Skip to content

Private Krankenversicherung – Anspruch auf neue Beinprothese

LG Detmold – Az.: 9 O 181/16 – Urteil vom 07.09.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Kostenübernahme für die Versorgung des Klägers mit einem Hilfsmittel des Typs Genium X3 (Artikel-Nr. 3 B 5) nebst Prothesenfuß des Typs Triton (Artikel-Nr. 1 C 63) des Herstellers P. gem. Kostenvoranschlag vom 04.07.2016 des Sanitätshauses in Höhe von 56.884,85 EUR abzüglich eines Eigenanteils in Höhe von 350,- EUR zu erklären.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 2.251,48 EUR mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 62.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag in Anspruch. Dem Krankheitskostenversicherungsvertrag für ambulante Heilbehandlung nach Tarif A 80 liegen u.a. die aus der Kopie Bl. 17 d. A. ersichtlichen Bedingungen zugrunde.

Dem Kläger wurde im Jahr 2013 infolge eines Motorradunfalls der linke Oberschenkel amputiert. Er wurde Ende 2013 mit einer Prothese des Typs Genium Bionik Prosthetic System 3 E 1 versorgt. Die Kosten für die Anschaffung dieser Prothese übernahm die Beklagte. Im Juli 2014 empfahl das Sanitätshaus des Klägers die Anschaffung der aus dem Tenor ersichtlichen Prothese des Typs Genium X3. Nach einem Kostenvoranschlag vom 03.07.2014 (Bl. 15 d. A.) sollten sich die Kosten auf 56.765,55 EUR belaufen. Nach einem weiteren Kostenvoranschlag vom 04.02.2016 (BL. 21 d. A.) hat sich der Preis auf 56.884,85 EUR erhöht. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme für eine neue Prothese ab.

Der Kläger trägt vor, die neue Prothese sei medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen. Sie biete gegenüber dem vorhandenen Modell neben verschiedenen anderen Verbesserungen insbesondere die Möglichkeit, sich in Feuchträumen aufzuhalten und ins Wasser zu gehen. Das sei für ihn bedeutsam, weil er zusammen mit seiner Familie und seinen Kindern gern schwimmen gehe. Sofern in den Bedingungen nur eine Kostenübernahme in Höhe von 80 % vorgesehen sei, sei diese Regelung unwirksam. Insbesondere sei nicht klar definiert, was unter großen und kleinen Hilfsmitteln zu verstehen sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Kostenübernahme für seine Versorgung mit einem Hilfsmittel des Typs Genium X3 (Artikel- Nr. 3 B 5) nebst Prothesenfuß des Typs Triton (Artikel-Nr. 1 C 63) des Herstellers P. gem. Kostenvoranschlag vom 04.07.2016 des Sanitätshauses, in Höhe von 56.884,85 EUR zu erklären, die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 2.251,48 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Anschaffung der neuen Prothese sei nicht notwendig, weil der Kläger mit der vorhandenen Prothesen ausreichend versorgt sei. Zum Baden oder Schwimmen könne ihm eine sogenannte Badeprothese zur Verfügung gestellt werden, deren Kosten sie übernehmen werde. Die begehrte Versorgung mit der neuen Prothese stelle auch einen Verstoß gegen das sogenannte Übermaßverbot dar. Wenn der Kläger ein Hilfsmittel mit besonderen Funktionen wünsche, z. B. zur Ausübung bestimmter Sportarten, müsse er die Kosten dafür selbst tragen.

Das Gericht hat den Kläger nach § 141 ZPO gehört und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Auf das Protokoll vom 10.01.2017 (Bl. 69 d. A.) und auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. I2 (Bl. 88 – 91 d. A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum ganz überwiegenden Teil begründet.

Private Krankenversicherung - Anspruch auf neue Beinprothese
(Symbolfoto: Von SeventyFour/Shutterstock.com)

Der Kläger kann von der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Anschaffung der Prothese Genium X3 abzüglich eines Eigenanteils vom 350,- EUR verlangen. Diese Prothese ist medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen. Maßstab für die medizinische Notwendigkeit ist der gesunde bzw. nicht behinderte Mensch. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, ein Hilfsmittel zu erhalten, durch das er einem Nichtbehinderten im täglichen Leben möglichst gleichgestellt ist. Es genügt nicht, die Versorgung mit irgend einem Hilfsmittel. Ansonsten würde auch eine einfache mechanische Prothese ausreichend sein.

Der maßgebliche Unterschied zwischen der Prothese, über die der Kläger zurzeit verfügt und dem begehrten Hilfsmittel besteht nach den Ausführungen des Sachverständigen, die insoweit nicht angegriffen worden sind, darin, dass die neue Prothese wasserdicht ist, so dass sie auch in Feuchträumen sowie beim Baden und Schwimmen verwendet werden kann. Die vorhandene Prothese muss dagegen vorher abgenommen werden, weil die Gefahr besteht, dass die Elektronik durch Feuchtigkeit beschädigt wird. Hierdurch wird eine wesentlichen Angleichung an das Leben eines Nichtbehinderten erreicht, weil auch dieser seine Beine beim Kontakt mit Feuchtigkeit nicht besonders schützen muss. Die von der Beklagten angebotene Badeprothese erfüllt diesen Zweck nicht. Sie besitzt zum Einen, anders als die Gehprothese, keine elektronischen Regelungen. Zum Anderen ist ein Wechsel von der einen zu der anderen Prothese erforderlich, was mit zusätzlichem Aufwand und in der Öffentlichkeit möglicherweise auch weiteren Unannehmlichkeiten verbunden ist.

Ob auch die weiteren Verbesserungen des neuen Modells, z. B. der walk to run-Modus, eine Neuanschaffung erforderlich machen würden, kann dahinstehen.

Dem Kläger kann auch nicht angelastet werden, dass er zuerst das jetzt vorhandene Modell beantragt und nach nunmehr recht kurzer Zeit eine andere Ausführung verlangt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers ist das neue Modell erst im Mai 2014 auf den Markt gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das vorhandene Modell schon bekommen.

Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass ein Fall der sogenannten Übermaßversorgung vorliegt. Das Baden oder Schwimmen in Freibädern oder Seen ist Teil des alltäglichen Lebens und stellt keine ausgefallene Sportart dar. Dass es ein günstigeres Modell gebe, das auch den Vorteil der Wasserverträglichkeit biete, hat die Beklagte nicht dargetan.

Soweit nach den Bedingungen der Beklagten bei großen Hilfsmitteln nur eine Erstattung in Höhe von 80 % stattfindet, ist diese Regelung wirksam. Es handelt sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um eine Festlegung des Leistungsumfangs. In dem folgenden Satz ist jedoch bestimmt, dass der darüber liegende Teil zu 100 % erstattet wird, wenn die Aufwendungen in einem Kalenderjahr 1.750,- EUR übersteigen. Da die hier in Rede stehende Prothese in jedem Fall über diesem Betrag liegt, kann die Begrenzung auf 80 % nur bis zu einer Höhe von 1.750,- EUR erfolgen. Der vom Kläger selbst zu tragende Betrag beläuft sich somit auf 350,- EUR.

Zinsen und Nebenkosten: §§ 286, 288 BGB.

Nebenentscheidungen: §§ 91, 92 Abs. 2, 709 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!