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Unfallversicherung – Dauerhaftigkeit der Invalidität

OLG Hamm – Az.: I-6 U 4/16 – Urteil vom 07.07.2016

Die Berufung des Beklagten gegen das am 4.11.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 269.394,09 EUR bis zum 29.2.2016 und ab dem 1.3.2016 auf 69.800,00 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Mit der Klage hat die Klägerin hat vom Beklagten Rückzahlung von geleistetem Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherung geltend gemacht. Mit der Widerklage nimmt der Beklagte die Klägerin auf weitere Zahlung aus dem Unfallversicherungsvertrag in Anspruch.

Der am ……..1959 geborene Beklagte ist Handelsvertreter. Er hat sich im August 2010 in diesem Beruf selbstständig gemacht. Zuvor hatte er sich im April 2009 einem operativen Eingriff unterzogen, bei welchem im unteren Segment der Lendenwirbelsäule nach Ausräumung der Bandscheibe ein Implantat (sogenannter Coupler) zu dynamischer Stabilisierung und Versteifung eingebracht worden ist. Im Anschluss daran befand er sich im Sommer 2009 und im Frühjahr 2010 für jeweils einige Tage in einer Klinik für manuelle Therapie (Schmerztherapie).

Am 8.6.2010 schloss der Beklagte mit der Klägerin einen Unfallversicherungsvertrag ab. Vereinbart ist als Leistung bei Invalidität die Zahlung eines Kapitalbetrages von 200.000 EUR, bei Vollinvalidität zusätzlich eine Monatsrente von 1.000 EUR, sowie die Zahlung von Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld i. H. v. 100 EUR je Kalendertag (höchstens 10 Tage). Die monatliche Beitragsleistung beträgt 41,17 EUR. Die Parteien haben die Geltung der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) 2008 sowie der Zusatzbedingungen 3076:10 und 3320:08 vereinbart.

Unter Zi. 2 der AUB 2008 haben sie auszugsweise Folgendes bestimmt:

„Die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person ist unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt (Invalidität). Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Invalidität ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt in Textform festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden … Invaliditätsleistung zahlen wir als Kapitalbetrag… Es gelten ausschließlich die folgenden Invaliditätsgrade: …“ (Es folgen Angaben in Prozentsätzen) … „Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes… Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauerhaft beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Zi. 2.1.2.2.1 und Zi. 2.1.2.2.2 zu bemessen. “

Des Weiteren haben sie in Zi. 5 AUB 2008 folgende Regelung getroffen:

„Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:..

5.2.6 Krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden.“

In der Zusatzvereinbarung U 3076:10 (ZB exklusive 2008) haben die Parteien außerdem unter der Überschrift „Folgen psychischer und nervöser Störungen (zu Zi. 5.2.6 AUB 2008)“ Folgendes bestimmt:

„Folgen psychischer und nervöser Störungen, die im Anschluss an einen Unfall eintreten, sind mitversichert, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachten organische Erkrankung des Nervensystems zurückzuführen sind.

In der Zusatzvereinbarung 3320:08 (zu Zi. 2.1 AUB 2008) ist geregelt, dass für Invaliditätsgrade über 25% bis 50% je Invaliditätsgrad zusätzlich 2%-Punkte aus der vereinbarten Grundversicherungssumme geleistet werden.

Im Anschluss an einen – zwischen den Parteien in erster Instanz streitig gewesenen – Unfall des Beklagten am 3.1.2011 kam es zum Bruch des im Lendenwirbelbereich implantierten Couplers. Die Erstbehandlung des Beklagten erfolgte am 6.1.2011, die Schadensanzeige an die Klägerin Versicherung mit Antrag vom 8.1.2011. In der Zeit vom 12.1.2011 bis zum 25.1.2011 und vom 31.1.2011 bis zum 9.2.2011 wurde der Beklagte stationär wegen des Couplerbruchs behandelt. Mit Schreiben vom 3.6.2011 forderte die Klägerin im April 2011 an den Beklagten auf das Krankenhaustagegeld und das Genesungsgeld geleistete Zahlungen für den Zeitraum vom 12.1.2011 bis zum 25.1.2011 in Höhe von insgesamt 2.800 EUR zurück. Danach erfolgten folgende weitere stationäre Behandlungen des Beklagten:

  • 16.6.2011 bis 7.7.2011: Stationärer Aufenthalt in der Klinik für manuelle Therapie in I, in dessen Rahmen welcher von den behandelnden Ärzten u. a. die Diagnose für ein chronisches Schmerzsyndrom und eine depressive Belastungsreaktion gestellt worden ist.
  • 2.9.2011 bis 11.10.2011: Stationärer Aufenthalt in der LWL-Klinik in E mit der von den behandelnden Ärzten gestellten Diagnose einer schweren depressiven Episode und eines chronischen Schmerzsyndroms.
  • 10.11.2011 bis 29.12.2011: Erneuter stationärer Aufenthalt in der LWL-Klinik in E.
  • 28.2.2012 bis 19.3.2012: Weiterer stationärer Aufenthalt in der LWL-Klinik in E.

