Skip to content

Sturmschaden – Nachweis durch Wetterstation – Mindestwindstärke von 8

Oberlandesgericht Brandenburgisch – Az.: 11 U 174/17 – Urteil vom 26.01.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels (betreffend die Widerklage) – das am 07.11.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 6 O 284/14 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der Klägerin 48 % und der Beklagte 52 % zur Last.

III. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung ihres Gegners durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes oder Kreditversicherers.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz beträgt € 35.757,10.

Gründe

I.

Die Prozessparteien streiten – in der Berufungsinstanz im Rahmen von Klage und Widerklage bei übereinstimmender Erledigungserklärung des negativen Feststellungsbegehrens betreffend zwei bereits regulierte Schadensfälle (LGU 2 und 4 f.; GA IV 716, 717) – über die Abwicklung mehrerer Sturmschäden, zu denen es laut dem bestrittenen klägerischen Vorbringen insbesondere an dem ziegelgedeckten Satteldach eines als Stall beziehungsweise Scheune genutzten Nebengebäudes auf dem Anwesen … Straße … in … /Ortsteil … gekommen ist. Die Klägerin, der die Liegenschaft gehört, hatte bei der Beklagten, einem Kompositversicherer, laut dem ab 02.05.2011 gültigen dritten Nachtrag zur Agrarpolice Nr. … (Abschrift Anl. B1/GA III 665 ff.) – unter Einbeziehung der Allgemeinen Bedingungen für die …-Agrarpolice (…-AGP 2008), Stand 01.01.2011 (Kopie Anl. B1/GA I 52 ff.) – mehrere Versicherungen genommen, darunter eine Gebäudeversicherung für Wirtschaftsgebäude zum Neuwert, die eine Sturm- und Hagelversicherung einschließt. Einen ihr für den 11.09.2011 gemeldeten Sturmschaden hat die Berufungsführerin – nach Einholung einer Stellungnahme ihres Privatsachverständigen R… S… vom 04.10.2011 (Kopie Anl. B7/GA I 65 ff.) – mit € 9.000,86 reguliert. Aufgrund eines ihr für den 20.06.2013 angezeigten weiteren Sturmschadens zahlte sie – basierend auf der gutachterlichen Stellungnahme ihres Privatsachverständigen Dr.-Ing. M… A… vom 13.07.2013 (Kopie Anl. B19/GA II 401 ff.) – der Rechtsmittelgegnerin € 7.234,25. Diese verlangt mit ihrer Klage die Sachversicherungsleistung für einen erneuten Sturmschaden am Dach vom 05.12.2013, dessen Höhe sie – ausgehend von dem am 25. 02.2014 erstellten Angebot des Dachdeckers O… L… (Kopie GA I 24 f.) vorläufig mit 12.062,76 beziffert. Gegenstand der Widerklage sind die zur Regulierung der beiden vorangegangenen Schadensfälle geleisteten Beträge zuzüglich vom Versicherer für deren erneute Überprüfung und zur Prüfung des aktuellen Falls aufgewandte Sachverständigenkosten (€ 18.694,34 = € 9.000,86 + € 7.234,25 + € 2.459,41 [GA II 530]). Darüber hinaus besteht zwischen den Parteien Uneinigkeit, ob auch während des Prozessverlaufes mehrere, versicherte Sturmschäden an derselben Dachfläche eingetreten sind, deren Regulierung hier jedoch nicht streitgegenständlich ist. Zur näheren Darstellung des Sachverhalts und der Prozessgeschichte wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen (LGU 2 ff.); der Berichtigungsantrag der Beklagten vom 28.11.2017 (GA II 477 ff.) ist erstinstanzlich mit Beschluss vom 20.12.2017 (GA II 487 ff.) zurückgewiesen worden.

Sturmschaden - Nachweis durch Wetterstation - Mindestwindstärke von 8
(Symbolfoto: Kinek00/Shutterstock.com)

