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Wohngebäudeversicherung – Regress des Gebäudeversicherers gegen einen Zwangsverwalter

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 O 438/12 – Urteil vom 20.07.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 65.740,56 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht.

Die Klägerin ist Wohngebäudeversicherer für das Anwesen F. in B., einer Wohnungseigentumsanlage (Anlage K 1). Versicherungsnehmer ist die Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beklagte war mit Wirkung zum 20.03.2006 zum Zwangsverwalter für die Wohneinheiten Nr. 4 und 7 der Eigentümer K. bestellt worden (Anlage K 2). Die Zwangsverwaltung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 03.11.2009 aufgehoben (Anlage K 3).

Am 15.01.2009 kam es zu einem Wasserschaden in der im 2. Obergeschoss gelegenen Wohnung Nr. 7. Infolge des Bruchs einer Wasserleitung in der Küche der Wohnung drang eine größere Menge Wasser aus und lief in die darunter liegenden Wohneinheiten.

Die Klägerin behauptet, der Kläger habe schuldhaft seine Pflichten als Zwangsverwalter verletzt. Mangels ausreichender Beheizung und Kontrolle der leer stehenden Wohnung sei es zu einem Einfrieren der Wasserleitungen gekommen. Dadurch seien die Leitungen aufgeplatzt und Wasser ausgetreten. Zum Schadenszeitpunkt habe eine lang anhaltende Kälteperiode mit Tiefsttemperaturen von bis zu -18 °C geherrscht. Die Heizung der Wohnung Nr. 7 sei am Schadenstag jedoch nicht in Betrieb gewesen. Aus einem durchschnittlichen Gasverbrauch von 0,31 m³ pro Tag im Zeitraum 10.01.2008 bis 19.01.2009 (Anlagen K 5 und K 6) ergebe sich, dass keine ausreichende Beheizung der Wohnung erfolgt sei. Der Beklagte habe auch nicht veranlasst, dass die wasserführenden Leitungen entleert und abgesperrt werden. Der Schaden sei nicht durch einen Mangel an der Lötverbindung der Kaltwasserkupferleitung entstanden.

In der unterhalb im 1. Obergeschoss liegenden Wohnung der Familie H. seien schadensbedingt die Decken stark durchnässt worden. Es sei erforderlich gewesen, diese zu trocknen und teilweise die Tapeten zu entfernen. Darüber hinaus sei der Bodenbelag zu reparieren gewesen. In der im Erdgeschoss gelegenen Kanzlei L. seien die Deckenverkleidungen auszubauen sowie umfangreiche Trocknungs-, Schreinerei-, Bodenlege-, Maler- und Installationsarbeiten durchzuführen gewesen.

Es sei insgesamt ein Neuwertschaden von 79.000,- € entstanden (Anlage K 4), den die Klägerin gegenüber der Versicherungsnehmerin beglichen habe. Der Zeitwertschaden betrage 65.740,56 €. Der geltend gemachte Schaden sei gem. § 86 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen. Er ist – insofern unstreitig – mit Schreiben vom 06.09.2010 beim Beklagten geltend gemacht worden (Anlage K 7).

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 65.740,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, das Anwesen sei mit mindestens 50 cm starkem Mauerwerk und Isolierglasfenstern ausgestattet. Es sei ständig durch die Bewohner und Nutzer beheizt worden, so dass die Temperatur in der Wohnung Nr. 7 unmöglich unter 0 °C habe fallen können. Auch sei ständig heißes Wasser durch das gesamte Rohrleitungssystem des Anwesens zirkuliert. Der Zeuge L. sei im Sommer 2008 seitens des Beklagten beauftragt worden, das Objekt an Mietinteressenten zu vermitteln und regelmäßige Kontrollen beider Wohnungen durchzuführen. Herr L. habe im Durchschnitt einmal pro Woche nach dem Rechten gesehen und bei Beginn der Heizperiode die Wohnungen leicht temperiert. Eine noch höhere Kontrolldichte habe der Beklagte nicht geschuldet.

Der Beklagte habe im Übrigen die Prämien zum Unterhalt der Gebäudeversicherung mitfinanziert und entsprechende Hausgelder an die Verwaltung gezahlt (Anlage B 3).

Der Beklagte meint, die Klägerin sei keine anspruchsberechtigte Beteiligte i.S.v. § 9 ZVG. Der Inanspruchnahme des Beklagten stehe außerdem ein zumindest konkludent erklärter Regressverzicht der Klägerin entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch gem. §§ 152, 154 ZVG, § 280 Abs. 1 BGB, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.

1.

Es kann offen bleiben, ob dem Beklagten im Rahmen seines Amtes als Zwangsverwalter eine Pflichtverletzung zur Last fällt und hieraus ein Vermögensschaden entstanden ist. Denn ein etwaiger Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten ist nicht kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen. Der Beklagte ist nicht „Dritter“ i.S.v. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.

a)

Dritter ist grundsätzlich, wer weder Versicherungsnehmer noch Mitversicherter ist (vgl. BGH, NJW 2008, 1737 f.; Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl., § 86 Rdnr. 13 jeweils m.w.Nachw.). Ohne dass die Klägerin das Versicherungsverhältnis auch nur ansatzweise dargelegt hätte, ist aufgrund der als Anlage K 1 vorgelegten Police zu vermuten, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer des Objekts F. in B. Versicherungsnehmerin der Wohngebäudeversicherung ist. Weiterhin ist zu unterstellen, dass es sich um eine sog. verbundene Gebäudeversicherung handelt, also auch Schäden am Sondereigentum gedeckt sind und es sich bei den einzelnen Eigentümern um Mitversicherte handelt. Anderes darzulegen, oblag der Klägerin. Bereits die Beklagte hatte in der Klageerwiderung vom 12.03.2012 auf Seite 8 bemängelt, dass hinreichende Angaben zu Gegenstand und Umfang des Versicherungsschutzes fehlen. Weiterer Hinweise des Gerichts bedurfte es diesbezüglich gegenüber der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht.