Vom Beklagten mit Schreiben vom 18.1.2012 geltend gemachte weitere Ansprüche aus der Unfallversicherung lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 24.1.2012 ab. Sie hat wegen vorgerichtlich geleisteten Zahlungen an den Beklagten mit der im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Klage Rückzahlungsansprüche gem. § 812 BGB gegen den Beklagten geltend gemacht. Hierzu hat sie behauptet, ein Unfallereignis habe nicht stattgefunden. Bei der Gesundheitsbeschädigung habe es sich um einen Ermüdungsbruch des im Jahr 2009 im Lendenwirbelsäulenbereich eingebrachten Implantats gehandelt. Im Übrigen hat sie die Ansicht vertreten, wegen einer Obliegenheitsverletzung des Beklagten leistungsfrei geworden zu sein. Hierzu hat sie behauptet, der Beklagte habe die konkrete Art der vorhandenen Vorschäden bei Abschluss der Versicherung ihr gegenüber arglistig verschwiegen. Außerdem habe er bewusst falsche Angaben hierzu in seiner Schadensanzeige vom 8.1.2011 gemacht.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.800,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.6.2011 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat er beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an ihn 224.894,09 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2012 sowie eine lebenslange Rente i. H. v. 1.000,00 EUR monatlich ab Januar 2011 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. 3.897,25 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2012 zu zahlen.

Er hat behauptet, sich die streitgegenständliche Verletzung (Bruch des implantierten Couplers) bei einem durch Glatteis bedingten Sturz am 3.1.2011 zugezogen zu haben. Dadurch sei aus orthopädischer Sicht eine bedingungsgemäße Invalidität für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren eingetreten. Eine Vorinvalidität sei nicht zu berücksichtigen, da er vor dem Unfall vollkommen beschwerdefrei gewesen sei. Außerdem sei eine weitere Invalidität aufgrund unfallbedingter psychischer Beeinträchtigung zu berücksichtigen, weil sich durch den Unfall und die dadurch hervorgerufenen organischen Schäden eine Depression entwickelt habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt falsche Angaben zu seiner Vorerkrankung gemacht. Jedenfalls seien seine Angaben nicht kausal für die Feststellung der Leistungspflicht der Klägerin gewesen.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Sie hat die Unfallbedingtheit der Klinikaufenthalte des Beklagten bestritten. Außerdem hat sie behauptet, durch die im Jahr 2009 erfolgte Operation im Lendenwirbelbereich sei eine bedingungsgemäße Vorinvalidität eingetreten, die jedenfalls bei der Höhe der Bemessung der Versicherungssumme zu berücksichtigen sei. Hinsichtlich der behaupteten psychischen Unfallfolgen hat sie sich auf die vereinbarte Ausschlussklausel der Zi. 5.2.6 AUB 2008 berufen und behauptet, soweit überhaupt eine Depression beim Beklagten eingetreten sei, beruhe diese ausschließlich auf einer psychischen Reaktion auf das Unfallgeschehen.

Das Landgericht hat zu den Umständen des streitgegenständlichen Sturzgeschehens die Ehefrau des Beklagten als Zeugin vernommen. Außerdem hat es ein fachorthopädisches/unfallchirurgisches Sachverständigengutachten der Prof. Dr. med. L und des Dr. med. T sowie ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten des Dr. med. F eingeholt.

Es hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die vorgerichtliche Leistung der Klägerin betreffend den stationären Krankenhausaufenthalt des Beklagten vom 12.1.2011 bis zum 25.1.2011 nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. L und des Dr. med. T stehe mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass der implantierte Coupler im Lendenwirbelsäulenbereich kausal bedingt durch den vom Beklagten – durch Vernehmung seiner Ehefrau bewiesenen – Unfall vom 3.1.2011 eingetreten sei. Die stationäre Behandlung für den oben genannten Zeitraum sei daher unfallbedingt erforderlich gewesen.

