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Versicherung für Wassersportfahrzeuge – Ersatzanspruch wegen eines Motorschadens

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 84/11 – Urteil vom 16.08.2011

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21.12.2010 – Aktenzeichen: 11 O 360/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Versicherung Leistungen aus einer Sportboot-Kaskoversicherung aufgrund eines Motorschadens.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines motorisierten Sportbootes, für das bei der Beklagten eine Sportboot-Kaskoversicherung besteht, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kasko-Versicherung von Wassersportfahrzeugen vom 01.01.1985 (AVB Wassersportfahrzeuge 1985 in Folgenden AVBW) zugrunde liegen. Diese bestimmen u.a.:

3 Umfang der Versicherung

3.1 Der Versicherer trägt alle Gefahren, denen die versicherten Sachen während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind.

3.3.1 Schäden an

– der Maschinenanlage,

nur, wenn sie durch Unfall des Fahrzeugs, Brand, Blitzschlag, Explosion, höhere Gewalt oder Diebstahl, mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen verursacht worden sind.

3.4 Der Versicherer leistet keinen Ersatz für Schäden, verursacht durch

3.4.2 – …

– Frost, Eis, Sonneneinwirkung, Regen, Schnee,

Die Klägerin hat behauptet, während einer Fahrt auf dem Rhein am 23.05.2009 sei es infolge der Unterbrechung der Kühlwasserzufuhr durch eine Kunststoffplane zu einer Überhitzung des Motors des versicherten Bootes und dadurch zu einem Motorschaden gekommen.

Die Klägerin hat daher beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin –

1. EUR 7.285,47 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 07.11.2009 zu zahlen,

2. vorgerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 661,16 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 07.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat behauptet, es liege ein nicht versicherter Frostschaden am Motor des versicherten Bootes vor.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Der Schaden am Motor des klägerischen Bootes beruhe auf Frosteinwirkung, weshalb die Beklagte leistungsfrei sei gleichgültig, ob Ziff. 3.4.2 AVBW eine Risikobeschränkung darstelle oder eine verhüllte Obliegenheit. Die Klägerin habe nämlich den Motor nicht hinreichend winterfest gemacht. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Die vom erstinstanzlich bestellten Sachverständigen aufgrund des festgestellten Schadensbildes gezogene Schlussfolgerung, dass ein Frostschaden infolge unzureichender Entwässerung des Motors im Bereich um dessen Laufbuchsen vorliege, sei durch nichts belegt, weshalb ihr nicht gefolgt werden könne. Es seien vielmehr sämtliche wasserführenden Behältnisse und Anlagen ordnungsgemäß entleert und der Motor eingewintert worden. Wäre die Annahme des Sachverständigen zutreffend, so hätte das Boot nicht nach der Winterpause bis zum 23.05.2009 über eine Strecke von 80 bis 90 km bewegt werden können.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Versicherung für Wassersportfahrzeuge - Ersatzanspruch wegen eines Motorschadens
Symbolfoto: Von Patrick Thomas/Shutterstock.com

Die landgerichtliche Begründung trägt die Klagabweisung allerdings nicht, denn im Hinblick darauf, dass ein Versicherungsfall im Jahr 2009 in Rede steht, hätte angesichts der Regelung des § 28 Abs. 2 VVG nicht offen bleiben dürfen, ob die Beklagte sich auf einen Risikoausschluss oder die Verletzung einer „verhüllten“ Obliegenheit beruft. Im Ergebnis hat das Landgericht aber zutreffend entschieden. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf die begehrte Ersatzleistung (Ziff. 6 AVBW) nicht zu.

