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Regressanspruch Kfz-Haftpflichtversicherung – Fahren ohne Fahrerlaubnis

AG Bruchsal – Az.: 4 C 149/16 – Urteil vom 20.12.2016

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 5.000,– nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.06.2012 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 489,45 nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.06.2012 zu zahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits bis auf jene Kosten, die durch Anrufung des örtlich unzuständigen Amtsgerichts … entstanden sind und welche die Klägerseite trägt.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht als Haftpflichtversicherung eines verunfallten Pkws gegen den Beklagten Regressansprüche wegen Obliegenheitsverletzung geltend.

Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer des am … auf der … Straße in … in einen Verkehrsunfall verwickelten Lkw … mit dem amtl. Kennzeichen …. Versicherungsnehmerin ist die … .

Der Beklagte ist mitversicherter Fahrer. Nach F.1 AKB finden die Regelungen der Pflichten des Versicherungsnehmers sinngemäß für die mitversicherten Personen Anwendung.

Der Beklagte verursachte als Fahrer des bei der Klägerin haftpflichtversicherten Lkw am … gegen … Uhr auf der … allein schuldhaft einen Verkehrsunfall.

Dem Beklagten war am … durch das Amtsgericht … rechtskräftig die deutsche Fahrerlaubnis und durch das Landratsamt … am … seine tschechische Fahrerlaubnis vom … bestandskräftig entzogen worden. Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles war der Beklagte im Besitz einer weiteren tschechischen Fahrerlaubnis vom … .

Die Klägerin macht geltend, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der besagten Fahrt nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen sei und daher eine Verletzung der in D.1.3 AKB der Klägerin geregelten Obliegenheit vorläge. Es komme bezüglich der Gültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland auf § 28 Abs. 4 FeV an. Mit Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung in § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV sei die tschechische Fahrerlaubnis des Beklagten ungültig.

Die Klägerin beantragt, wie oben zuerkannt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, dass er im Besitz einer gültigen tschechischen Fahrerlaubnis vom … gewesen sei, die ihm nach § 28 Abs. 1 FeV zur Teilnahme am deutschen Straßenverkehr berechtige. Dies zeige sich auch daran, dass er wegen des Vorfalls am … strafrechtlich nur wegen fahrlässiger Körperverletzung und gerade nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden war. Die bloße Aufforderung der Klägerin, den Beklagten außergerichtlich zur Zahlung aufzufordern, rechtfertige nicht die Geltendmachung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren.

Der Rechtsstreit wurde durch das ursprünglich angerufene Amtsgericht Bretten an das örtlich zuständige Amtsgericht Bruchsal verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen und Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 115 Abs. 1 Satz 4, 116 Abs. 1 Satz 2 VVG, 5 Abs. 1 PflVersG in Höhe von 5.000,00 € zu, da die Voraussetzungen von § 28 Abs. 4 FeV erfüllt sind und auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar sind.

1.

Regressanspruch Kfz-Haftpflichtversicherung - Fahren ohne Fahrerlaubnis
Symbolfoto:Von Astrid Gast /Shutterstock.com

Zwischen den Parteien besteht ein Gesamtschuldverhältnis gem. § 115 Abs. 2 Satz 2 VVG. Soweit in den §§ 115, 116, 124 VVG von dem Versicherungsnehmer die Rede ist, gilt dies auch für die mitversicherten Personen, wenn gegen diese Schadensersatzansprüche erhoben werden (vgl. BGH Versicherungsrecht 2008, 343; NVZ 2008, 341). die Klägerin hatte für den streitgegenständlichen Unfallschaden vom … auch im Außenverhältnis gem. §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, 115 VVG einzustehen.

2.

