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Teilkaskoversicherung – Fahrzeugdiebstahl -Angabe einer zu niedrigen Laufleistung

KG Berlin – Az.: 6 U 155/13 – Beschluss vom 10.12.2013

Gründe

1.

Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung vom 06. September 2013 gegen das am 21. August 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des Landgerichts Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel zulässig, aber in der Sache offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung vollinhaltlich Bezug. Die gegen diese Entscheidung vorgebrachten Berufungsangriffe lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Es liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zutreffend stellt das Ausgangsgericht fest, dass die Klägerin jedenfalls gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 VVG in Verbindung mit E. 6.1 und 6.2 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB leistungsfrei ist.

Teilkaskoversicherung – Fahrzeugdiebstahl -Angabe einer zu niedrigen Laufleistung
Symbolfoto: Von Chutima Chaochaiya /Shutterstock.com

a) Der Geschäftsführer der Klägerin hat im Rahmen der Schadensmeldung zur Frage nach der Gesamtkilometerlaufleistung des versicherten Fahrzeugs im Zeitpunkt des behaupteten Versicherungsfalls mit „6800 km“ objektiv unzutreffende Angaben gemacht; tatsächlich betrug die Gesamtkilometerlaufleistung des BMW X5 ausweislich des Schlüsselgutachtens des Sachverständigen S… W… vom 10. April 2012 (Anlage B2) am 2. Februar 2012 bereits 27.543 km. Die Angabe des Geschäftsführers der Klägerin kann auch nicht deshalb als zutreffend angesehen werden, weil er sie mit einem ca.-Zusatz versehen hat; eine derart deutliche Abweichung – wie vorliegend – von mehr als 300 % ist auch aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht mehr von einem ca.-Zusatz abgedeckt.

Die Falschangabe zur Gesamtlaufleistung ist der Klägerin zuzurechnen. Die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Klägerin den Fragebogen nicht eigenhändig ausgefüllt hat, sondern dies seine Sekretärin und Lebensgefährtin, die Zeugen L… übernommen hatte, ändert daran nichts. Denn zum einen hat der Geschäftsführer der Klägerin den ausgefüllten Fragebogen eigenhändig unterschrieben und sich dadurch die Angaben zu eigenen gemacht. Zum andern hat die Zeugen L… im Rahmen ihrer Vernehmung auch bekundet, die Angabe zur Laufleistung mit „ca. 6800“ auf ausdrückliche Anweisung des Geschäftsführers der Klägerin eingetragen zu haben.

b) Mit dieser Falschangabe hat die Klägerin die ihr gemäß. 1.3. der AKB obliegende Aufklärungsobliegenheit verletzt. Danach hat der Versicherungsnehmer alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Entgegen der Ansicht der Klägerin bezieht sich diese Obliegenheit bereits ihrem eindeutigen Wortlaut nach – und deshalb für einen verständigen, juristisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer auch in diesem Sinne zu verstehen – nicht nur auf das versicherte Ereignis als solches, sondern auf das gesamte Schadensereignis und damit auf alles, was für die Feststellungen der Beklagten zum Grund und zur Höhe ihrer Leistungspflicht von Bedeutung ist. Dass die Höhe der Gesamtfahrleistung des versicherten PKWs jedenfalls Auswirkungen auf die Bemessung der Versicherungsleistung hat, bedarf keiner näheren Erörterung. Ausweislich der von der Beklagten eingereichten Fahrzeugbewertungen beläuft sich die Differenz vorliegend auf ca. 4000 €.

c) Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Klägerin arglistig gehandelt hat, so dass die Klägerin mit ihrem Einwand, die Obliegenheitsverletzung sei im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungsverpflichtung der Klägerin ursächlich geworden, gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG ausgeschlossen ist.

Arglistig handelt der Versicherungsnehmer, wenn ihm in Bezug auf die Verletzung zumindest bedingter Vorsatz anzulasten ist und die Falschangabe gemacht worden ist, um auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss zu nehmen.

