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Reiserücktrittsversicherung – Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung

Leistungsfreiheit bei nicht unverzüglicher Stornierung

Das vorliegende Urteil behandelt den Fall einer Reiserücktrittsversicherung und die Frage, ob der Versicherungsnehmer bei einer schweren Erkrankung seiner Ehefrau die Reise unverzüglich storniert hatte. Die Beklagte lehnte die Leistung ab, da die Stornierung nicht zeitnah erfolgt sei. Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und prüfte die Obliegenheitsverletzung sowie die daraus resultierende Leistungskürzung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 S 3485/19 >>>

Hintergrund: Krebserkrankung und Obliegenheitsverletzung

Die Ehefrau des Klägers erhielt am 5. Dezember 2017 die Diagnose einer potenziell tödlichen Krebserkrankung. Die Versicherungsbedingungen forderten eine unverzügliche Stornierung bei schweren Erkrankungen. Die Beklagte argumentierte, dass die Stornierung erst am 22. Dezember 2017 erfolgte und somit nicht unverzüglich war.

Urteil: Unverzügliche Stornierung aufgrund der Schwere der Erkrankung

Das Gericht urteilte, dass eine unverzügliche Stornierung bei potenziell tödlichen Erkrankungen geboten ist. Der behandelnde Arzt bestätigte, dass die Notwendigkeit einer Chemotherapie erst am 20. Dezember 2017 festgestellt wurde. Das Gericht berücksichtigte die Ausnahmesituation und die psychische Belastung für den Kläger und seine Frau.

Leistungskürzung: Grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung

Das Gericht stellte eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung fest und reduzierte die Versicherungsleistung um 50 Prozent. Die Beklagte wurde zur Erstattung der Stornokosten in Höhe von 6.369,79 € verurteilt, abzüglich eines Selbstbehalts von 20 Prozent.

Bedeutung des Urteils: Unverzügliche Stornierung bei schweren Erkrankungen

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer unverzüglichen Stornierung bei schweren Erkrankungen im Rahmen einer Reiserücktrittsversicherung. Es zeigt, dass eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung zu einer Leistungskürzung führen kann. Die Entscheidung berücksichtigt die Ausnahmesituationen und psychische Belastungen, die mit schweren Erkrankungen einhergehen können.


Das vorliegende Urteil

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 2 S 3485/19 – Beschluss vom 12.11.2020

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 15.05.2019, Az. 5 C 813/18, abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.400 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.06.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.800,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet (§§ 517, 519 f. ZPO). In der Sache ist das Rechtsmittel zum Teil begründet.

A. In tatsächlicher Hinsicht wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung restlicher 2.800 € aus einer Reiserücktrittskostenversicherung zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in voller Höhe stattgegeben. Eine Obliegenheitsverletzung wegen einer nicht unverzüglichen Stornierung der Reise sei nicht gegeben. Zwar sei die Krebserkrankung der versicherten Ehefrau des Klägers bereits am 01.12.2017 bekannt gewesen, doch habe die Versicherte zunächst die Durchführung der Operation und im Anschluss daran vorliegende Erkenntnisse zur Notwendigkeit einer Chemotherapie abwarten dürfen. Der behandelnde Arzt habe im Rahmen seiner Zeugenvernehmung angegeben, dass er die voraussichtliche Unmöglichkeit der Reise nicht bereits vor dem 11.12.2017 – als „Stichtag“ für eine geringeren Stornoanteil – prognostiziert habe.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die die volle Abweisung der Klage weiterverfolgt. Unter Hinweis auf zitierte Rechtsprechung vertritt die Beklagte (weiterhin) die Ansicht, dass eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung nur nicht dann vorliege, wenn ärztlicherseits ausdrücklich die Auskunft erteilt worden sei, dass einerseits bei komplikationslosem Heilungsverlauf mit einer Wiederherstellung bis zum geplanten Reiseantritt gerechnet werden könne und zusätzlich andererseits bestätigt werde, dass mit dem komplikationslosen Heilungsverlauf auch sicher gerechnet werden könne. Einen solchen Sachverhalt habe die Beweisaufnahme aber nicht ergeben.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Maßgeblich sei auf der Grundlage der Aussage des behandelnden Arztes, dass sich die sichere Unmöglichkeit des Reiseantritts erst mit der Notwendigkeit der Chemotherapie ergeben habe. Dies sei der Versicherten aber erst am 20.12.2017 eröffnet worden.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch ergänzende (mit Zustimmung der Parteien: schriftliche) uneidliche Zeugenvernehmung des die Versicherte behandelnden Arztes Prof. S. Auf die Ausführungen des Zeugen vom 16.6.2020 (Gerichtsakte S. 116) wird Bezug genommen. Zudem wurde die Versicherte als Zeugin uneidlich vernommen. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1.10.2020 (Gerichtsakte S. 132 ff.) sowie im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

B. Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

Die Beklagte ist wegen Obliegenheitsverletzung des Klägers teilweise leistungsfrei; konkret ist eine Kürzung um 50% geboten. Diese bedeutet einen Anspruch des Klägers in Höhe von 1.400 €.

I. Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der Versicherungsfall eingetreten ist.

1. Maßgeblich für die (vertragliche) Beziehung zwischen den Parteien sind alleine die dem streitgegenständlichen Reiserücktrittsversicherungsvertrag zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB). Auf deren Grundlage ist davon auszugehen, dass die Diagnose der Krebserkrankung, die der Versicherten als feststehend am 05.12.2017 eröffnet wurde, als „unerwartete schwere Erkrankung“ ein versichertes Ereignis nach § 4 Nr. 1 AVB darstellt. Dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer – wenngleich in anderem Zusammenhang – geäußert hat, dass die Erkrankung seiner Frau keine „schwere“ sei, ignoriert die Kammer zu seinen Gunsten, kann dies aber auch nicht ernst nehmen.

Es handelt sich – natürlich abhängig vom konkreten Einzelfall – bei einer Brustkrebserkrankung immer noch um eine potentiell tödliche Erkrankung. 2017 sind in Deutschland über 18.000 Frauen an Brustkrebs gestorben (Robert Koch Institut, Krebs in Deutschland für 2015/2016, korrigierte Fassung vom 17.08.2020, S. 78; https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2019/krebs_in_deutschland_2019.pdf?__blob=publicationFile).

2. Weitere Voraussetzung nach § 4 Abs. 6 AVB ist, „dass Reiseunfähigkeit bei der versicherten Person nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten ist und ihr der Antritt der Reise oder die planmäßige Rückreise objektiv nicht zugemutet werden kann.“

Voraussetzung ist damit keine feststehende Reiseunfähigkeit, sondern „nur“ eine negative Prognose. Eine solche sieht die Kammer bei Diagnose einer potentiell tödlichen Erkrankung, deren konkreter Verlauf noch nicht zuverlässig abgesehen werden kann, als gegeben. Ein offenkundig schweres Krankheitsbild, welches angesichts der bereits gestellten gravierenden Diagnose eines nicht gutartigen Tumors einen stationären Krankenhausaufenthalt mit Operation erfordert und es wahrscheinlich unzumutbar machen wird, die Reise anzutreten, gebietet die unverzügliche Stornierung (vgl. Staudinger in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Auflage 2015 § 41 Rn. 128, 130 f. m.w.N.).

Der Kläger hatte auch keinerlei greifbaren und belastbaren Anhaltspunkt dafür, dass nach – unterstellt – komplikationslos verlaufender Operation eine Chemotherapie nicht notwendig werden würde. Der die Versicherte behandelnde Arzt Prof. S hat in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme angegeben, dass am 05.12.2017 die Notwendigkeit einer Chemotherapie „in beide Richtungen offen gelassen worden war“ und es „nicht möglich (war) die Chancen für die Notwendigkeit einer Chemotherapie in Prozent abzuschätzen“. Nach Angaben der als Zeugin vernommenen Ehefrau sei am 05.12.2017 auch noch gar nicht darüber gesprochen worden, wie es dann nach der Operation weitergeht, insbesondere sei nicht über eine Chemotherapie oder deren Notwendigkeit gesprochen worden. Ob die Zeugin ihren Arzt gefragt habe, wie es dann weitergehe, konnte sie nicht mehr sagen („vielleicht“).

