Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Brandenburg: Kein Geld für Sturmschaden bei unklarem Altschaden – Streit um Dachreparaturen und wiederholte Schäden an Wirtschaftsgebäude
- Ausgangssituation: Wiederholte Sturmschäden und der Streit um Reparaturen am Scheunendach des versicherten Wirtschaftsgebäudes
- Der aktuelle Versicherungsfall: Erneuter Sturmschaden am Dach oder alter Mangel? Die Klage der Eigentümerin auf Versicherungsleistung
- Die Gegenforderung der Versicherung: Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen und Vorwurf der arglistigen Täuschung
- Das Urteil des Landgerichts Potsdam: Zunächst voller Erfolg für die Versicherungsnehmerin in erster Instanz
- Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg: Klage der Eigentümerin abgewiesen, Widerklage der Versicherung ebenfalls erfolglos
- Die Beweislast im Versicherungsrecht: Wer muss was vor Gericht nachweisen? Grundsätze des § 286 ZPO
- Begründung zur Klageabweisung: Fehlender Beweis für Kausalität zwischen Sturm und neuem Schaden am Dach des Wirtschaftsgebäudes
- Begründung zur Abweisung der Widerklage: Versicherung konnte Täuschung und ungerechtfertigte Zahlungen nicht beweisen, obwohl Ansprüche nicht verjährt waren
- Fazit des Oberlandesgerichts Brandenburg: Ein gespaltener Ausgang im Streit um Sturmschäden und Dachreparaturen – Niemand erhält zusätzliches Geld
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Schäden deckt eine Gebäudeversicherung bei Sturmschäden ab und welche nicht?
- Was bedeutet „Neuwertversicherung“ bei einer Gebäudeversicherung und wie wirkt sich das auf die Schadensregulierung aus?
- Welche Pflichten habe ich als Versicherungsnehmer nach einem Sturmschaden und was passiert, wenn ich diese verletze?
- Was ist unter „Altschaden“ zu verstehen und wie wirkt sich das auf die Regulierung eines neuen Sturmschadens aus?
- Kann die Versicherung bereits gezahlte Leistungen zurückfordern und unter welchen Voraussetzungen ist das möglich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 11 U 174/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgerichts Brandenburgisch
- Datum: 26.01.2022
- Aktenzeichen: 11 U 174/17
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem Wirtschaftsgebäude, die von ihrem Versicherer Leistungen für einen angeblichen Sturmschaden am Dach verlangte.
- Beklagte: Der Gebäudeversicherer der Liegenschaft, der die Leistung für den aktuellen Schaden verweigerte und bereits gezahlte Beträge für frühere Schäden zurückforderte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Eigentümerin eines Wirtschaftsgebäudes meldete ihrer Gebäudeversicherung einen Sturmschaden am Dach, nachdem es bereits in den Vorjahren Schäden an demselben Dach gegeben hatte, die von der Versicherung reguliert worden waren. Der Versicherer hatte Zweifel, ob es sich um einen neuen Schaden handelte oder einen nicht behobenen Vorschaden.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der neueste Schaden tatsächlich durch ein versichertes Sturmereignis verursacht wurde oder ob es sich um einen bereits bestehenden, nicht behobenen Schaden handelte. Zudem stritten die Parteien darüber, ob die Klägerin die Versicherung über die Beseitigung früherer Schäden getäuscht hatte, was zur Rückforderung von bereits gezahlten Leistungen führte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies sowohl die Klage der Eigentümerin auf Zahlung der Versicherungsleistung für den jüngsten Schaden ab. Es wies ebenso die Widerklage des Versicherers auf Rückzahlung der für frühere Schäden geleisteten Beträge und Erstattung von Sachverständigenkosten ab.
- Begründung: Die Klägerin konnte nicht mit der nötigen Sicherheit beweisen, dass der geltend gemachte Schaden tatsächlich durch den behaupteten Sturm verursacht wurde und nicht ein Altschaden war. Der Versicherer konnte seinerseits nicht beweisen, dass die früheren Zahlungen zu Unrecht erfolgten, weil etwa kein Sturm vorlag oder die Klägerin getäuscht hatte.
- Folgen: Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen wurden zwischen den Parteien aufgeteilt. Eine weitere rechtliche Überprüfung des Urteils wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
OLG Brandenburg: Kein Geld für Sturmschaden bei unklarem Altschaden – Streit um Dachreparaturen und wiederholte Schäden an Wirtschaftsgebäude
Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in einem komplexen Fall um wiederholte Sturmschäden an einem Wirtschaftsgebäude entschieden. Im Kern ging es um die Frage, ob eine Gebäudeversicherung die Leistung für einen neu gemeldeten Sturmschaden verweigern und bereits für frühere Schäden gezahlte Beträge zurückfordern darf, wenn Zweifel an der tatsächlichen Schadensursache und der Ordnungsmäßigkeit früherer Reparaturen bestehen.

Das Urteil (Az.: 11 U 174/17 vom 26.01.2022) zeigt deutlich die Beweislastverteilung im Versicherungsrecht auf und beleuchtet die Konsequenzen, wenn weder der Versicherungsnehmer den vollen Beweis für einen neuen Schaden noch der Versicherer den Beweis für eine Arglistige Täuschung oder das Nichtbestehen früherer Schäden erbringen kann.
Ausgangssituation: Wiederholte Sturmschäden und der Streit um Reparaturen am Scheunendach des versicherten Wirtschaftsgebäudes
Die Eigentümerin einer Liegenschaft unterhält bei einer Versicherung eine Gebäudeversicherung für Wirtschaftsgebäude zum Neuwert, die unter anderem Sturm- und Hagelschäden abdeckt. Das betroffene Gebäude, ein als Stall bzw. Scheune genutztes Nebengebäude, verfügt über ein ziegelgedecktes Satteldach. Bereits in der Vergangenheit hatte die Eigentümerin Schäden an diesem Dach gemeldet:
Am 11. September 2011 wurde ein Schaden gemeldet, den die Versicherung nach Begutachtung durch einen von ihr beauftragten Privatsachverständigen mit 9.000,86 Euro regulierte.
