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Unfallversicherung – Zeitpunkt für Erstbemessung der Invalidität

Neue Maßstäbe für die Erstbemessung der Invalidität in der Unfallversicherung: OLG Dresden setzt klares Signal

Die Unfallversicherung und die damit verbundenen Invaliditätsansprüche sind komplex und oftmals strittig. Ein jüngst veröffentlichtes Urteil des OLG Dresden (Az.: 4 U 322/20) liefert neue Erkenntnisse zur Behandlung der Erstbemessung der Invalidität. Im Kern dieses rechtlichen Disputs geht es um die entscheidende Frage: Wann ist der korrekte Zeitpunkt für die Erstbemessung der Invalidität nach einem Unfall?

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 322/20 >>>

Beeinflussung der Invaliditätsfeststellung

Zentral für das Urteil ist die Feststellung, dass die Drei-Jahres-Frist für die Erstbemessung der Invalidität nur in Ausnahmefällen relevant ist – nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Invaliditätsansprüche vor Ablauf dieser Frist gerichtlich geltend macht. In diesem Fall sollen alle Streitigkeiten innerhalb dieses Prozesses geklärt werden, einschließlich möglicher weiterer Invaliditätsfeststellungen. Interessanterweise sind weder der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch der Zeitpunkt der vom Versicherer angeordneten ärztlichen Invaliditätsfeststellung maßgebend für die Erstbemessung. Letzteres unterliegt vielmehr der zeitlichen Zufälligkeit, abhängig von der Meldung des Unfallereignisses und der Beauftragung eines ärztlichen Gutachters.

Bestimmung der Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung

Das Gericht legt dar, dass es bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit einer Beeinträchtigung darauf ankommt, ob diese voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und keine Änderung des Zustandes zu erwarten ist. Relevant ist hierbei der Zustand, der drei Jahre nach dem Unfall vorliegt und zu diesem Zeitpunkt erkennbar ist. Allerdings wird dabei nicht in Betracht gezogen, ob später eintretende, unvorhersehbare gesundheitliche Entwicklungen die Prognoseentscheidung im Nachhinein verändern könnten.

Bewertung des Grad der Invalidität

Entscheidend in der Invaliditätsbemessung ist auch die Prognose des Sachverständigen bezüglich des zu erwartenden Heilungsverlaufs. Im vorliegenden Fall wurde eine Invalidität von 52,5% aufgrund eines Armwertes von 15/20 festgestellt. Allerdings konnte das Landgericht aus der Stellungnahme des Sachverständigen ableiten, dass bereits zum Zeitpunkt der Beurteilung die Prognose gerechtfertigt war, dass sich der Armwert auf 10/20 verbessern wird. Diese Prognose war aufgrund einer exzellenten chirurgischen Versorgung und der Tatsache, dass der Versicherte noch jung war und eine gerade Durchtrennung der Nerven durch eine Schnittverletzung vorlag, begründet.

Konsequenzen für zukünftige Fälle

Dieses Urteil des OLG Dresden bringt einige wichtige Aspekte für die Behandlung von Fällen im Bereich der Unfallversicherung zum Vorschein. Es unterstreicht die Bedeutung der individuellen Umstände und der medizinischen Prognosen in der Beurteilung der Invalidität und ihres Grades. Damit setzt es einen wichtigen Präzedenzfall für die zukünftige Behandlung ähnlicher Sachverhalte in der Unfallversicherung.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 322/20 – Beschluss vom 05.08.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.08.2020 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 73.525 EUR festzusetzen.

Gründe

I.

Die Klägerin schloss für ihren am 06.11.1995 geborenen Sohn (im Folgenden Versicherter) mit der Beklagten zwei Unfallversicherungsverträge ab, in denen die Zahlung einer Unfallrente bei einem Invaliditätsgrad ab 50% in Höhe von 615,00 € und 250,00 € jeweils monatlich vereinbart worden war (Anlage K1 und K2). Den Versicherungen liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (FA-AUB 2008) der Beklagten (Anlage E 3) zugrunde, die u. a. folgende Regelungen enthalten:

2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung:

2.1.1.1 Die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person ist unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt (Invalidität). Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann.

Die Invalidität ist

– innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

– innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich, die folgenden Invaliditätsgrade:

Arm 70%

Hand 55%

Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes.

