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Beweis des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Fahrzeugentwendung

OLG Dresden – Az.: 4 U 479/19 – Urteil vom 19.11.2019

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28.12.2018 (Az: 8 O 1471/17) abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313a ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht zu, so dass die Klage abzuweisen war.

Der Klägerin ist bereits der Beweis des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung nicht gelungen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 14.07.1993, VI ZR 179/92 – juris; Urteil vom 17.05.1995, IV ZR 279/94 – juris) kommen dem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Kfz-Diebstahl Beweiserleichterungen zugute, in dem er nicht den vollen Nachweis des Diebstahls führen, sondern nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweisen muss, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Dieses Mindestmaß ist in der Regel dann erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt, dort aber später nicht mehr vorgefunden worden ist. Der Beweis der Minimaltatsachen muss jedoch zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) geführt werden. War – wie hier – der Versicherungsnehmer weder beim Abstellen des Fahrzeuges noch bei der Feststellung des Abhandenkommens zugegen und bietet er für diese Tatsachen Zeugenbeweis an, so muss der Zeuge persönlich glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft sein (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.08.2018, Az: 5 U 2/18 – juris, m.w.N.). Auch Unstimmigkeiten in Angaben, die bloß das Randgeschehen betreffen, können dabei jedoch geeignet sein, unüberwindbare Zweifel an der Richtigkeit des an sich widerspruchsfrei geschilderten Abstellens und Nichtwiederauffindens des Fahrzeuges zu begründen (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O).