Auf die Widerklage hat es die Klägerin zur Zahlung von 15.500 EUR (Kapitalleistung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2012, sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.184,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2012 verurteilt. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Dabei ist es auf der Grundlage des fachorthopädisch/unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. L und des Dr. med. T von einer mit 10% des vereinbarten Beinwertes (von 70%) zu bemessenden dauerhaften unfallbedingten Beeinträchtigung des linken Beins, sowie einer dauerhaften unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule des Beklagten in Höhe von 20%, jeweils unter Berücksichtigung einer vor dem Unfall bestehenden Vorinvalidität von 75% ausgegangen. Außerdem hat es als bewiesen angenommen, dass auch der stationäre Krankenhausaufenthalt des Beklagten vom 31.1.2011 bis zum 9.2.2011 unfallbedingt erforderlich gewesen sei. Die Höhe des dem Beklagten zustehenden Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis hat es wie folgt berechnet:

  • Beinwert (70%) 140.000,00 EUR x 10% x 25% = 3.500,00 EUR
  • Restinvalidität (LWS) 200.000,00 EUR x 20% x 25% = 10.000,00 EUR
  • Krankenhaustagegeld 100,00 EUR x 10 Tage = 1.000,00 EUR
  • Genesungsgeld 100,00 EUR x 10 Tage = 1.000,00 EUR
  • SA: 15.500,00 EUR

Bezugnehmend auf die vom Beklagten behauptete psychische Beeinträchtigung hat das Landgericht offengelassen, ob es sich dabei um eine dauerhafte Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit i. S. d. Zi. 2 AUB 2008 handelt. Jedenfalls habe die Klägerin durch das neurologisch/psychiatrische Sachverständigengutachten des Dr. med. F den ihr obliegenden Beweis dafür erbracht, dass hinsichtlich der vom Sachverständigen festgestellten depressiven Störung des Beklagten der Ausschlusstatbestand der Zi. 5.2.6 AUB erfüllt sei. Denn danach stehe fest, dass das psychische Leiden des Beklagten keinen organischen Ursprung habe und auch nicht auf einer Verletzung des zentralen Nervensystems beruhe, sondern lediglich psychodynamisch zu erklären sei. Für Schäden dieser Art müsse die Klägerin nicht aufkommen.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 18.7.2012 (Bl. 137 ff. d. A.) und auf den Inhalt des in der Anlage zu den Akten befindliche Ausgangsgutachten des Prof. Dr. med. L und des Dr. med. T vom 21.5.2013, sowie auf das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 14.8.2014 und die mündliche Gutachtenergänzung im Termin vor dem Landgericht vom 11.3.2015 (Bl. 263 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses des erstinstanzlich erstatteten Sachverständigengutachtens des Dr. med. F wird auf das in der Anlage zu den Akten befindliche schriftliche Gutachten vom 19.2.2014 und auf die mündlichen Ergänzungen des Sachverständigen im Termin vor dem Landgericht am 5.8.2015 (Bl. 308 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen die Nichtberücksichtigung der behaupteten psychischen Leiden richtet sich die Berufung des Beklagten. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe die in Zi. 5.2.6 AUB 2008 vereinbarten Voraussetzungen für den Leistungsausschluss fehlerhaft ausgelegt. Danach erfasse der Leistungsausschluss nur solche psychischen Erkrankungen, bei denen am Beginn der Kausalreihe ein Unfallereignis ohne Gesundheitsstörung gestanden habe. Beruhe die psychische Störung jedoch, wie hier, auf einem chronischen Schmerzsyndrom, so sei dies nicht vom vereinbarten Leistungsausschluss erfasst. Darüber hinaus habe das Landgericht zu Unrecht die Dauerhaftigkeit der unfallbedingten Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit des Beklagten in Frage gestellt. In seinem Gutachten habe der Sachverständige Dr. med. F inzidenter bestätigt, dass es sich dabei um eine dauerhafte Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit handeln würde, welche auch mit der sich aus den Befundberichten der LWL-Klinik ergebenden Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms korrespondieren würde. Es sei daher von einer weitergehenden Einschränkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit des Beklagten von weiteren 20% auszugehen. Insgesamt errechne sich daraus unter Berücksichtigung der festgestellten körperlichen Einschränkungen ein von der Klägerin zu zahlender Kapitalbetrag i. H. v. 53.500 EUR (200.000 EUR × 26,75 %). Hinzuzurechnen sei nach den Besonderen Vertragsbedingungen wegen der über 25% hinausgehenden Invalidität von 1,75% weitere 2%-Punkte aus der Grundversicherung, insgesamt 3,5% (1,75% x 2%), mithin ein Kapitalbetrag von 7.000 EUR. Außerdem bestünde ein Anspruch des Beklagten auf Zahlung von Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld für weitere 114 Behandlungstage in Höhe von insgesamt 20.800 EUR für die sich anschließenden Behandlungen in der LWL Klinik.