Beim Landgericht Potsdam, das in der Eingangsinstanz erkannt hat, ist die Klage – nach Erhebung von Sachverständigenbeweis – vollumfänglich erfolgreich gewesen. Zur Begründung hat die Zivilkammer im Kern ausgeführt: Der im Dezember 2013 festgestellte Schaden sei auf ein bedingungsgemäßes Sturmereignis zurückzuführen. In der Nacht vom 05. auf den 06.12.2013 habe nach Überzeugung des Gerichts – eingedenk der vorliegenden, gutachterlich ausgewerteten Wetterdaten – am Ereignisort Wind von mindestens Stärke 8 geherrscht. Dieser sei unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen S… V… als eine zeitlich letzte Mitursache für das hernach festgestellte Schadensbild anzusehen, selbst wenn sich als Hauptursache Fehler in der Dachkonstruktion – in Gestalt nicht überwiegend wahrscheinlich sturmbedingter Verformungen – gezeigt hätten. Der vorherige Schaden vom Sommer 2013 sei nicht mehr vorhanden gewesen. Unstreitig habe die Klägerin inzwischen Reparaturarbeiten durchführen lassen; obwohl keine Einigkeit darüber bestehe, welchen Umfang diese gehabt hätten und ob dadurch ein ordnungsgemäßer Zustand des Daches erreicht worden sei, spreche nichts dafür, dass man nicht zumindest das äußere Schadensbild beseitigt habe. Leistungsfrei sei die Beklagte nicht, da die Rechtsmittelgegnerin allenfalls aus leichter Fahrlässigkeit nicht für einen gehörigen Zustand der Dachkonstruktion gesorgt habe; angesichts der Anforderungen, die von dem Privatgutachter Dr.-Ing. M… A… gestellt worden seien, habe die Klägerin annehmen dürfen, es genüge, wenn sie mit der Schadensbeseitigung ein Fachunternehmen beauftrage und für eine Verklammerung der Dachziegel sorge. Dass ihr Geschäftsführer selbst Dachdeckermeister sei, ändere nichts, weil er sich bereits seit 2011 im Ruhestand befinde. Falls die Firma H… H. H… mangel- oder lückenhaft gearbeitet respektive unzutreffend abgerechnet haben sollte, sei nichts dafür ersichtlich, dass der Berufungsgegnerin dies aufgefallen ist oder zur Vermeidung von mehr als nur leichter Fahrlässigkeit hätte auffallen müssen. Umstände, die den Vorwurf arglistiger Täuschung nach dem Versicherungsfall vom Dezember 2013 begründen könnten, habe die Berufungsführerin nicht dargetan. Ersatzfähig seien zumindest die laut Angebot des Dachdeckers O… L… erforderlichen Aufwendungen. Da es zur Schadensbehebung möglicherweise weiterer Maßnahmen bedürfe, habe zugleich das positive Feststellungsbegehren Erfolg. Das negative Petitum dringe durch, weil sich die Beklagte hinsichtlich der Schadensereignisse vom Sommer 2011 und 2013 des Bestehens von Rückforderungsansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB berühme, ohne diesbezüglich – speziell zum Nichtvorliegen eines Versicherungsfalles oder zu Obliegenheitsverletzungen – hinreichend substantiiert vorzutragen. Wegen der Details wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (LGU 5 ff.).

Dieses ist der Beklagten zu Händen ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten – nach dessen Empfangsbekenntnis – am 14.11.2017 (GA II 471) zugestellt worden. Sie hat am 13.12.2017 (GA II 490 ff.) mit anwaltlichem Schriftsatz (per Telekopie) Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 30.12.2017 (ebenfalls per Telekopie) beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz – unter Erhebung einer Widerklage – begründet (GA II 494 ff).

Die Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil – im Kern ihre bisherigen Darlegungen wiederholend, ergänzend und vertiefend – in vollem Umfang ihrer Beschwer an und erhebt zugleich Widerklage. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Weil die Klägerin immer wieder Sturmschäden auf derselben Dachhälfte des Wirtschaftsgebäudes gemeldet habe, sei davon auszugehen, dass seit dem allerersten Schadensereignis, zu dem es bereits am 13.07.2007 gekommen sei, keine Reparatur stattgefunden habe und stets derselbe Altschaden erneut geltend gemacht werde. Die Beseitigung von Schäden, zu denen es im Sommer 2011 und 2013 gekommen sein soll, habe der Geschäftsführer der Berufungsgegnerin nur vorgetäuscht. Jedoch sei schon kein bedingungsgemäßer Sturm festzustellen: Eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, wie sie im Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) angenommen werde (GA I 262, 268), reiche nicht aus. Auf die Vorstellungen der Parteien beim Vertragsabschluss komme es – entgegen der Auffassung des Landgerichtes (LGU 6) – nicht an, weil sich Abschn. D 2.1.2 Satz 2 …-AGP 2008, dessen tatsächliche Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien, explizit mit Konstellationen befasse, in denen die Windstärke für den jeweiligen Versicherungsort nicht festgestellt werden könne. Unzutreffend sei die Annahme der Zivilkammer, das nach dem 05.12. 2013 vorgefundene Schadensbild habe vor dem Windereignis nicht bestanden. Aufgrund des Dachunterbaus sei es unmöglich gewesen, dass die Dachziegel zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Jahre 2007 plan auf den Dachlatten gelegen hätten. Wie inzwischen vom Privatgutachter Dipl.-Ing. (FH) U… T… laut Hinweis vom 07.05.2018 (Kopie Anl. B4/GA III 608 ff.) sowie Gutachten vom 12.03.2019 (Sonderheftung) konstatiert worden sei, weise die Dachstuhlkonstruktion an einer Stelle erhebliche statische Mängel auf, deren Überbrückung seit längerem mit einer unzureichenden Hilfskonstruktion versucht werde. Die nur vereinzelt eingebauten Kopfklammern seien ohne Wirkung geblieben. Das äußere Schadensbild habe sich – wie durch den gerichtlichen Sachverständigen S… V… bestätigt – gegenüber dem vom Privatgutachter R… S… dokumentierten nicht verändert. Jedenfalls bestehe Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung nach Eintritt des Schadensfalles und vorsätzlicher Obliegenheitsverletzungen. Die Täuschung liege darin, dass ihr – der Beklagten – unter Vorlage von Rechnungen die Behebung der Altschäden vorgespiegelt worden sei. Für die Bejahung von maximal leichter Fahrlässigkeit bleibe kein Raum; bei der Firma H… H. H… handele es sich nicht um einen Dachdeckerbetrieb und als Dachdeckermeister könne der Geschäftsführer der Klägerin keineswegs mit einem fachlichen Laien gleichgestellt werden. Betreffend die Schadenshöhe dürfe nicht auf das Angebot des Dachdeckers O… L… abgestellt werden; die dort aufgeführten Leistungen erwiesen unter den gegebenen Umständen als völlig sinnlos. Erst recht ließen sich keine darüber hinausgehenden sturmbedingten Schäden feststellen. Das negative Feststellungsbegehren sei unbegründet und die Widerklage müsse Erfolg haben, da sich aus den vorliegenden Wetterdaten ergebe, dass am 11.09.2011 schon keine Sturmstärken am Versicherungsort erreicht worden seien, und weil – unabhängig davon – nach allem an der klägerischen Arglist kein Zweifel bestehen könne; nach Eingang des Gutachtens ihres Privatsachverständigen C… R… (Kopie Anl. B8/GA I 67 ff.) habe sie, die Rechtsmittelführerin, die Regulierung der ihr für dem 11.09.2011 und 20.06.2013 gemeldeten Schadensfälle erfolgreich angefochten. Die Versicherungsleistung sei gemäß § 812 BGB zurückzugewähren und die Sachverständigenkosten müssten als Folgeschaden nach § 823 BGB i.V.m. § 263 StGB ersetzt werden.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung,

