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Berufsunfähigkeitsversicherung – ununterbrochene Unfähigkeit zur Berufsausübung

OLG Düsseldorf – Az.: I-4 U 110/16 – Urteil vom 23.03.2018

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – Einzelrichterin – vom 27.05.2016 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Versichert ist eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1022,58 € sowie Freistellung vom monatlichen Versicherungsbeitrag in Höhe von 58,20 €. Gemäß § 2 Nr. 1 S. 1 der Versicherungsbedingungen liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor,

„wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs. Monate ununterbrochen außerstande ist, bzw. sechs Monate außerstande war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben.“

Gemäß § 2 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen liegt teilweise Berufsunfähigkeit vor,

„wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur zu einem bestimmten Grad voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen erfüllt sind.“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Versicherung wird auf den Versicherungsschein vom 28.11.2001 (Bl. 13 ff. GA) nebst den zugehörigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeit-Versicherung mit erweiterten Leistungen (Golden BU) (Bl. 18 ff. GA) verwiesen.

Die Klägerin ist gelernte Krankenschwester, die bis zu ihrer Kündigung zum 31.12.2012 als Dialyse-Krankenschwester in einer nephrologischen Verbundpraxis in Duisburg nach einer Ausbildung zur nephrologischen Fachkraft arbeitete. Sie war wegen Migräne und Kopfschmerzen in schmerztherapeutischer Behandlung; insbesondere war sie seit März 2012 in Behandlung bei der Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, ….

Am 05.04.2013 stellte die Klägerin einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung auf Zahlung von Erwerbsminderungsrente. Am 21.04.2013 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Wegen der Einzelheiten ihre Angaben im Leistungsantrag wird auf Bl. 26 ff. GA verwiesen. Mit Bescheid vom 19.06.2013 stellte der Landrat des Kreises Wesel einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 fest, wobei als Beeinträchtigungen Depressionen, somatoforme Störung, Spannungskopfschmerz, Migräne und Doppelbilder festgestellt wurden (Bl. 39 f. GA). Mit Bescheid vom 30.07.2013 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, befristet bis zum 30.09.2015 (Bl. 41 GA). Die Beklagte holte aufgrund des Leistungsantrags der Klägerin ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten von Dr. … vom 28.06.2013 ein (Anlage B1 im Anlagenband I). Dr. … kam zu dem Ergebnis, dass für die von ihm diagnostizierte Kopfschmerz-Erkrankung und die psychische Störung vor dem Hintergrund des Tätigkeitsprofils der Klägerin im Mittel ihre Berufsfähigkeit um 30 % beeinträchtigt sei. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 16.07.2013 ihre Leistungspflicht ab (Bl. 38 GA). Auf den Einwand der mittlerweile anwaltlich vertretenen Klägerin, Dr. … habe nicht ihr Leiden unter Doppelbildern berücksichtigt, holte die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme von Dr. … vom 11.11.2013 ein (Anlage B2 im Anlagenband I), die indes zu keinem höheren Grad der Berufsunfähigkeit kam. Aufgrund dessen verblieb die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2013 bei ihrer Leistungsablehnung (Bl. 44 GA).

Die Klägerin hat behauptet, für ihre Tätigkeit als Dialyse-Krankenschwester sei ein Höchstmaß an Konzentration, beispielsweise für das Einstellen der Maschinen und Reinigungsarbeiten an den Maschinen, erforderlich. Die von ihr ausgeübten Tätigkeiten ergäben sich aus ihrer Aufstellung auf Bl. 5 ff. GA. Sie sei durchschnittlich einen Tag in der Woche zu 7 Stunden pro Dienst tätig gewesen. Sie sei nicht mehr in der Lage, ihre bisherige Tätigkeit – oder überhaupt eine Erwerbstätigkeit – auszuüben, was sich insbesondere aus dem Befundbericht von ihrer Ärztin … vom 29.04.2013 (Bl. 45 ff. GA) ergebe. Aufgrund ihrer Migräne und ihrer Spannungskopfschmerzen könne sie, wenn sie einen Migräneanfall habe, die Belastungen einer Dialyse-Krankenschwester nicht ertragen. Ihr sei kein konzentriertes Arbeiten möglich. Sie könne beispielsweise keine Spritzen aufziehen und die Skalen an den Dialysegeräten aufgrund der von ihr gesehenen Doppelbilder nicht ablesen. Auch könne sie sich nicht bücken und Blutdruckmessungen durchführen; ferner sei die Geräuschkulisse in den Dialysezimmern für sie unerträglich. In den letzten zwei Jahren vor April 2013 habe sie sechs bis acht Migräneanfälle pro Monat gehabt. Auch nach der Beendigung ihrer Arbeitstätigkeit habe sich ihre gesundheitliche Situation nicht verbessert; sie sei austherapiert. Aufgrund dessen sei sie seit dem 24.09.2012 berufsunfähig.