Der Beklagte hat zunächst beantragt, die Klägerin in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn weitere 209.394,09 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2012 sowie eine lebenslange Rente i. H. v. 1.000,00 EUR monatlich beginnend mit Januar 2011 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. weiteren 2.713,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2012 zu zahlen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.2.2016 – bei Gericht eingegangen am 1.3.2016 – hat er seine Berufung ausdrücklich beschränkt. Er beantragt nunmehr,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten weitere 69.800,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2012, sowie weitere 901,90 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2012 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung mit näheren Ausführungen und beruft sich darauf, dass keine dauerhafte psychische Beeinträchtigung i. S. d. Zi. 2.1.1.1 AUB 2008 vorliege.

Der Senat hat den Beklagten angehört. Außerdem hat er den Sachverständigen Dr. med. F im Termin vom 6.6.2016 ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 6.6.2016 verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze der Anwälte und deren Inhalt Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten, mit welcher er sein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil des Landgerichts – ausweislich des Inhalts seiner Berufungsbegründung – auf die teilweise Abweisung seiner Widerklage, im Hinblick auf die von ihm behauptete Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit infolge des streitgegenständlichen Unfalls vom 3.1.2011 beschränkt hat, hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Beklagten steht kein weitergehender, als der vom Landgericht titulierte Anspruch auf Zahlung von Kapitalleistungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag wegen einer unfallbedingten Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit i. S. d. Zi. 2.1.1.1 AUB 2008 gegen die Klägerin zu.

I)

Der Beklagte, der für das Vorliegen der bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die von ihm geltend gemachte Invalidität darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. OLG Brandenburg, VersR 2016, 521, 522), hat den ihm obliegenden Beweis dafür, dass er infolge der erlittenen psychischen Unfallfolgen dauerhaft in seiner geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist, nicht erbracht.

1) Nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. F in seinem Ausgangsgutachten vom 19.2.2014 sowie in seinen mündlichen Ergänzungen im Termin vor dem Landgericht am 5.8.2015 und vor dem Senat am 6.6.2016 litt der Kläger im Anschluss an das streitgegenständliche Unfallgeschehen vom 3.1.2011 an einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung. Diese Erkrankung zeichnet sich dadurch aus, dass sich Phasen ohne depressive Symptome mit solchen mit depressiven Symptomen abwechseln. Zwar hat der Sachverständige auf Seiten des Beklagten ein nicht unerhebliches Maß an Aggravation festgestellt, welches eine sachgerechte Auswertung der von ihm vorgenommenen der testpsychologischen Untersuchungen unmöglich gemacht hat. Der Senat folgt jedoch den in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich das Vorliegen der depressiven Erkrankung aus dem Gesamtbild der bisherigen Untersuchungsergebnisse einschließlich der vorangegangenen ärztlichen Behandlungen und der ärztlich verschriebenen und vom Beklagten bis heute regelmäßig eingenommenen Medikamente ergibt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die ihm verschriebenen Medikamente grundlos zu sich nimmt, haben sich nicht ergeben.

2) Die psychische Beeinträchtigung des Beklagten ist zur Überzeugung des Senats auch unfallbedingt, denn nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. F ist davon auszugehen, dass die rezidivierende depressive Störung durch das streitgegenständliche Unfallereignis und die damit verbundenen Folgen, insbesondere der erlittenen Schmerzen und dem Verlust seiner selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter, mitursächlich ausgelöst worden ist.

3) Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die durch die psychische Störung verursachte Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit des Beklagten dauerhaft i. S. d. Zi. 2.1.1.1 AUB 2008 ist. Nach der darin getroffenen Vereinbarung der Parteien ist eine Beeinträchtigung nur dann dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Für den Beginn der Dreijahresfrist ist auf den Zeitpunkt des Unfalls abzustellen (vgl. Zi. 9.4 AUB 2008; Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl., AUB Zi. 2, Rn. 6; Kloth, Private Unfallversicherung, 2. Aufl., Kap. G, Rn. 6 m. w. N.). Für die danach zu treffende Prognose der Dauerhaftigkeit kommt es auf den Zeitpunkt nach Ablauf der zwischen den Parteien vereinbarten Dreijahresfrist (Neubemessungsfrist) und nicht auf die Jahresfrist, binnen derer die Invalidität eingetreten sein muss an, denn der Beklagte hat die von ihm auf die behauptete psychische Beeinträchtigung gestützten Invaliditätsansprüche noch vor Ablauf der Neubemessungsfrist am 3.1.2014 mit der von ihm im März 2012 erhobenen Widerklage geltend gemacht. In einem solchen Fall gehen die Prozessbeteiligten – worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 6.6.2016 ausdrücklich hingewiesen hat – typischerweise davon aus, dass der Streit insgesamt in dem vor Fristablauf eingeleiteten Prozess ausgetragen werden soll, einschließlich etwaiger Invaliditätsfeststellungen (vgl. BGH VersR 2016, 183, 184).

