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Schweigepflichtentbindungserklärung bei Abschluss einer Risiko-Lebensversicherungsvertrags

LG Saarbrücken, Az.: 14 O 266/17, Urteil vom 18.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung, die die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann bei der Beklagten unterhielten.

Die Klägerin macht als Bezugsberechtigte gegen die Beklagte die Leistung aus einer Risikolebensversicherung aufgrund des Todes ihres Ehemanns, Herrn …, geltend.

Der Ehemann der Klägerin unterhielt bei der Beklagten ab dem 13.10.1999 eine Risikolebensversicherung unter der Versicherungsscheinnummer …. Diese Versicherung wurde abgeschlossen in Folge der Beratung durch den Versicherungsvertreter …, der im hiesigen Verfahren von beiden Parteien als Zeuge benannt ist. Versicherte Personen waren die Klägerin und ihr Ehemann. Zweck war die Absicherung eines Immobiliendarlehens. Dieser Vertrag war befristet bis zum 01.10.2010, die Versicherungssumme belief sich auf 85.000,00 DM.

Am 20.09.2010 wurde nach erneuter Beratung durch den Zeugen … ein Folgevertrag mit einer Versicherungssumme von 28.571,00 € zuzüglich Todesfallbonus geschlossen unter der Versicherungsscheinnummer …. Dieser Vertrag wurde auf fünf Jahre befristet, wobei zwischen den Parteien streitig ist, auf wessen Initiative hin die Bestimmung der Laufzeit erfolgte. Der Zweck war weiterhin die Darlehensabsicherung. Dieser Versicherungsschein wurde durch Schreiben der Beklagten vom 08.11.2010 übersandt und gab an, dass sich durch den vereinbarten Todesfallbonus eine Versicherungsleistung im Todesfall von 49.999,00 € ergebe.

Schweigepflichtentbindungserklärung bei Abschluss einer Risiko-Lebensversicherungsvertrags
Symbolfoto: World Image/Bigstock

Mit E-Mail vom 13.10.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie und ihr Ehemann die Versicherung erneut verlängern wollen und ein Angebot wünschen. Die Versicherungssumme sollte sich auf 35.000,00 € belaufen. Aufgrund dessen fand am 26.10.2015 ein Beratungsgespräch zwischen der Klägerin und dem Zeugen … statt, wobei dessen Umstände, Ablauf und Inhalt zwischen den Parteien streitig sind. Dieser Vertrag wurde mit einer Laufzeit von zehn Jahren geschlossen unter der Versicherungsvertragsnummer …. Zum 01.11.2017 belief sich die Gesamtleistung einschließlich einer Überschussbeteiligung auf 40.000,00 €.

Im Rahmen des Vertragsschlusses mussten die Klägerin und ihr Ehemann einen Fragebogen zu Gesundheitszustand und Vorerkrankungen ausfüllen. Über den Fragen auf dem Fragebogen befindet sich ein Kasten mit der Überschrift „Wichtige Hinweise an die zu versichernde Person“. Hierin wird auf mögliche Rechtsfolgen fehlerhafte Angaben hingewiesen. Hinsichtlich des Ehemanns der Klägerin wurde lediglich das Kästchen mit „ja“ angekreuzt, nach dem in den letzten 5 Jahren vor Ausfüllen Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Atmungsorgane bestanden. Eine nähere Erläuterung erfolgte in dem Fragebogen nicht. Weiter wurde die Frage 16, ob der Ehemann in den letzten 12 Monaten vor Ausfüllen Zigaretten, Zigarillos oder Zigarren geraucht habe mit „nein“ angekreuzt.

Nach Eingang des Antrags erfolgte wegen fehlender Angaben eine schriftliche Nachfrage der Beklagten. Die dort gestellte Frage lautete: „Welche Krankheiten, Störungen oder Beschwerden aufgrund der Erkrankungen der Atmungsorgane bestanden bei Ihnen in den letzten 5 Jahren?“ Unter den darauf folgenden Antwortmöglichkeiten wurde lediglich die Möglichkeit „Bronchitis“ mit „ja“ angekreuzt, neben der Frage „wann?“ wurde „2014“ eingesetzt. Die übrigen Möglichkeiten wurden sämtlich mit „nein“ angekreuzt, insbesondere die Möglichkeit „Chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD)“. Die Frage nach der Äußerung der Beschwerden wurde mit „starker Husten“ beantwortet, diejenige nach der Dauer der Beschwerden mit „ca. 3 Wochen“. Auch die Frage, ob in den letzten fünf Jahren eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt wurde, wurde mit „nein“ angekreuzt.

