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Kostenübernahme für Katarakt-Operation am Auge –  private Krankenkostenversicherung

LG München I – Az.: 23 S 269/19 – Urteil vom 08.10.2019

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 12.12.2018, Az. 262 C 18626/17, teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 932,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.08.2017 sowie weitere 147,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.10.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens trägt der Kläger 71 % und die Beklagte trägt 29 %.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 ‰ des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Gleiches gilt hinsichtlich einer Vollstreckung durch die Beklagte.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.109,24 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt im Rahmen einer privaten Krankenversicherung die Rückerstattung für die Kosten einer Katarakt-Operation unter Einsatz eines Femtosekundenlasers. Die Beklagte hat auf die Rechnung vom 18.05.2017 in Höhe von 8.027,45 € einen Teilbetrag bezahlt, das Amtsgericht hat mit Endurteil vom 12.12.2018 weitere 1.974,03 € zugesprochen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, das Urteil leide unter einem Rechtsfehler, soweit eine Vergütung nach Ziff. 5585 GOÄ anlog neben Ziff. 1375 GOÄ zugesprochen wurde. Der Femtosekundenlaser stelle lediglich einen unselbständigen Ausführungsteil der Katarakt-Operation dar, welche sowohl manuell als auch laserassistiert durchgeführt werden kann.

Es bestehe keine Regelungslücke, da die Ziff. 441 GOÄ einen Zuschlag für den Lasereinsatz vergütet. Der Einsatz des Femtosekundenlasers stelle keine selbständige Leistung nach § 6 II GOÄ dar.

Die Beklagte beantragt: das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München vom 12.12.2018 – 262 C 18626/17 – teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 864,79 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Im Wege der mit Schriftsatz vom 14.05.2019 eingelegten Anschlussberufung rügt er die Verletzung materiellen Rechts, soweit das Gericht im Rahmen der Ziff. 1356 und 1348 GOÄ Kürzungen in Höhe von 271,13 € vorgenommen hat.

Der Kläger beantragt:

1. Das angefochtene Urteil vom 12.12.2018 – 262 C 18626/17 – teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.245,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.08.2017 sowie weitere 334,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Anschlussberufung.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist zum überwiegenden Teil begründet.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte Augenoperation (§ 192 I VVG i. V. m. dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag).

Die Behandlungsmaßnahme war medizinisch notwendig.

Die medizinisch notwendigen Maßnahmen sind im Rahmen und nach der GOÄ vergütungsfähig.

Die Beklagte hatte dem Kläger daher dasjenige zu erstatten, was dieser für eine Heilbehandlung schuldet.

Der behandelnde Arzt hat am 18.05.2017 jeweils für beide Augen abgerechnet:

– 1375 grauer Star; extrakapsuläre OP + intraokulare Linsen, 3,5 Steigerung, 714,02 €

– A 5855, photorefaktive Keratektomie mit Femtosekundenlaser bei Katarakt (FLACS) zur optimalen lOL-Zentrierung und Reduzierung Hornhautastigmatismus inkl. Erstellung eines persönlichen Schnittprofils, 2,735 Steigerung, 1.099,97 €.

Zwischen den Parteien ist im Rahmen des Berufungsverfahrens streitig, ob die Abrechnung der analog Ziffer A 5855 bei einer Katarakt-Operation vergütungsfähig ist.

Kostenübernahme für Katarakt-Operation am Auge -  private Krankenkostenversicherung
(Symbolfoto: Von Dmitry Kalinovsky /Shutterstock.com)

Die insoweit maßgeblichen Regelungen der GOÄ sehen folgendes vor: Gemäß § 4 II GOÄ kann der Arzt für eine Leistung, welche Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen mit methodisch notwendigen operativen Einzelschritten (sogenanntes Ziel-Leistungs-Prinzip). Selbständige ärztliche Leistungen, welche in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können nach § 6 II GOÄ entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der Gebührenordnung berechnet werden.

Die Katarakt-Operation wird nach Ziff. 1375 GOÄ als „extrakapsuläre Operation des grauen Stars mittels gesteuerten Saug-Spül-Verfahrens oder Linsen-Kern-Verflüssigung (Phakoelmulsifikation) – gegebenenfalls einschließlich Iridektomie – mit Implantation einer intraokularen Linse“ vergütet. Ziff. 441 GOÄ sieht einen „Zuschlag für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen“ vor. Unter der Ziff. 5855 GOÄ findet sich als besonders aufwändige Bestrahlungstechnik die „intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen“.