Am 20. Juni 2013 erfolgte eine weitere Schadensmeldung. Nach erneuter Begutachtung durch einen anderen Privatsachverständigen (Dr.-Ing. M. A.) zahlte die Versicherung hierfür 7.234,25 Euro.
Die Versicherungsnehmerin gab an, diese Vorschäden, insbesondere den Schaden von 2013, durch eine Firma H… H. H… im Sommer 2013 fachgerecht behoben zu haben. Die Versicherung hingegen hegte Zweifel und vertrat die Ansicht, es sei immer derselbe, bereits seit einem früheren Ereignis im Jahr 2007 bestehende Altschaden geltend gemacht worden. Die Reparaturen seien, so der Vorwurf, entweder nur vorgetäuscht oder zumindest mangelhaft ausgeführt worden.
Der aktuelle Versicherungsfall: Erneuter Sturmschaden am Dach oder alter Mangel? Die Klage der Eigentümerin auf Versicherungsleistung
Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht war ein weiterer von der Eigentümerin geltend gemachter Sturmschaden an demselben Dach, der sich am 5. Dezember 2013 ereignet haben soll. Basierend auf dem Angebot eines Dachdeckerbetriebs bezifferte die Eigentümerin die notwendigen Reparaturkosten auf vorläufig mindestens 12.062,76 Euro und forderte von ihrer Versicherung die entsprechende Leistung aus dem Versicherungsvertrag.
Die Gegenforderung der Versicherung: Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen und Vorwurf der arglistigen Täuschung
Die Versicherung wehrte sich nicht nur gegen die neue Forderung, sondern erhob ihrerseits eine Widerklage. Sie verlangte von der Eigentümerin die Rückzahlung der bereits für die Schäden vom 11. September 2011 (9.000,86 Euro) und 20. Juni 2013 (7.234,25 Euro) geleisteten Beträge. Zusätzlich forderte sie die Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von 2.459,41 Euro, die für die Überprüfung der früheren Schäden und des aktuellen Falls angefallen waren. Die Versicherung begründete ihre Forderung unter anderem mit dem schwerwiegenden Vorwurf, die Eigentümerin habe sie arglistig über die Beseitigung der Altschäden getäuscht.
Das Urteil des Landgerichts Potsdam: Zunächst voller Erfolg für die Versicherungsnehmerin in erster Instanz
In der ersten Instanz hatte das Landgericht Potsdam der Klage der Eigentümerin in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage der Versicherung abgewiesen. Das Landgericht sah einen bedingungsgemäßen Sturm am 5./6. Dezember 2013 als mitursächlich für den festgestellten Schaden an, selbst wenn Mängel in der Dachkonstruktion vorgelegen haben sollten. Es ging davon aus, dass das äußere Schadensbild des Vorschadens von 2013 beseitigt worden sei und verneinte eine Leistungsfreiheit der Versicherung wegen Arglist oder einer vorsätzlichen Verletzung von Vertragspflichten (Obliegenheitsverletzung) seitens der Eigentümerin. Die Widerklage wurde mangels ausreichend substantiierten Vortrags der Versicherung abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte die Versicherung Berufung ein.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg: Klage der Eigentümerin abgewiesen, Widerklage der Versicherung ebenfalls erfolglos
Das Oberlandesgericht Brandenburg änderte das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Potsdam grundlegend ab. Die Klage der Eigentümerin auf Versicherungsleistung für den Schaden vom 5. Dezember 2013 wurde abgewiesen. Gleichzeitig wurde aber auch die Widerklage der Versicherung auf Rückzahlung der für frühere Schäden geleisteten Beträge und Erstattung von Sachverständigenkosten ebenfalls abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen wurden anteilig verteilt: Die Eigentümerin muss 48 %, die Versicherung 52 % der Kosten tragen. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Die Beweislast im Versicherungsrecht: Wer muss was vor Gericht nachweisen? Grundsätze des § 286 ZPO
Das OLG stellte in seiner Begründung zunächst die allgemeinen Beweislastgrundsätze im Versicherungsrecht klar. Demnach muss der Versicherungsnehmer (hier die Eigentümerin) im Prozess die Voraussetzungen für seinen Anspruch darlegen und beweisen. Dazu gehören insbesondere der Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles (hier ein Sturm) und die Kausalität, also der ursächliche Zusammenhang zwischen dem versicherten Ereignis und dem eingetretenen Schaden. Wenn es, wie im vorliegenden Fall, um mehrere Schäden am selben Gebäudeteil geht, muss der Versicherungsnehmer zudem den Einwand des Versicherers widerlegen, dass ein nicht behobener Altschaden erneut geltend gemacht wird.
Der Versicherer (hier die beklagte Versicherung) trägt hingegen die Beweislast für sogenannte Gefahrausschlüsse (also Umstände, unter denen kein Versicherungsschutz besteht), für Umstände, die zur Leistungsfreiheit führen (wie beispielsweise eine Obliegenheitsverletzung nach § 63 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F., heute § 28 VVG), und für die Voraussetzungen einer Arglistklausel. Will der Versicherer bereits gezahlte Leistungen zurückfordern, beispielsweise wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) oder aus Delikt wegen Versicherungsbetrugs (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB), trifft ihn als Anspruchsteller die volle Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht würdigt die vorgelegten Beweise nach seiner freien Überzeugung (§ 286 ZPO), wobei ein für das praktische Leben ausreichendes Maß an Gewissheit genügt; eine absolute, jeden Zweifel ausschließende Sicherheit ist nicht erforderlich.