Der Ehemann der Klägerin verstarb am 23.06.2017 in Folge eines Lungenkarzinoms. Nach Meldung des Versicherungsfalls prüfte die beklagte die Gesundheitsfragen und holte aufgrund einer pauschalen Schweigepflichtsentbindungserklärung des Ehemanns der Klägerin im Versicherungsantrag Auskünfte bei behandelnden Ärzten ein. Der behandelnde Arzt … verweigerte dies zunächst und begründete dies mit Zweifeln an der Wirksamkeit der pauschalen Erklärung. Die Beklagte machte ihre Leistung jedoch von Auskünften des … abhängig. Mit E-Mail vom 21.08.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass man sich über die Schwere einer mittlerweile festgestellte COPD-Erkrankung ihres Ehemanns zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht im Klaren sei und deshalb von … einen Fragebogen ausfüllen lasse.

Dieser Fragebogen wurde von … unter dem 16.08.2017 ausgefüllt. Hierin gab dieser an, dass die COPD beim Ehemann der Klägerin erstmals am 29.01.2013 diagnostiziert wurde. Weiter wurden Angaben gemacht über Therapien und Medikation sowie die einzelnen Behandlungstermine. Weiter gab er an, dass der Ehemann der Klägerin über die Diagnose und die Schwere der Erkrankung informiert war und regelmäßig Behandlungsberichte an den Hausarzt versendet wurden. Aus dem entsprechenden Bericht ging hervor, dass es im August 2015 zu einer drastischen Verschlechterung der Lungenfunktion kam. Es wurde FEV1 (forcierte expiratorische Volumen) in Höhe von 49,4% gemessen. All dies wurde im Fragebogen und auch im Nachfragebogen vor Abschluss der letzten Versicherung nicht angegeben.

Mit Schreiben vom 27.09.2017 focht die Beklagte den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag wegen vorsätzlicher Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht sowie hilfsweise auch wegen grob fahrlässiger Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Sie begründete dies damit, dass der Ehemann der Klägerin wider besseren Wissens keine Angaben zur COPD-Erkrankung gemacht habe.

Mit Anwaltsschreiben vom 05.10.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Leistung auf. Eine Zahlung durch die Beklagte erfolgte nicht.

Die Klägerin behauptet, das Beratungsgespräch zwischen ihr und dem Zeugen … habe in dessen Agentur in … stattgefunden. Dieser habe den Antrag bereits vorbereitet und ausgedruckt und die persönlichen Angaben einschließlich der zu zahlenden Prämie und der Versicherungsdauer bereits per Computer eingesetzt gehabt. Auch die Gesundheitsfrage Nr. 16 (Rauchen) sei bereits von ihm per Computer mit „nein“ angekreuzt worden. Der Klägerin sei dies nicht aufgefallen. Das Formular sei von dem Zeugen … ausgefüllt worden, der der Klägerin die Gesundheitsfragen zu ihr und ihrem Ehemann mündlich gestellt habe. Die Klägerin selbst habe nicht mitlesen können. Die Fragen bezüglich des nicht anwesenden Ehemanns seien durch den Zeugen … nur angerissen, nicht wortwörtlich wiedergegeben, sondern heruntergerattert worden. Diese Fragen habe die Klägerin nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Sie habe gewusst, dass ihr Mann im Jahr 2014 bei seiner Hausärztin wegen einer Bronchitis in Behandlung und er mehrere Wochen krankgeschrieben war. Dem Zeugen … sei bekannt gewesen, dass der Ehemann in der Vergangenheit starker Raucher war und durch die Klägerin immer wieder aufgefordert worden sei, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Klägerin habe ihm mitgeteilt, dass ihr Ehemann seit dem Tod seiner Mutter mit dem Rauchen aufgehört habe. Dass das Feld für nähere Angaben zu den Atemwegserkrankungen leer geblieben ist, sei ihr nicht aufgefallen. Die Klägerin habe sich bei all dem nichts gedacht, da sie davon ausgegangen sei, mündlich die gestellten Fragen zutreffend beantwortet zu haben.

Weitere Diagnosen von möglichen Erkrankungen, insbesondere der COPD-Erkrankung, seien ihr nicht bekannt gewesen. Ihr Ehemann habe ihr nie mitgeteilt, dass bei ihm die Diagnose COPD gestellt worden sei. Er habe sie erstmals im Februar 2016 gefragt, was man eigentlich unter COPD verstehe.

Zum Abschluss des Termins habe der Zeuge … gesagt, die Klägerin solle den Antrag mitnehmen, von ihrem Ehemann unterzeichnen lassen und zur Post geben. Dies habe sie so getan. Ihr Ehemann habe den Antrag unterzeichnet ohne ihn noch einmal durchzulesen. Auch er sei davon ausgegangen, dass alles bekannt sei, da es ja nur um die Verlängerung eines schon bestehenden Vertrags ging. Dass angegeben wurde, er habe die letzten 12 Monate nicht geraucht, sei nicht aufgefallen. Aufgehört zu Rauchen habe er seit Mai 2015.

