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Krankheitskostenversicherung – Unwirksamkeit einer Vertragsanpassung

OLG Frankfurt, Az.: 12 U 19/14, Urteil vom 03.12.2015

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 9.1.2014 teilweise abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass der von der Beklagten rückwirkend ab Versicherungsbeginn 1.1.2011 erhobene Beitragszuschlag in Höhe von 273,66 € monatlich zur Krankenversicherung des Klägers bei der Beklagten (Nr. …) unwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.964,80 € zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 934,40 € seit 12.11.2012 und jeweils aus 223,60 € seit 3.12.2012, 2.1.2013, 28.1.2013, 4.3.2013, 2.4.2013, 2.5.2013, 3.6.2013, 1.7.2013 und 2.8.2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 430,66 € zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.12.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger hat mit Wirkung ab 1.1.2011 bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung abgeschlossen. In dem Versicherungsantrag vom 14.12.2010 ist unter der Rubrik „Angaben zum Gesundheitszustand“ die Frage A. nach den in den letzten drei Jahren aufgetretenen Untersuchungen oder Behandlungen bejaht. Der Zeuge A hat als Antwort hierzu für den Kläger eingetragen: „Ja, Gesundheitscheck (Vorsorgeuntersuchung), Dr. B, Stadt1, alles i.O., ohne Befund.“ Ferner hat der Zeuge A zur Frage H. eine Sehschwäche des Klägers angegeben. Die Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG erhielt der Kläger auf einem gesonderten Blatt des Antragsformulars. Ziffer 11 Nr. 3 dieser Belehrung enthält folgende Hinweise:

“ 11. Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht

( ….. )

Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wird;

1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes

(….)

2. Kündigung

(….)

Krankheitskostenversicherung – Unwirksamkeit einer Vertragsanpassung
Symbolfoto: K.D.P/Bigstock

3. Vertragsänderung – Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen geschlossen hätten, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. Wenn Sie die Anzeigepflicht schuldlos verletzt haben, steht uns das Recht zur Vertragsänderung nicht zu. Erhöht sich durch die Vertragsänderung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließen wir die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, können Sie den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung über die Vertragsänderung fristlos kündigen. Auf dieses Recht werden wir Sie in einer Mitteilung hinweisen.“

Nach einem Versicherungsfall und sich anschließenden Nachforschungen brachte die Beklagte in Erfahrung, dass der Kläger vor der Antragstellung in dem unter A. erfragten Zeitraum behandelt worden war und zwar laut Rechnungsstellung wegen …. Die Beklagte forderte daraufhin von dem Kläger mit Schreiben vom 24.7.2012 rückwirkend ab Versicherungsbeginn (1.1.2011) einen Beitragszuschlag von monatlich 273,66 €.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass diese Erhöhung unwirksam sei, daneben beansprucht er die Rückzahlung von aufgrund dieser Beitragserhöhung geleisteten Prämien in Höhe von 2.964,80 €.

Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Die Beklagte sei zur rückwirkenden Beitragsanpassung gemäß § 19 Abs. 4 S. 2 VVG in Verbindung mit § 194 Abs. 1 S. 3 VVG berechtigt, da der Kläger seine Anzeigepflicht jedenfalls fahrlässig verletzt habe.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger vollumfänglich seine erstinstanzlichen Ansprüche.

Nach Übertragung des Verfahrens auf die Einzelrichterin legte diese das Verfahren mit Beschluss vom 15.10.2015 dem Senat zur Entscheidung über die Übernahme gemäß § 526 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor, da sich bei der Vorbereitung eine Änderung der Prozesslage zu einer Rechtsfrage ergeben hatte, die von den Parteien bislang nicht problematisiert worden war. Dies betraf die Frage der Wirksamkeit der Belehrung in Ziffer 11 Nr. 3 des Antragsformulars, da insbesondere Bedenken bestanden, ob die erteilte Belehrung den inhaltlichen Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG genügt. Der Vorsitzende übermittelte den Parteien diesen Beschluss und gab Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Beklagte vertrat daraufhin die Auffassung, dass die Frage, ob die Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG wirksam sei, offen bleiben könne, da, wie sie neu einführte, dem Kläger bei Antragstellung Arglist vorzuwerfen sei.