a) Für die Frage der Dauerhaftigkeit der psychischen Störung des Beklagten ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass die psychische Erkrankung an rezidivierender depressiver Störung – nach den Feststellungen des Sachverständigen – im Wesentlichen zu einer Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens führt, in der Weise, dass sie den Beklagten in seinen Aktivitäten einschränkt und zu erhöhter Nachdenklichkeit führt. Die Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens führt nach den Vereinbarungen der Parteien im Versicherungsvertrag jedoch nicht zu einer Invalidität. Als maßgebliche Beeinträchtigungen kommen gem. Zi. 2.1.1.1 AUB 2008 nur solche der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit in Betracht. Eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit im Sinne einer Störung des formalen Gedankenganges liegt nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. F in seiner mündlichen Gutachtenergänzung im Senatstermin vom 6.6.2016 jedoch nur während der akuten Phasen der rezidivierenden depressiven Störung vor, in Form von Konzentrationsstörungen und Störungen des formalen Gedankengangs.

Bezogen auf den für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt Anfang 2014 hat der Sachverständige Dr. med. F das Vorliegen depressiver Symptome, wie sie in akuten Phasen der Erkrankung üblicherweise vorliegen, nicht feststellen können. Da auch in der Folgezeit bis heute keine weiteren depressiven Phasen aufgetreten sind, muss – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gewesen ist – von einem Zustand „nach“ rezidivierender depressiver Störung ausgegangen werden. Daraus allein folgt jedoch noch nicht, dass die psychische Erkrankung des Klägers vor Ablauf der zwischen den Parteien vereinbarten Dreijahresfrist überstanden ist, denn es gehört – wie der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat – gerade zum Wesen der rezidivierenden depressiven Störung, dass die zur Erkrankung führenden Symptome nicht durchgehend vorliegen, sondern in wiederkehrenden Schüben über einen längeren Zeitraum auftreten können.

Gleichwohl kann die für die Dauerhaftigkeit der der Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit als erforderlich vereinbarte Prognose, dass eine Änderung des krankhaften Zustandes nicht zu erwarten ist, nicht getroffen werden. Voraussetzung für eine entsprechende Prognose ist, dass aus medizinischer Sicht zu dem maßgeblichen Zeitpunkt, der sich mit dem Zeitpunkt der vom Sachverständigen durchführten Untersuchung Anfang 2014 deckt, festgestellt werden kann, dass die psychische Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit des Beklagten – wenn auch mit gewissen Restzweifeln behaftet – voraussichtlich weiterhin bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht mehr erwartet werden kann. Ist die Zukunft dagegen offen oder unsicher, bestehen mithin Zweifel, ob eine dauerhafte psychische Beeinträchtigung vorliegt, reicht dies für die Feststellung einer bedingungsgemäßen Invalidität nicht aus (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 11.1.2012 – 1 U 2/11 -, abgedr. bei Juris, Rz. 58 m. w. N.). Eine entsprechende Prognose vermochte der vom Gericht bestellte Sachverständige Dr. med. F für den Beklagten nicht zu treffen. Nach seinen nachvollziehbaren Ausführungen im Senatstermin vom 6.6.2016 ist zwar die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens einer depressiven Episode bei einem rezidiv Erkrankten höher als bei der Durchschnittsbevölkerung. Für den Beklagten lag die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens weiterer depressiver Phasen, die zur bedingungsgemäßen Einschränkung seiner geistigen Leitungsfähigkeit führen, zum maßgeblichen Zeitpunkt der jedoch deutlich unter 50%. Das wird bestätigt dadurch, dass bis heute keine weiteren depressiven Phasen beim Beklagten aufgetreten sind.