Den Nachfragebogen habe die Klägerin ausgefüllt, wobei sie ihrem Mann die Fragen vorgelesen und die Eintragungen nach dessen Antworten gemacht habe.

Es wird bestritten, dass dem Ehemann der Klägerin durch den behandelnden Arzt … die Diagnose COPD mitgeteilt und verständlich erläutert worden sei. Ihm seien die Diagnose dieser Krankheit sowie die Durchführung von Lungenfunktionsprüfungen daher bei Abgabe der Erklärung im Nachfragebogen nicht bewusst gewesen. Jedenfalls sei ihm als medizinischer Laie der Unterschied zwischen Bronchitis und COPD nicht geläufig gewesen. Nach Wahrnehmung der Klägerin habe ihr Ehemann in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung auch nicht länger als vier Wochen Medikamente eingenommen oder fortlaufend Medikamente eingenommen. Im Ergebnis sei der Nachfragebogen also nur mangels medizinischer Fachkenntnisse des Ehemanns objektiv falsch beantwortet worden.

Es wird weiter bestritten, dass die Beklagte bei Kenntnis der tatsächlichen Situation den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen hätte und bei einem FEV1-Wert in der aufgezeigten Größenordnung Verträge regelmäßig ablehne.

Die nicht angegebene COPD-Erkrankung sei auch nicht mitursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls gewesen.

Beim zweiten Versicherungsvertrag von 2010 habe der Zeuge … eine fünfjährige Laufzeit empfohlen und hinsichtlich einer möglichen längeren Laufzeit nicht beraten. Insbesondere sei die kurze Laufzeit nicht auf besonderen Wunsch der Klägerin und ihres Ehemanns gewählt worden. Bei dem Beratungsgespräch habe der Zeuge … keine Unterlagen entsprechend § 7 VVG übergeben.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte könne sich nicht auf Leistungsfreiheit berufen. Das Verhalten des Ehemanns der Klägerin sei weder arglistig, noch grob fahrlässig gewesen. Weil ein Laie nicht zwischen Bronchitis und COPD unterscheiden könne, habe die Beklagte die Pflicht getroffen, einen Arzt mit der Aufnahme der Erklärung zu den Gesundheitsfragen zu beauftragen.

Die Erklärung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung sei auch nicht ausreichend gewesen, sodass der Beklagten bereits deshalb keine Ansprüche aufgrund eines Rücktritts zustünden. Sie sei nicht hinreichend deutlich hervorgehoben und weise die gleichen Gestaltungsmerkmale wie der übrige Inhalt des Antrags auf, weshalb sie den durch den BGH aufgestellten Standards nicht genüge.

Hierauf komme es im Ergebnis aber auch gar nicht an, denn die Beratung im Jahr 2010 durch den Zeugen … stelle eine Fehlberatung dar, weshalb zu Gunsten der Klägerin ein „Quasi-Versicherungsschutz“ bestehe. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung und Beratung wäre ein Vertrag von zehn Jahren Laufzeit geschlossen worden. Aus diesem Grund bestehe auch ein Anspruch aus § 6 Abs. 5 VVG.

Die Angaben des … seien im Prozess unverwertbar. Weil die Beklagte trotz fehlerhafter Schweigepflichtsentbindung darauf bestanden, dass … eine solche Erklärung abgebe, was in hohem Maße treuwidrig sei und zu einem Beweisverwertungsverbot führe. Sie habe so die Schweigepflichtsentbindung gezielt als Rechercheinstrument missbraucht. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers dürften die Erben schweigepflichtige Datenquellen nicht preisgeben. Jedenfalls seien die Voraussetzungen von § 213 VVG nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.590,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, alle Beratungsgespräche haben vor Ort beim Kunden, also bei der Klägerin stattgefunden, wo nur diese anwesend gewesen sei und der Ehemann nicht.