Der Senat übernahm das Verfahren mit Beschluss vom 2.11.2015. In der mündlichen Verhandlung vom 3.12.2015 hat der Senat den Zeugen A zu den Umständen der Antragstellung ergänzend vernommen und den Kläger angehört.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist mit Ausnahme einer geringfügigen Zuvielforderung, betreffend die Höhe der beanspruchten außergerichtlichen Anwaltskosten, begründet. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24.7.2012 einen Beitragszuschlag von 273,66 € monatlich nicht wirksam ab Vertragsbeginn festgesetzt. Diese rückwirkende Prämienerhöhung gemäß § 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 S. 1 und 2 VVG scheitert daran, dass die Beklagte den Kläger bei Antragstellung nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG auf die Rechtsfolgen einer Verletzung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht hingewiesen hat.

1. Auf die Frage, ob ein den Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG genügender Hinweis der Beklagten auf die Folgen der Verletzung der Pflichten nach § 19 Abs. 1 VVG vorlag, kommt es allerdings dann nicht an, wenn der Kläger arglistig gehandelt hat, da sich der arglistig Handelnde nicht auf eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht berufen kann (BGH, IV ZR 306/13, juris RN 9 ff). Das Beweisergebnis lässt den Schluss auf ein dem Kläger zurechenbares arglistiges Handeln jedoch nicht zu.

a. Bei den im Antrag vom 14.12.2010 enthaltenen Gesundheitsfragen handelt es sich um Umstände, nach denen der Versicherer in Textform (§ 126 b BGB) im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 1 VVG gefragt hat und deren unrichtige Beantwortung gemäß § 19 Abs. 4 VVG zur gegebenenfalls auch rückwirkenden Prämienerhöhung berechtigen konnte.

b. Die im Antrag gestellte Frage nach Untersuchungen oder Behandlungen in den letzten 3 Jahren (Frage A.) ist objektiv falsch beantwortet. Eingetragen hat der Zeuge A hierzu lediglich einen ohne Befund gebliebenen ärztlichen Gesundheitscheck. Nicht angegeben ist stattdessen, dass der Kläger in dem hier maßgeblichen Zeitraum seit Dezember 2007 wegen … wiederholt von einem Heilpraktiker, einmal einem Orthopäden und zweimal einem Allgemeinmediziner untersucht bzw. behandelt worden ist. Diese Untersuchungen und Behandlungen sind schon wegen ihrer Häufigkeit nicht als unerheblich zu bewerten und anzeigepflichtig.

c. Dem Kläger kann eine arglistige Anzeigepflichtverletzung aber nicht vorgeworfen werden.

(1) Arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde .Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein (BGH, VersR 2011, 337, RN 19 m. w. N.; IV ZR 331/05 RN 8).

Die Beweislast für die Arglist trägt der Versicherer. Der Versicherungsnehmer muss im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, die Umstände die seiner Sphäre angehören, als z. B. die Gründe für die Falschangabe dartun und der Nachprüfung zugänglich machen (Prölls/Martin, a. a. o., § 22 RN 43). Letzteres hat der Kläger getan.

(2) Der persönlich von dem Senat angehörte Kläger gab an, dem Zeugen A bei Antragstellung mitgeteilt zu haben, dass er eine sitzende Tätigkeit am Computer ausübe und unter Verspannungen im Bereich des Rückens leide, ihm wegen dieser Beschwerden ärztlich ein Kieser-Training verordnet worden sei und diese Beschwerden auch durch Massagen behandelt worden seien. Seinen Wunsch nach einem Wechsel von seiner damaligen Krankenversicherung habe er gegenüber dem Zeugen A mit seiner Verärgerung über seinen Versicherer begründet, der das Kieser-Training nicht habe bezahlen wollen. Er erläuterte ferner, dass er zur Antragsaufnahme dem Zeugen A einen Ordner mit seinen kompletten Unterlagen mitgebracht und auf den Tisch gelegt habe, der alle Behandlungsunterlagen und Schriftverkehr mit den Ärzten enthielt. Der Zeuge A habe aus diesem Ordner Daten im Zusammenhang mit der Antragsaufnahme entnommen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe er sich gut gefühlt, da das Kieser-Training seine Beschwerden beseitigt habe.

Die Zeugin C hat die Angaben des Klägers bestätigt. Zur Reaktion des Zeugen A auf die vom Kläger laienhaft als Verspannungen umschriebenen Beschwerden, die Massagen und das ärztlich verordnete Kieser-Tranining gab sie an, dass er gesagt habe, man müsse dies nicht aufnehmen, das sei normal, wenn man am Computer arbeite und nicht als Krankheit zu bewerten.