9.1 Wir sind verpflichtet, innerhalb eines Monats – beim Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten – in Textform zu erklären, ob und in welchem Umfang wir einen Anspruch anerkennen. Die Fristen beginnen mit dem Eingang folgender Unterlagen:

– Nachweis des Unfallherganges und der Unfallfolgen,

– beim Invaliditätsanspruch zusätzlich der Nachweis über den Abschluss des Heilverfahrens, soweit es für die Bemessung des Invaliditätsgrades notwendig ist.

9.4 Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen. … Dieses Recht muss

– von uns zusammen mit einer Erklärung über unsere Leistungspflicht nach Ziffer 9.1,

– von Ihnen vor Ablauf der Frist ausgeübt werden.

Am 03.06.2014 stürzte der Versicherte mit dem rechten Oberarm auf einen Blumentopf, der zersplitterte. Der Versicherte zog sich dabei tiefe Schnittverletzungen am Oberarm zu, die noch am Unfalltag im Klinikum … gGmbH in L… operativ versorgt wurden. Hierbei wurde eine Verletzung des Nervus ulnaris, des Nervus medianus, der Arteria brachialis des Oberarmes sowie von Teilen der M. biceps und M. triceps diagnostiziert. Am 15.01.2015 konnte eine motorisch komplette Parese des Nervus ulnaris und des Nervus medianus, Atrophie und Hypästhesien festgestellt werden. Am 13.04.2015 bestätigte Dr. G… einen nahezu vollständigen Funktionsverlust der rechten Hand und ein Streckdefizit des rechten Armes. Die Frage, ob die Unfallverletzungen vollkommen abheilen werden, verneinte er, die sichere Feststellung eines Dauerschadens sei nach zwei Jahren möglich. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 05.05.2015 (Anlage K10), dass sie den Schadensfall bis Juni 2016 zurückstellen werde. Auf Veranlassung der Württembergischen Versicherungs AG, bei der der Vater des Versicherten eine weitere Unfallversicherung für den Kläger hält, wurde ein Gutachten erstellt und der Grad der Funktionsbeeinträchtigung des Armes von Dr. G… am 13.07.2015 auf 2/3 Armwert (Anlage K11) bemessen. Ebenfalls auf Veranlassung der Württembergischen Versicherungs AG wurde am 25.10.2016 von dem Facharzt für Chirurgie Dipl. med. H… eine dauernde Beeinträchtigung des rechten Armes auf 3/5 Armwert geschätzt (Anlage K12). Das von der YYY Versicherungs AG eingeholte nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. B… vom 07.09.2017 (Anlage B5) kam zu einem Armwert von 5/10. Mit Schreiben vom 26.09.2017 lehnte die Beklagte Leistungen aus den Unfallversicherungen ab, weil nur ein Invaliditätsgrad von 35% vorliege. Mit der am 06.02.2018 erhobenen Klage begehrt die Klägerin Zahlung einer monatlichen Invaliditätsrente in Höhe von 865,00 € für die Vergangenheit und Zukunft.

Sie hat behauptet, es liege eine Invalidität von 55% vor. Im Hinblick auf die Beschwerden und Funktionseinschränkungen, die auch der Gutachter Dipl. med. H… festgestellt habe, liege praktisch Einhändigkeit vor. Es sei nicht der aktuelle Gesundheitszustand entscheidend, sondern der am 25.10.2016 vom Gutachter Dipl. med. H… festgestellte. Die Parteien hätten nicht vereinbart, dass der Bewertungsstichtag nach dem Ablauf der 3-Jahres-Frist liegen solle.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L… eingeholt, der den Versicherten untersucht und sodann die Invalidität wie folgt bemessen hat: zum Stichtag 03.06.2015 auf 15/20 Armwert, zum 21.10.2016 auf 15/20 Armwert, zum 03.06.2017 auf 15/20 Armwert und zum 30.01.2019 (Untersuchungszeitpunkt) auf 10/20 Armwert. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.07.2019 hat er eingeschätzt, dass es sich hierbei um einen zu erwartenden und keinen ungewöhnlich günstigen Heilungsverlauf handele.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.01.2020 abgewiesen. Es hat angenommen, dass maßgeblicher Stichtag der 03.06.2015 sei, jedoch die Sachverständigenschätzung von 15/20 die erforderliche Prognoseentscheidung unberücksichtigt gelassen habe. Die Entwicklung und damit das Sinken des Invaliditätsgrades auf 10/20 am 30.10.2019 sei aber vorhersehbar gewesen, so dass die Invalidität richtigerweise bereits für den Stichtag 03.06.2015 mit 10/20 zu bemessen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie beanstandet, dass das Landgericht die Sachverständigenbewertung des Dipl.-Med. H… außer Acht gelassen habe, der am 25.10.2016 eine Einschränkung des Armwertes von 3/5 zugrunde gelegt habe und von dem Erreichen des Endzustandes ausgegangen sei. Es sei keineswegs – wie der Gutachter pauschal behauptet habe – von einem zu erwartenden Heilungsverlauf auszugehen. Es hätte daher von einem Armwert von 15/20 ausgegangen werden müssen. Bessere Prognosegrundlagen würden sich auch nicht aus den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L… ergeben.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, denn eine Invalidität von 50% kann nicht festgestellt werden. Es fehlt an einer dauerhaften Beeinträchtigung.