Die Beklagte hat die Angaben der Klägerin zur Art und Weise ihrer beruflichen Tätigkeit, zur Art und Häufigkeit ihrer Beschwerden und zu den Auswirkungen ihrer Beschwerden bestritten. Ohnehin könne aufgrund des Episodencharakters der Beschwerden der Klägerin nur von einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Rede sein, da keine durchgängigen, kontinuierlichen Beeinträchtigungen vorlägen. Dies ergebe sich schon aus den Angaben der Klägerin gegenüber ihrer Ärztin ….

Wegen der weiteren; Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Duisburg vom 27.05.2016 und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 21.01.2015 (Bl. 121 f. GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Behauptung der Klägerin, jedenfalls zu 50 % berufsunfähig zu sein, wobei dem Sachverständigen aufgegeben wurde, von den von der Klägerin vorgetragenen Tätigkeiten auszugehen. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Chefarztes der Abteilung Allgemeine Psychiatrie II, LVR-Klinikum …, Dr. … vom 12.09.2015 (Bl. 144 ff. GA) verwiesen. Sodann hat das Landgericht in der Sitzung vom 29.04.2016 Beweis erhoben über die Tätigkeit und die Beeinträchtigungen der Klägerin durch Vernehmung der Zeugen …, Dr. … und … und ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dr. … wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.04.2016 (Bl. 251 ff. GA) verwiesen. Die Klägerin war von ihrem persönlichen Erscheinen entbunden worden, da sie zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung in der … in Bad Krozingen war.

Mit Urteil vom 27.05.2016 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.691,40 € nebst Zinsen sowie beginnend mit dem 01.02.2014 bis längstens zum 01.11.2028 jeweils zum Ersten eines Monats 1022,58 € zu zahlen und die Klägerin von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung ab dem 01.02.2014 bis längstens 01.11.2028 sowie von einem Anspruch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1061,48 € freizustellen. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme habe die Klägerin die von ihr behaupteten Einzelheiten ihrer Tätigkeit als Dialyse-Krankenschwester bewiesen. Ferner habe sie bewiesen, dass sie spätestens im April 2013 zu mindestens 50 % berufsunfähig gewesen sei, da, wie insbesondere die Zeugen … bestätigt habe, sie sechs bis acht mal im Monat für jeweils zwei bis drei Tage nicht in der Lage gewesen sei, diese Tätigkeiten als Dialyse-Krankenschwester durchzuführen. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass die Klägerin auch keine Möglichkeit habe, wöchentlich für zumindest 3,5 Stunden zu arbeiten.

Mit ihrer gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt unter „Aufhebung“ des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 27.05.2016, die Klage abzuweisen; hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Duisburg zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

B.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, da sie nicht seit September 2012 im Sinne von § 2 Golden BU berufsunfähig ist.

I.

Die Klägerin ist nicht seit September 2012 bedingungsgemäß berufsunfähig, da sie nicht sechs Monate lang ununterbrochen außerstande war bzw. voraussichtlich ununterbrochen außerstande sein wird, ihren zuletzt ausgeübten Beruft auszuüben.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92 -, BGHZ 123, 83-92, Rn. 14 m.w.N.). Dies führt hier dazu, dass eine bloß episodenhafte Unfähigkeit der Klägerin, ihren Beruf auszuüben, nicht als Berufsunfähigkeit anzusehen ist.

