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Pflicht des Kfz-Versicherers zum Hinweis auf Beschränkung Versicherungsschutz auf Europa

OLG Hamm – Az.: I-20 U 198/19 – Beschluss vom 15.01.2020

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin aus der Berufungsbegründung vom 30.12.2019 greifen nicht durch.

1.

Der Klägerin steht weder aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag noch unter Schadensersatzgesichtspunkten ein Anspruch auf Zahlung von 9.292,07 EUR nebst Zinsen zu.

a)

Ein entsprechender Anspruch ergibt sich nicht aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 S. 1 VVG zu.

aa)

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Versicherungsschutz für die Kaskoversicherung in A.2.4 der dem Vertrag zugrunde liegenden „Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung“ (im Folgenden: AKB, Bl. 325 ff. der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz, im Folgenden: eGA-I) in geographischer Hinsicht wirksam auf Europa und die zum Geltungsbereich der Europäischen Union gehörenden Gebiete beschränkt. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ereigneten sich die beiden von ihr behaupteten Unfälle jedoch im asiatischen Teil der Türkei und damit außerhalb des in A.2.4 AKB bezeichneten Gebiets.

bb)

Die in erster Instanz aufgestellte Behauptung der Klägerin, sie habe mit dem Mitarbeiter I ausdrücklich besprochen, dass ihr auch ein Versicherungsschutz für das Gebiet der Türkei wichtig sei (eGA-I 12, 287), ist für die Frage des Bestehens eines vertraglichen Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte unerheblich. Denn die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten (eGA-I 182, 299), wonach es sich bei Herrn I um einen im Versicherungsmaklerbüro „D“ tätigen Makler handele, nicht entgegen getreten. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Umstand, dass Herr I im Kopf des Versicherungsscheins (eGA-I 18) unter der Überschrift „Es betreut Sie: […]“ aufgeführt ist, an dieser Beurteilung nichts ändert. Die Voraussetzungen, unter denen eine Erklärung gegenüber Herrn I Wirkung für und gegen die Beklagte entfaltete, liegen angesichts dessen nicht vor. Ob für den Fall, dass die Klägerin die behauptete Erklärung gegenüber dem Makler abgegeben hat, Schadensersatzansprüche gegen diesen bestünden, bedarf hier keiner Entscheidung.

bb)

Dem Vorbringen in der Berufungsbegründung, die Übersendung der grünen Versicherungskarte, in der unstreitig das Länderkürzel „TR“ nicht gestrichen war, führe zu einer individualvertraglichen Erweiterung des Versicherungsschutzes, vermag der Senat nicht zuzustimmen. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, betrifft die grüne Versicherungskarte unmittelbar nur den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung. Ein verständiger Versicherungsnehmer konnte die Übersendung dieser grünen Versicherungskarte vorliegend schon deshalb nicht als Angebot auf eine räumliche Erweiterung des Kasko-Versicherungsschutzes verstehen, weil auf der von der Klägerin selbst als Anlage K7 überreichten Versicherungskarte (eGA-I 296) ein ausdrücklicher Hinweis vermerkt ist, wonach es hinsichtlich der Kaskoversicherung beim Versicherungsschutz für Europa und die außerhalb Europas liegenden Gebiete der Europäischen Union verbleibt.

b)

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht unter Schadensersatzgesichtspunkten aus § 6 Abs. 5 VVG, der für bedarfsbezogene Pflichten und deren Verletzung eine Sonderregelung gegenüber den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. Prölss/Martin-Rudy, VVG, 30. Aufl. 2018, § 6 Rn. 74).

aa)

Für ein eventuelles Beratungsverschulden bei Abschluss des Vertrages nach § 6 Abs. 1 VVG gilt dies schon deshalb, weil im Sinne von § 6 Abs. 6 VVG der Vertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt wurde und die in Abs. 5 der Vorschrift normierte Schadensersatzverpflichtung danach nicht anzuwenden ist.

Auf die in der Berufungsbegründung angesprochene Frage, ob sich die Beklagte schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wegen des Nachnamens der Klägerin Gedanken dazu machen musste, warum und mit welchen Umfang diese Auslandsversicherungsschutz beantragte, kommt es angesichts dessen nicht an.

bb)