1.

Maßgeblicher Stichtag für die Beurteilung der Invalidität ist der 03.06.2015 – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15 – juris) ist zwischen Erstbemessung der Invalidität (§ 180 VVG) und ihrer Neubemessung (§ 188 VVG) zu unterscheiden. Eine Neubemessung der Invalidität kommt erst nach vorangegangener Erstbemessung in Betracht. Maßgeblich für die Erstbemessung ist der Zeitpunkt des Ablaufs der vereinbarten Invaliditätsfrist – hier ein Jahr – (vgl. BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 18.10.2017 – IV ZR 188/16 Rn. 18 – juris). Auf die Drei-Jahres-Frist kommt es nur ausnahmsweise an, wenn der Versicherungsnehmer noch vor Ablauf dieser Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend macht (BGH, Urteil vom 18.10.2017 – IV ZR 188/16 – juris). In einem solchen Fall gehen nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die Prozessbeteiligten typischerweise davon aus, dass der Streit insgesamt in dem vor Fristablauf eingeleiteten Prozess ausgetragen werden soll einschließlich etwaiger weiterer Invaliditätsfeststellungen (so BGH a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Frist für die Neufestsetzung in Ziffer 9.4 der AUB 2008 beträgt drei Jahre und wäre am 03.06.2017 abgelaufen. Die Klage wurde jedoch erst am 08.02.2018 – und damit nach Fristablauf – erhoben. Ist das Neufestsetzungsverfahren – wie hier – mangels Erstfestsetzung nicht eröffnet, ist für die nur im Neufestsetzungsverfahren vorgesehene Befristung kein Raum. Wäre der Versicherer bei jeder medizinischen Unwägbarkeit berechtigt, drei Jahre schon mit der Erstbemessung zuzuwarten, liefe das dem System der AUB mit der Unterscheidung zwischen Erst- und Neubemessung zuwider (so BGH, Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15, Rn. 13). Auch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ist nicht entscheidend für die Erstbemessung (BGH a.a.O.). Ebenso wenig kommt es auf den Zeitpunkt der vom Versicherer veranlassten ärztlichen Invaliditätsfeststellung an (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15, Rn. 18 – juris). Ob und wann die ärztliche Invaliditätsfeststellung erfolgt, hängt vom Zeitpunkt der Meldung des Unfallereignisses, der Beauftragung eines ärztlichen Gutachters durch den Versicherer und der dann erfolgten ärztlichen Feststellungen ab. Diese zeitlichen Zufälligkeiten können nicht maßgebend für die Frage des Bestehens bedingungsgemäßer Invalidität sein (so BGH a.a.O.). Es ist auch nicht verständlich, warum es Einfluss auf den Bewertungsstichtag haben soll, wenn der Versicherungsnehmer (oder der Versicherte) sich auf Wunsch des Versicherers einer Begutachtung unterzieht. Dem allein kann ein Wille, mit einem anderen als dem in den AGB festgelegten Bewertungsstichtag einverstanden zu sein, nicht entnommen werden. Auch der Auffassung, dass auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der weitergehende Abschluss des Heilverfahrens erstmals eine zuverlässige Invaliditätsfeststellung zulasse, hat der Bundesgerichtshof eine Absage erteilt (Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15 – juris). Denn hier wird der Zeitpunkt für die Erstbemessung der Invalidität mit demjenigen der ärztlichen Feststellung sowie der Fälligkeit der Invaliditätsleistung nach Abschluss der erforderlichen Ermittlungen vermischt (so BGH a.a.O.). Aus dem Umstand, dass der Versicherte noch am 06.11.2016 eine Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärung (Anlage B 12) unterzeichnet hat, kann daher nicht entnommen werden, dass er konkludent einer Verschiebung des maßgeblichen Bemessungszeitpunktes zugestimmt hat. Die Begutachtung ist im Übrigen auch nicht von der Beklagten veranlasst worden, sondern von der Württembergischen Versicherungs AG (Anlage B 5). Auf dieses Gutachten bezieht sich im Wesentlichen der von der Beklagten beauftragte Neurologe Dr. D… in seiner Stellungnahme vom 29.10.2018 (B 9).