Die zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen sehen ausdrücklich vor, dass der Versicherungsnehmer „ununterbrochen“ außerstande sein muss, seinen zuletzt ausgeübten Beruf für voraussichtlich sechs Monate auszuüben. Dies bedeutet, dass die vollständige bzw. teilweise Unmöglichkeit, den Beruf auszuüben, für den Versicherungsnehmer ständig und ohne Ausnahme – eben ohne Unterbrechung – vorgelegen haben muss. Denn das Wort „ununterbrochen“ bezieht sich sowohl grammatikalisch als auch nach Sinn und Zweck des Satzes auf das Außerstandesein, seinen Beruf auszuüben. Dies versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne weiteres auch bereits bei einer einmaligen Lektüre in dieser Weise, da der Satzbau – auch wenn er nicht übermäßig einfach ist – doch noch so gegliedert ist, dass ein anderes Verständnis bei aufmerksamen Durchlesen nicht aufkommen kann. Insbesondere ist es fernliegend, dass sich das Wort „ununterbrochen“ auf die „Berufsunfähigkeit“ beziehen soll, da – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Probleme erkennbar – der Begriff der Berufsunfähigkeit erst durch den anschließenden Satzteil definiert wird. Aufgrund dessen muss nicht die Berufsunfähigkeit ununterbrochen vorliegen, sondern das voraussichtliche Außerstandesein, seinen Beruf auszuüben.

Ein anderes Auslegungsergebnis folgt auch nicht aus § 2 Nr. 2 Golden BU. Auch die darin definierte teilweise Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass die in Nr. 1 genannten Voraussetzungen – wenn auch nur zu einem bestimmten Grad – „voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen“ vorliegen. Ein Verständnis dahingehend, dass sich die teilweise Berufsunfähigkeit darauf bezieht, dass die in Nr. 1 genannten Voraussetzungen lediglich für einen Teil des Zeitraums erfüllt sein müssen, ist damit nicht möglich.

Das Wort „ununterbrochen“ ist auch nicht weiter auslegungsbedürftig. Es ist damit klar und eindeutig vereinbart, dass die versicherte Person ohne Pause und andauernd während sechs Monaten außerstande gewesen sein muss, seinen Beruf auszuüben.

2.

Die Klausel ist insoweit auch nicht unwirksam.

a)

Das Erfordernis einer ununterbrochenen Unfähigkeit zur Berufsausübung ist nicht überraschend und daher nicht gemäß § 305c Abs. 1 BGB unwirksam.

Überraschend ist eine Klausel grundsätzlich, wenn sie objektiv ungewöhnlich und im Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden nicht zu erwarten ist (Palandt/Grüneberg, 74. Auflage 2015, § 305c, Rn. 3, 4 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Zwar entspricht die Formulierung nicht den Musterbedingungen, die auf ein ununterbrochenes Vorliegen des Außerstandeseins der Berufsausübung nicht abstellen. Allerdings enthalten die Musterbedingung in § 2 Abs. 3 folgende Regelung: „Ist die versicherte Person […] Monate ununterbrochen in Folge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben und hat sie in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausgeübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.“ Demnach ist es nicht ungewöhnlich, auf das ununterbrochene Vorliegen des Außerstandeseins der Berufsausübung abzustellen. Dies entspricht auch durchaus dem Verständnis und der Erwartung des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der unter der Berufsunfähigkeit einen dauerhaften Zustand versteht, während dessen der Beruf nicht bzw. zum überwiegenden Teil nicht ausgeübt werden kann, während Phasen, in denen die Berufsausübungsmöglichkeit nicht eingeschränkt ist, nicht zu diesem Verständnis passen.

Ohnehin gilt, dass die Erwartungen des Vertragspartners von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt werden; hierzu zählen neben dem Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung auch Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages (BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 417/11 -, Rn. 23, juris m.w.N.). So vermag auch eine deutliche, nicht an versteckter Stelle in die Vertragsbedingungen aufgenommene Bestimmung den Vorwurf der „Überraschung“ auszuräumen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – VIII ZR 273/79 -, Rn. 20, juris m.w.N.). Es ist dem Versicherungsnehmer dabei grundsätzlich zuzumuten, die allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Kenntnis zu nehmen, auch wenn eine aufmerksame Durchsicht – auf die nach ständiger Rechtsprechung des BGH abzustellen ist (so nur zuletzt BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 – IV ZR 245/15 -, Rn. 22, juris), im alltäglichen Geschäft nicht die Regel sein mag. Dies gilt gerade hier: Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist im Versicherungsschein nicht weiter definiert. Um zu erkennen, was unter Berufsunfähigkeit zu verstehen ist, muss der Versicherungsnehmer daher in die Golden BU schauen und die entsprechenden Klauseln nachlesen; dabei ist es ihm aufgrund der Gestaltung der Versicherungsbedingungen mittels in Frageform gehaltener Überschriften nicht erschwert, die maßgebliche Regelung zu erkennen. Direkt der erste Satz der betreffenden Regelung erklärt die Voraussetzung des ununterbrochenen Vorliegens, die auch keineswegs versteckt oder schwer zu erkennen ist.