Hinsichtlich des Vertrags von 2010 habe der Zeuge … mit der Klägerin diverse Angebote mit unterschiedlichen Laufzeiten besprochen. Die Klägerin habe dann entgegen dem Rat des Zeugen … das Angebot mit fünf Jahren Laufzeit gewählt. Als Begründung habe sie finanzielle Gründe angegeben. Ihr seien insbesondere in Hinblick auf das Alter ihres Ehemanns längere Laufzeiten empfohlen worden. Es sei erwähnt worden, dass bei einem eventuellen Neuabschluss neue Gesundheitsfragen gestellt würden und der Beitrag wegen des erhöhten Eintrittsalters variieren könne.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin sei ihr der Antrag zum letzten Vertrag mit „Blanco-Gesundheitsfragen“ ausgedruckt und ihr am 26.10.2015 in deren Wohnhaus ausgehändigt worden. Dies habe die Klägerin stets so gehandhabt. Am 28.10.2015 habe sie dann den Antrag mit ihrer Unterschrift und der ihres Ehemanns versehen zurückgebracht. Die Antworten seien weder durch den Zeugen …, noch durch andere Mitarbeiter der Geschäftsstelle … ausgefüllt worden. Die Handschrift auf dem Bogen sei auch nicht dem Zeugen zuzuordnen. Die Klägerin habe auch nicht mit dem Zeugen … über den Gesundheitszustand ihres Ehemanns gesprochen. Die Angaben in dem Antrag seien die einzigen, die mitgeteilt worden sind. Ebenso wenig sei ihm mitgeteilt worden, dass der Ehemann der Klägerin im Mai 2015 mit dem Rauchen aufgehört habe.

Es sei davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin durch die objektiv falschen Angaben bewusst auf die Aufnahmeentscheidung der Beklagten Einfluss nehmen wollte. Hätte die Beklagte bei Vertragsschluss Kenntnis von der tatsächlichen gesundheitlichen Situation des Ehemanns der Klägerin gehabt, hätte sie den Vertrag nicht abgeschlossen. Insbesondere COPD-Patienten über 60 Jahre würden einem erhöhten Risiko einer Krebserkrankung unterliegen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Antworten in den Fragebögen unter Berücksichtigung der medizinischen Vorgeschichte nur dahingehend ausgelegt werden könnten, dass eine Irreführung beabsichtigt gewesen sei.

Die mündliche Verhandlung hat am 06.09.2018 stattgefunden. Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … .

Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A.

Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht Saarbrücken ist sowohl nach §§ 12, 17 ZPO, als auch nach § 215 Abs. 1 VVG örtlich und nach §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.

Gründe, die der Zulässigkeit der Klage entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

B.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch steht ihr aus keiner denkbaren Anspruchsgrundlage zu.

I.

Der Klägerin steht der begehrte Anspruch nicht aus § 1 Abs. 1 VVG i. V. m. dem Versicherungsvertrag zu.

1.

Ursprünglich ist zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und der Beklagten ab dem 01.11.2017 ein Risikolebensversicherungsvertrag unter der Versicherungsscheinnummer … zustande gekommen. Allerdings hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.09.2017 (Anlage K13) den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung nach §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB i. V. m. § 22 VVG wirksam angefochten mit der Rechtsfolge, dass der Versicherungsvertrag als von Beginn an nichtig anzusehen ist (jurisPK-BGB/Illmer, 8. Aufl. 2017, § 142, Rn. 8; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 142, Rn. 2).

Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann (BGH, Beschl. v. 12.03.2008, IV ZR 330/06; OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.11.2005, 5 U 50/05). Diese Voraussetzungen liegen vor.

2.

Der Ehemann der Klägerin hat die Beklagte bei Abschluss des Vertrages getäuscht, indem er ihr mit der Falschbeantwortung der so genannten Gesundheitsfragen wahrheitswidrig vorgespiegelt hat, im erfragten Zeitraum nicht an der Krankheit COPD zu leiden oder gelitten zu haben, und nicht diesbezüglich ärztlich untersucht, beraten, behandelt oder operiert worden zu sein, sondern nur im Hinblick auf eine „einfache“ Bronchitis. Denn der Kläger hatte – entgegen seinen Antworten auf die so genannten Gesundheitsfragen – ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, bei der die Krankheit COPD diagnostiziert wurde, was im gegebenen Fall auch anzeigepflichtig war.

Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO fest. Ausreichend, aber auch notwendig hierzu ist für das Gericht ein ausreichendes Maß an persönlicher Gewissheit, das Zweifeln Schweigen gebietet ohne sie vollständig auszuschließen (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286, Rn. 19).

Der Ehemann der Klägerin hat in dem Nachfrageformular vom 31.10.2015 – auf dieses kommt es im Ergebnis an – die Gesundheitsfrage nach der Erkrankung COPD verneint und nur diejenige nach einer Bronchitis bejaht. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass es sich hierbei um eine objektive Falschangabe handelt. Auch die Frage nach Lungenfunktionsprüfungen wurde verneint. Allerdings hat der behandelnde Arzt des Ehemanns der Klägerin, …, mit seiner Bescheinigung vom 16.08.2017 bekundet, dass er bei dem Ehemann der Klägerin die COPD erstmals am 29.01.2013 diagnostizierte und dieser wegen eben dieser Diagnose am 22.04.2013, 06.08.2013, 06.08.2015, 16.11.2015, 16.02.2016 und 30.05.2016 bei ihm in Behandlung war. Insbesondere die Behandlung vom 06.08.2015 fand ca. zweieinhalb Monate vor Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags statt. Aufgrund dieser Bescheinigung mit entsprechenden Diagnosen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Ehemann der Klägerin im für den Gesundheitsfragebogen maßgeblichen Zeitraum bei Herrn … wegen COPD in Behandlung befunden hat.