Gegenüber der Klägerin besteht im Innenverhältnis aufgrund einer Obliegenheitsverletzung eine Ausgleichspflicht des Beklagten aus § 426 BGB i. V. m. §§ 116 VVG, 5 Abs. 3 PflVersG sowie D.3.1 und D.3.3. AKB. Die Klägerin ist gem. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG im Innenverhältnis zum Beklagten zur Leistungskürzung berechtigt gewesen, weil der Beklagte gegen die Obliegenheit aus Abschnitt D.1.3. AKB verstoßen hat und ihn diesbezüglich mindestens grobe Fahrlässigkeit trifft. Nach Überzeugung des Gerichtes kann es dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte hier – wofür einiges spricht und was von anderen Gerichten in derartigen Konstellationen häufig angenommen wird – sogar vorsätzlich gehandelt hat, da das Gericht auch bei lediglich grober Fahrlässigkeit einen Regressanspruch in Höhe des Höchstbetrages, also 5.000,– €, bejaht.

Nach D.1.3. AKB darf der Fahrer das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis benutzen und der Beklagte hat hiergegen im Rahmen seiner Fahr vom … sowohl im Hinblick auf den objektiven als auch im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand verstoßen.

a. Der Beklagte hat mit dem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Lkw ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr geführt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht besaß. Die ihm am … in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis gewährte und gewährt ihm kein Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar sieht § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV für den Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis grundsätzlich auch in Deutschland eine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen vor und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind im Interesse der gemeinsamen Verkehrspolitik und zur Erleichterung der Freizügigkeit verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anzuerkennen, ohne dies von einer Formalität abhängig zu machen. Dieser allgemeine Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gilt jedoch nicht ausnahmslos und eine solche Ausnahme ist im Fall des Beklagten gegeben.

Für den Fall, dass nämlich wie hier ein Führerschein unter Missachtung der von der Richtlinie 91/439 aufgestellten Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt worden ist, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, die Anerkennung der Fahrberechtigung abzulehnen, wenn auf der Grundlage der Angaben in diesem Führerschein oder anderen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unstreitbaren Informationen fest steht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung sein Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedsstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte.

Der Wohnsitzvoraussetzung kommt nämlich in Verhältnis zu den übrigen in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen eine besondere Bedeutung zu. Zur Bekämpfung des „Führerscheintourismus“ und aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Straßenverkehrs sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung oder die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat. Die Sicherheit des Straßenverkehrs könnte gefährdet werden, wenn die Wohnsitzvoraussetzung in Bezug auf eine Person, auf die eine Maßnahme der Einschränkung, Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis nach § 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439 angewendet worden ist, nicht beachtet würde (vgl. zur Rechtslage das Urteil des EuGH vom 26.06.2008, C-329/06, C-343/06, C-329/06).

Vor diesem Hintergrund sieht § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV ausdrücklich die Ausnahme vor, dass die Anerkennung ausländischer Führerscheine nicht für jene Personen gilt, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaats herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Dies trifft nach Überzeugung des Gerichtes auf den Beklagten zu.

Zwar weist die tschechische Fahrerlaubnis vom … die tschechische Stadt … als Wohnort des Beklagten aus. Das Gericht ist jedoch davon überzeugt, dass es sich hier um einen lediglich zusätzlich angemeldeten Wohnsitz handelt, der Beklagte vielmehr seinen ordentlichen Wohnsitz tatsächlich in Deutschland hatte und die Aufenthaltsanmeldung in Tschechien lediglich dem Erwerb eines Führerscheins in Tschechien diente und kein ordentlicher Wohnsitz in Tschechien im Sinne von Artikel 12 der 3. Führerscheinrichtlinie der EU (2006/126) vorliegt.

Nach dieser Vorschrift gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlichen Bedingungen, die engen Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d. h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Ein lediglich zusätzlich angemeldeter Wohnsitz stellt vor diesem Hintergrund keinen ordentlichen Wohnsitz i. S. d. Wohnsitzvoraussetzung dar.