Damit hat der Kläger bei Antragstellung dem Zeugen A im Wesentlichen das mitgeteilt, was die in den Rechtsstreit von der Beklagten eingeführten „Diagnosen“, die ihr von dem vorherigen Versicherer des Klägers, der E mitgeteilt worden waren, beinhalteten. Die genannten „Diagnosen“ sind ohne konkreten, über Schmerzen bzw. Verspannungen hinausgehenden sachlichen Gehalt. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Aufnahme einer Sehschwäche und des Gesundheitscheck ohne Befund, den Anschein einer Bagatellisierung erwecken kann. Die fehlende Angabe der genannten Beschwerden und in diesem Zusammenhang stehenden Untersuchungen und Behandlungen stellt sich nach der von der Zeugin C geschilderten Reaktion des Zeugen A wie auch dem von den Eheleuten beschriebenen Verlauf des Beratungsgesprächs und dem subjektiven Wohlbefinden des Klägers aber als plausibel dar. Das Landgericht hat die Zeugin C als glaubwürdig beurteilt und ihre Angaben als glaubhaft. Der Senat teilt diese Würdigung. Eine erneute Vernehmung der Zeugin C durch den Senat war nicht geboten.

Die Beklagte hatte für ihre Behauptung, dass der Kläger zu den von der E benannten Terminen jeweils von den genannten Ärzten bzw. dem Heilpraktiker zu den genannten Diagnosen behandelt worden ist, diese Behandler als Zeugen benannt. Deren Einvernahme war schon deshalb nicht geboten, weil dieser Umstand unstreitig geblieben ist. Daraus folgt nicht, dass der Kläger, selbst bei unterstellter Kenntnis von diesen Diagnosen, darunter etwas anderes als „Verspannungen“ verstanden hat, denn sie besagten im Grunde nur, dass der Kläger Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule hatte, und zeitweilig auch Arme und Schultern hiervon betroffen waren. In diesem Sinne äußerte sich auch der Kläger, der die Diagnose „Hals-Wirbelsäulen-Syndrom“ gelesen und sich mit „Verspannungen übersetzt“ hatte.

(3) Die Beklagte hat allerdings zu Recht eingewandt, dass sich der Kläger eine Kenntnis des Zeugen A von seinen „Rückenproblemen“ zurechnen lassen müsste, da der Anwendungsbereich des § 70 S. 1 VVG hier nicht gegeben ist (BGH, IV ZR 306/13, RN 22 m. H. a. Senatsbeschluss vom 12. März 2008 – IV ZR 330/06, RN 8).

Der Zeuge A hat vorliegend als Makler gehandelt. Der Kontakt des Klägers zum Zeugen A kam über eine Empfehlung von Angehörigen zustande. Er besprach mit dem Kläger Angebote verschiedener Versicherer und war nicht beauftragt, Versicherungen für die Beklagte abzuschließen, was auch durch die Angaben in der „Unabhängigkeitserklärung“, die auf der vom Kläger unterzeichneten Seite mit der Überschrift „Vorteils- & Abschlusserklärung – Erst- & Endgespräch“ enthalten war, belegt ist. Seiner Einordnung als Makler gem. § 59 Abs. 3 VVG steht auch nicht entgegen, dass er Anträge der Beklagten verwandte und die Agentur, für die er tätig war, von der Beklagten im Versicherungsschein als Betreuer genannt worden ist (BGH IV ZR 15/99). Der Zeuge A war danach als Hilfsperson des Klägers zu betrachten, deren Verhalten sich der Kläger gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss (BGH, IV ZR 164/11, RN 51; BGH, XI ZR 336/99, VersR 2001, 188 unter II 2).

Ein arglistiges Handeln des Zeugen A, das dem Kläger zuzurechnen wäre, hat seine Einvernahme allerdings nicht ergeben. Der Zeuge A hatte keine eigenen Erinnerungen mehr an den Inhalt des Antragsgesprächs vom 14.12.2010. Er hat diesen lediglich aus seinen Unterlagen rekonstruiert. Etwaige Gesprächsinhalte, die sich nicht aus seinen Aufzeichnungen ergaben, konnte er aus eigener Erinnerung belastbar weder bestätigen noch verneinen. Dies erstaunt nicht, da der Zeuge A seinen Unterlagen auch entnehmen konnte, dass er im damaligen Zeitraum „mehr als 8 Gespräche wöchentlich“ geführt hat. Seine Gesprächsdokumentation zu dem streitgegenständlichen Antragsgespräch war ebenfalls unergiebig und die angekreuzte Antwort „gut“, zu der Frage, welche Kenntnisse der Kunde im Bereich Krankenversicherung habe, ist nichtssagend.