Begründung zur Klageabweisung: Fehlender Beweis für Kausalität zwischen Sturm und neuem Schaden am Dach des Wirtschaftsgebäudes
Hinsichtlich der Klage der Eigentümerin auf Zahlung für den Schaden vom 5. Dezember 2013 kam das OLG zu dem Ergebnis, dass diese unbegründet sei.
Zwar teilte das OLG die Auffassung des Landgerichts, dass ein bedingungsgemäßer Sturm (mindestens Windstärke 8) in der fraglichen Nacht am Versicherungsort stattgefunden hatte. Dies konnte durch die Auswertung von Wetterdaten nahegelegener Messstationen im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angesehen werden. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass eine Messstation direkt am Schadensort vorhanden ist. Eine in einem Wettergutachten formulierte „hohe Wahrscheinlichkeit“ schließt eine richterliche Überzeugung nach § 286 ZPO nicht aus.
Entscheidend war jedoch die Frage der Kausalität zwischen Sturm und Schaden und die Abgrenzung zu einem möglichen Altschaden. Hier wich das OLG von der Einschätzung des Landgerichts ab. Nach der ergänzenden Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz konnte die laut Versicherungsbedingungen erforderliche Ursächlichkeit zwischen dem Sturm und der Sachbeschädigung nicht mit dem erforderlichen Maß an persönlicher Überzeugung positiv festgestellt werden. Zwar genügt grundsätzlich eine unmittelbare Mitursächlichkeit. Die Annahme des Landgerichts, das nach dem 5. Dezember 2013 vorgefundene Schadensbild sei zuvor nicht vorhanden gewesen, sei jedoch nicht tragfähig.
Der von der Versicherung beauftragte Privatsachverständige, Dr.-Ing. M. A., bekundete glaubhaft, dass das im Kern gleiche, nicht sturmschadenstypische Schadensbild (angehobene Ziegel, wobei die Regensicherheit des Daches unberührt blieb) an allen drei Tagen seiner Ortsbesichtigungen (27. Juni 2013 – also vor dem hier strittigen Schaden, 10. Dezember 2013 und 20. Februar 2014) vorhanden war. Ein späterer Versuch, die Ziegel zu richten, sei nicht erfolgreich gewesen.
Auch der gerichtlich bestellte Sachverständige S. V. konnte anhand der vorgelegten Lichtbilder keine Veränderung des Schadensbildes durch die hier fraglichen Sturmereignisse feststellen. Seine frühere Aussage zur Plausibilität eines Schadens bezog sich auf einen späteren Zeitpunkt nach angeblichen Ereignissen im Jahr 2015 und war daher für den streitgegenständlichen Schaden nicht relevant.
Angesichts dieser Zeugen- und Sachverständigenaussagen musste nach Überzeugung des Senats offenbleiben, ob das von der Eigentümerin beauftragte Bauunternehmen H… H. H… das konkrete Schadensbild (angehobene und auseinanderklaffende Falzziegel auf einer Fläche von ca. 200 m²) im Sommer 2013 überhaupt fachgerecht bearbeitet hatte. Es blieb ebenfalls unklar, ob an dessen Entstehung – neben der offensichtlich fehlerhaften Dachkonstruktion (Verformungen, unzureichende Klammerung der Ziegel) – überhaupt ein Sturmereignis mitgewirkt hatte. Die Aussagen der von der Eigentümerin benannten Zeugen konnten diese Unsicherheit nicht beseitigen.
Da die Eigentümerin somit die erforderliche Kausalität zwischen dem Sturmereignis vom 5. Dezember 2013 und dem vorgefundenen Schaden nicht beweisen konnte, wurde ihr Anspruch auf Versicherungsleistung als unbegründet abgewiesen. Später von der Eigentümerin vorgebrachte neue Angriffs- und Verteidigungsmittel wies das Gericht als verspätet zurück (§ 296 i.V.m. § 282 und § 525 Satz 1 ZPO).
Begründung zur Abweisung der Widerklage: Versicherung konnte Täuschung und ungerechtfertigte Zahlungen nicht beweisen, obwohl Ansprüche nicht verjährt waren
Die von der Versicherung im Wege der Widerklage geltend gemachten Ansprüche auf Rückgewähr der für die Schadensfälle vom 11. September 2011 und 20. Juni 2013 gezahlten Leistungen sowie auf Erstattung von Sachverständigenkosten waren ebenfalls unbegründet.
Zunächst prüfte das Gericht die Frage der Verjährung. Die Rückforderungsansprüche der Versicherung waren nicht verjährt. Die dreijährige Regelverjährungsfrist gemäß § 195 BGB begann nach Ansicht des Gerichts erst mit dem Schluss des Jahres 2014 zu laufen. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte die Versicherung durch den Inhalt des Gutachtens ihres Privatsachverständigen C. R. vom März 2014 ausreichende Kenntnis von den Umständen erlangt, die ihre Ansprüche begründen könnten. Die Frist endete somit am 31. Dezember 2017. Die Widerklage wurde in der Berufungsbegründungsschrift erhoben, die am 30. Dezember 2017 per Telefax beim OLG einging und der Eigentümerin am 11. Januar 2018 zugestellt wurde. Dies erfüllte die Voraussetzungen der sogenannten demnächstigen Zustellung im Sinne des § 167 ZPO, wodurch die Verjährung durch die Klageerhebung rechtzeitig gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
Trotz der nicht eingetretenen Verjährung konnte die Versicherung die tatsächlichen Voraussetzungen für ihre Rückforderungsansprüche nicht positiv feststellen. Sie vermochte nicht zu beweisen, dass bei den früheren Schadensfällen entweder gar kein versicherter Sturm eingetreten war oder dass Leistungsfreiheit bestand (beispielsweise wegen arglistiger Täuschung durch die Eigentümerin oder einer schwerwiegenden Obliegenheitsverletzung). Ebenso konnte die Versicherung die Voraussetzungen für einen Versicherungsbetrug (§ 263 StGB) als Grundlage für die Erstattung der Sachverständigenkosten nicht nachweisen. Wie bereits bei der Beurteilung der Klage ausgeführt, konnte auch für die früheren Schäden nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich nicht um Altschäden handelte oder die Eigentümerin die Versicherung über die durchgeführten Reparaturen getäuscht hatte. Die bloße Möglichkeit oder ein Verdacht reichen hierfür nicht aus.