1. Überwiegend wird angenommen, dass bei einem Schaden an der Maschinenanlage eines versicherten Wassersportfahrzeugs abweichend von der grundsätzlich versprochenen Allgefahrenversicherung (Ziff. 3.1 AVBW) lediglich eine gegenstandsbezogene Einzelgefahrendeckung besteht (Ziff. 3.3 und 3.3.1 AVBW). Der Versicherungsnehmer müsste demnach den Nachweis führen, dass der Motorschaden durch eine dort benannte Gefahr – vorliegend insbesondere einen Unfall – verursacht wurde (vgl. OLG Hamburg VersR 1983, 431-434 [431 f.]; Prölss/Martin – Knappmann, VVG, 28. Aufl. 2010, Nr. 3 AVBW 2008 Rn. 8; Thume/de la Motte/Ehlers – Gerhard, Transportversicherungsrecht, 2. Aufl. 2011, Teil 6 AVB-Kaskoversicherung Rn. 777 und Ross, Wassersportkaskoversicherung, 1999, Seite 104 f.). Einen solchen Unfall macht die Klägerin geltend, denn die Behinderung der Kühlwasserversorgung durch eine aufgefangene Plastikplane ist ein plötzlich von außen einwirkender Umstand (Knappmann a.a.O. Rn.9).

Diese Auslegung der Versicherungsbedingungen erscheint dem Senat allerdings im Hinblick auf die eingangs in Ziff. 3.1 AVBW von der Beklagten versprochene Allgefahrendeckung bedenklich; es liegt – insbesondere auch im Hinblick auf die Konsequenzen für die Beweislast (vgl. hierzu auch Heppe, Bedingungen in der Sportbootversicherung, 2005, Seite 217) – nach Auffassung des Senats näher, in Ziff. 3.3.1 AVBW keine primäre, sondern vielmehr eine sekundäre Risikobeschreibung (vgl. hierzu Beckmann/Matusche-Beckmann – Lorenz, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 1 Rn. 146) zu sehen. Damit würde die Beklagte als Versicherer die Beweislast dafür tragen, dass der – hier unstreitige eingetretene – Schaden an der Maschinenanlage weder auf einem Unfall des Fahrzeugs noch auf den sonstigen in Ziff. 3.3.1 AVBW aufgeführten Ursachen beruht.

2. Eine Leistungspflicht der Beklagten scheitert jedenfalls daran, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass an der streitgegenständlichen Maschinenanlage ein Frostschaden eingetreten ist. Ein solcher ist nicht versichert.

a) Der Frostbruch eines Motorblocks ist zum einen ein Vorgang, der mangels von außen kommender mechanischer Einwirkung auf das Fahrzeug auch aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht als Unfall verstanden wird.

b) Zum anderen liegen hier auch die Voraussetzungen von Ziff. 3.4.2 AVBW vor, wonach die Beklagte keinen Ersatz für Schäden zu leisten hat, die durch Frost verursacht sind. Hierbei handelt es sich um eine sekundäre Risikobegrenzung im Sinne eines Risikoausschlusses (vgl. auch OLG Schleswig VersR 1983, 1183-1184 [1183] und Thume/de la Motte/Ehlers – Gerhard, Transportversicherungsrecht, 2. Aufl. 2011, Teil 6 AVB-Kaskoversicherung Rn. 796 und 800).

(a) Ob eine Versicherungsbedingung eine solche Risikobegrenzung oder eine (auch verhüllte) Obliegenheit darstellt, richtet sich nicht in erster Linie nach dem Wortlaut und der Stellung der Versicherungsklausel. Entscheidend ist vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klausel. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung (vgl. BGH VersR 2000, 969-970 [juris Tz. 11]; 1987, 1109-1111 [juris Tz. 8]; Senat VersR 1990, 786 [786]; Prölss/Martin – Prölss, VVG, 28. Aufl. 2010, § 28 Rn. 11 und Römer/Langheid – Römer, VVG, 2. Aufl. 2003, § 6 Rn. 7; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist auch für diese Auslegung, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGH VersR 2000, 969-970 [juris Tz. 13]).