a) die Klage abzuweisen und

b) die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, ihr – der Beklagten – € 18.694,34 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 23.04.2014 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung – unter Abweisung der Widerklage – kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt – im Kern ihre erstinstanzlichen Darlegungen ebenfalls wiederholend, ergänzend und vertiefend – das ihr günstige Urteil des Landgerichts und wendet sich gegen die Widerklage. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Dass sowohl in der Nacht des 05.12.2013 als auch in den Morgenstunden des Folgetages Sturm geherrscht habe, sei durch das DWD-Gutachten vom 12.05.2016 (GA I 262 ff.) belegt; von Nachbarn gemeldete Schäden habe die Beklagte reguliert. Deren Verhalten gegenüber ihr, der Klägerin, beruhe sehr wahrscheinlich auf später Vertragsreue und erwecke den Eindruck, sie solle in Misskredit gebracht werden, um berechtigte Ansprüche abzuwehren. Die Berufungsführerin hätte sich vor Annahme des Antrages ein eigenes Bild vom Zustand des Daches machen können, was indes nicht geschehen sei. Schuldhafte Obliegenheitsverletzungen oder gar eine arglistige Täuschung gebe es nicht. Sämtliche sturmbedingten Vorschäden seien, anders als die Gegenseite wahrheitswidrig vortrage, behoben worden; der Zustand des Dachs nach Ausführung der Arbeiten seitens der Firma H… H. H… werde durch die eingereichte Bilddokumentation belegt und seit 2007 fortbestehende Schäden, die es nicht gegeben habe, wären ohne Beseitigung inzwischen erheblich größer geworden und hätten Folgeschäden verursacht. Das Dach sei – unter Anbringung zwar geforderter, aber nicht näher bezeichneter Sturmklammern – überarbeitet worden; die komplette Neueindeckung habe die Rechtsmittelführerin nie verlangt. Dass Leistungen der Firma H… H. H… – wie vom gerichtlichen Sachverständigen S… V… angenommen – mangelhaft gewesen seien, habe sie – die Berufungsgegnerin – weder gewusst noch erkennen können. Die Beklagte sei damit einverstanden gewesen, dass – zur Vermeidung einer künftigen Selbstbeteiligung i.H.v. € 5.000,00 pro Schadensfall – an jedem vierten Ziegel eine sogenannte Kopfklammer eingebaut werde, was zuvor in einem Gespräch mit dem Privatgutachter Dr.-Ing. M… A… und der Versicherungsagentin K… K… erörtert worden sei. Der Einbau könne nur dann erfolgen, wenn die Ziegel zu 100 % geradlinig in ihren Falzen lägen. Im Dachdeckerhandwerk sei ihr – der Klägerin – Geschäftsführer aus Alters- und gesundheitlichen Gründen schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr tätig. Die durch den Sachverständigen S… V… im Gutachten vom 23.11.2016 (Sonderheftung) aufgezeigte Verdrehung der Dachsparren beruhe auf dem Sturmereignis vom Dezember 2013 und sei zuvor nicht vorhanden gewesen. Die statische Hilfskonstruktion habe sie – die Klägerin – erst danach errichten lassen. Die Widerklageforderung bestehe nach allem nicht und sei im Übrigen verjährt.

Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss vom 07.06.2019 (GA III 702 f.) nach § 526 Abs. 1 ZPO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Dieser hat Hinweise erteilt (GA III 649; 684R; V 1150). In der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz ist die Sach- und Rechtslage mit den Erschienenen eingehend erörtert worden. Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beschlüssen vom 12.06.2019 (GA IV 716, 717), 24.07.2019 (GA IV 775 ff.), 10.09.2019 (GA IV 799), 11.03.2020 (GA IV 866 f.) und 21. 07.2021 (GA V 1101 f.) durch Vernehmung der Zeugen P… A…, C… B…, D… B…, C… K…, T… H…, C… A…, S… V…, Dipl.-Ing. E… H… L…, Dr.-Ing. M… A… und S… I… sowie Einholung ergänzender schriftlicher Stellungnahmen und persönliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Dachdeckermeister S… V…; wegen des Ergebnisses wird auf die Terminsprotokolle vom 12.06.2019 (GA IV 716, 717 ff.), 25.06.2021 (GA V 1058 ff.) und 17.11.2021 (GA V 1167 ff.) sowie auf die schriftlichen Ausführungen des Gutachters vom 16.12.2019 (GA IV 826 ff.) und 15. 06.2020 (GA IV 888 ff.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Details des Sach- und Streitstands sowie der bisherigen Prozessgeschichte verweist der Senat ergänzend auf die anwaltlichen Schriftsätze beider Seiten nebst Anlagen, sämtliche Terminsprotokolle und den übrigen Akteninhalt.

II.

A. Die Berufung der Beklagten ist zwar an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie wurde insbesondere sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst hat sie aber lediglich insoweit Erfolg, als sie zur Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der – nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung hinsichtlich des negativen Feststellungsausspruchs verbliebenen – Klage führt. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen diesbezüglich eine andere – der Beklagten günstigere – Entscheidung. Die in zweiter Instanz erhobene Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte schuldet der Klägerin keine vertraglichen Leistungen zur Regulierung des behaupteten Versicherungsfalles vom 05.12.2013 und hat ihrerseits unter keinem rechtlichen Aspekt Rückforderungs- oder Schadensersatzansprüche wegen der schon abgewickelten Schadensfälle vom 11.09.2011 und 20.06.2013. Die erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen lassen sich nicht feststellen. Soweit der klägerische Anwaltsschriftsatz vom 08.11.2021 (GA V 1137 ff.), tags darauf per Telekopie bei Gericht eingegangen, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthält, insbesondere mit Blick auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen S… V…, sind diese verspätet und werden hiermit zurückgewiesen (§ 296 i.V.m. § 282 und § 525 Satz 1 ZPO). Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal des jeweiligen Hauptanspruchs. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Wer als Versicherungsnehmer – wie hier die Klägerin – Ansprüche auf Leistungen aus einem Versicherungsvertrag geltend macht, muss die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, nicht zuletzt den Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles, also die Erfüllung der primären Risikobeschreibung, in einem Zivilprozess zunächst darlegen und – soweit zwischen den Parteien darüber Streit besteht – nachfolgend (abgesehen von den Konstellationen des § 291 ZPO) beweisen (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 1 Rdn. 192; Neuhaus/Effelsberg, MDR 2005, 1211, 1212; Römer, r + s 2001, 45). Dies impliziert speziell in der Sachversicherung, wenn es zu mehreren Schadensfällen gekommen ist (oder sein soll), die Widerlegung des Einwandes, es werde ein nicht behobener Altschaden (erneut) geltend gemacht (zur Abgrenzung von Alt- und Neuschäden in der Kfz-Kaskoversicherung vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 26.03.2009 – 10 U 1163/08, LS, juris Rdn. 5 = BeckRS 2009, 21536; ferner Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., AKB 2015 Abschn. A. 2 Rdn. 327; Stadler in Stiefel/Maier, AKB, 19. Aufl., AKB 2015 Abschn. A. 2 Rdn. 375). Indes obliegt dem Versicherer die Vortrags- und Nachweislast sowohl für die Einschlägigkeit von Gefahrausschlüssen, die Gegenstand einer sogenannten sekundären Risikobeschreibung sind und die den Versicherungsschutz wieder einschränken (vgl. hierzu Armbrüster aaO; Neuhaus/Effelsberg aaO; Römer aaO), als auch für alle tatsächlichen Umstände, die seine Leistungsfreiheit begründen, insbesondere für den objektiven Tatbestand von Obliegenheitsverletzungen (§ 63 Abs. 3 Satz 2 VVG; vgl. dazu Armbrüster aaO, § 28 Rdn. 168; BeckOK-VVG/Marlow, 13. Ed., § 28 Rdn. 76; Römer aaO) und für die – objektiven wie subjektiven – Voraussetzungen einer Arglistklausel (eines Verwirkungstatbestandes) nach Art des Abschn. E 2.2.2 …-AGP 2008 (vgl. Jula in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., VHB 2010 Abschn. B § 16 Rdn. 12; Klimke in Prölss/Martin aaO, VHB 2016 VSMod Abschn. B § 16 Rdn. 20). Erst recht ist der Versicherer als Anspruchsteller mit Darlegung und Beweis belastet, soweit er eine bereits ausgezahlte Versicherungsleistung zurückverlangt, sei es wegen ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB oder – verbunden mit dem Vorwurf des Versicherungsbetrugs – nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB; auf Beweiserleichterungen kann er sich in diesem Kontext regelmäßig nicht stützen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14.07.1993 – IV ZR 179/92, LS, juris Rdn. 15 ff. = BeckRS 9998, 166114; OLG Brandenburg a.d.H., Urt. v. 01.02.2017 – 11 U 95/12, juris Rdn. 17 = openJur 2019, 39836 Rdn. 23; ferner Armbrüster aaO, § 1 Rdn. 193 und § 28 Rdn. 272 f.; Veith in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Aufl., § 2 Rdn. 3 ff.).