Der Hinweis der Zeugin, dass sie selbst am 05.12.2017 (noch) keine Zweifel gehabt habe, die Reise antreten zu können, da sie zu dieser Zeit ja noch keine Probleme (i.e. Schmerzen oder sonstige Beschwerden) gehabt habe, ändert nichts. Die Fragen nach dem Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen eines Versicherungsfalls sind aus objektiver Sicht zu beantworten; andernfalls obläge es der rein subjektiven Einschätzung des Versicherten, ob der Versicherungsfall eingetreten ist.

Damit stellte sich die Prognose für den Kläger und seine Frau am 05.12.2017 letztlich als absolut offen dar. Angesichts der Schwere der gestellten Diagnose (potentiell lebensgefährdende Krebserkrankung) und der bereits feststehenden Erforderlichkeit einer Operation, die stets mit gewissen Komplikationsrisiken einhergeht, kann eine daran anschließende Hoffnung auf Reisefähigkeit nicht gerechtfertigt werden, wenn zudem völlig offen ist, ob nicht noch wegen einer zusätzlich erforderlichen Chemotherapie der Reiseantritt ohnehin definitiv ausgeschlossen sein wird.

Dass sich eine (negative) Prognose im Nachhinein (glücklicherweise) als unzutreffend erweist, liegt im Wesen einer Prognose begründet und kann den zum 05.12.2017 eingetretenen Versicherungsfall nicht rückwirkend „aufheben“. Zumutbar war die Reise an diesem (Stich-)Tag nach Mitteilung der operationsbedürftigen Brustkrebsdiagnose objektiv sicher nicht.

3. Damit besteht zum einen grundsätzlich nach § 5 Nr. 1 AVB ein Anspruch auf die versicherten Leistungen, konkret „Erstattung der von der versicherten Person vertraglich geschuldeten Stornokosten“, zum anderen löste der Eintritt des Versicherungsfalls die Obliegenheit des Klägers zur unverzüglichen Stornierung aus.

II. Der Leistungsanspruch des Klägers unterliegt einer Kürzung wegen Obliegenheitsverletzung.

Nach § 9 Satz 1-5 AVB, die § 28 Abs. 2, 3 VVG nachgebildet sind, kann die Versicherungsleistung bei Verletzung einer Obliegenheit unter bestimmten Umständen gekürzt werden oder vollständig entfallen.

1. Der Kläger hat die Obliegenheit nach § 9 (Satz 5) Nr. 1 AVB verletzt. Danach wird als Obliegenheit statuiert: „Bei Nichtantritt der Reise unverzügliche Stornierung bei der Buchungsstelle.“

a) Der Kläger (und seine nach § 3 Nr. 2 AVB mitversicherte Ehefrau) haben die Reise nicht angetreten. Eine „unverzügliche Stornierung“ ist nach Ansicht der Kammer nicht erfolgt. Maßgeblich ist die Betrachtung der Chronologie mit Eintritt des Versicherungsfalls am 5.12.2017.

Unverzüglich ist als feststehender Begriff der Rechtssprache (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juli 2018 – IV ZR 200/16, r+s 2018, 425) zu verstehen wie in § 121 Abs. 1 BGB, mithin als „ohne schuldhaftes Zögern“. „Unverzügliches“ Handeln verlangt ein den Umständen des Falles angemessenes, beschleunigtes Handeln, bedeutet damit aber gerade nicht „sofort“ (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/17 R, BeckRS 2017, 134791; BGH, Urteil vom 26.01.1962 – V ZR 168/60, BeckRS 1962, 31186973). Es ist vielmehr zutreffend allgemein anerkannt, dass von einer angemessenen Überlegungsfrist auszugehen ist (Staudinger/Singer (2017) BGB § § 121 Rn. 9; BeckOGK/Rehberg, 1.9.2019, BGB § 121 Rn. 13 ff.).

b) Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall der Stichtag 11.12.2017 von zentraler Bedeutung: Bis dahin wäre eine Stornierung „nur“ mit Kosten von 45 % des Reisepreises belastet gewesen, ab dem 12.12.2017 jedoch mit (den streitgegenständlichen) weiteren 35 %. Ginge man nun von einer Überlegungszeit von mehr als 6 Tagen aus, wäre die tatsächlich am 22.12.2017 erfolgte Stornierung nicht mehr kausal für die (volle) Leistungspflicht der Beklagten (Kausalitätsgegenbeweis nach § 9 Satz 3 AVB).