Selbst wenn der für den Kläger tätige Zeuge A erkennen konnte, dass die Beklagte auch Mitteilungen über die geschilderten Beschwerden verlangt hat, lassen die fehlenden Angaben hierzu den Schluss auf ein fahrlässiges Verhalten des Maklers zu, nicht aber auf seinen etwaigen Vorsatz im Hinblick auf die damit bewirkte Versicherungszusage der Beklagten. Erst recht ist so nicht bewiesen, dass dem Kläger selbst bewusst war, eine für die Beklagte relevante Information zurückzuhalten (OLG Hamm, 20 U 169/14, RN 34). Nur am Rande sei hierzu angemerkt, dass die Beklagte selbst erst nach dem Hinweis des Senats vom 16.10.2015 auf die inhaltlichen Bedenken der in Ziffer 11 Nr. 3 gegebenen Belehrung, ein arglistigen Verhalten des Klägers eingewandt hat.

(4) Anlass, der Beklagten einen Schriftsatznachlass „zu dem Inhalt des Beratungsgesprächs“ zu geben, bestand nicht. Der Inhalt des Beratungsgesprächs und die hieraus abzuleitenden rechtlichen Konsequenzen waren Gegenstand des Parteivortrags in beiden Instanzen. Zu der von dem Zeugen A eingeführten Gesprächsdokumentation und der Vorteils- und Abschlusserklärung konnte die Beklagte im Termin Stellung nehmen.

2. Weitere Voraussetzung für die streitgegenständliche rückwirkende Beitragserhöhung der Beklagten war mithin, dass der Kläger auf die Folgen seiner Anzeigepflichtverletzung hinreichend hingewiesen worden ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

a. Inhaltlich fordert § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG eine nicht nur zutreffende, sondern auch unter Berücksichtigung der Warnfunktion des Hinweises möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Versicherungsnehmers eindeutige Belehrung (BGH, IV ZR 58/03; OLG Brandenburg NJW-RR 2010, 385; LG Dortmund, 2 O 450/12, mwN). Eine nicht ausreichende Belehrung ist so zu sehen, als ob überhaupt keine Belehrung erteilt wurde und kann daher die Rechtsfolgen des § 19 VVG nicht auslösen.

b. Für eine inhaltlich zutreffende Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG reicht es nach Auffassung des Senats nicht aus, wenn der Versicherer den geforderten Hinweis auf die Folgen der Anzeigepflichtverletzung auf die Darstellung seiner eigenen Rechte beschränkt, mag damit auch dem Wortlaut des Gesetzes Genüge getan sein. Um seiner Warnfunktion gerecht werden zu können, muss der Hinweis gerade auch die den Versicherungsnehmer möglicherweise treffenden Folgen angeben, die diesem bei einer Ausübung der Rechte des Versicherers drohen. Dazu hält es der Senat für erforderlich, dass der Hinweis einerseits die dem Versicherer nach dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers eingeräumten Gestaltungsrechte (Rücktritt, Kündigung und Vertragsanpassung) erwähnt. Zum anderen müssen die dem Versicherungsnehmer nachteiligen Folgen der Ausübung von Rücktritts-, Kündigungs- oder Vertragsanpassungsrecht aufgezeigt werden. Dies schließt den Hinweis ein, dass es insbesondere möglich ist, dass der Versicherungsnehmer bei einem Versicherungsfall schutzlos sein und er den Versicherungsschutz sogar rückwirkend verlieren kann (LG Dortmund a.a.O.).

c. Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten erteilte Belehrung nicht. Sie lässt in Ziffer 11 Nr. 3 für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht mit der hinreichenden Klarheit erkennen, dass es bei einer leicht fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung zum rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes kommen kann, wenn der Versicherer den Vertrag durch Einfügung eines Risikoausschlusses anpasst.