Der Beklagte trägt die sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, ob „unbestreitbare Informationen“ einer Behörde des Ausstellermitgliedstaates vorliegen. Er hat jedoch weder im Strafverfahren bzg. des Vorfalls vom …, dessen Akten das Gericht informatorisch beigezogen hat, noch im Laufe des vorliegenden Zivilprozesses vor dem entscheidenden Gericht substantiiert vorgetragen oder nachgewiesen, dass er mehr als die Hälfte des Jahres wegen persönlicher Bindungen tatsächlich in Tschechien lebt, mag er auch im Strafverfahren eine Aufenthaltsgenehmigung für die tschechische Republik für eine längere Dauer als 3 Monate vorgelegt haben. Wie sich vielmehr aus einem Vermerk des ermittelnden Polizeibeamten vom … in der beigezogenen Strafakte … des Amtsgerichts … (dort As. …) ergibt, lebt seine Ehefrau … in … .Dass er die Voraussetzungen des ordentlichen Wohnsitzes aus anderen Gründen erfüllt, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Beklagte gezielt das Wohnsitzerfordernis zu umgehen versucht hat, indem er nur vorgeblich seinen Aufenthalt in Tschechien anmeldete, während sein ordentlicher Wohnsitz sich tatsächlich in Deutschland befand und befindet, die Aufenthaltsanmeldung mithin nur zum Zwecke der Fahrerlaubniserteilung erfolgte. Dies zeigt mehr als deutlich, dass der Erwerb des Führerscheins in Tschechien und dessen Verwendung in Deutschland nichts mit der durch Artikel 1 Abs. 2 EU-FSch-RiLi gewährleisteten Freizügigkeit und der Wahrnehmung von Grundfreiheiten zu tun hat. Der Beklagte hat sich im Gegenteil – im Rahmen eines klassischen „Führerscheintourismus“ unter Umgehung der deutlich strengeren deutschen Ausstellungsvoraussetzungen – eine Fahrerlaubnis erworben, auf deren Gültigkeit er nicht vertrauen durfte.

Selbst wenn man § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV im Hinblick auf das europäische Gemeinschaftsrecht als zu eng und damit nicht mehr konform ansehen würde, da die vom EuGH zusätzlich geforderte vorherige Maßnahme des Entzugs nicht zusätzlich, sondern nur alternativ nach § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV zur Möglichkeit der Nichtanerkennung berechtigt, kann dies vorliegend dahin stehen, da die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Nr 3 FeV vorliegen, nachdem dem Beklagten nicht nur die deutsche Fahrerlaubnis vom …, sondern auch die tschechische Fahrerlaubnis vom … bestandskräftig entzogen worden war. Durch die kumulative Erfüllung der Ausnahmen von der gegenseitigen Anerkennung in § 28 Abs. 4 Nr. 2 und 3 FeV sind auch die vom EuGH in seiner Entscheidung vom 26. Juni 2006 (C-329/06; C-343/06) aufgestellten Voraussetzungen für eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung erfüllt.

Es bedurfte für die Ungültigkeit auch keiner förmlichen Aberkennung der tschechischen Fahrerlaubnis nach § 46 FeV (vgl. BVerwG NJW 2009, 1689; OLG Oldenburg NVZ 2010, 303). Nach der überwiegenden Auffassung der Obergerichte, auf deren Rechtsprechung das Gericht die Beteiligten im Termin bereits hingewiesen hat, entfaltet die ausländische Fahrerlaubnis in den Fällen von § 28 Abs. 4 Nr. 2 und 3 FeV bereits zum Zeitpunkt ihrer Erteilung an keine Rechtswirkung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 07.02.2011, 2 Ss 222/10; Bayr. VGH Beschluss vom 11.08.2008, 11 Cs 08.032). Dies folgt schon aus dem Wort von § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV, nach welchem Berechtigung in den dort aufgeführten Fällen gerade nicht gilt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift, nämlich die Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr, die auch in den Erwägungen zu der Ausnahme im europäischen Gemeinschaftsrecht eine entscheidende Rolle gespielt hat, kann nur verwirklicht werden, wenn ausländische Fahrerlaubnisse in den Fällen des § 28 Abs. 4 Nr. 2 und 3 FeV bereits zum Zeitpunkt ihrer Erteilung an unwirksam sind. Andernfalls müsste in Kauf genommen werden, dass Personen, deren Fahrtauglichkeit nicht besteht, bis zur Rechtskraft der Aberkennungsentscheidung ein Kraftfahrzeug führen dürften, was dem Allgemeininteresse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ersichtlich zuwider laufen würde (vgl. OLG Koblenz aaO).

