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Kfz-Haftpflichtversicherung – Täuschung eines Unfallgeschädigten über Fahrzeugvorschäden

AG Friedberg (Hessen) – Az.: 2 C 369/11 – Urteil vom 10.06.2011

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 905,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung der Kosten für ein außergerichtliches Sachverständigengutachten.

Zwischen einem von der Beklagten gesteuerten Pkw und dem Fahrzeug der Versicherungsnehmerin der Klägerin, Frau F, kam es am 24.03.2008 zu einem Verkehrsunfall. Wegen der Unfallörtlichkeit, des Unfallverlaufs und der Art der Kollisionsschäden wird auf das Sachverständigengutachten in den beigezogenen Akten 2 C 149/10 (12) des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) verwiesen.

Die Beklagte holte ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen W K-E vom 09.04.2008 (auf Bl. 33 – 47 der Beiakten wird verwiesen) zur Schadenshöhe ein, welches die Reparaturkosten mit 1315,95 € brutto wegen der Beschädigung im Frontbereich bezifferte. Mit Schreiben vom 22.04.2008 forderte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Versicherungsnehmerin der Klägerin mit Fristsetzung zum 02.05.2008 dazu auf, der Beklagten ihre Haftpflichtversicherung zu nennen, andernfalls werde Frau F direkt in Anspruch genommen. In diesem Schreiben bezifferte die Beklagte ihre Schadensersatzpositionen insgesamt mit 1.433,10 EUR. Mit inhaltsgleichem Schreiben vom 30.04.2008 wandten sich die Beklagten direkt an die Klägerin. Das Gutachten vom 09.04.2008 war dem Schreiben beigefügt.

Die Klägerin beauftragte ihrerseits den Sachverständigen D, dessen Gutachten vom 03.11.2008 (Bl. 7 – 32 der Beiakten) u. a. kompatible Unfallspuren verneinte.

Die Beklagte gab gegenüber dem später gerichtlich bestellten Sachverständigen S während eines Ortstermins an, dass der Kotflügel bereits vor dem Unfallereignis beschädigt gewesen sei, es sich also um einen Altschaden handelte.

Im erwähnten Vorprozess nahm die Klägerin nach Beweisaufnahme, welche die Feststellungen des Sachverständigen D weitgehend bestätigte, die Klage zurück.

Die Klägerin meint, die Kosten des Gutachtens D seien zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen und wegen des von Anfang an unrichtigen Sachvortrags der Beklagten von dieser zu erstatten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 905,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Einholung des unfallanalytischen Gutachtens durch die Klägerin sei zur Abwehr des Schadensfeststellungsgutachtens nicht erforderlich gewesen und von der Klägerin als Haftpflichtversicherung in eigener, auch kostenrechtlicher Verantwortung eingeholt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Zwar scheiden vertragliche oder vertragsähnliche Anspruchsgrundlagen für einen Schadensersatzanspruch vorliegend aus, die Beklagte haftet jedoch aus Delikt.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Erstattung der Kosten des Sachverständigengutachtens (vgl. § 823 II BGB i. V. m. §§ 263 I, 22, 23 I StGB).

Die Beklagte hat durch den versuchten Betrug die Schutznorm des § 263 I StGB verletzt und sich damit gemäß § 823 II BGB der Klägerin gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht.

Die Beklagte wusste – abgesehen von der falschen Unfallversion – vor Geltendmachung der Schäden, dass die Beschädigungen im Frontbereich mindestens teilweise nicht auf die Kollision zurückzuführen waren. Dies ergibt sich beispielsweise aus ihren Aussagen gegenüber dem Sachverständigen S im Rahmen des Ortstermins; im Übrigen ist ein entsprechendes Wissen, wie in der Klageschrift dargelegt, nicht bestritten worden (§ 138 III ZPO). Sie hat dennoch mit den im Tatbestand erwähnten Schreiben unter Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen K-E die vollen Reparaturkosten geltend gemacht und damit den Tatbestand des versuchten Betrugs erfüllt.

Der Schaden in Höhe der Kosten des Sachverständigengutachtens von 905,00 EUR zuzüglich Zinsen ist kausal auf den Betrugsversuch der Beklagten zurückzuführen. Hätte die Beklagte nicht alle Schäden unter Angabe einer falschen Unfallversion geltend gemacht, wäre kein Gutachten seitens der Klägerin eingeholt worden. Insbesondere auch wegen der entsprechenden Angaben der Beklagten gegenüber dem Fahrer des Wagens der Versicherungsnehmerin der Klägerin noch am Unfallort gegenüber war es aus Sicht der Klägerin zur Abwehr der Forderungen notwendig und erforderlich, ein eigenes Gutachten einzuholen, das sich neben der Frage der Kompatibilität der Schäden auch der Gegenüberstellung der Fahrzeuge vor Ort und der Plausibilität der Unfallversionen widmete. Das sinngemäße Argument der Beklagtenseite, einem Gutachten zur Schadenshöhe müsse nicht mit einem unfallanalytischen Gutachten begegnet werden, verfängt daher nicht. Bei einer Konstellation wie der vorliegenden ist eine Erstattungsfähigkeit durch die Täuschende auch nicht im Hinblick auf die Ermessensfreiheit des Versicherers, ob eine eigene Begutachtung erfolgt und auch nicht im Hinblick auf die im Streitfall ohnehin gerichtlich einzuholende Begutachtung zu verneinen. Die Beklagte hat nicht nur eine abweichende oder „geschönte“ Unfallversion gegeben, sondern im Bewusstsein eines Vorschadens Ersatz aller Schäden unter Beifügung eines Gutachtens rein zur Schadenshöhe verlangt – und damit vorsätzlich weitere (Überprüfungs)Kosten auf Seiten der Klägerin ausgelöst. Erst mit einem eigenen Gutachten seitens der Klägerin konnte diese den ungerechtfertigten Forderungen der Beklagten substantiiert entgegentreten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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