2. Der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Auszahlung von Versicherungsleistungen für den behaupteten Schadensfall vom 05.12.2013 ist unbegründet.

a) Zu Unrecht meint die Beklagte, die Vorinstanz hätte bereits nicht zu der Feststellung gelangen dürfen, dass in der Nacht vom 05. zum 06.12.2013 am Versicherungsort Sturm i.S.d. Abschn. D 2.1.2 Satz 1 …-AGP 2008 geherrscht habe. Wie der Senat infolge seiner langjährigen Spezialisierung entsprechend § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG weiß, kommt es – insbesondere im ländlichen Raum – praktisch sehr selten vor, dass sich gerade am (behaupteten) Schadensort eine Messstation befindet, die der amtlichen oder professionellen Erfassung von Wetterdaten dient. Auch die beiden Sturm-Fiktionen, die im Abschn. D 2.1.2 Satz 2 …-AGP 2008 geregelt sind, helfen dem Versicherungsnehmer oft nicht weiter, weil sie unter anderem auf den – nachträglich entweder schwer zu konstatierenden oder bisweilen gar nicht gegebenen – einwandfreien Zustand der betreffenden Gebäude vor der Beschädigung abstellen (vgl. dazu Jula, SachVersR, 4. Aufl., S. 41 [Abschn. E II 2]; Johannsen in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., VGB 2008/2010 Abschn. A § 4 Rdn. 18). Es würde daher den Versicherungsschutz wirtschaftlich ganz erheblich entwerten, wenn – wovon offenbar die Berufung ausgeht – für den Versicherungsnehmer keine andere Möglichkeit bestünde, den geforderten Sturmnachweis zu erbringen. Vielmehr können, was das Landgericht zutreffend angenommen hat (LGU 6) und die Rechtsmittelführerin an sich nicht infrage stellt, die Messungen von Stationen in der Nähe des Versicherungsortes herangezogen werden, wenn sich daraus – gegebenenfalls im Zusammenhange mit sonstigen Umständen – im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO Rückschlüsse auf die Verhältnisse am konkreten Schadensort ziehen lassen; hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass zwar der versicherte Schaden prinzipiell sturmbedingt entstanden sein muss, es aber keineswegs notwendig ist, dass genau im Zeitpunkt seines Eintritts eine Mindestwindstärke von 8 gemäß Beaufortskala erreicht wurde (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.10.2020 – 5 U 61/19, juris Rdn. 14 und 16 = BeckRS 2020, 29848 Rdn. 12 und 14; Johannsen aaO Rdn. 3; Jula aaO S. 39 f.; VersR-HdB/Hahn, 3. Aufl., § 34 Rdn. 58 f.; jeweils m.w. N.). Um den erforderlichen Vollbeweis zu führen, darf keine – faktisch kaum erreichbare – absolute und unumstößliche Gewissheit verlangt werden, wenn das erkennende Gericht prüft, ob eine Tatsachenbehauptung wahr ist und erwiesen wurde; sowohl erforderlich als auch ausreichend ist vielmehr stets ein für das praktische Leben brauchbares Maß an persönlicher Überzeugung, das Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 17.02.1970 – III ZR 139/67, juris-Rdn. 72, juris = BGHZ 53, 245, 255 f.; ebenso Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 286 Rdn. 18 f.; jeweils m.w.N.). Dieses Beweismaß hat die Zivilkammer ihrer Beweiswürdigung ersichtlich zugrunde gelegt (LGU 6). Dass im amtlichen Wettergutachten vom 12.05.2016 (GA I 266, 268) – bei einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Betrachtung – lediglich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Windsituation am Versicherungsort geschlossen wird, steht der individuellen Überzeugungsbildung des Einzelrichters in der Eingangsinstanz, die sich auf weitere Umstände stützt, nicht entgegen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.10.1993 – VI ZR 155/92, LS 2, juris Rdn. 14 = BeckRS 9998, 95620; ferner Zöller/Greger aaO Rdn. 19) und bietet keine konkreten Anhaltspunkte für Richtigkeits- oder Vollständigkeitszweifel i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

b) Nicht mit dem gemäß § 286 ZPO erforderlichen Maß an persönlicher Überzeugung positiv feststellen lässt sich jedoch nach ergänzender Beweisaufnahme in zweiter Instanz die laut Abschn. D 2.1.1. …-AGP 2008 erforderliche Kausalität zwischen Sturm und Sachbeschädigung.