Die von der Versicherung im Prozess erwähnte Anfechtung der Regulierungserklärungen zu den früheren Schäden sei, so das Gericht, rechtlich unbeachtlich. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung betrifft nur rechtsgeschäftliche Willenserklärungen. Die schlichte Regulierung eines Schadensfalls im Sachversicherungsrecht, also die Auszahlung einer Versicherungsleistung, stellt jedoch keine solche Willenserklärung dar, die einer Anfechtung unterläge.
Da die Versicherung die für ihre Rückforderungsansprüche erforderlichen Tatsachen nicht beweisen konnte, wurde ihre Widerklage als unbegründet abgewiesen.
Fazit des Oberlandesgerichts Brandenburg: Ein gespaltener Ausgang im Streit um Sturmschäden und Dachreparaturen – Niemand erhält zusätzliches Geld
Das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg führt zu einem gespaltenen Ergebnis: Die Eigentümerin erhält keine Versicherungsleistung für den im Dezember 2013 gemeldeten Sturmschaden, da sie nicht beweisen konnte, dass dieser Schaden tatsächlich durch ein neues Sturmereignis verursacht wurde und nicht im Wesentlichen ein nicht oder nur unzureichend behobener Altschaden war. Gleichzeitig muss die Versicherung die für die früheren Schäden bereits gezahlten Beträge nicht zurückerhalten, da sie ihrerseits nicht beweisen konnte, dass diese Zahlungen zu Unrecht erfolgten – sei es durch das Nichtvorliegen eines Sturms, eine Leistungsfreiheit aufgrund von Vertragsverstößen oder eine bewusste Täuschung seitens der Eigentümerin. Dieser Fall unterstreicht die zentrale Bedeutung der Beweislast in versicherungsrechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere wenn es um komplexe Schadensverläufe und den Verdacht auf Altschäden oder vorgetäuschte Reparaturen geht.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Brandenburg zeigt im Urteil zum Sturmschaden deutlich, wie wichtig der Nachweis eines kausal durch Sturm verursachten Schadens ist und dass der Versicherungsnehmer diesen Beweis führen muss. Bei wiederholten Schäden am selben Gebäudeteil muss der Versicherte nachweisen können, dass frühere Schäden ordnungsgemäß repariert wurden und es sich um einen neuen, durch Sturm verursachten Schaden handelt. Gleichzeitig verdeutlicht das Urteil, dass auch die Versicherung bei Rückforderungen bereits gezahlter Leistungen die Beweislast für eine Täuschung oder Obliegenheitsverletzung trägt – bloße Zweifel reichen hierfür nicht aus.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Schäden deckt eine Gebäudeversicherung bei Sturmschäden ab und welche nicht?
Welche Schäden deckt eine Gebäudeversicherung bei Sturmschäden ab und welche nicht?
Eine Wohngebäudeversicherung deckt in der Regel direkte Schäden an Ihrem Haus, die durch Sturm verursacht werden. Als Sturm gilt dabei versicherungsrechtlich meistens ein Wetterereignis mit einer Windstärke von mindestens 8. Das entspricht einer Windgeschwindigkeit von etwa 63 Stundenkilometern, bei der sich beispielsweise Äste von Bäumen lösen.
Welche Schäden sind typischerweise versichert?
Versichert sind Schäden, die unmittelbar durch die Gewalt des Sturms an den versicherten Gebäudeteilen entstehen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Beschädigungen oder Verlust von Dachziegeln: Wenn der Sturm Ziegel vom Dach fegt.
- Schäden an der Fassade: Wenn Verkleidungen oder Putz durch den Sturm abgerissen oder beschädigt werden.
- Beschädigte Fenster und Türen: Wenn diese durch den Sturm selbst oder durch herumfliegende Gegenstände (wie Äste) zerstört werden.
- Wasserschäden im Gebäudeinnere: Wenn durch ein durch Sturm entstandenes Loch im Dach oder in der Fassade Regenwasser eindringt und Schäden verursacht. Hier ist der Wasserschaden eine Folge des direkten Sturmschadens und somit mitversichert.
Wann zahlt die Versicherung typischerweise nicht?
Es gibt auch Fälle, in denen die Wohngebäudeversicherung bei Sturmschäden nicht leistet:
- Schäden unter Windstärke 8: Wenn der Wind zwar stark war, aber nicht die versicherte Mindestwindstärke erreicht hat, liegt im Sinne der Versicherung kein Sturm vor.
- Schäden durch mangelnde Instandhaltung: Wenn Schäden nicht direkt durch den Sturm, sondern durch den schlechten Zustand des Gebäudes verursacht oder begünstigt wurden. Ein Beispiel wäre ein Dach, das schon vor dem Sturm marode war und bei normalem Wind eingestürzt wäre.