Vorliegend hat die Klägerin für den Beweis der erforderlichen Mindesttatsachen den Zeugen R… B… benannt, der dazu bereits durch das Landgericht vernommen worden ist und aufgrund dessen Aussage das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung der Klage stattgegeben hat. Allerdings hat die Beklagte zu Recht beanstandet, dass das Landgericht insoweit in der angefochtenen Entscheidung keinerlei Beweiswürdigung vorgenommen, sondern die Angaben des Zeugen lediglich als glaubhaft bezeichnet hat. Der Zeuge B… war daher durch den Senat erneut zu vernehmen. Zwar hat dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat das äußere Bild der Entwendung widerspruchsfrei geschildert und bekundet, dass er das Fahrzeug an einem See in YYYYYY verschlossen abgestellt, sich dann mit seinen Hunden am See aufgehalten und nach Rückkehr an den Abstellort des Fahrzeuges dieses nicht wieder aufgefunden habe. Davon dass diese Schilderung des Zeugen den Tatsachen entspricht, konnte sich der Senat jedoch mangels Glaubwürdigkeit des Zeugen im Rahmen einer Gesamtschau seines Aussageverhaltens nicht im Sinne von § 286 ZPO voll überzeugen. Dabei war zunächst insbesondere auffällig, dass der Zeuge mehrfach widersprüchliche Angaben zum Randgeschehen, insbesondere zur Aufbewahrung und Nutzung der Fahrzeugschlüssel gemacht hat. Darüber hinaus hat er seine Angaben zur Nutzung der Fahrzeugschlüssel dem Verfahrensstand angepasst. So heißt es in der vom Zeugen unterzeichneten Schadensanzeige (Anlage K5) unter Ziffer 23 auf die Frage „Wo wurden die Fahrzeugschlüssel aufbewahrt und wer hatte Zugang dazu“ noch „1x Schlüssel immer am Körper, Zusatzschlüssel Büro“. Im Rahmen seiner ergänzenden Angaben im Zusammenhang mit der Übersendung der Schlüssel an die Beklagte (Anlage K9) hat der Zeuge auf die Frage „Welcher Schlüssel war ständig im Gebrauch?“ erklärt, dass dies der Schlüssel – von ihm bezeichnet – mit der Nr. 1 gewesen sei. Auf die weitere Frage „Wo wurde welcher Schlüssel aufbewahrt?“ hat er angegeben, dass der Schlüssel mit der Nr. 1 bei dem Fahrer und der Schlüssel – von ihm bezeichnet – mit Nr. 2 im Büro aufbewahrt worden sei. Nachdem die Beklagte – von der Klägerin unwidersprochen – unter Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte Schlüsselgutachten (Anlage B1) vorgetragen hat, dass der mit Nr. 1 bezeichnete Hauptschlüssel Kopierspuren aufgewiesen habe, die lediglich minimal durch Gebrauchsspuren überlagert worden seien und unter Bezugnahme auf eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen (Anlage B2) – ebenfalls von der Klägerin nicht widersprochen – erklärt hat, dass bei einer Nutzung des Schlüssels über fünf Monate und einer Kilometerleistung von mindestens 20.000 km eine deutlichere Abnutzung der Kopierspuren vorhanden sein müsste, hat der Zeuge seine Angaben bereits im Rahmen seiner Aussage vor dem Landgericht angepasst und Folgendes erklärt: „Ich nutzte beide Schlüssel abwechselnd, je nachdem, welcher mir gerade zur Hand war. … Einen Schlüssel hatte ich am Mann, den anderen Schlüssel bewahrte ich in einer Schlüsselschüssel auf … Der eine Schlüssel war mehr benutzt, mehr abgenutzt als der Andere … Ja, ich hatte meistens den Schlüssel verwendet, der abgenutzter war … Ich weiß nicht, welcher mehr abgenutzt war anhand der Bilder …“. Bei Berücksichtigung der Angaben, dass der Zeuge von den beiden Schlüsseln den stärker abgenutzten Schlüssel überwiegend verwendet habe, hätte er jedoch nach dem vorgelegten Gutachten den Schlüssel mit der Nr.2 und nicht den Schlüssel mit der Nr.1, wie von ihm vorgerichtlich erklärt, vorwiegend in Gebrauch gehabt. Neben der sich daraus ergebenden Anpassung seiner vorgerichtlichen Angaben an das vorgelegte Gutachten fällt auf, dass der Zeuge nunmehr meinte, sagen zu können, dass er von den beiden Schlüsseln den stärker genutzten überwiegend verwendet habe. Insoweit konnte der Zeuge die beiden Schlüssel aber bereits auf den vorgelegten Bildern nicht voneinander unterscheiden. Im Übrigen hält es der Senat auch für nicht plausibel, dass der Fahrer eines Fahrzeuges, der zwei Fahrzeugschlüssel besitzt, diese nach dem Maß ihrer Abnutzung unterscheidet. Dies wäre allenfalls möglich, wenn die Abnutzung aufgrund markanter Unterschiede für den Laien deutlich wahrnehmbar wäre, was sich aber aufgrund der dem Gutachten beigefügten Lichtbilder gerade nicht feststellen lässt. Auf diesen Vorhalt konnte der Zeuge aber auch dem Senat nicht im Ansatz erklären, woran er selbst die stärkere Abnutzung des einen Schlüssels erkannt habe und dies auch nicht anhand der ihm nochmals vorgelegten Bilder verdeutlichen. Zudem hat sich der Zeuge gegenüber dem Senat nach Vorhalt der Unstimmigkeiten darauf zurückgezogen, dass er beide Schlüssel ohne jede weitere Kennzeichnung bzw. ohne Schlüsselanhänger lose aufbewahrt habe und deshalb die von ihm in der Schadensanzeige erfolgte Zuordnung der Schlüssel gegebenenfalls auch zufällig erfolgt sei. Während er in diesem Zusammenhang in der Schadensanzeige gegenüber der Beklagten noch erklärt hat, der Schlüssel mit der Nr. 1 sei immer am Fahrer gewesen und der Schlüssel Nr. 2 im Büro aufbewahrt worden, hat er nunmehr angegeben, er habe das Fahrzeug häufig auf dem Hof mit steckendem Fahrzeugschlüssel stehen lassen und dies sei dann von der Klägerin genutzt worden. Schließlich hat der Zeuge auf Vorhalt der Widersprüche in seinen Angaben aber auch immer wieder versucht, diese zu relativieren, indem er sich auf seine fehlende Erinnerung berufen oder schlicht negiert hat, dass seine Angaben widersprüchlich seien. Die dem dargestellten Aussageverhalten des Zeugen zu entnehmende Beliebigkeit, mit welcher er seine Angaben macht, führt zu erheblichen Zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit insgesamt. Denn der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass der Zeuge in dieser Beliebigkeit auch bereit ist, Angaben zu der angeblichen Entwendung des Fahrzeuges zu machen, so dass der Senat im Ergebnis von der Darstellung des Zeugen zu der Entwendung des Fahrzeuges nicht überzeugt ist.

Soweit die Klägerin nunmehr mit Schriftsatz vom 12.11.2019 nach Schluss der mündlichen Verhandlung die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Gesundheitszustand des Zeugen beantragt hat, war die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten. Denn die Klägerin legt lediglich ärztliche Bescheinigungen aus den Jahren 2016 und 2017 vor, die den aktuellen Gesundheitszustand des Zeugen nicht belegen. Der Zeuge selbst hat in der mündlichen Verhandlung, nachdem der Klägervertreter Erklärungen zu dem Gesundheitszustand des Zeugen abgegeben hat, mehrfach ausdrücklich bekundet, dazu vor dem Senat keine Angaben machen zu wollen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich vorliegend um eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung.

Für die Streitwertfestsetzung waren die §§ 47, 48, GKG, 3 ZPO maßgebend.

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