Entgegen der Ansicht der Klägerin steht einer Verwertung dieses Urkundenbeweises ein Beweisverwertungsverbot nicht entgegen. Eine unzulässige oder fehlerhafte Beweiserhebung hindert grundsätzlich nicht die Verwertung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse. § 286 ZPO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise vollständig zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 09.10.2002, 1BvR 1611/96, 1 BvR 805/98; BGH, Urt. v. 01.03.2006, XII ZR 210/04; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286, Rn. 15a). Ein Verbot der Verwertung eines vom Gericht erhobenen Beweises kommt daher nur in Betracht, wenn dies ein Gesetz ausdrücklich anordnet oder wenn die Beweiserhebung ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht einer Partei verletzt, ohne dass dies zur Gewährleistung eines im Rahmen der Güterabwägung als höherwertig einzuschätzenden Interesses der anderen Partei oder eines anderen Rechtsträgers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt erscheint (BGH, Urt. v. 01.03.2006, XII ZR 210/04; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286, Rn. 15a). Beides ist hier nicht der Fall. Ein gesetzlich angeordnetes Beweisverwertungsverbot ist nicht ersichtlich. Aber auch im Rahmen einer Güterabwägung kommt das Gericht zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin beruft sich auf ein Beweisverwertungsverbot aufgrund eines Verstoßes gegen § 213 VVG, die Beklagte habe die Informationen von … trotz fehlender wirksamer Schweigepflichtsentbindungserklärung erhalten. Mit dem Antrag vom 20.09.2010 (Anlage K3) hat der Ehemann der Klägerin eine allgemeine Schweigepflichtsentbindungserklärung abgegeben. § 213 VVG steht der Zulässigkeit so genannter allgemeiner Schweigepflichtsentbindungen nicht entgegen. Der Versicherer darf im Rahmen seiner Leistungsprüfung dem Versicherten die Erteilung einer solchen Erklärung regelmäßig nicht abverlangen (BGH, Urt. v. 05.07.2017, IV ZR 121/15 und Urt. v. 22.02.2017, IV ZR 289/14). Dies hat die Beklagte hier aber gerade nicht getan. Denn sie hat die Erklärung zur Schweigepflichtsentbindung dem Ehemann der Klägerin nicht im Rahmen der Leistungsprüfung abverlangt, sondern ihn im Rahmen des Vertragsschlusses mittels des Antragsformulars dazu aufgefordert sich darüber zu erklären, ob er entweder allgemein in die Schweigepflichtsentbindung einwilligt oder er im Einzelfall über die Einwilligung zur Schweigepflichtsentbindung entscheiden will. Solche allgemeinen Schweigepflichtsentbindungen sind grundsätzlich zulässig (Langheid/Rixecker/Rixecker, VVG, 5. Aufl. 2016, § 213, Rn.16; BGH, Urt. v. 05.07.2017, IV ZR 121/15, m. w. N.). Ein abweichendes Normverständnis ist auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.10.2006 (BVerfG, Beschl. v. 09.10.2002, 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98) nicht geboten. Danach begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, eine versicherungsvertragliche Obliegenheit als wirksam anzusehen, nach welcher der Versicherungsnehmer gehalten ist, eine vom Versicherer geforderte umfassende Schweigepflichtentbindung zu erteilen, wenn ihm damit die tatsächliche Möglichkeit und Zumutbarkeit informationellen Selbstschutzes genommen wird. Demgegenüber ist eine entsprechende Entbindungserklärung nicht zu beanstanden, wenn dem Versicherten zu deren Erteilung Alternativen freigestellt waren, die ihm die Wahrung seiner Rechte ermöglichen. Im Anschluss daran hat der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechung betont, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer eine unbeschränkte Schweigepflichtentbindung erteilen kann. Denn als Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht es ihm frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren (BGH, Urt. v. 22.02.2017, IV ZR 289/14). Genau diesen Anforderungen wird die formularmäßige Schweigepflichtsentbindung im streitgegenständlichen Fall gerecht. Der Ehemann der Klägerin hatte gerade die Wahl zwischen allgemeiner Einwilligung oder deren Verweigerung und der Wahl zur Einwilligung im Einzelfall, ihm wurden auch die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidungsmöglichkeiten aufgezeigt. Dies genügt aber gerade den Vorgaben, die § 213 VVG aufstellt (BGH, Urt. v. 05.07.2017, IV ZR 121/15). Da die Datenerhebung somit bereits nicht rechtswidrig war, stellt sich die Folgefrage ob im Einzelfall nach einer umfassenden Güterabwägung die rechtswidrige Datenerhebung zu einem Beweisverwertungsverbot führt (hierzu grundlegend: BGH, Urt. v. 05.07.2017, IV ZR 121/15) im vorliegenden Fall nicht.

Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die falschen Angaben durch den Ehemann der Klägerin selbst getroffen wurden. Maßgeblich kommt es hierbei nur auf den Nachfragebogen vom 31.10.2015 an, da der ursprüngliche Fragebogen lediglich unvollständig ausgefüllt wurde. Die Klägerin selbst hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung dargelegt, dass sie das Formular gemeinsam mit ihrem Mann durchgegangen ist und dann entsprechend ausgefüllt hat.

3.

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Ehemann der Klägerin arglistig gehandelt hat. Von einer arglistigen Täuschung ist auszugehen, wenn der Antragsteller gegenüber dem Versicherer wissentlich falsche Angaben macht oder gefahrerhebliche Umstände verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann (BGH, Beschl. v. 12.03.2008, IV ZR 330/06; OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.11.2005, 5 U 50/05). Dies ist hier der Fall.

Daran, dass der Ehemann der Klägerin wissentlich unrichtige Erklärungen abgegeben hat, bestehen keine vernünftigen Zweifel. Insbesondere erscheint es ausgeschlossen, dass ihm die – schwerwiegende – Diagnose COPD lediglich zweieinhalb Monate nach der letzten diesbezüglichen Behandlung nicht bzw. nicht mehr bewusst war. Die Klägerin trägt insofern vor, dass ihr Ehemann medizinischer Laie gewesen sei und er sie im Februar 2016 erstmals gefragt habe, was COPD bedeute. Es ist bereits nicht plausibel, wieso der Ehemann vier Monate nach dem Vertragsschluss Kenntnis von der Krankheit bzw. der Diagnose gehabt haben soll und vorher nicht. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Patienten medizinische Erläuterungen durch ihren behandelnden Arzt nicht verstehen, gibt es nicht. Auch wenn man unterstellt, dass dem Ehemann der Klägerin nach der Diagnose der Unterschied zwischen COPD und Bronchitis nicht bewusst gewesen wäre, ändert dies nichts. Denn diese beiden Optionen haben auf dem Fragebogen unmittelbar untereinander gestanden. Mit dem Wissen der Diagnose einer COPD hätte bei Unkenntnis der Unterscheidung sich in einer solchen Situation eine entsprechende Nachfrage bei dem behandelnden Arzt aufdrängen müssen. In diesem Fall läge der Arglistvorwurf jedenfalls zumindest darin, dass er sich der möglichen und zumutbaren Erkenntnis blindlings verschlossen und dies verschwiegen hätte (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2007, 12 U 9/07).

Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin durch seine unrichtigen Angaben Einfluss auf die Willensentschließung der Beklagten nehmen wollte, mithin arglistig gehandelt hat. Den Versicherer trifft die Beweislast für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer (OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.11.2005, 5 U 50/05). Der Nachweis einer wissentlichen Falschbeantwortung einer Gesundheitsfrage reicht zum Nachweis der Arglist des Versicherungsnehmers dabei nicht aus (van Bühren/Prang, Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. 2017, § 14, Rn. 463). Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen, gibt es allerdings nicht. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht indessen, wenn er schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweigt oder solche, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags geführt haben oder die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten. Liegen objektive Falschangaben vor, ist es Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiven falschen Angaben gekommen ist (BGH, Urt. v. 11.05.2011, IV ZR 148/09; OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.11.2005, 5 U 50/05 und Urt. v. 30.06.2004, 5 U 656/03; Langheid/Rixecker/Langheid, VVG, 5. Aufl. 2016, § 22, Rn. 11).

Unter Anwendung dieser Grundsätze indiziert bereits das Verschweigen der Diagnose COPD unter gleichzeitiger Angabe einer Bronchitis das Bewusstsein des Ehemanns der Klägerin, mit seinen Falschangaben auf die Willensentschließung der Beklagten Einfluss zu nehmen. Die Klägerin hat – wie bereits dargelegt – nicht plausibel gemacht, warum und wie es zu den objektiv falschen Angaben in dem Nachfrageformular gekommen ist.

Die Behauptung der Klägerin, dass die Diagnose COPD fehlerhaft sei, kann indes dahinstehen. Denn zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der behandelnde Arzt … diese Diagnose gestellt hat und der Ehemann der Klägerin dies auch wusste. Daher bestand eine entsprechende Aufklärungspflicht des Ehemanns des Klägers gegenüber der Beklagten.