In der geschilderten Versicherungskonstellation fallen also zunächst solche Schäden nicht unter § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, die ein Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum oder am Sondereigentum anderer Eigentümer verursacht. Denn der einzelne Wohnungseigentümer ist nicht „Dritter“ im Sinne der genannten Vorschrift (vgl. BGH, VersR 2001, 713; OLG Köln, NVersZ 2000, 140). Mit anderen Worten waren die vom Beklagten verwalteten Wohnungen in der bei der Klägerin unterhaltenen Versicherung mitversichert.

b)

Mit der Anordnung der Zwangsverwaltung ist der Beklagte in Bezug auf die betroffenen Wohnungen nicht ohne weiteres in das bestehende Versicherungsverhältnis eingetreten. In seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter wurde er nicht automatisch Rechtsnachfolger der Versicherungsnehmerin bzw. der mitversicherten Wohnungseigentümer (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 394). Er war im Rahmen des § 152 ZVG auch grundsätzlich weder zu einem Eintritt in den Versicherungsvertrag verpflichtet, noch an bestehende Versicherungsverträge gebunden.

Der vorliegende Fall rechtfertigt nach Ansicht der Kammer jedoch eine andere Handhabung. Der Beklagte hat als Ausgaben der Zwangsverwaltung u.a. die anteiligen Prämien für die bei der Klägerin bestehende Gebäudeversicherung bestritten. Sie sind mit 182/1.000 auf die gegenständliche Wohnung im 2. Obergeschoss entfallen. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den für die Jahre 2008 und 2009 vorgelegten Abrechnungen der Hausverwaltung (Anlage B 3). Soweit die Klägerin sich hierüber mit Nichtwissen erklärt hat, war dies unzureichend (§ 138 Abs. 4 ZPO). Denn als Rechtsnachfolgerin der Geschädigten – insbesondere der Wohnungseigentümergemeinschaft – war es der Klägerin möglich und zumutbar, sich über etwaige Zahlungen des Beklagten zu informieren und zu dessen Sachvortrag qualifiziert Stellung zu nehmen (§ 138 Abs. 2 ZPO).

Der Beklagte hat damit zu erkennen gegeben, dass er an dem bestehenden Versicherungsschutz für etwaige Beschädigungen an den zwangsverwalteten Wohnungen festhalten will. Damit ist auch das auf diese Wohnungen bezogene Interesse des Beklagten durch die Versicherung geschützt. Der vorliegend behauptete Schaden unterscheidet sich weder wirtschaftlich noch qualitativ von einem solchen Schaden, der ohne Vorsatz durch die Eigentümer K. oder durch einen in deren Sphäre angesiedelten technischen Defekt verursacht worden wäre. Das jeweilige Eigentumsinteresse ist identisch. § 154 ZVG rechtfertig keine andere Betrachtungsweise. Insbesondere begründet er keinen vom Verhältnis der Wohnungseigentümer abweichenden Haftungsmaßstab.

Wer – wie der Beklagte – aus den seiner Zwangsverwaltung unterliegenden Mitteln Prämien zu bestehenden Versicherungsverhältnissen beisteuert, ist somit im Hinblick auf Schäden, die von der verwalteten Immobilie ausgehen, nicht als schädigender Dritter i.S.v. § 86 Abs. 1 VVG anzusehen. Auch ohne ausdrückliche rechtsgestaltende Erklärung kommen diese Umstände einem Eintritt in das Versicherungsverhältnis gleich.

2.

Die Klage hat im Übrigen auch deshalb auch keinen Erfolg, weil die Klägerin den geltend gemachten Schaden nicht hinreichend dargelegt hat.

Es mangelt bereits daran, dass nicht klargestellt und differenziert worden ist, welche konkreten Schäden, am Gemeinschafts- und/oder am Sondereigentum entstanden sein sollen. Dadurch können weder der Beklagte noch das Gericht ermessen, ob es sich überhaupt um versicherte Schäden handelt, für die die Klägerin einstandspflichtig war. Es bleibt unklar, wer ursprünglicher Schadensersatzgläubiger war und mithin auch, ob Ansprüche der Versicherungsnehmerin oder Ansprüche einzelner mitversicherter Wohnungseigentümer auf die Klägerin übergegangen sein sollen.

Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, mittels des nicht weiter erläuterten Anlagenkonvoluts K 9 selbst die erforderliche Zuordnung vorzunehmen. Dies obliegt in dem vom Beibringungsgrundsatz bestimmten Zivilprozess der beweisbelasteten Klagepartei. Hierauf bezogen sich sowohl die Einwände des Beklagten als auch die Hinweise des Gerichts. Weitere prozessleitende Maßnahmen waren folglich nicht veranlasst.

Die Tabelle in Anlage K 4 ist für Beweiszwecke ungeeignet. Ohne hinreichende Tatsachengrundlage ist darüber hinaus unklar, worauf sich die Aussagen der benannten Zeugen S. und P. beziehen sollen. Ihre Einvernahme liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus, dem folglich nicht nachzugehen ist. In seiner Pauschalität ebenso wenig dem Sachverständigenbeweis zugänglich, ist die durch nichts untermauerte Behauptung eines sog. Zeitwertschadens von insgesamt 65.740,56 €.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 S. 2 ZPO.

 

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