- Folgeschäden durch unterlassene Schadensbegrenzung: Wenn nach einem Sturmschaden weitere Schäden entstehen, weil der ursprüngliche Schaden (z.B. ein Loch im Dach) nicht schnellstmöglich notdürftig repariert wurde, um weiteres Eindringen von Wasser zu verhindern. Die Versicherung erwartet, dass Sie den Schaden so gering wie möglich halten.
- Schäden an nicht versicherten Objekten: Zäune, Gartenhäuser, Markisen oder Antennen sind oft nicht automatisch mitversichert. Dies hängt vom genauen Wortlaut Ihres Versicherungsvertrags ab.
- Schäden durch Hochwasser oder Überschwemmung: Diese sind oft nicht Teil der klassischen Sturmversicherung, sondern erfordern eine zusätzliche Elementarschadenversicherung.
- Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit: Schäden, die absichtlich herbeigeführt wurden oder durch grob fahrlässiges Verhalten entstanden sind, sind generell ausgeschlossen.
Für Sie als Versicherungsnehmer ist es wichtig, den genauen Wortlaut Ihrer Versicherungspolice zu kennen. Dort sind die versicherten Gefahren, die Definition des Sturms und mögliche Ausschlüsse detailliert aufgeführt.
Was bedeutet „Neuwertversicherung“ bei einer Gebäudeversicherung und wie wirkt sich das auf die Schadensregulierung aus?
Wenn von einer Neuwertversicherung bei einer Gebäudeversicherung gesprochen wird, bedeutet das, dass die Versicherung im Schadensfall in der Regel die Kosten für die Wiederherstellung oder Reparatur des Gebäudes im neuwertigen Zustand übernimmt. Stellen Sie sich vor, Ihr Dach ist in die Jahre gekommen und wird durch einen Sturm beschädigt. Eine Neuwertversicherung deckt dann nicht nur den Restwert des alten Daches ab, sondern zahlt die Kosten, um ein neues, gleichwertiges Dach zu bauen.
Neuwert versus Zeitwert
Dieser Ansatz unterscheidet sich wesentlich von einer Zeitwertversicherung. Bei einer Zeitwertversicherung würde die Versicherung nur den Wert des Gebäudes unmittelbar vor dem Schaden ersetzen. Dabei wird das Alter und die Abnutzung des Gebäudes berücksichtigt. Ein altes Dach hätte vor dem Sturm nur noch einen geringen Zeitwert gehabt. Die Zeitwertversicherung würde also nur diesen geringen Wert ersetzen.
Für Sie als Eigentümer bedeutet eine Neuwertversicherung einen deutlich höheren Schutz. Sie müssen im Schadensfall nicht die Differenz zwischen dem alten Zeitwert und den Kosten für eine notwendige Neuanschaffung oder Reparatur selbst tragen. Gerade bei älteren Gebäudeteilen, die durch Sturm oder andere versicherte Gefahren beschädigt werden, ist der Unterschied zwischen Neuwert und Zeitwert oft sehr groß.
Schadensregulierung bei Neuwert
Die Schadensregulierung bei einer Neuwertversicherung erfolgt häufig in zwei Schritten:
- Zunächst zahlt die Versicherung oft den sogenannten Zeitwert des beschädigten Gebäudeteils aus. Das ist der Wert, den der beschädigte Teil vor dem Schaden hatte, unter Berücksichtigung von Alter und Abnutzung.
- Sobald die Reparatur oder der Wiederaufbau tatsächlich erfolgt ist, zahlt die Versicherung den Unterschied zwischen Zeitwert und Neuwert nach. Das bedeutet, Sie erhalten die vollen Kosten für die notwendige Reparatur oder den Wiederaufbau im neuwertigen Zustand erstattet, sofern diese Kosten den vereinbarten Versicherungsschutz nicht übersteigen.
Diese gestaffelte Auszahlung stellt sicher, dass die Versicherungsleistung tatsächlich dafür verwendet wird, den Schaden zu beheben und das Gebäude wieder in einen neuwertigen Zustand zu versetzen. Es ist wichtig, dass die notwendigen Maßnahmen zur Reparatur oder zum Wiederaufbau auch tatsächlich durchgeführt werden, um die volle Leistung bis zum Neuwert zu erhalten. Prüfen Sie dazu die spezifischen Bedingungen Ihrer Gebäudeversicherung.
Welche Pflichten habe ich als Versicherungsnehmer nach einem Sturmschaden und was passiert, wenn ich diese verletze?
Wenn ein Sturmschaden eintritt, wie zum Beispiel wenn ein starker Wind Ziegel von einem Scheunendach fegt, sind Sie als Versicherungsnehmer nicht nur berechtigt, den Schaden Ihrer Versicherung zu melden. Sie haben auch bestimmte Pflichten gegenüber Ihrer Versicherung. Diese Pflichten ergeben sich aus dem Versicherungsvertrag und dem Versicherungsvertragsgesetz.
Ihre wichtigsten Pflichten nach einem Sturmschaden
Nach einem Schadenereignis, wie einem Sturm, der Ihr Eigentum beschädigt, sind insbesondere folgende Punkte für Sie als Versicherungsnehmer relevant:
- Schadenmeldung: Sie sind verpflichtet, den Schaden unverzüglich Ihrer Versicherung zu melden. Das bedeutet, ohne schuldhaftes Zögern, sobald Sie vom Schaden erfahren haben. Eine verspätete Meldung kann Probleme bei der Schadensbearbeitung verursachen.
- Schadenminderung: Sie müssen alles Zumutbare tun, um den Schaden so gering wie möglich zu halten und weitere Schäden zu vermeiden. Wenn beispielsweise das Scheunendach beschädigt ist und es weiter regnen soll, müssen Sie versuchen, das Loch provisorisch abzudecken, um Wasserschäden im Inneren zu verhindern. Diese Maßnahmen nennt man auch Schadenabwendungs- oder Schadenminderungskosten; diese werden von der Versicherung meist übernommen, wenn sie notwendig und angemessen waren.