4.

Weiter ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Antrag auf Abschluss der Risiko-Lebensversicherung nicht oder nicht zu den gleichen Bedingungen angenommen hätte, wenn sie wahrheitsgemäß informiert worden wäre (BGH. Urt. v. 23.10.2014, III ZR 82/13; OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.10.2012, 10 U 408/11) und die Täuschung mithin die notwendige Kausalität (BGH, Urt. v. 24.11.2010, IV ZR 252/08) für die Entscheidung zum Vertragsschluss der Beklagten hatte. Die Kausalität kann sich dabei aus Anscheinsgrundsätzen ergeben (OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.10.2012, 10 U 408/11). Dies ist in der Personenversicherung zu bejahen, wenn es sich bei der erfragten Gesundheitsstörung nicht um eine solche handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen ist, die nicht wiederholt aufgetreten ist und die deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung von Bedeutung sein könnte, ihre Gefahrerheblichkeit im Hinblick auf den Vertragsschluss mithin „auf der Hand“ liegt (MüKo-VVG/Müller-Frank, 2. Aufl. 2016, § 22, Rn. 23). Das gilt sodann, wenn sich die Gefahrerheblichkeit aus den vom Versicherer vorgelegten Risikoprüfungsgrundsätzen ersehen lässt. Denn anerkannt ist ein Satz der Lebenserfahrung, dass sich ein Versicherer von seinen Risikoprüfungsgrundsätzen leiten lässt (MüKo-VVG/Müller-Frank, 2. Aufl. 2016, § 22, Rn. 24). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat in ihrem Nachfragebogen explizit nach der Krankheit COPD gefragt, woraus sich ergibt, dass deren Gefahrerheblichkeit nach den soeben dargelegten Grundsätzen „auf der Hand“ liegt. Soweit die Offenkundigkeit für eine chronisch rezidivierende Raucherbronchitis bejaht wird (OLG Frankfurt, Urt. v. 10.05.2000, 7 U 157/99; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl. 2018, § 19, Rn. 22), muss dies für die COPD erst recht gelten.

5.

Die Anfechtung wurde auch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 124 BGB erklärt, womit die Anfechtung wirksam und der Versicherungsvertrag als von Beginn an nichtig anzusehen ist.

II.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB.

1.

Hierbei kann die Frage, ob im Hinblick auf das Erfordernis eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien ausreichend ist, dass der Zeuge … eine schuldhafte Pflichtverletzung in Form der Falschberatung, die der Beklagten zuzurechnen wäre, hinsichtlich des Vertrags mit dem Ehemann der Klägerin begangen hat. Denn eine solche schuldhafte Falschberatung liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. Die Klägerin trägt diesbezüglich vor, hätte der Zeuge … sie ordnungsgemäß beraten, hätte ihr Ehemann im Jahr 2010 einen länger als fünf Jahre andauernden Versicherungsvertrag geschlossen, sodass es einer erneuten Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht bedurft und dieser Vertrag bei Tod des Ehemanns noch bestanden hätte. Die Klägerin trägt die Beweislast für die Pflichtverletzung durch den Zeugen … (jurisPK-BGB/Seichter, 8. Aufl. 2017, § 280, Rn. 151). Dieser Beweislast ist die Klägerin nicht nachgekommen. Denn nach der Beweisaufnahme ist das Gericht vom Gegenteil überzeugt.

Die Klägerin hat bekundet, dass sie selbst um den Abschluss eines Vertrags mit fünf Jahren Laufzeit gebeten habe. Eine Information seitens des Zeugen …, dass ein Vertrag mit längerer Laufzeit im Hinblick auf Alter oder mögliche Krankheiten sinnvoller gewesen wäre, sei nicht erfolgt. Dieser habe den Vorschlag einfach so angenommen, andere Angebote habe es nicht gegeben.

Der Zeuge … hat bekundet, dass er zu solchen Vertragsgesprächen immer drei Angebote mitbringen würde, neben dem über fünf auch eines über zehn und eines über 20 Jahre. Mit dem Abschluss des Vertrags über fünf Jahre sei dem Kundenwunsch entsprochen worden. Hätte er einen Vertrag über zehn Jahre abgeschlossen, hätte er eine entsprechend höhere Provision erzielt. Er habe darauf hingewiesen, wie wichtig im Hinblick auf das Alter des Ehemanns der Klägerin eine längere Vertragslaufzeit sei. Die Klägerin und ihr Mann hätten sich dennoch aus Kostengründen für einen Vertrag mit nur fünf Jahren Laufzeit entschieden. Auf Nachfrage hat er zudem bekundet, dass er auch darauf hingewiesen habe, dass bei einem weiteren Neuabschluss nach fünf Jahren neue Gesundheitsfragen gestellt würden und dies zu einer höheren Prämie führen könnte. Auf die Frage, warum in der Beratungsdokumentation (Anlage K2) das Kästchen „entsprechend der Empfehlung“ angekreuzt ist, hat er bekundet, dass er hier einen Fehler gemacht und nicht sauber dokumentiert habe. Dieses Kreuz sei bereits immer vorgedruckt.