2.

Die Klägerin hat unstreitig binnen Jahresfrist die Ansprüche angemeldet. Es liegt auch eine fristgemäße ärztliche Invaliditätsfeststellung auf dem Formular der Beklagten (Anlage K 9) vor. Dabei sind an die ärztlichen Feststellungen keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht vielmehr eine Feststellung dem Grunde nach aus (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 05.02.2018 – 3 U 235/16 – juris). Aus dem ärztlichen Bericht vom 13.04.2015 ergibt sich, dass die Unfallverletzungen nicht mehr vollkommen abheilen werden, aber der Grad der Invalidität von mindestens 50% ärztlicherseits noch nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann. Dies genügt. Es ist nicht erforderlich, bereits in der ärztlichen Feststellung den Grad der Invalidität zu benennen.

3.

Es fehlt aber an einer dauerhaften Beeinträchtigung. Diese ist in Ziffer 2.1.1.1 AUB 2008 dahingehend definiert, dass die Beeinträchtigung voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit auf den drei Jahre nach dem Unfall vorliegenden und zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d. h. hinreichend prognostizierbaren, Dauerzustand abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2017 – IV ZR 188/16 Rn. 20 – juris). Es kommt aber nicht auf den Zustand nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist an. Dies bedeutet lediglich, dass auf der Grundlage des Erkenntnisstandes im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung rückschauend eine Betrachtung vorzunehmen ist, ob sich bezogen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist (hier ein Jahr) bessere tatsächliche Einsichten zu den Prognosegrundlagen bezüglich des Eintritts der Invalidität und ihres Grades eröffnen, nicht dagegen, ob spätere, unvorhersehbare gesundheitliche Entwicklungen die Prognoseentscheidung im Nachhinein verändern (BGH, Urteil vom 18.11.2015 – IV ZR 124/15 – juris).

Maßgebend ist damit der Grad der eingetretenen Invalidität am 03.06.2015 und die in der Rückschau zu diesem Zeitpunkt mögliche Prognoseentscheidung, ob die eingetretene Beeinträchtigung länger als drei Jahre bestehen werde und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Hiervon ist das Landgericht in zutreffender Weise ausgegangen.

Allerdings hat der Sachverständige für den Stichtag 03.06.2015 einen Armwert von 15/20 und damit eine Invalidität von 52,5% bestätigt. Das Landgericht hat der letzten Stellungnahme des Sachverständigen, dass es sich hier vorliegend um einen zu erwartenden Heilungsverlauf handelt, aber zu Recht entnommen, dass bereits zu dem Stichtag 03.06.2015 die Prognose gerechtfertigt war, dass sich der Armwert auf 10/20 verbessern wird. Der Sachverständige hat dies darauf gestützt, dass eine exzellente chirurgische Versorgung erfolgt sei, der Versicherte noch jung gewesen sei und bei der Primärversorgung eine gerade Durchtrennung der Nerven durch eine Schnittverletzung vorgelegen habe. Dies sind Umstände die bereits am 03.06.2015 bekannt waren und als Grundlage für eine Prognoseentscheidung herangezogen werden konnten. Der Sachverständige hat zudem seinen Standpunkt auf entsprechende medizinische Veröffentlichungen gestützt, aus denen sich eine „Erholung der muskulären Aktivität ab dem 3. Jahr“ ergebe.

Ohne Erfolg stützt sich die Klägerin auf das Gutachten des Arztes Dipl. med. H… vom 25.10.2016. Dieser hat die dauernde Beeinträchtigung des rechten Armes mit 3/5 Armwert bemessen. Dies entspricht einer Invalidität von nur 42%. Soweit er eingeschätzt hat, dass der Endzustand im Zeitpunkt der Begutachtung erreicht sei, hat er seine Auffassung nicht begründet.

Der Senat rät im Anschluss hieran zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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