- Dokumentation und Nachweis: Sie sollten den Schaden so gut wie möglich dokumentieren. Machen Sie Fotos oder Videos vom Schaden, bevor Sie etwas verändern oder reparieren. Sammeln Sie Belege für entstandene Kosten, zum Beispiel für Notfallreparaturen.
- Kooperation: Sie sind verpflichtet, die Versicherung bei der Feststellung des Schadens zu unterstützen. Dazu gehört, Fragen der Versicherung wahrheitsgemäß zu beantworten und gegebenenfalls Besichtigungen des Schadens durch einen Sachverständigen der Versicherung zu ermöglichen.
Folgen bei Verletzung der Pflichten
Wenn Sie diese Pflichten nach einem Sturmschaden verletzen, kann das Konsequenzen für Ihren Versicherungsschutz haben. Die Auswirkungen hängen oft davon ab, wie schwerwiegend die Pflichtverletzung war und ob sie sich auf die Feststellung des Schadens oder die Schadenshöhe ausgewirkt hat.
- Kürzung der Versicherungsleistung: Die Versicherung kann die Zahlung im Verhältnis zur Schwere Ihres Verschuldens kürzen. Haben Sie beispielsweise die Schadenminderungspflicht verletzt und dadurch ist ein zusätzlicher Schaden entstanden (z.B. durchnässtes Heu in der Scheune, weil das Dach nicht abgedeckt wurde), kann die Versicherung die Leistung um den Teil kürzen, der auf diese Pflichtverletzung zurückzuführen ist.
- Vollständige Leistungsfreiheit: In schwerwiegenden Fällen, insbesondere bei vorsätzlicher Verletzung von Pflichten (z.B. bewusst falsche Angaben zum Schaden machen), kann die Versicherung die Leistung sogar vollständig verweigern. Auch bei grob fahrlässiger Verletzung kann die Leistung gekürzt oder ganz verweigert werden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn grundlegende Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, die jedem hätte einleuchten müssen.
Für Sie als Versicherungsnehmer ist es daher wichtig, diese Pflichten zu kennen und nach einem Sturmschaden zügig und sorgfältig zu handeln.
Was ist unter „Altschaden“ zu verstehen und wie wirkt sich das auf die Regulierung eines neuen Sturmschadens aus?
Ein „Altschaden“ bezeichnet in der Versicherungswelt Schäden, die an einer Sache bereits bestanden, bevor ein neues Ereignis (wie zum Beispiel ein Sturm) eingetreten ist. Dazu gehören auch Schäden, die in der Vergangenheit zwar repariert wurden, aber nicht fachgerecht, sodass noch Mängel vorhanden waren oder durch die mangelhafte Reparatur neue Schwachstellen entstanden sind.
Die Bedeutung von Altschäden bei der Regulierung eines neuen Sturmschadens
Wenn ein neuer Schaden entsteht, etwa ein Sturmschaden am Scheunendach, prüft die Versicherung, welche Schäden tatsächlich durch das aktuelle Sturm-Ereignis verursacht wurden.
- Die Versicherung ist grundsätzlich dafür zuständig, die Schäden zu ersetzen, die neu durch den versicherte Gefahr (hier: Sturm) entstanden sind.
- Nicht versichert sind in der Regel Schäden, die bereits vor dem Sturm vorhanden waren (der „Altschaden“).
- Ebenso wenig haftet die Versicherung üblicherweise für Schäden, die zwar durch den Sturm entstanden sind, aber ursächlich darauf zurückzuführen sind, dass ein alter Schaden nicht behoben wurde oder eine frühere Reparatur mangelhaft war.
Stellen Sie sich vor, einige Ziegel auf Ihrem Scheunendach waren bereits vor dem Sturm lose oder eine Reparatur in der Vergangenheit wurde nicht richtig ausgeführt, sodass das Dach an dieser Stelle schon vor dem Sturm undicht war. Kommt nun ein Sturm und reißt genau diese losen Ziegel ab oder vergrößert das Leck aufgrund der mangelhaften Reparatur, wird die Versicherung prüfen, inwieweit der Schaden eine direkte Folge des Sturms ist oder ob er primär auf dem vorhandenen Altschaden oder dessen mangelhafter Behebung beruht.
Für die Regulierung ist es daher entscheidend, klar zwischen dem neuen, durch den Sturm verursachten Schaden und dem Altschaden zu unterscheiden. Die Versicherung ersetzt nur den Teil des Schadens, der eindeutig auf das aktuelle Sturm-Ereignis zurückzuführen ist und nicht auf den bereits bestehenden Zustand oder frühere Mängel.
Kann die Versicherung bereits gezahlte Leistungen zurückfordern und unter welchen Voraussetzungen ist das möglich?
Ja, eine Versicherung kann unter bestimmten Umständen bereits ausgezahlte Beträge zurückfordern. Das ist ein wichtiger Punkt, besonders wenn Sie, wie im Fall eines Sturmschadens am Scheunendach, bereits Geld von der Versicherung erhalten haben.
Die Möglichkeit der Rückforderung basiert auf verschiedenen rechtlichen Gründen. Im Kern geht es darum, dass die Versicherung die Zahlung möglicherweise aufgrund von Informationen geleistet hat, die nicht korrekt waren, oder weil bestimmte vertragliche Vereinbarungen nicht eingehalten wurden.