Aber auch während der Vertragslaufzeit, insbesondere im Zeitpunkt der Beantragung der grünen Versicherungskarte seitens der Klägerin und deren anschließender Zusendung durch die Beklagte, lag eine Pflichtverletzung gemäß § 6 Abs. 4 VVG nicht vor.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass ein Hinweis des Versicherers auf die räumliche Beschränkung des Kasko-Versicherungsschutzes nicht schlechthin erforderlich ist, sondern nur dann, wenn für den Versicherer Umstände erkennbar sind, aus denen sich ein entsprechender Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers ergibt. Das folgt bereits aus dem Wortlaut von § 6 Abs. 4 S. 1 VVG, wonach eine Verpflichtung zur Beratung besteht, „soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist“ (vgl. aber schon für die Zeit vor Inkrafttreten des § 6 VVG n.F. BGH, Urteil vom 13.04.2005 – IV ZR 86/04, VersR 2005, 824, juris Rn. 13; vgl. auch  Senat, Beschluss vom 01.10.1999 – 20 W 18/99, Schaden-Praxis 2000, 176).

(1)

Ob ein solcher Beratungsanlass stets daraus folgt, dass ein türkischer Versicherungsnehmer für den Versicherungsnehmer erkennbar eine Auslandsreise plant und daher die Ausstellung einer grünen Versicherungskarte verlangt (so z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 08.04.1993 – 7 U 263/92, Schaden-Praxis 1993, 188; vgl. auch Senat, Urteil vom 30.11.1990 – 20 U 179/90, zFSch 1991, 97), kann hier dahinstehen. Denn unstreitig ist die Klägerin deutsche Staatsangehörige.

(2)

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach sich aus dem Nachnamen der Klägerin in Verbindung mit der Beantragung der grünen Versicherungskarte keine Aufklärungspflicht der Beklagten ergibt, und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung. Nur ergänzend ist anzumerken, dass die nicht nur wie dargelegt Deutsche ist, sondern zudem in dem von ihr gestellten Antrag unter anderem angegeben hatte, den Führerschein 1995 in Deutschland erworben zu haben (eGA-I 199), was aus Sicht der Beklagten jedenfalls dafür sprach, dass die Klägerin bereits seit vielen Jahren in Deutschland lebte. Dabei gilt, dass das Mitführen einer grünen Versicherungskarte für eine Vielzahl von (Urlaubs-)Ländern vorgeschrieben oder empfohlen wird. Insgesamt bestanden vor diesem Hintergrund für die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass seitens der Klägerin oder ihres Ehemannes eine Urlaubsreise in die Türkei geplant war. Schließlich ist die vorliegende Fallgestaltung auch nicht mit der vom BGH im Urteil vom 13.04.2005 (IV ZR 86/04, VersR 2005, 824) entschiedenen vergleichbar, weil die Klägerin selbst nicht behauptet, die Beklagten bei der Beantragung der grünen Versicherungskarte ausdrücklich auf die beabsichtigte Türkeireise hingewiesen zu haben.

(3)

Mithin ist eine Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten aus § 6 Abs. 4 VVG vorliegend nur deshalb denkbar, weil die Beklagte eine grüne Versicherungskarte ausstellte, in der das Länderkürzel für die Türkei nicht gestrichen war, und weil dadurch bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer unabhängig davon, dass sich die grüne Versicherungskarte nur auf die Haftpflichtversicherung bezieht, ohne eine entsprechende Klarstellung die Fehlvorstellung entstehen kann, er genieße auch für die Kaskoversicherung Versicherungsschutz im gesamten Gebiet der Türkei (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 29.09.1999 – 2 U 157/99, NVersZ 2000, 388).

Indes hat die Beklagte eine Klarstellung vorgenommen. Das Landgericht hat völlig zutreffend darauf abgestellt, dass sich auf der von der Klägerin selbst vorgelegten grünen Versicherungskarte der ausdrückliche Hinweis befand, dass es für den Bereich der Kaskoversicherung bei der räumlichen Beschränkung auf das Gebiet von Europa und der außereuropäischen Gebiete der Europäischen Union verbleibe (Anl. K7, eGA-I 296).

Damit wurde eine entsprechende Belehrung hier, anders als im vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall, erteilt.

2.

Ob die Beklagte womöglich auch wegen einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin leistungsfrei wäre, kann angesichts des Vorstehenden dahinstehen. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass für die Höhe eines etwaigen Anspruchs der Klägerin ohnehin nicht der von ihr behauptete Kaufpreis maßgeblich wäre, weil dies gemäß A.2.5.1.8 AKB in Verbindung mit A.2.2.6.4 AKB nur für PKW gilt, bei denen im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls die Erstzulassung höchstens 36 Monate zurückliegt, was bezogen auf das Fahrzeug der Klägerin unstreitig nicht der Fall ist.

3.

Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache kann die Klägerin auch nicht den Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen.

II.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

Auf diesen Hinweisbeschluss wurde die Berufung zurückgenommen.

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