aa) Hierfür genügt zwar – wie in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei ausgeführt wird (LGU 6 f.) – eine unmittelbare Mitursächlichkeit. Die Annahme des Landgerichts, dass das optische Ergebnis, welches sich nach dem Windereignis vom 05.12.2013 gezeigt hat, zuvor nicht vorhanden gewesen sei, weil – angesichts der unstreitig im Sommer des Jahres nach dem vorangegangenen Schadensfall ausgeführten Reparaturarbeiten – davon ausgegangen werden könne, es sei wenigstens das damalige äußere Schadensbild beseitigt worden, erweist sich aber als nicht tragfähig. Denn die Prozessparteien streiten gerade darüber, ob dies geschehen ist oder nur (unzulängliche) Arbeiten zur Verklammerung der hofseitigen Dachfläche ausgeführt wurden. Hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass der Schaden am Dach des Wirtschaftsgebäudes – wie sich zum einen aus dem Gutachten des durch die Beklagte beauftragten Privatsachverständigen Dr.-Ing. M… A… vom 13.07.2013 (Kopie Anl. B19/GA II 401 ff. [402R und 405R]) und zum anderen aus dessen glaubhaften Bekundungen anlässlich seiner Zeugenvernehmung (GA V 1064 f.) ergibt – im Kern darin besteht, dass auf einer Fläche von etwa 200 m² die Falzziegel in Teilbereichen angehoben waren und auseinanderklafften. Ein solches – subjektiv identisches, nicht sturmschadenstypisches und die Regensicherheit unberührt lassendes – Bild bot sich ihm, so der Zeuge, an allen drei Tagen, an denen er auf dem klägerischen Anwesen war, und zwar am 27.06.2013, 10.12.2013 und 20.02.2014. Am zuletzt genannten Termin sei es dem erstmals hinzugezogenen Privatgutachter C… R… und einem Gehilfen nicht gelungen, von einer Hubbühne aus die Sperrungen der Dachziegel von der Unterseite zu lösen und diese wieder in eine ordnungsgemäße Lage zu rücken. Hinzu kommt, dass der gerichtliche Sachverständige S… V… im Rahmen der persönlichen Anhörung zweiter Instanz klargestellt hat, er könne anhand der ihm vorliegenden Lichtbilder nicht feststellen, dass durch die drei hier konkret in Rede stehenden Sturmereignisse gegenüber dem Vorzustand eine Veränderung am Scheunendach eingetreten sei, und seine Aussage zur Plausibilität des Schadensbildes in der Eingangsinstanz habe sich auf einen späteren Zeitpunkt bezogen, den seiner Ortsbesichtigung am 09.06.2016 nach für das Jahr 2015 behaupteten Schadensereignissen (GA V 1061).

bb) Angesichts dessen muss offenbleiben, ob sich das Bauunternehmen H… H. H… im Sommer 2013 gerade dieses Schadensbildes angenommen und ob an dessen Entstehung – neben der fehlerhaften Dachkonstruktion – überhaupt ein Sturmereignis mitgewirkt hat. Die Aussagen der klägerischen Zeugen führen, soweit sie ergiebig sind, zu keinem anderen Ergebnis. Der Zeuge P… A…, der laut eigenem Bekunden zwar über gewisse praktische Erfahrungen verfügt, aber kein Fachmann im Dachdeckergewerbe ist, hat nicht das gesamte Dach inspiziert, sondern im Wesentlichen – auftragsgemäß – stichprobenartig nachträglich geprüft, ob die Dachziegel vom Bauunternehmen gehörig verklammert wurden und dabei (anders als später der gerichtliche Sachverständige) keine Mängel festgestellt; Löcher in der Dachhaut oder fehlende Ziegel, um die es hier nicht geht, konnte er danach zwar ausschließen, hat aber durchaus konstatiert, dass „der eine oder andere Ziegel nicht ganz zu 100 % richtig lag“. An der Aussage der Zeugin C… K… ist glaubhaft, dass sie zwei Mitarbeiter der Firma H… H. H… in der zweiten Augusthälfte 2013 auf dem Steildach bei Reparaturarbeiten gesehen hat, dass – was zwischen den Parteien sogar außer Streit steht – Sturmklammern eingesetzt wurden und dass es anschließend weder Löcher in der Dachhaut noch fehlende Dachpfannen gab. Nicht zu überzeugen vermag indes, dass sie als Laiin auf einem Satteldach der vorliegenden Größenordnung vom Boden aus sofort verrutschte Dachziegel erkennt, dem eine Ursache zuzuordnen vermag und sich angesichts der Häufigkeit solcher Ereignisse zuverlässig erinnert, von wann bis wann der entsprechende Zustand wo gegeben war. Die Bekundungen der Zeugen T… H… und C… A… sprechen zwar dafür, dass der Geschäftsführer der Klägerin – speziell zum Schutze seiner Pferde – stets bemüht gewesen ist, sobald wie möglich Schäden am Dach des als Stall und Scheune genutzten Gebäudes zu beseitigen. Laut Aussage des Zeugen Dr.-Ing. M… A… war aber die Regensicherheit bei dem konkreten Schadensbild nicht beeinträchtigt und der ebenfalls für die Beklagte Privatsachverständiger tätige Zeuge S… I… wusste zu berichten, dass ihm – ein später eingetretener, hier nicht streitgegenständlicher – Schaden, bei dem Dachziegel ganz erheblich verschoben wurden (Lichtbilder Anl. B 18c/GA I 251) – nach mehr als sieben Monaten unverändert erneut mit dem Bemerken vorgestellt worden sei, die Beklagte habe für die Behebung noch kein Geld gezahlt (GA V 1066 f.).