Gründe für eine Rückforderung
Typische Situationen, in denen eine Versicherung Geld zurückverlangen kann, sind:
- Arglistige Täuschung: Dies liegt vor, wenn jemand die Versicherung bewusst und absichtlich über wichtige Tatsachen getäuscht hat, um eine Leistung zu erhalten, auf die er eigentlich keinen Anspruch gehabt hätte. Stellen Sie sich vor, jemand behauptet, der Schaden sei durch einen Sturm entstanden, obwohl er wusste, dass die Ziegel schon lange locker waren und einfach herunterfielen. Absichtliche Falschaussagen oder das Verschweigen entscheidender Informationen können dazu führen, dass die Versicherung die Zahlung als ungerechtfertigt ansieht.
- Verletzung von Obliegenheiten: Obliegenheiten sind bestimmte Pflichten, die der Versicherungsnehmer laut Vertrag erfüllen muss (z.B. den Schaden sofort melden, beschädigte Teile sichern, wahrheitsgemäße Angaben machen). Wenn eine wichtige vertragliche Pflicht verletzt wird und dies einen Einfluss auf den Schaden oder die Zahlung hat, kann die Versicherung unter Umständen die bereits gezahlte Leistung zurückfordern oder zumindest kürzen. Es kommt oft darauf an, ob die Verletzung der Pflicht grob fahrlässig (sehr unvorsichtig) oder vorsätzlich (absichtlich) erfolgte und ob sie den Eintritt oder die Höhe des Schadens beeinflusst hat.
- Unberechtigte Bereicherung: Wenn die Versicherung eine Zahlung geleistet hat, obwohl aus rechtlichen Gründen gar kein Anspruch bestand (weil z.B. eine Täuschung vorlag oder der Schaden gar nicht versichert war), dann liegt eine sogenannte „ungerechtfertigte Bereicherung“ des Empfängers vor. Das Gesetz sieht vor, dass jemand, der etwas erhalten hat, worauf er keinen Anspruch hatte, dies zurückgeben muss. Die Rückforderung dient dazu, einen rechtlich nicht gerechtfertigten Geldfluss rückgängig zu machen.
Wer muss was beweisen (Beweislast)?
Die Frage, wer im Streitfall beweisen muss, dass die Zahlung zu Unrecht erfolgte oder eben gerechtfertigt war, ist die sogenannte Beweislast.
- Grundsätzlich gilt: Die Versicherung muss beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung vorliegen. Wenn die Versicherung behauptet, Sie hätten sie arglistig getäuscht, muss die Versicherung dies beweisen können. Sie muss also nachweisen, dass Sie wissentlich und mit Absicht falsche Angaben gemacht oder etwas verschwiegen haben, um die Zahlung zu erhalten. Dies ist für die Versicherung oft schwierig zu beweisen, da es um innere Tatsachen (die Absicht) geht.
- Bei Verletzung von Obliegenheiten: Auch hier muss zunächst die Versicherung beweisen, dass eine vertragliche Pflicht verletzt wurde (z.B. die Pflicht zur unverzüglichen Meldung des Schadens). Je nach Art der Obliegenheit und der genauen Vertragsbedingungen kann sich die Beweislast in einem nächsten Schritt umkehren oder verschieben. Es kann sein, dass Sie dann beweisen müssen, dass die Verletzung der Pflicht den Schaden oder die Höhe der Zahlung nicht beeinflusst hat oder dass Sie nicht grob fahrlässig gehandelt haben.
Für Sie bedeutet das: Wenn die Versicherung Geld zurückfordert, muss sie klar darlegen und nachweisen, auf welchen konkreten Grund sie sich stützt (z.B. welche angebliche Täuschung oder welche verletzte Obliegenheit) und warum dieser Grund rechtlich eine Rückforderung erlaubt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Altschaden
Ein Altschaden bezeichnet einen Schaden, der bereits vor dem aktuellen Schadensereignis (zum Beispiel einem Sturm) an einem Gebäude, Dach oder Bauteil vorhanden war. Solche Schäden können entweder offen sichtbar oder „versteckt“ sein und müssen nicht zwingend fachgerecht repariert worden sein. Für die Gebäudeversicherung ist der Altschaden deshalb wichtig, weil nur neu entstandene Schäden durch das versicherte Ereignis ersetzt werden; Altschäden oder daraus resultierende Folgeschäden sind in der Regel nicht versichert. Im vorliegenden Fall ging es genau darum, ob ein neuer Sturmschaden vorliegt oder alte und möglicherweise mangelhafte Reparaturen weiterhin den Schaden verursachen.
Beispiel: Wenn vor einem Sturm ein Dach schon lose Ziegel hatte, die nicht richtig repariert wurden, und später ein Sturm behauptet wird, der diese Ziegel abgedeckt hat, prüft die Versicherung, ob die Schäden wirklich neu entstanden oder nur alte Schäden weiterbestehen.
Beweislast
Beweislast ist die Verpflichtung einer Partei im Rechtsstreit, bestimmte Tatsachen vor Gericht darzulegen und zu beweisen. Im Versicherungsrecht muss der Versicherungsnehmer grundsätzlich den Eintritt des versicherten Schadensereignisses (zum Beispiel den Sturm) und den ursächlichen Zusammenhang (Kausalität) zwischen diesem Ereignis und dem Schaden beweisen. Die Versicherung trägt hingegen die Beweislast für Umstände, die sie von der Leistungspflicht befreien, etwa bei Arglist oder Obliegenheitsverletzungen. Das bedeutet, wer eine Leistung verlangt oder eine Leistung verweigert, muss die entsprechenden Tatsachen klar nachweisen.
Beispiel: Im Streit um die Auszahlung einer Sturmversicherung muss der Eigentümer beweisen, dass der Schaden am Dach direkt durch den Sturm verursacht wurde, während die Versicherung beweisen muss, dass der Schaden schon vorher bestand oder eine Täuschung vorliegt.