Sowohl das Vorbringen der Klägerin als auch dasjenige des Zeugen … sind in sich schlüssig. Anhaltspunkte, einer der Parteien mehr oder weniger Glaubwürdigkeit zuzugestehen, haben sich für das Gericht aus der Beweisaufnahme nicht ergeben. Hinzu kommt die naheliegende Aussage des Zeugen …, er hätte bei einer längeren Vertragslaufzeit eine höhere Provision erzielen können. Dies deckt sich mit dem Erfahrungssatz, dass ein erfahrener Versicherungsvermittler regelmäßig nicht an Vertragsabschlüssen „um jeden Preis“, sondern am Abschluss (provisions)wirksamer Verträge interessiert ist (OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.11.2005, 5 U 50/05). In Anbetracht der zu erzielenden Provision hätte wenn überhaupt das Eigeninteresse des Zeugen … am Abschluss eines „zu langen“ anstatt eines „zu kurzen“ Vertrags bestehen können. Die Tatsache, dass der Zeuge … ersichtlich kein Eigeninteresse am Abschluss des nur fünf Jahre andauernden Vertrags haben konnte spricht weiter gegen die fehlende Information über mögliche längere Verträge durch den Zeugen.

2.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte auch keine Pflicht aus § 7 VVG verletzt, der ebenfalls einen Schadensersatzanspruch begründen könnte (BGH, Urt. v. 28.06.2017, IV ZR 440/14). Denn die Beklagte hat der Klägerin und ihrem Ehemann die nach § 7 VVG notwendigen Informationen rechtzeitig im Sinne der Norm mitgeteilt. Das Rechtzeitigkeitserfordernis im Sinne des § 7 VVG bedeutet nicht, dass zwischen Information und Erklärung stets eine Zeitspanne verstrichen sein muss, die objektiv zur Auswertung der übermittelten Unterlagen ausreicht. Vielmehr soll ihm lediglich die Möglichkeit zu einer informierten Entscheidung gegeben werden. Dafür genügt es, wenn er vor Abgabe seiner Erklärung die Gelegenheit hatte, die Unterlagen zunächst durchzusehen und den Vertragsschluss auf später zu verschieben (Prölss/Martin/Rudy, VVG, 30. Aufl. 2018, § 7, Rn. 11). Nicht mehr rechtzeitig ist eine Information dann, wenn der Versicherer seine Bereitschaft zum Vertragsschluss davon abhängig macht, dass sich der Versicherungsnehmer innerhalb einer kürzeren Frist für den Vertragsschluss entscheidet, als für die Auswertung der Unterlagen eigentlich erforderlich wäre. Dann macht er die von § 7 VVG angestrebte informierte Entscheidung unmöglich. Die Information erfolgt daher beispielsweise zu spät, wenn der Versicherer die Unterlagen zusammen mit seinem Angebot überlässt und dabei eine Annahmefrist setzt, die im Verhältnis zur Komplexität der Informationen unangemessen kurz ist (Prölss/Martin/Rudy, VVG, 30. Aufl. 2018, § 7, Rn. 12.)

Dies ist hier nicht der Fall. Dass dem Ehemann der Klägerin eine Frist zur Annahme des Vertragsangebots gesetzt worden sei, wird nicht vorgetragen, sodass die Übergabe bei der Beratung rechtzeitig im Sinne von § 7 VVG war. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass dies geschehen ist. Der Kläger hat in der Beratungsdokumentation gemäß Anlage K2 den Erhalt der besagten Unterlagen mit seiner Unterschrift bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestätigung fehlerhaft ist, sind für das Gericht nicht ersichtlich.

3.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich zudem nicht aus § 6 Abs. 5 VVG.

Voraussetzung hierfür ist eine Verletzung der Bedarfsermittlungs- oder Raterteilungspflicht der Beklagten durch den Zeugen … . Dies ist hier nicht gegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gilt auch hier, dass das Gericht nicht von einer fehlerhaften Beratung durch den Zeugen … überzeugt ist. Es wird auf die Ausführungen im Rahmen von § 280 Abs. 1 verwiesen.

III.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Da kein Anspruch in der Hauptsache besteht, kommt ein Anspruch auf Erstattung eines Verzugsschadens nicht in Betracht.

Nach alldem war die Klage insgesamt abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2 ZPO.

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