(1) Bereits die Überschriften zu den dem Versicherer zustehenden Gestaltungsrechten erwecken den Eindruck, dass nur bei Ausübung des Rücktrittsrechtes der Verlust des Versicherungsschutzes droht, da in den Überschriften nur beim Rücktritt diese Rechtsfolge hervorgehoben wird. Dadurch, dass dieser Hinweis auf den Verlust des Versicherungsschutzes in der Überschrift zum Gestaltungsrecht der Vertragsanpassung fehlt, vermittelt die Belehrung dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, es könne bei einer Vertragsanpassung gerade nicht zu einem rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes kommen. Insbesondere aber der Text, mit dem der Versicherer auf die Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung hinweist, erwähnt die rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses mit der Folge des Verlustes des Versicherungsschutzes nicht. Dabei hat der Gesetzgeber selbst die Einfügung eines Risikoausschlusses durch eine vom Versicherer berechtigt vorgenommene Vertragsänderung als eine den Versicherungsnehmer besonders hart treffende Rechtsfolge angesehen. Dies folgt aus § 19 Abs. 6 Satz 1 VVG, wonach der Versicherungsnehmer berechtigt ist, den Vertrag innerhalb eines Monats u. a. dann zu kündigen, wenn der Versicherer durch eine Vertragsänderung die Gefahrabsicherung durch den nicht angezeigten Umstand ausschließt. Der damit durch den Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Bedeutung eines nachträglich eingefügten Risikoausschlusses für das versicherte Interesse des Versicherungsnehmers ist nach Auffassung des Senats im Rahmen der Belehrung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG dadurch Rechnung zu tragen, dass der Versicherer unmissverständlich auf diese Rechtsfolge der Vertragsanpassung hinweist (ebenso LG Dortmund, aao; Tschersich in r + s 2012, 53 (57); Prölls/Martin-Armbrüster, § 19 RN 129; vgl. auch OLG Brandenburg, VersR 2010, 1301; OLG Hamm, aao).

(2) Die Möglichkeit einer Ausschließung der Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand wird zwar in Ziffer 11 Nr. 3 S. 3 erwähnt. Dies erfolgt aber im Kontext mit der dann eingeräumten Möglichkeit, den Vertrag fristlos zu kündigen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer müsste hieraus schließen können, dass die Möglichkeit der Gefahrausschließung eine in Satz 1 und Satz 2 angesprochene Variante der sogenannten „anderen Bedingungen“ ist und diese auch rückwirkend erfolgen kann. Die dadurch notwendigen gedanklichen Rückschlüsse werden nach der Erfahrung des Senats von dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer regelmäßig nicht nachvollzogen. Entscheidend ist aber vor allem, dass die Notwendigkeit, solche Rückschlüsse zu ziehen mit dem Gebot einer klaren und verständlichen Belehrung nicht vereinbar ist (abweichend: KG Berlin, Hinweisbeschluss v. 23.5.2014, 6 U 210/13).

d. Die inhaltlich unzureichende Belehrung führt dazu, dass der Beklagten hier die rückwirkende Beitragserhöhung verwehrt ist. Dass dem Versicherer in diesem Fall sämtliche in § 19 Abs. 2 bis 4 VVG geregelten Gestaltungsrechte nicht zustehen, folgt bereits aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 5 S. 1 VVG. Dieser bestimmt, dass dem Versicherer dann „die Rechte“, damit also sämtliche Rechte nicht zustehen, wenn der Versicherer den gebotenen Hinweis unterlässt (LG Dortmund, aao; Neuhaus in: jurisPR-VersR 9/2013 Anm. 3; Armbrüster in: Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl., § 19 RN 134).

3. Somit konnte dem Feststellungsantrag stattgegeben werden. Die gezahlten Beitragszuschläge in Höhe von 2.964,80 € hat die Beklagte ohne rechtlichen Grund erlangt. Sie sind an den Kläger zurück zu erstatten.

4. Bei den Nebenforderungen sind vorgerichtliche Anwaltskosten nur aus einem Streitwert von 11.493,72 € begründet (42 x 273,66 €). Die vorgerichtliche Korrespondenz war auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Beitragszuschlags gerichtet (vgl. Schreiben vom 24.8.2012). Auf der Grundlage des Gesetzesstandes bis 31.7.2013 kann der Kläger die Erstattung einer 0,65 Geschäftsgebühr (VV Nr. 2300) in Höhe von 341,90 €, zuzüglich 20,00 € Post- und Telekommunikationspauschale (VV Nr. 7002) und 19 % Umsatzsteuer in Höhe weiterer 68,76 € beanspruchen.

Der Zinsausspruch beruht auf den §§ 291, 286, 288 BGB.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

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