b. Der Beklagte hat auch den subjektiven Tatbestand erfüllt.

Es liegt im Gegensatz zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Februar 2011 (2 Ss 222/10) kein Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB vor. Ein etwaiger Irrtum über die Fahrberechtigung aufgrund der tschechischen Fahrerlaubnis stellt einen vermeidbaren Verbotsirrtum i. S. v. § 17 StGB dar, da er auf einem Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum des Betroffenen über die rechtliche Bedeutung der von ihm richtig und vollständig wahrgenommenen Straßenverkehrsvorschrift des § 28 FeV zurückzuführen ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte im vorliegenden Fall lediglich fahrlässig i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 1 StVG oder aber vorsätzlich gehandelt hat, da der Regressanspruch der Klägerin nach Überzeugung des Gerichtes in beiden Fällen in voller Höhe (also 5.000,– €) besteht. Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Ausführungen, ob der Beklagte hier trotz des früheren Entzugs sowohl seiner deutschen als auch seiner ersten tschechischen Fahrerlaubnis und des von ihm betriebenen Aufwandes (Aufenthaltsgenehmigung für Tschechien, Wohnsitzanmeldung dort) im Rahmen eines auch für ihn erkennbaren „Führerscheintourismus“ darauf vertrauen durfte, hier nun im Besitz einer nach § 28 Abs. 1 FeV gültigen Fahrerlaubnis zu sein.

Seine Schuld ist im vorliegenden Fall auch nicht gem. § 17 Satz 1 StGB ausgeschlossen, da ein etwaiger Verbotsirrtum, selbst wenn er auf Seiten des Beklagten vorgelegen haben sollte, nicht unvermeidbar war. Wem wie dem Beklagten bereits eine ausländische Fahrerlaubnis wie seine erste tschechische Fahrerlaubnis wegen fehlender Voraussetzungen aberkannt worden ist, dem muss sich eine Erkundigungspflicht hinsichtlich der Anforderungen an eine gültige Fahrerlaubnis zwingend aufdrängen. Dies wird noch dadurch unterstützt, dass bei Erwerb der zweiten tschechischen Fahrerlaubnis vom … sogar noch der Hinzuerwerb einer größeren Fahrerlaubnis der Klasse C stattfand.

Der Regressanspruch der Klägerin als Haftpflichtversicherer besteht selbst im Falle bloßer grober Fahrlässigkeit in Höhe der vollen geltend gemachten 5.000,– €.

Selbst wenn den Beklagten lediglich ein fahrlässiges Fahren ohne Fahrerlaubnis und damit nur ein fahrlässiger Obliegenheitsverstoß träfe und die Klägerin dann ein Ermessen aus dem Versicherungsvertrag (Frage der Kürzung des Regressanspruches bei bloßer Fahrlässigkeit) nicht ausgeübt hätte, weil sie ja von einer vorsätzlichen Verhaltensweise ausgegangen ist, führte dies nicht zur gänzlichen oder teilweisen Klagabweisung. Denn derartige „Ermessensfehler“ haben im Privatrecht nicht die gleichen Rechtswirkungen wie im etwa öffentlichen Recht, wo sie sogar zur Nichtigkeit führ-en und in Fällen, in denen ein beweisbelasteter Versicherer Behauptungen zur Schwere des Verschuldens nicht nachweisen kann, hat der Richter die erwiesenen Tatsachen zu würdigen (vgl. Bruck/Müller/Heiss VVG 9. Auflage; § 28 VVG, Rnd.Nr. 192). Der Beklagte hat im vorliegenden Fall in solchem Umfang grob fahrlässig gehandelt, dass es nach Überzeugung des Gerichtes bei der Höchstgrenze von 5.000,– € verbleiben muss und eine Leistungskürzung unterhalb der Höchstgrenze nicht in Betracht kam.