3. Die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche auf Rückgewähr von Versicherungsleistungen, die der Klägerin für die Schadensfälle vom 11.09.2011 und 20.06.2013 gezahlt wurden, und auf Erstattung von Privatsachverständigenkosten der Beklagten sind unbegründet.

a) Sie scheitern freilich nicht bereits an der Verjährungseinrede, die die Rechtsmittelgegnerin in zweiter Instanz erhoben hat. Denn ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 214 Abs. 1 BGB steht ihr nicht zu. Der Ablauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB wurde nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO rechtzeitig gehemmt. Zwar führt weder die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner noch eine Verteidigung dagegen seitens des Gläubigers zur Verjährungshemmung (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rdn. 17 m.w.N.). Auch konnte die hiesige Beklagte in der Eingangsinstanz nach dem Schluss der dortigen mündlichen Verhandlung über die Klage am 19.09.2017 (GA II 381 ff.) mit einem am 18.10.2017 beim Landgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz (GA II 424 ff.) keine Widerklage mehr erheben (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 12.05.1992 – XI ZR 251/91, LS, juris = BeckRS 9998, 77433). Dies hat sie aber in ihrer bereits am 30.12.2017 per Telekopie bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen (GA II 494 ff.) und am 11.01.2018 zugestellten (GA III 549) Berufungsbegründung nachgeholt. Vor dem Erhalt des Gutachtens ihres Privatsachverständigen C… R… vom 16.03.2014 (Kopie Anl. B 8/GA I 67 ff.) gab es auf Seiten der Rechtsmittelführerin weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vom Bestehen der anspruchsbegründenden Umstände und von der Person des Schuldners, ohne die gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt werden kann. Diese begann im Streitfalle also mit dem Schluss des 31.12.2014 und endete mit dem Ablauf des 31.12.2017, wobei wegen der demnächstigen Zustellung i.S.d. § 167 ZPO die dort angeordnete Rückwirkung eingreift.

b) Zurückverlangen könnte die Beklagte ihre Leistungen von der Klägerin lediglich dann, wenn sich – ausgehend vom (oben erörterten) Beweismaß des § 286 ZPO – positiv feststellen ließe, dass entweder gar kein Versicherungsfall eingetreten ist oder Leistungsfreiheit besteht infolge von Obliegenheitsverletzungen respektive wegen arglistiger Täuschung nach dem Eintritt des Versicherungsfalles über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Um ihre Sachverständigenkosten liquidieren zu können, müsste die Berufungsführerin zudem die Voraussetzungen für einen Versicherungsbetrug gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nachweisen können. Beides trifft jedoch nicht zu. Auf die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung kommt es nicht an, da der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nur rechtsgeschäftliche Willenserklärungen unterliegen, wozu die schlichte Regulierung eines Schadensfalles im Sachversicherungsrecht nicht gehört. Im Ergebnis der Beweisaufnahme beider Instanzen lässt sich zwar nicht konstatieren, dass am 05.12.2013 am versicherten Gebäude ein bedingungsgemäßer Sturmschaden eingetreten ist, was zulasten der Klägerin geht, soweit sie mit der Klage Ansprüche geltend macht. Ebenso wenig hat die Beweiserhebung aber ergeben, dass ein – schon seit 2007 oder später unverändert bestehender, nicht behobener – Altschaden von der Rechtsmittelgegnerin als am 11.09.2011 oder 20.06.2013 eingetretener Neuschaden behauptet worden ist, was sich zulasten der Beklagten auswirkt, soweit sie ihrerseits Forderungen erhebt. Gewisse Ähnlichkeiten im äußeren Schadensbild reichen für den notwendigen Vollbeweis nicht aus. Die beiden Rechnungen des Bauunternehmers H… H. H… vom 05.09.2013 (Kopie Anl. B3/GA I 61) und 15.09.2013 (Kopie Anl. B2/GA I 60) sind von der Klägerin im Rahmen der Regulierung des Schadensfalles vom 05.12.2013 vorgelegt worden, die Gegenstand der – erfolglos gebliebenen – Klage ist. Abgewickelt hat die Beklagte den vorangegangenen Versicherungsfall vom 20.06.2013 – nach Konsultation ihres Privatsachverständigen Dr.-Ing. M… A… – bereits zuvor auf Basis des Angebotes der … GmbH & Co. KG vom 08.07.2013 (Kopie Anl. BB3/GA II 541). Angesichts dessen blieb die Tatsache, dass – wie die Zeugenvernehmung in der Berufungsinstanz ergeben hat – in der Rechnung der Firma H… H. H… vom 15.09.2013 (Kopie Anl. B2/GA I 60) eine Nettoposition i. H.v. € 2.000,00 für das Liefern und Verarbeiten von 100 m² Dachbahn enthalten ist, die sie selbst nicht erbracht hat, weil das Material von der Klägerin direkt bei der …-GmbH … bezogen wurde (GA I 213 und 215) und die Arbeiten auf dem Flachdach des Anbaus durch die beiden Neffen des klägerischen Geschäftsführers, die Zeugen C… B… und D… B…, erledigt worden sind, ohne Auswirkungen. Die Schadensabwicklung auf der Grundlage von Angeboten ist in der Sachversicherung möglich und zugleich üblich. Unabhängig davon wurde das Dach des Werkstattanbaus tatsächlich repariert. Um sich in bereits abgewickelten Versicherungsfällen nachträglich mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen zu können, muss der Versicherer unter anderem deren Kausalität und das Verschulden des Versicherungsnehmers nachweisen (vgl. dazu Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 28 Rdn. 272 m.w.N.). Hier hat die Beklagte zudem eine Verklammerung der Dachziegel überhaupt erst nach dem Schadensfall vom 20.06.2013 verlangt. Dass am 11.09.2011 am Versicherungsort kein Sturm geherrscht hat, lässt sich allein anhand aufgezeichneter Wetterdaten von einzelnen Stationen, die mehr als 14 km oder noch erheblich weiter entfernt liegen, ebenso wenig positiv feststellen, wie daraus der Umkehrschluss gezogen werden könnte.