Die gesonderte Abrechenbarkeit des Lasereinsatzes analog Ziffer 5855 GOÄ kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da keine eigenständige Indikation gegeben ist, sondern die Verwendung des Femtosekundenlasers vielmehr als unselbständige Teilleistung der Zielleistung Katarakt-Operation anzusehen ist, welche nach dem derzeitigen Stand der GOÄ mit der Ziff. 1375 GOÄ und gegebenenfalls der Zusatz in Ziff. 441 GOÄ abgerechnet werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, Urteil vom 21.01.2010, Az.: III ZR 147/09, der das Gericht folgt, ist Grundvoraussetzung für eine gesonderte Abrechnung des Einsatzes technischer Hilfsmittel, dass es sich um eine selbständige ärztliche Leistung handelt. Für eine Leistung, welche Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann nach § 4 II a GOÄ eine Gebühr nicht abgerechnet werden. Bei einem Hilfsmittel des Arztes, der sich nicht mehr allein auf seine Augen, sein Gefühl, seine Fingerfertigkeit und seine Erfahrung verlässt, sondern sich der modernen Technik bedient, um ein Operationsergebnis bzw. eine optimale Zielleistung zu erreichen, handelt es sich nicht um eine selbständige Leistung, welche gesondert abgerechnet werden kann. Vielmehr liegt eine besondere Ausführungsart einer Operation vor, welche auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden kann.

Bei der streitgegenständlichen Operation hat der Femtosekundenlaser lediglich einzelne Schritte übernommen, welche auch ein Chirurg per Hand hätte ausführen können. Es sind dies die Eröffnung der Linsenkapsel, die Eröffnung des Auges und die Bildung eines Tunnels. Die bloße Optimierung einer bereits in das Gebührenverzeichnis aufgenommenen Zielleistung mittels Zuhilfenahme eines technischen Gerätes ist dagegen nicht geeignet, eine selbständige ärztliche Leistung zu begründen, sofern die Beschreibung der Zielleistung das methodische Vorgehen, wie im Falle der Ziff. 1375 GOÄ, offen lässt (OLG Naumburg, Urteil vom 09.05.2019, Az.: 4 O 28/16).

Auch aus den eingeholten Sachverständigengutachten ist nicht zu entnehmen, dass in dem streitgegenständlichen Einzelfall eine eigenständige medizinische Indikation zum Einsatz des Femtosekundenlasers gegeben war.

Die Berechnung einer Analogziffer ist mangels Regelungslücke daher nicht möglich.

Das Amtsgericht hat ausgeurteilt, dass die Beklagte an den Kläger noch 1.974,03 € zu zahlen hat. Hiervon sind die nicht erstattungsfähigen Kosten abzuziehen. Dies sind die für Ziff. 5585 GOÄ analog x 1,8 facher Satz x 2 Augen angesetzten 1.447,86 €; es verbleiben 526,17 €.

Das Amtsgericht hat 271,13 € abgezogen und hierzu ausgeführt: „Auch werden durch die GOÄ Ziffer 1375 Maßnahmen entlohnt, die bei Einsatz des Femtosekundenlasers entfallen, mit der Folge, dass entsprechende Abzüge vorzunehmen sind“. Wegen des Einsatzes des Femtosekundenlasers hat das Amtsgericht daher Kürzungen der Ziff. 1356 GOÄ, 2 x Eröffnung des Auges, der Ziff 1348 GOÄ, 2 x Eröffnung der Linsenkapsel sowie der Ziff. 1356 GOÄ 2 x Tunnelbildung errechnet.

Diese Abzüge sind nicht vorzunehmen, die Gebühren nach Ziff. 1375 GOÄ sind in vollem Umfang zu erstatten, so dass die Beklagte weitere 271,13 € zu zahlen hat, dies sind 797,30 €.

Weiter ist, wie die Beklagte zutreffend ausführt, für den Einsatz eines Lasers im Rahmen von ambulanten Operationen die Ziff. 441 GOÄ erstattungsfähig. Diese ist für beide Augen, das heißt, in Höhe von 2 x 67,49 € erstattungsfähig. Dies ergibt insgesamt noch einen Betrag von 932,28 €.

Die von der Beklagten zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind entsprechend der berichtigten Forderung zu korrigieren und betragen 147,56. €

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2, 709 Satz 2 ZPO.

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