(b) Aus Sicht eines solchen Versicherungsnehmers fordert die Ausnahme von Frostschäden aus dem Versicherungsschutz von ihm aber nicht in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass durch die Versagung von Versicherungsschutz für Frostschäden angesichts deren vielgestaltiger Erscheinungsformen gar kein konkretes, für den Versicherungsnehmer hinreichend erkennbares Verhalten umschrieben wird, das zur Verminderung dieser Gefahr oder Verhütung einer entsprechenden Gefahrerhöhung geboten ist (vgl. auch BGH VersR 1985, 979-981 [juris Tz. 14]). Der Ausschluss der Frostgefahr enthält vielmehr eine individualisierende Beschreibung und objektive Voraussetzung eines bestimmten Wagnisses – Frost –, für das die Beklagte als Versicherer von vornherein keinen Versicherungsschutz gewähren will (vgl. auch BGH VersR 2006, 215-217 [juris Tz. 21] und Beckmann/Matusche-Beckmann – Marlow, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 13 Rn. 16). Für diese Auslegung spricht aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers darüber hinaus ferner der Umstand, dass in den Versicherungsbedingungen die ausgeschlossenen Gefahren durch Frost und Eis neben den aus Sonneneinwirkung, Regen und Schnee herrührenden Risiken stehen. Auch bei letzteren handelt es sich um äußere, durch das Verhalten des Versicherten allenfalls in sehr begrenztem Umfang beeinflussbare Einwirkungen auf die versicherte Sache und damit entsprechende Risikobegrenzungen. Für die genannten Witterungs- und Temperatureinflüsse wird daher von der Beklagten von vornherein kein Versicherungsschutz versprochen (vgl. auch Thume/de la Motte/Ehlers – Gerhard, Transportversicherungsrecht, 2. Aufl. 2011, Teil 6 AVB-Kaskoversicherung Rn. 800 sowie – zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) – Halm/Kreuter/Schwab – Stomper, AKB, 1. Aufl. 2010, Ziff. A.2.3 AKB 2008 Rn. 679).

c) Aufgrund des – im Senatstermin ergänzten – Gutachtens des Sachverständigen steht zur Überzeugung des Senats fest (§ 286 ZPO), dass ein nach den zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen ausgeschlossener Frostschaden an der Maschinenanlage des versicherten Bootes vorliegt. Der Sachverständige hat aufgrund des von ihm bei der Besichtigung angetroffenen Schadensbildes – Risse im Motorblock sowohl auf der Innenseite der A- und B-Reihe wie auch an den Außenseiten des Blockes – eindeutig ein Auffrieren des Motorblocks infolge unzureichender Entwässerung des mit einer Durchlaufkühlung versehenen Motors im Bereich um die Laufbuchsen festgestellt. Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige dies dahin präzisiert, dass sich die vorhandenen Risse im Bereich der das Kühlwasser führenden Kanäle des Motorblocks befinden und sie dadurch entstanden sind, dass sich dort gefrierendes Kühlwasser ausgedehnt hat. Er hat ferner nachvollziehbar erläutert, dass bei einem Überhitzungsschaden ein anderes Schadensbild – insbesondere zumindest Fressspuren an Kolben und den Laufbuchsen – entsteht, das vorliegend nicht gegeben war. Ebenfalls überzeugend hat der Sachverständige dargelegt, dass die von der Klägerin geschilderte Fahrtstrecke von ca. 80 km nach der Winterpause durchaus denkbar sei, bevor sich der Schaden offenbarte. Dies folge daraus, dass sich die vorhandenen Risse aufgrund der Verzahnung des Materials erst dann öffnen und es zu einem Kühlwasserverlust kommt, wenn der Motor zumindest Betriebstemperatur erreicht hat. Es ist daher durchaus denkbar, dass der Frostschaden erst im Zusammenhang mit der von der Klägerin geschilderten Unterbrechung der Kühlwasserzufuhr durch eine Kunststoffplane und dem damit verbundenen Wärmestau bemerkbar zu Tage trat. Dass ändert indessen nichts daran, dass der durch die frostbedingten Risse verursachte Schaden – wie der Sachverständige überzeugend erläutert hat – bereits zuvor mit deren Entstehung eingetreten war, da schon das Vorhandensein der Risse einen Defekt des Aggregats bedeutete, der dessen Austausch erforderlich machte.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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