar wäre, wenn konkrete Erinnerungen teilweise nicht mehr vorhanden wären. Doch auch dies berücksichtigt, bleibt letztlich unklar, ob und in wessen Auftrag welcher Inhalt unter welchen Umständen an das Geschäftslokal der Klägerin geliefert worden ist. Die für sich genommen durchaus detaillierten Aussagen der einzelnen Zeugen widersprechen sich und den Angaben der Klägerin selbst in wesentlichen Punkten, sodass letztlich kein stimmiges Gesamtbild des Geschehens entsteht. Auch der USB-Stick mit Bildern der Ware anhand derer die zu liefernden Stücke ausgewählt worden seien, konnte nicht zur Akte gereicht werden. Eine Überzeugung im Sinne von § 286 ZPO konnte sich die Kammer aufgrund der verbleibenden Zweifel daher nicht bilden. Dies geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Klägerin.
Da die Klägerin den Vollbeweis hinsichtlich solcher Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen nicht führen konnte, ist der Antrag zu Ziffer 1) abzuweisen.
Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht mangels Anspruch in der Hauptsache nicht, sodass der Antrag zu Ziffer 2) ebenfalls der Abweisung unterliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 312.792,67 EUR festgesetzt.