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Unfallversicherung – Beweislast unfallbedingte Hüftkopfnekrose

Oberlandesgericht Hamburg, Az.: 9 U 21/14, Urteil vom 05.09.2014

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10.01.2014, Az. 332 O 81/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 31.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Unfallversicherung – Beweislast unfallbedingte Hüftkopfnekrose
Von Richman Photo /Shutterstock.com

Die Kläger nehmen die Beklagte aus einer Unfallversicherung auf Zahlung in Anspruch.

Der Kläger ist Versicherungsnehmer, die Klägerin Versicherte eines Versicherungsvertrags über eine Unfallversicherung zur Versicherungsscheinnummer …396, der mit der Beklagten abgeschlossen wurde. Einbezogen in den Versicherungsvertrag sind die Versicherungsbedingungen GUB 2008 (Anlage B 5) mit Zusatzbedingungen gemäß Anlagen K 1 bis K 3. Der Versicherungsvertrag sieht eine Invaliditätsgrundsumme in Höhe von 150.000,00 € vor. Gemäß den Zusatzbedingungen Nr. 60 wird für den 25%, nicht aber 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die doppelte Invaliditätssumme zugrunde gelegt.

Die Klägerin hatte bereits am 19.03.2001 einen Sturz erlitten. Aufgrund von Röntgenaufnahmen vom 27.06.2001 wurde eine Hüftkopfnekrose diagnostiziert, wegen derer am 25.07.2001 der endoprothetische Ersatz des linken Hüftgelenks erfolgte. Die Kläger machten gegenüber der Beklagten Unfallversicherungsleistungen geltend. Die Beklagte bestritt, dass die Hüftkopfnekrose durch den Unfall verursacht worden sei. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte die Auffassung der Kläger.

Die Klägerin hat außerdem im Jahr 2000 eine Sprunggelenksfraktur erlitten.

Am 17.03.2011 wurde ein CT der rechten Hüfte der Klägerin gefertigt. Wegen des Befundes und der Beurteilung wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen. Am 21.02.2011 wurde ein MRT gefertigt. Wegen des Befundes und der Beurteilung wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen. Vom 23.03.2011 bis 04.04.2011 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Ostseeklinik D…. Wegen der Einzelheiten wird auf den Befundbericht der Klinik vom 14.04.2011 (Anlage K 8), die pathologisch-anatomische Begutachtung vom 26.03.2011 (Anlage K 9), den Nachbericht des Dr. L. vom 14.04.2011 (Anlage K 10) und den Nachbericht des Dr. B. (Anlage K 10) Bezug genommen. Die Beklagte hat zur Frage der Ursächlichkeit der behaupteten Unfälle für die Hüftkopfnekrose ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter hat dies verneint. Insoweit wird auf das Gutachten des Dr. V. vom 04.06.2012 (Anlage b 5) Bezug genommen. Die A. Versicherung, die ebenfalls wegen der Folgen der behaupteten Unfälle vom 26.12.2010 und 03.06.2011 in Anspruch genommen worden ist, hat ein Gutachten zur Frage eingeholt, ob die Hüftkopfnekrose rechts Folge eines Unfalls ist. Auch dieser Gutachter – Dr. D. – hat das verneint. Insoweit wird auf die von der Beklagten vorgelegte Anlage B 7 Bezug genommen.

Die Kläger haben in erster Instanz vorgetragen:

Die Klägerin sei am 26.12.2010 gestützt, weil der Stuhl auf dem sie gesessen habe, zusammengebrochen sei; dadurch sei sie mit dem Gesäß vorab zu Boden gefallen (Beweis: Zeugnis A. und C. J., Bl. 31 der Akte). Nach eigenem Vortrag sei sie nach drei Tagen jedenfalls zunächst beschwerdefrei gewesen.