B. Die nicht nachgelassenen Anwaltsschriftsätze der Klägerin vom 17.01.2022 und 25.01.2022, deren Inhalt der Senat zur Kenntnis genommen hat, geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der bereits geschlossenen mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 156 Abs. 2 ZPO zwingend wiederzueröffnen ist, liegen im Streitfall nicht vor.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO. Danach haben beide Parteien die Kosten entsprechend dem Verhältnis ihres Unterliegens zu tragen.

D. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Berufungsurteiles stützt sich auf § 708 Nr. 10 ZPO sowie auf § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung hat der Senat nach § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken bestimmt. Zu Sicherungszwecken gegebene Zahlungsversprechen von Kreditversicherern sind – insbesondere laut Auffassung des Gesetzgebers selbst (vgl. u.a. Bericht des Rechtsausschusses zum BReg-Entw. für ein Bauhandwerkersicherungsgesetz, BT-Drucks. 12/4526, S. 9, 11) – denen von Kreditinstituten gleichwertig (arg. § 648a Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. = § 650f Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.; § 31 Abs. 3 Nr. 1 EEG 2017; § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ElektroG; § 14 Abs. 1 Satz 3 WBVG; § 17 Abs. 2 VOB/B).

E. Die Revision wird vom Senat – in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG – nicht zugelassen. Denn die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche – über den Streitfall hinausgehende – Bedeutung (für eine unbestimmte Vielzahl zu erwartender Streitigkeiten, in denen sich die gleichen Fragen als klärungsbedürftig erweisen) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Urteil des erkennenden Senates beruht im Wesentlichen auf der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Divergenzen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, die höchstrichterlich noch ungeklärte Fragen mit Relevanz für den Ausgang des hiesigen Streitfalles betreffen, sind nicht ersichtlich.

F. Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes für die zweite Instanz beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 40, § 45 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgeblich ist – entsprechend dem sogenannten Angreiferinteresseprinzip (vgl. dazu BeckOK-KostR/Schindler, 34. Ed., GKG § 47 Rdn. 1; MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 3 Rdn. 4, 5 und 10; Roth, MDR 2017, 1153, 1154; Schumann, NJW 1982, 1257, 1260; ferner OLG Brandenburg a.d.H., Beschl. v. 15.10.2019 – 11 W 24/19, Rdn. 3, juris = BeckRS 2019, 28478; OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2019 – 4 W 896/19, Rdn. 3, juris = BeckRS 2019, 34226; jeweils m.w.N.) – in vermögensrechtlichen Streitigkeiten wie hier grundsätzlich das mit dem Petitum derjenigen Partei, die das Verfahren des jeweiligen Rechtszuges beantragt hat, offenbarte und nach ihrem Rechtsschutzziel in der Hauptsache zu bewertende wirtschaftliche Interesse an der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu Beginn dieser Instanz. Im Streitfalle wehrt sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von € 12.062,76; da dieser Betrag zur Erfüllung einer Geldschuld eingeklagt wird, ist er mit deren Nennwert in Ansatz zu bringen (arg. § 6 Satz 1 ZPO; vgl. BeckOK-KostR/Toussaint aaO § 48 Rdn. 84; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 3 Rdn. 72 und § 6 Rdn. 5; Toussaint/Elzer, KostR, 51. Aufl., ZPO § 3 Rdn. 23 Stichwort Geldforderung; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 6 Rdn. 7). Den Wert des positiven Feststellungsausspruchs, den die Rechtsmittelführerin ebenfalls angreift, schätzt der Senat – wie die Zivilkammer in ihrem Beschluss vom 24.10.2017 (GA II 466 f.) – mit € 5.000,00, wobei der sogenannte Feststellungsabschlag i.H.v. regelmäßig 20 % schon berücksichtigt ist (vgl. dazu Zöller/Herget aaO, § 3 Rdn. 16. 76 m.w.N.). Addiert werden muss ferner nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG der Nennbetrag der bezifferten Widerklage (€ 18.694,34); sie ist zwar mit dem von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten negativen Feststellungspetitum wirtschaftlich identisch, betrifft aber nicht denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG wie die Klage. Die geltend gemachten Zinsen bleiben als Nebenforderungen streitwertneutral (§ 43 Abs. 1 GKG).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!