Unter diesen Umständen scheidet eine dauerhafte Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit des Beklagten aufgrund der durch den streitgegenständlichen Unfall ausgelösten rezidivierenden depressiven Störung aus. Wenn überhaupt hat die vom Beklagten geltend gemachte psychische Erkrankung zu einer zeitlich begrenzten Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit geführt ohne dass in Zukunft mit weiteren Beeinträchtigungen dieser Art zu rechnen ist.

b) Soweit der Beklagte dagegen einwendet, die Dauerhaftigkeit der bei ihm aufgetretenen rezidivierenden psychischen Störung folge bereits daraus, dass der Sachverständige eine allgemeine Minderung seiner seelischen Leistungsfähigkeit um 20% angenommen habe, kann dem nicht gefolgt werden. Die Bewertung der Höhe der Minderung der seelischen Leistungsfähigkeit des Beklagten bezieht sich, wie der Sachverständige im Termin vor dem Senat vom 6.6.2016 nachvollziehbar dargelegt hat, auf den Längsschnitt der Beeinträchtigung des Beklagten in der Vergangenheit. Für die Zukunft hat der Sachverständige ausdrücklich klargestellt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten rezidivierender depressiver Phasen nicht festgestellt werden kann.

c) Die Dauerhaftigkeit der psychischen Erkrankung des Beklagten folgt auch nicht aus den in den Befundberichten der LWL-Klinik erstellten Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19.2.2014 und den ergänzenden Ausführungen im Senatstermin vom 6.6.2016 ausdrücklich offengelassen, ob für den Fall, dass beim Beklagten ein Schmerzsyndrom vorliegt, dieses dazu geeignet ist, weitere depressive Phasen auszulösen und die festgestellte depressive Störung aufrecht zu erhalten. Nach seinen Feststellungen führt allein das Vorhandensein eines Schmerzsyndroms nicht zwingend zu einer depressiven Störung. Es ist vielmehr bei den meisten Menschen nicht geeignet, eine entsprechende Störung auszulösen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten schon alleine aufgrund empfundener Schmerzen zur Ausbildung und Aufrechterhaltung einer depressiven Reaktion neigt, hat der Sachverständige nicht feststellen können. Dafür spricht auch, dass seit dem Zeitpunkt der Begutachtung Anfang 2014 keine weiteren depressiven Phasen beim Beklagten aufgetreten sind. Unter diesen Umständen, können allein aus dem möglichen Vorliegen eines Schmerzsyndroms keine Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens depressiver Phasen beim Beklagten gezogen werden.

II)

Darüber hinaus kann sich die Klägerin mit Erfolg auf den zwischen den Parteien vereinbarten Leistungsausschluss im Hinblick auf die durch den Unfall erlittenen psychischen Schäden des Beklagten berufen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Die dagegen vom Beklagten erhobenen Einwendungen und Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.

1) Der zu Lasten des Beklagten wirkende Leistungsausschluss folgt aus Zi. 5.2.6 AUB 2008. Danach besteht kein Versicherungsschutz für krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch den Unfall verursacht worden sind. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Ausschlussklausel trägt die Klägerin nach dem Beweismaßstab des § 286 ZPO (vgl. OLG Zweibrücken, a. a. O., Rz. 73; OLG Brandenburg VersR 2016, a. a. O.). Zur Frage der Wirksamkeit der Klausel, gegen die von den Parteien keine Einwendungen erhoben worden sind, schließt sich der Senat der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung an, die eine solche Klausel für wirksam erachten. Danach ist die Klausel nicht unklar i. S. d. § 305c II BGB. Sie hält im Übrigen auch der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand (vgl. BGH VersR 2004, 1039 f.; OLG Brandenburg VersR 2016, a. a. O., m. w. N.).

Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats durch das Sachverständigengutachten des Dr. med. F den Beweis dafür, dass die rezidivierende depressive Störung des Beklagten alleine auf einer psychischen Reaktion auf das Unfallereignis beruht, erbracht.

a) Die beim Beklagten diagnostizierte rezidivierende depressive Störung ist eine krankhafte Störung. Sie beruht auch auf einer psychischen Reaktion auf das Unfallereignis, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass ihre Entstehung allein mit der psychogenen Natur der Verarbeitung des Gesamtgeschehens durch den Beklagten erklärt werden kann und dass der Unfall und seine physischen Folgen allenfalls Auslöser für ihre Entstehung geworden sein können (vgl. OLG Hamm VersR 2006, 1394; r+s 2013, 88 f.; OLG Celle, VersR 2015, 1499, 1500). Etwas anderen wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn der Unfall und seine physischen Folgen nicht nur Auslöser, sondern der eigentliche Grund für die Entstehung der psychischen Störung geworden wären, denn dann hätte nicht mehr lediglich von einer psychischen Reaktion auf das Unfallereignis ausgegangen werden können (vgl. OLG Hamm VersR 1989, 1142; VersR 1991, 414). So liegen die Dinge vorliegend aber nicht.