Ferner sei die Klägerin am 03.03.2011 während eines Urlaubs in Agadir auf dem Weg zum Frühstücksrestaurant auf einer Treppenstufe mit dem Fuß nach vorn weggerutscht und mit der rechten Hüfte auf der Treppe aufgeschlagen (Beweis: Zeugnis M. . H., Bl. 32 der Akte). Daraufhin hätten sich erhebliche Ruhe- und Belastungsschmerzen in der Hüfte eingestellt. Sie habe nach dem Unfall nicht am allgemeinen Hotel- und Strandleben teilnehmen können und Schmerzmittel habe einnehmen müssen (Beweis: Zeugnis K. und M. K., Bl. 32 der Akte)

Durch die beschriebenen Stürze bzw. durch einen dieser Stürze sei die Hüftkopfnekrose ausgelöst worden. Dadurch und infolge der Prothesenversorgung sei ein Invalidität bezogen auf das rechte Bein von 20% eingetreten, die durch die beidseitige Prothesensituation und die Folgen der Sprunggelenksfraktur verstärkt worden sei, so dass von einer unfallbedingten Invalidität von 30% (Beinwert) auszugehen sei. Die Gesamtinvalidität belaufe sich also auf 21%, so dass ein Zahlungsanspruch in Höhe von 31.500,00 € bestehe.

Die Beklagte hat die behaupteten Stürze bestritten. Darüber hinaus hat sie die Auffassung vertreten, dass die von den Klägern beschriebenen Stürze nicht geeignet gewesen seien, eine Hüftkopfnekrose zu verursachen. Hilfsweise hat sie sich darauf berufen, dass die Hüftkopfnekrose überwiegend, zumindest zu 40%, durch Vorerkrankungen der Klägerin hervorgerufen worden sei (Beweis: Sachverständigengutachten). Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung Seite 8 der Klagerwiderung Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 04.09.2012 (Bl. 45 f. der Akte), hinsichtlich Ziffer III in der Fassung des Beschlusses vom 25.09.2012 (Bl. 55 f. der Akte), durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. N. vom 01.02.2013 (Bl. 80 ff. der Akte), dessen Stellungnahmen vom 06.04.2013 (Bl. 107 f. der Akte) und vom 26.05.2013 (Bl. 125 ff. der Akte) sowie dessen mündliche Erläuterungen im Termin vom 06.12.2013 (Bl. 160 ff. der Akte) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten nicht den Beweis geführt, dass die Klägerin aufgrund der behaupteten Stürze einen Dauerschaden erlitten habe. Wegen der Einzelheiten – auch bezüglich der erstinstanzlich gestellten Anträge – wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Die Kläger wenden sich gegen das Urteil mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, soweit die Klage mit dem Antrag zu 1) abgewiesen worden ist. Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dabei weisen sie unter Bezugnahme auf die Anlage K 15 bzw. Bf 4 (Bl. 227 ff. der Akte) insbesondere darauf hin, dass in der Literatur als Ursache für die Femurkopfnekrose mit über 60% eine Infraktion des Schenkelhalses im Sinne einer intraspongiösen Fraktur angeführt werde. Sie betonen den Umstand, dass nach der Diskussion des Röntgenbildes (Anlage K 4) ein Zustand nach umschriebener stattgehabter Imprimierung und kleine lytische und zystische Veränderungen festzustellen seien. Allein der Druck auf die Hüfte bei beiden Fällen habe die Verletzung des Hüftkopfs der Klägerin auslösen können. Der Sachverständige habe auch nicht berücksichtigt, dass eine isolierte Hüftkopffraktur eine absolute Seltenheit wäre und dass in der Literatur Fälle beschrieben worden seien, in denen es ein unterschiedlich langes Intervall mit leichten oder völlig fehlenden Beschwerden gegeben habe. Sie verweisen insoweit auf einen Aufsatz von Prof. W. (Anlage Bf 1 auszugsweise, vollständig Bl. 200 ff. der Akte)). Wegen der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 332 O 81/12, vom 10.01.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 31.500,00 € und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 12.07.2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil.

Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen Dr. N. erneut persönlich angehört. Hinsichtlich seiner Ausführungen wird auf das Protokoll vom 03.07.2014 (Bl. 249 ff. der Akte) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Zahlungsanspruch aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag verneint: Die Kläger haben den Eintritt einer unfallbedingten Invalidität bei der Klägerin nicht beweise können. Etwaige nach der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme verblieben Zweifel an den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. sind jedenfalls im Rahmen von dessen Anhörung vor dem Berufungsgericht ausgeräumt.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass eine derartige Nekrose, wie sie hier vorliegt, immer auf eine gestörte Durchblutung zurückzuführen sei. Diese Feststellung wird von den Klägern nicht angezweifelt. Ähnliche, übereinstimmende Ausführungen finden sich auch in dem zur Stützung ihrer Auffassung von den Klägern vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. M. (Anlage Bf. 2, dort Seite 14) als auch in dem Parteigutachten der Beklagten (Dr. V., Anlage B 5, dort Seite 2). Ebenfalls in Übereinstimmung mit den weiteren gutachterlichen Ausführungen hat der Sachverständige erläutert, dass durchaus ein Unfall eine solche Durchblutungsbeeinträchtigung auslösen kann. Erforderlich ist aber eine Verletzung, die nach Art und Sitz Auswirkungen auf die Blutversorgung des Hüftkopfes haben kann. Eine solche kann hier aber nicht festgestellt werden. Anders als bei der Beeinträchtigung der linken Hüfte der Klägerin im Zusammenhang mit dem rund 10 Jahre zurückliegenden Unfall kann hinsichtlich der rechten Hüfte der Klägerin kein Umbauvorgang festgestellt werden, der auf eine Fraktur hindeutet, die zu Beeinträchtigung der Blutversorgung des Hüftkopfes geführt haben kann. Die einzigen Veränderungen, die – möglicherweise – auf eine stattgehabte Infraktion deuten, nämlich die im Befund zum MRT vom 21.03.2011 beschriebenen, sind nach den nachvollziehbaren Äußerungen des Sachverständigen nicht geeignet, die Blutversorgung des Hüftkopfes zu beeinträchtigen, weil sie allenfalls das Knochenmark, nicht den Schalenknochen betreffen. Hinzu kommt, dass der Umstand, dass die Klägerin nach dem von ihr behaupteten Vorfall vom Dezember 2010 nach eigenen Angaben nur wenige Tage untere Beschwerden gelitten hatte, einen Zusammenhang zwischen diesem Sturz und der Hüftkopfnekrose als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Auch insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Bezug genommen. Diese Ausführungen werden auch nicht durch den Aufsatz von W. widerlegt. Zu diesem wird auch im Gutachten des Sachverständigen Dr. M. (Anlage Bf. 2, dort Seite 15) ausgeführt, dass es um den einzigen derartigen in der Literatur beschriebenen Fall geht. Schon der Sachverständige Dr. M. weist auch darauf hin, dass damals Kernspintomographie-Aufnahmen nicht zur Verfügung standen und im Übrigen auch von W. eine idiopathische Hüftkopfnekrose in dem beschriebenen Fall nicht etwa sicher ausgeschlossen wurde. Die reine Möglichkeit, dass ohne sicheren Nachweis in der Bildgebung und trotz Ausbleibens stärkerer und länger anhaltender Beschwerden im Einzelfall eine Fraktur oder Infraktion vorliegen kann, die geeignet ist, Beeinträchtigungen der Blutversorgung des Hüftkopfes zu verursachen, reicht für eine Beweisführung in dem Sinne, dass die festgestellte Hüftkopfnekrose Folge des Unfalls ist nicht aus.

Hinsichtlich des zweiten behaupteten Unfalls hat der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass der Zeitrahmen zwischen Unfall und Feststellung der Hüftkopfnekrose zu kurz ist. Während dieses engen Zeitrahmens können die auf den Bildern festgehaltenen Veränderungen nicht entstanden sein. Dies wird von den Klägern nicht angegriffen und stimmt im Übrigen auch mit den Ausführungen in den anderen von den Parteienvorgelegten Sachverständigengutachten überein.

Die Zinsforderung entfällt mit der Hauptforderung.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Absatz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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