Die Kammer hält daran fest, dass eine Stornierung nach dem 11.12.2017 nicht mehr unverzüglich war. Der 05.12.2017 als Tag der Befundbesprechung mit Vereinbarung des OP-Termins am 11.12.2017 – mithin der Eintritt des Versicherungsfalls (s.o.) – war ein Dienstag. Jedenfalls 3 Tage Bedenkzeit erscheinen der Kammer angemessen, um die mitgeteilte Diagnose (vorläufig) zu verarbeiten und zu bewerten. In diesem Zusammenhang muss auch die Ausnahmesituation berücksichtigt werden, die die Bekanntgabe einer derartigen Diagnose für den Versicherten mit sich bringt; zum anderen ist zu würdigen, dass eine „vorschnelle“ Stornierung auch nicht im Interesse des Reiserücktrittsversicherers ist, sollte sich im weiteren Verlauf herausstellen, dass ein Antritt der Reise doch möglich gewesen wäre. Jedenfalls nach dem sich anschließenden Wochenende (9. und 10.12.2017), mithin am 11.12.2017, wäre eine Stornierung wohl noch als unverzüglich hinnehmbar gewesen, sicher aber nicht noch einen Tag später. Eine Stornierung eine Woche nach Eröffnung der Brustkrebs-Diagnose ist nicht mehr unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern.

2. Damit ausgehend von einer objektiven Obliegenheitsverletzung wegen nicht unverzüglicher Stornierung, ist für das Maß einer eventuellen Kürzung der Versicherungsleistung zu fragen, ob die Obliegenheit vorsätzlich (was auszuschließen ist und von den Beklagten auch nicht behauptet wird), grob fahrlässig oder nur „einfach“ fahrlässig verletzt wurde (§ 9 Satz 1-3 AVB, § 28 Abs. 2 VVG).

Die Entlastung von der Einstufung der Obliegenheitsverletzung als grob fahrlässig, die als „Normalfall“ vermutet wird, hat der Kläger nicht erbracht. Er trägt schon nichts dazu vor, warum die nicht unverzügliche Stornierung unter den Umständen des konkreten Einzelfalls in einem „milderen Licht“ erscheinen sollte. Die Kammer vermag insoweit auch nichts festzustellen.

3. Die grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung rechtfertigt nach Ansicht der Kammer eine Leistungskürzung um 50 %. Die von der Berufungsbegründung geforderte „Kürzung auf Null“ kommt hingegen nicht in Betracht.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Leistungskürzung des Versicherers „auf Null“ nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. Es muss sich um Sachverhalte handeln, die sich im Grenzgebiet zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bewegen. Dabei ist immer eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles erforderlich (BGH, Urteil vom 22.6.2011 – IV ZR 225/10, r+s 2011, 376; BGH, Urteil vom 11.1.2012 – IV ZR 251/10, r+s 2012, 166).

Das Abwarten nach einer diagnostizierten Krebserkrankung, ob nach sicher erforderlicher Operation auch noch eine Chemotherapie erforderlich sein wird, rechtfertigt eine vollständige Leistungsversagung keinesfalls. Eine solche Konstellation hat nicht annähernd das Gewicht wie das Verursachen eines Verkehrsunfalls im Zustand alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit, wie es der BGH in den vorgenannten Entscheidungen exemplarisch gewichtet. Das zu lange Zuwarten mit der gebotenen Stornierung ist angesichts der völlig ungewissen weiteren Entwicklung in gleicher Weise vorwerfbar, wie nachvollziehbar. Dass in dieser Konstellation die Hoffnung auf ein „gutes Ende“ dadurch aufrechterhalten werden soll, dass eine geplante Reise (noch) nicht abgesagt wird, ist menschlich. Andererseits dient der abgeschlossene Versicherungsvertrag nicht dazu, diese Hoffnung finanziell abzusichern bzw. das entsprechende Risiko auf den Versicherer abzuwälzen.