Dass die Entstehung der depressiven Erkrankung des Beklagten allein mit der psychogenen Natur der Verarbeitung des Gesamtgeschehens erklärt werden kann und dass der Unfall und seine physischen Folgen allenfalls Auslöser für ihre Entstehung geworden sein können, folgt aus den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. F in seinem Gutachten vom 19.2.2014 und den ergänzenden Ausführungen im Senatstermin vom 6.6.2016, denen der Senat folgt. Danach steht fest, dass weder das Unfallereignis selbst noch die daraus entstandenen körperlichen Folgen, der Bruch des im Bereich der Lendenwirbelsäule implantierten Couplers, dazu geeignet waren, beim Beklagten eine depressive Reaktion hervorzurufen. Maßgeblich für die Entstehung der depressiven Erkrankung war danach vielmehr die in der Grundpersönlichkeit des Beklagten bereits vor dem Unfallereignis angelegte Neigung, auf von außen an ihn herangetragene Belastungen, insbesondere die mit dem Unfall verbundenen Schmerzen und den Verlust seiner beruflichen Selbständigkeit depressiv zu reagieren. Damit steht fest, dass die psychische Erkrankung des Beklagten keinen organischen Ursprung hat, sondern allein auf der subjektiven Verarbeitung des Unfallgeschehens und seiner Folgen beruht.

b) Soweit der Beklagte dagegen einwendet, der Leistungsausschluss nach Zi. 5.2.6 AUB 2008 erfasse nur solche psychischen Erkrankungen, bei denen am Beginn der Kausalreihe ein Unfallereignis ohne Gesundheitsstörung gestanden habe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Fehlen eines körperlichen Traumas stellt nur eine von mehreren möglichen Ausschlussgründen dar. In Betracht kommt ein Ausschluss auch dann, wenn eine unfallbedingte Gesundheitsbeschädigung tatsächlich stattgefunden hat, es aber, wie hier, aufgrund später erfolgter – inadäquater – Fehlverarbeitung zu Störungen über den physischen Zustand hinaus gekommen ist (vgl. OLG Celle, VersR 2015, a. a. O.). In diesem Fall stellt sich die psychische Erkrankung nicht als unmittelbare Folge des erlittenen Traumas dar, sondern als nicht zwangsläufig mit der körperlichen Verletzung verbundene psychische Folge, für die der Versicherer grundsätzlich keinen Versicherungsschutz gewähren will (vgl. OLG Koblenz r+s 2013, 89 f.). Dabei ist der – für jeden Versicherungsnehmer erkennbare – Sinn und Zweck der Ausschlussklausel zu berücksichtigen. Intention der privaten Unfallversicherung ist es in erster Linie nur objektive Risiken zu decken, d. h. Versicherungsschutz für Unfallgefahren zu bieten, die von der besonderen Veranlagung der versicherten Person unabhängig sind und die einer normalen, gesunden versicherten Person in gleicher Weise zustoßen können wie der kranken oder empfindsamen. Psychische Störungen und Erkrankungen sind dagegen extrem von subjektiven Faktoren beeinflusst. Sie sollen im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Versicherten vom Deckungs- und Leistungsbereich der Unfallversicherung ausgegrenzt werden. Insbesondere die psychische Fehlverarbeitung eines Unfallgeschehens ist nicht kalkulierbar. Die Berücksichtigung psychischer Reaktionen würde daher zu einem insgesamt höheren Prämienniveau führen (vgl. Bruck/Möller-Leverenz, a. a. O., AUB Zi. 2.1, Rn. 2 m. w. N.). Das schließt es aus, beim Vorhandensein einer Ausschlussklausel für psychische Störungen, wie sie von den Parteien vereinbart worden ist, solche Störungen als vom Versicherungsschutz gedeckt anzusehen, die – unabhängig vom Auftreten eines körperlichen Traumas – lediglich aufgrund später erfolgter subjektiver Fehlverarbeitung entstanden sind.

c) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte infolge des Unfalls an einem chronischen Scherzsyndrom leidet, welches nicht nur Auslöser, sondern – für sich allein oder im Sinne einer Mitursache – den eigentlichen Grund für die Entstehung der rezidivierenden depressiven Störung darstellt. Zwar kann nach den ergänzenden Feststellungen des Sachverständigen im Senatstermin vom 6.6.2016 nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagten aufgrund der physischen Unfallfolgen an einem chronischen Schmerzsyndrom leidet. Im Gegenteil spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen einiges dafür, dass der Beklagte als Folge des Unfalls ein organisch bedingtes chronisches Schmerzsyndrom entwickelt hat, welches durch somatische und psychische Faktoren beeinflusst wird. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Schmerzsyndrom als eigentlicher Grund für die Entstehung der rezidivierenden psychischen Störung angesehen werden kann. Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, dass die durch den Unfall erlittenen Schmerzen mitursächlich für die Entstehung der psychischen Störung des Beklagten geworden sind, hat er seine Feststellungen im Rahmen der mündlichen Ergänzung seines Gutachtens im Senatstermin vom 6.6.2016 dahingehend konkretisiert, dass die erlittenen Schmerzen lediglich mitursächlich für die psychische Verarbeitung des Unfallgeschehens durch den Beklagten in Form einer depressiven Störung geworden sind. Das folgt daraus, dass die vom Beklagten empfundenen Schmerzen – wie der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat – grundsätzlich nicht geeignet sind, eine entsprechende psychische Erkrankung herbeizuführen und dass sich die Herausbildung der rezidivierenden psychischen Störung allein als Folge der psychischen Gesamtverarbeitung des Unfallgeschehens darstellt denn nach den Feststellungen des Sachverständigen ist es allein die Psychodynamik, die beim Beklagten vom Unfall zur rezidivierenden depressiven Störung geführt hat. Diese Konstellation ist nicht vergleichbar mit derjenigen, die das Oberlandesgericht Celle in einem anderen Fall zu entscheiden hatte, auf den sich der Beklagte beruft. In dem vom Oberlandesgericht Celle zu entscheidenden Fall stellte das organische Schmerzsyndrom in Form eines sog. Morbus Sudeck nicht lediglich den Anlass für die Ausbildung einer auf einer psychischen Fehlverarbeitung beruhenden Depression dar, sondern die beim Versicherungsnehmer entstandene Depression war unmittelbare Folge der neurologischen Schädigung, die zugleich den eigentlichen Grund für die Ausbildung der Depression darstellte (vgl. OLG Celle r+s 2014, 518 f.).

2) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Wiedereinschluss der nach Zi. 5.2.6 AUB 2008 ausgeschlossenen Unfallfolgen berufen. Insbesondere aus den Zusatzbedingungen U 3076:10 ergibt sich ein Wiedereinschluss nicht. Nach der Zusatzklausel, die ihrem Wortlaut nach mit dem Inhalt der in § 10 Nr. 5 AUB 61 enthaltenen Ausschlussklausel identisch ist, sind die Folgen psychischer oder nervöser Störungen, die im Anschluss an einen Unfall eintreten, mitversichert, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems zurückzuführen sind. Diese Formulierung, die nach ihrem Inhalt zu einem vollständigen oder nach Quote zu bemessendem (“ … wenn und soweit“) Wiedereinschlusses von Risiken, die nach Zi. 5.2.6 AUB 2008 ausgeschlossen sind, führt, ist zwar nicht geeignet, die für den Risikoausschluss nach Zi. 5.2.6 AUB 2008 geltende Beweislastregel zum Nachteil des Beklagten zu ändern (vgl. OLG Zweibrücken, a. a. O., Rz. 80). Sie führt jedoch gleichwohl nicht dazu, die psychische Erkrankung des Beklagten von dem zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsschutz erfasst anzusehen. Denn nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. F steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die im Anschluss an das streitgegenständliche Unfallereignis aufgetretene rezidivierende depressive Störung nicht auf eine organische Erkrankung des Nervensystems zurückzuführen ist. Eine dahingehende Behauptung hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch ausdrücklich nicht aufgestellt. Auf eine organische Erkrankung zurückzuführen ist eine psychische Störung nur dann, wenn sie zum Krankheitsbild der organischen Erkrankung gehört (vgl. OLG Hamm VersR 1989, a. a. O.; VersR 1991, a. a. O.). Als organische Erkrankung, die praktisch immer zu einer depressiven Störung führt oder führen kann, kommt nach den Feststellungen des Sachverständigen nur eine Erkrankung des Nervensystems in Betracht. Eine solche Erkrankung liegt beim Beklagten aber nicht vor. Insbesondere das beim Beklagten möglicherweise vorhandene Schmerzsyndrom stellt nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen keine organische Erkrankung dar, zu deren Krankheitsbild die Ausprägung einer depressiven Störung gehört.

III)

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt und solche des Einzelfalls.

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