Der Geschäftsführer der Klägerin hat es zumindest für möglich gehalten, dass die Angabe „ca. 6800 km“ unzutreffend ist und dies auch billigend in Kauf genommen. Denn auch nach dem Vortrag der Klägerin war ihrem Geschäftsführer bei Unterzeichnung der Schadensmeldung bewusst, dass er keine eigene Kenntnis in Bezug auf die Gesamtfahrleistung des versicherten Fahrzeugs im Zeitpunkt des behaupteten Versicherungsfalls hatte, weshalb er auch nicht davon ausgehen konnte, dass die Eintragung „ca 6800 km“ wenigstens annähernd zutrifft. Insoweit erfolgte die Angabe vielmehr „ins Blaue hinein“, denn die Klägerin trägt keine Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Geschäftsführer sei gutgläubig von einer Gesamtlaufleistung jedenfalls deutlich unterhalb von 10.000 km ausgegangen. Auch solche Angaben „ins Blaue hinein“ sind grundsätzlich geeignet, den Vorwurf eines arglistigen Verhaltens zu begründen, ohne dass positiv festgestellt werden müsste, das dem Versicherungsnehmer die Unrichtigkeit seiner Angabe bekannt war (vgl. Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage, § 28 Rdnr. 117). Dagegen spräche ohnehin, dass dem Geschäftsführer der Klägerin, weil er ausweislich der Angaben im Fragebogen zu Ziffer 7. das Fahrzeug allein genutzt hat, wegen der zeitlichen Nähe präsent und bewusst gewesen sein muss, dass er in den letzten 12 Monaten vor der behaupteten Entwendung deutlich mehr als 6800 km gefahren ist. Die als Anlage B5 eingereichte Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten legt sogar nahe, dass die Angabe der Gesamtkilometer Laufleistung mit „ca. 6800 km“ in der Schadensmeldung bewusst an die darin enthaltene Angabe des Kilometerstandes zum 31. Dezember 2011 mit 6000 km angepasst worden ist. Denn der Geschäftsführer hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht nicht ausschließen können, dass er sich bei der Angabe in der Schadensmeldung an seiner Erklärung vom 17. Januar 2012 orientiert haben könnte.

Die Behauptung der Klägerin, ihr Geschäftsführer habe bei der Unterzeichnung der Schadensmeldung der Angabe der Kilometerleistung keine Bedeutung beigemessen und sich insoweit auch keine Gedanken darüber gemacht, ob und wie sich dies auswirken könnte, ist schon im Hinblick auf die Anfrage der Beklagten gemäß Anlage B5 nicht nachvollziehbar. Schon wegen dieser kurz zuvor erfolgten Abfrage der Gesamtlaufleistung zum 31. Dezember 2011 konnte er sich der Feststellung, dass die Beklagte der Höhe der Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs besondere Bedeutung beimisst, nicht verschließen. Insofern liegt es auch auf der Hand, dass die Angabe gemacht worden ist, um Nachfragen der Beklagten zu vermeiden. Der Hinweis, das Verschulden des Geschäftsführers sei gering, weil er nur das getan habe, was einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen könne, geht im Hinblick darauf fehl.

d) Aus der zu § 6 Abs. 3 VVG alte Fassung ergangenen Relevanzrechtsprechung kann die Klägerin nichts für sie Günstiges herleiten, weil es nach der nunmehr maßgeblichen Regelung des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG darauf, ob die Obliegenheitsverletzung abstrakt generell geeignet wäre, die Interessen des Versicherers zu gefährden, nicht mehr ankommt; diese Rechtsprechung ist durch die Gesetzesänderung und die Einführung der Möglichkeit des konkreten Kausalitätsgegenbeweises überholt.

e) Auf eine fehlende Belehrung im Sinne des § 28 Abs. 4 VVG kann sich der arglistig handelnde Versicherungsnehmer nicht berufen (vgl. Pohlmann in Looschelders/ Pohlmann, VVG, Auflage § 28 Rdnr. 125 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung); über die Folgen arglistigen Verhaltens muss die Beklagte nicht belehren (BGH VersR 2009, 968 – 969, zitiert nach juris, dort Rdz. 9; Prölss in Prölss/Martin a.a.O. § 28 Rn. 152).

f) Ebensowenig steht es dem arglistig handelnden Versicherungsnehmer zu, den Einwand der Treuwidrigkeit zu erheben.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), weshalb auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

2.

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen dreier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder – aus Kostengründen – die Berufung zurückzunehmen. Der Senat weist darauf hin, dass sich im Falle der Berufungsrücknahme die Gerichtskosten auf die Hälfte reduzieren würden (vgl. KV 1222 zum GKG, dort Anlage 2).

 

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