Obliegenheitsverletzung
Eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer vertraglich vorgeschriebene Pflichten verletzt, die der Schadenfeststellung oder Schadensminderung dienen. Beispiele sind die Pflicht zur unverzüglichen Schadenmeldung oder zur Schadenminderung (etwa ein provisorisches Abdecken eines beschädigten Dachs). Solche Pflichten sind im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt und besonders wichtig, weil bei schuldhafter Verletzung die Versicherung die Leistung kürzen oder sogar ganz verweigern kann. Voraussetzung ist, dass die Verletzung des Versicherten ursächlich für die Leistungsfreiheit ist.
Beispiel: Meldet jemand einen Sturmschaden erst Monate später und das Wetter verschlechtert sich in der Zwischenzeit, so können Folge- oder Mehrschäden entstehen, für die die Versicherung dann nicht zahlt.
Arglistige Täuschung
Arglistige Täuschung liegt vor, wenn jemand absichtlich falsche Informationen gibt oder wichtige Fakten verschweigt, um einen Versicherungsschaden zu erlangen, auf den er keinen Anspruch hat. Dies führt dazu, dass die Versicherung die bereits erbrachte Leistung zurückfordern kann, weil sie durch die Täuschung zum Irrtum gebracht wurde. Im Versicherungsvertragsrecht ist Arglist ein besonders schwerwiegender Vorwurf – sie bewirkt die Leistungsfreiheit der Versicherung und kann auch strafrechtliche Folgen wegen Versicherungsbetrug (§ 263 StGB) haben.
Beispiel: Wenn der Versicherungsnehmer angibt, ein Schaden sei durch einen frischen Sturm entstanden, obwohl er weiß, dass der Schaden schon lange existiert und nicht repariert wurde, liegt möglicherweise Arglist vor.
Rückforderung (Regressanspruch der Versicherung)
Die Rückforderung bezeichnet den Anspruch der Versicherung, bereits gezahlte Versicherungsleistungen zurückzuverlangen, wenn sich herausstellt, dass diese Zahlung unberechtigt war. Gründe sind etwa arglistige Täuschung, Verletzung von Obliegenheiten oder das Fehlen des versicherten Schadensereignisses. Rechtsgrundlage ist unter anderem der Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB. Die Versicherung muss für den Rückforderungsanspruch die Tatsachen beweisen, die zur Leistungsverweigerung oder Rückforderung berechtigen.
Beispiel: Die Versicherung zahlt für einen Sturmschaden, später zeigt sich aber, dass der Sturm nicht die Schäden verursacht hat, sondern die Schäden bereits vorher bestanden und der Versicherer getäuscht wurde; dann kann sie das Geld zurückfordern.
Kausalität
Kausalität bedeutet den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Ereignis und einem daraus folgenden Schaden. Im Versicherungsrecht muss der Versicherungsnehmer nachweisen, dass der Schaden durch das versicherte Risiko, also etwa den Sturm, verursacht wurde (Kausalitätsnachweis). Dies bedeutet, der Schaden muss mindestens mitursächlich auf das versicherte Ereignis zurückzuführen sein. Ohne diesen Nachweis kann die Versicherung die Leistung verweigern, wenn sie den Schaden als Folge eines vorbestehenden Mangels oder Altschadens ansieht.
Beispiel: Wenn ein Sturm auf ein bereits schadhaften Dach trifft und die Schäden entstehen oder sich verschlimmern, muss der Versicherte belegen, dass der Sturm tatsächlich für die neue Beschädigung verantwortlich ist; nicht allein die bestehende Schwäche des Dachs.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 286 ZPO (Beweiswürdigung): Regelt, wie Gerichte Beweise zu bewerten haben, nämlich nach freier Überzeugung unter Würdigung aller Umstände, ohne absolute Sicherheit zu verlangen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beweislast für das Vorliegen eines neuen sturmbedingten Schadens lag bei der Eigentümerin, die diese Kausalität nicht mit der erforderlichen Überzeugung darstellen konnte.
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere §§ 28, 63 VVG a.F. (Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit): Regeln die Pflichten des Versicherungsnehmers und die Folgen einer Verletzung dieser Pflichten, wie etwa die Leistungsfreiheit des Versicherers bei arglistiger Täuschung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung musste beweisen, dass eine Obliegenheitsverletzung oder Arglist vorlag, um Rückzahlungen zu verlangen, was ihr nicht gelang.
- § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung): Bestimmt, dass jemand, der ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hat, dies herausgeben muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung forderte Rückzahlung bereits gezahlter Beträge, konnte aber nicht nachweisen, dass diese Zahlungen ungerechtfertigt erfolgt waren.
- § 263 StGB (Versicherungsbetrug): Strafvorschrift gegen Betrug bei Versicherungen durch Täuschung über Tatsachen, um eine Leistung zu erschleichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung behauptete, die Eigentümerin habe Versicherungsleistungen durch Täuschung erlangt, konnte diesen Vorwurf jedoch mangels Beweisen nicht erfüllen.
- § 195 BGB (Regelverjährung): Bestimmt die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche, nachdem der Anspruch entstanden und der Gläubiger Kenntnis erlangt hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass die Widerklage der Versicherung nicht verjährt war, da die Kenntnis der relevanten Tatsachen erst 2014 vorlag und die Klage rechtzeitig erhoben wurde.
- § 167 ZPO (Demnächstige Zustellung): Ermöglicht die Hemmung der Verjährung durch baldige Zustellung eines Schriftsatzes an den Gegner. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die rechtzeitige Zustellung der Berufungsbegründung der Versicherung verhinderte die Verjährung ihrer Rückforderungsansprüche.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburgisch – Az.: 11 U 174/17 – Urteil vom 26.01.2022
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