Der Beklagte hat die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Dass die bloße Anmeldung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat nicht dazu berechtigt, sich dort einen gültigen Führerschein ausstellen zu lassen, um ungehindert im Rahmen des klassischen Führerscheintourismus deutlich strengere Ausstellungsvoraussetzungen nach Verkehrsverstößen im Aufnahmemitgliedstaat umgehen zu können, stellt eine einfachste, geradezu naheliegende Überlegung dar, insbesondere im Hinblick auf die überragende Wichtigkeit und das große Allgemeininteresse an der Sicherheit des Straßenverkehres.

Das Gericht musste bei der Würdigung des Verschuldensgrades das Ausmaß und die Dauer der Pflichtverletzung, wie Motive des Beklagten, das objektive Gewicht der verletzten Sorgfaltspflicht und auch weitere Umstände wie z. B. Reue würdigen (vgl. Bruck/Müller/Heiss aaO).

Der Beklagte hat in seiner Vergangenheit zahlreiche vorsätzliche und fahrlässige Straßenverkehrsdelikte verwirklicht. Er war deswegen in Deutschland seit 2001 bereits dreimal mit einer zeitweisen Sperre belegt, die deutsche Fahrerlaubnis wurde ihm durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts … entzogen, die tschechische Fahrerlaubnis vom … per bestandskräftiger Entscheidung durch das Landratsamt … aberkannt. Dauerverstöße im verkehrsrechtlichen Bereich, verbunden mit der Weigerung, sich anschließend Fahrtauglichkeitsprüfungen wie dem medizinisch-psychologischen Gutachten zu unterziehen, zeigen eine besondere Sorglosigkeit des Beklagten, die schon an Rücksichtslosigkeit grenzt. Dies läuft erkennbar den Interessen des Kfz-Versicherers zuwider. Der Beklagte wollte sich einer strengen Prüfung seiner Fahrtauglichkeit durch die deutschen Behörden entziehen. Damit machte er deutlich, dass er die Erheblichkeit seiner wiederholten Verkehrsverstöße völlig verkennt und sein eigenes Interesse an Mobilität vollständig über das allgemeine Interesse an öffentlicher Verkehrssicherheit stellt. Reue oder ähnliche Umstände, die ein Verschulden des Beklagten begrenzen und dazu führen würden, die Leistungskürzung unterhalb der Höchstgrenze anzusetzen, sind hingegen weder vom Beklagten vorgetragen worden noch in sonstiger Weise ersichtlich. Dass der Beklagte für diesen Vorfall strafrechtlich nur wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden ist, lässt ebenfalls keine andere Beurteilung zu. Strafurteile lassen sich weder unbegrenzt auf Zivilprozesse übertragen noch ist die im Raum stehende Obliegenheitsverletzung gänzlich gleich strukturiert.

Nachdem das Gericht vor diesem Hintergrund der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben hat, folgen die zuerkannten Verzugszinsen aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin in der geltend gemachten Höhe zu. Von einer Versicherung bzw. von ihren Mitarbeitern kann eine Abklärung der hier sehr komplexen Sach- und Rechtslage mit Europarechtsbezug ohne anwaltliche Hinzuziehung nicht erwartet werden, mag sie auch in der Lage sein, wegen ihres geschulten Personals Ersatzansprüche in einfach gelagerten Fällen ohne anwaltliche Hilfe durchzusetzen. Der Zinsanspruch bzgl. der Anwaltskosten beruht gleichfalls auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 108, 709 ZPO.

 

 

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