Die Kammer hält nach alledem die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des LG Bonn (Urteil vom 15.5.2013 – 5 S 146/12, juris), in dem eine Kürzung auf Null ausgesprochen wurde weder für überzeugend, noch mit der Rechtsprechung des BGH, auf die das LG Bonn auch mit keinem Wort eingeht, in Übereinstimmung stehend.

b) Umstände, die das Unterlassen der unverzüglichen Stornierung als über- bzw. unterdurchschnittlich vorwerfbar erscheinen lassen, haben weder der Kläger, noch die Beklagten vorgetragen. Auch für die Kammer sind solche – über die vorgenannten hinausgehenden – besonderen Umstände nicht ersichtlich. Auf der Grundlage des Vorstehenden gewichtet die Kammer den dem Kläger zu machenden Vorwurf wegen der Verletzung seiner Stornierungsobliegenheit als „Durchschnittsfall“, der eine Kürzung um die Hälfte rechtfertigt (zu einer solchen Quote auch (AG Königstein, 14.10.2009 – 27 C 478/09, BeckRS 2010, 23815).

Die Kammer legt Wert darauf, dass dem Kläger unmissverständlich klargemacht worden war, dass die zunächst als Vergleich vorgeschlagene Kürzung um „nur“ 1/3, die von der Beklagten auch akzeptiert worden wäre, nicht dem abschließenden Ergebnis der Kammer entsprechen muss, sondern für ihn auch ungünstiger ausfallen kann.

III. Dem Kläger steht damit ein Anspruch von noch 1.400 € zu.

1. Dabei ist bei tatbestandlich unstreitigen Stornokosten von 13.728 € (80% des Reisepreises) angesichts der unstreitigen Unterversicherung (Reisepreis: 17.288,70 €, versicherter Gesamtreisepreis nach § 1 AVB: 10.000 €; A.§ 4 AVB, § 75 VVG – die Beklagte legt ihrer Abrechnung vom 16.05.2018 einen Reisepreis von 17.160 € und eine Quote von 0,58 zugrunde) von einer nach § 5 Nr. 1. AVB versicherten Leistung („vertraglich geschuldete Stornokosten“) in Höhe von 7.962,24 € auszugehen. Von diesem „erstattungsfähigen Schaden“ ist der nach § 8 AVB vereinbarte Selbstbehalt von 20% in Abzug zu bringen, sodass sich für die vollen Stornierungskosten ein Anspruch in Höhe von 6.369,79 € errechnet.

Auf die erste „Stufe“ der reisevertraglich zeitlich gestaffelten Stornokosten mit zunächst 45% und anschließend weiteren 35% hat die Beklagte 3.600 € reguliert (Abrechnungsschreiben vom 16.05.2018, Anlage K7); die rechnerische Abweichung erklärt sich daraus, dass die Beklagte der Abrechnung einen Reisepreis von 17.160 € zugrunde liegt, statt des tatbestandlich unstreitigen in Höhe von 17.288,70 €.

Zwischen den Parteien jedenfalls unstreitig stehen dem Kläger bei Ansatz der ungekürzten vollen Stornokosten (80% des Reisepreises) noch weitere 2.800 € zu. (Nur) dieser noch offene Betrag ist von der Obliegenheitsverletzung der nicht unverzüglichen Stornierung betroffen, sodass auch nur dieser Betrag um 50 % zu kürzen ist.

Damit steht dem Kläger eine weitere Zahlung von 1.400 € zu.

In Folge des unstreitig bestehenden Verzuges ist diese Forderung wie beantragt zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 BGB).

2. Mit der Reduzierung der berechtigten Hauptsacheforderung ist auch der schlüssig vorgetragene und zwischen den Parteien nicht im Streit stehende Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu reduzieren. Ausgehend von einem berechtigten Gegenstandswert in Höhe von 1.400 € ist unter Ansatz einer 1,3 Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer eine Nebenforderung von 201,71 € zuzusprechen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen einer Kürzung wegen Obliegenheitsverletzung auf Null durch die Rechtsprechung des BGH geklärt. Einer (neuerlichen) Entscheidung hierzu bedarf es nicht. Insoweit – wie auch im Übrigen – geht es streitgegenständlich lediglich um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.

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