b)

Der Risikoausschluss ist ferner nicht wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 12. März 2014 – IV ZR 295/13 -, BGHZ 200, 293-310, Rn. 23 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Klausel. Es ist – wie bereits oben ausgeführt – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres zu verstehen, was „ununterbrochen“ bedeutet und worauf sich dieses Adjektiv bezieht.

c)

Die Klausel ist schließlich auch nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BGB unwirksam.

Eine erhebliche Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild liegt nicht vor; ferner werden auch die Rechte des Versicherungsnehmers durch die Tatbestandsvoraussetzung nicht derart eingeschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet wird. Von vorneherein ist in den Fällen, in denen die Berufsunfähigkeit auf körperlichen Ursachen beruht, schon kaum vorstellbar, dass zwischenzeitlich Phasen eintreten, in denen der Versicherungsnehmer nicht jedenfalls in einem bestimmten Grad außerstande ist, seinen Beruf auszuüben. Entscheidend ist, dass die Situation, in der ein Versicherungsnehmer zwischenzeitlich nicht außerstande ist, seinen Beruf auszuüben, mit einer ununterbrochenen Unfähigkeit des Versicherungsnehmers nicht vergleichbar ist, da jedenfalls der abhängig Beschäftigte Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall erhält. Auch geht das gesetzliche Leitbild der Berufsunfähigkeit von einem dauerhaften Zustand aus.

Dieser dauerhafte Zustand impliziert nicht lediglich, dass der Zustand, der nach den AVB die Berufsunfähigkeit begründet, andauert, sondern auch, dass die Unfähigkeit zur Berufsausübung dauerhaft ist. Auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer differenziert zwischen einem Zustand wiederkehrender Arbeitsunfähigkeit und einem Zustand dauerhafter (wenn auch möglicherweise nur graduell eingeschränkter) Arbeitsunfähigkeit.

Gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen daher keine durchgreifenden Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – IV ZR 46/06 -, Rn. 25, juris, Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 25. Januar 2006 – 5 U 28/05 – 3 -, juris, OLG Karlsruhe, Urteil vom 03. März 2016 – 12 U 5/15 -, juris, OLG Köln, Urteil vom 29. Januar 2016 – 20 U 9/14 -, juris, Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 12. August 2015 – 5 U 53/13 -, juris, OLG Hamm, Urteil vom 27. Juni 2014 – I-20 U 82/12, 20 U 82/12 -, juris, Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 25. Juni 2010 – 3 U 60/09 -, juris).

3.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin infolge ihrer Erkrankung voraussichtlich sechs Monate „ununterbrochen“ außerstande war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf ganz oder teilweise auszuüben.

Die Klägerin behauptet, sie leide unter 6 bis 8 Migräneanfällen im Monat, die etwa 1-2 Tage andauerten, im übrigen habe sie Spannungskopfschmerzen (Bl. 47 GA und sei an maximal sechs Tagen in der Woche kopfschmerzfrei (Bl. 149, 153 GA). Gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen hat sie angegeben, etwa bei jedem zweiten Dienst ausgefallen zu sein und etwa jeden zweiten Dienst, den sie erledigt habe, ohne Einschränkungen und konzentriert gearbeitet zu haben (Bl. 152 GA). Der gerichtliche Sachverständige kommt auch zu dem Ergebnis, dass durch die Erkrankung der Klägerin keine durchlaufende generelle Veränderung der beruflichen Belastbarkeit eingetreten sei, sondern sich Phasen einer potentiell völlig ungestörten Belastbarkeit mit einem völligen Ausfall der Arbeitsfähigkeit abwechseln (Bl. 167 GA); er geht davon aus, dass an 20 Prozent aller Wochentage eine völlige Beschwerdefreiheit vorliege (Bl. 168 GA). An diesen Tagen war sie damit nicht außerstande, ihren Beruf auszuüben. Der Gesamtzustand der Klägerin im Sinne der jedenfalls latenten Migräneerkrankung lag und liegt zwar ununterbrochen vor – sie war aber nach ihrem eigenen Vortrag gerade nicht ununterbrochen jedenfalls zu einem bestimmten Grad außerstande, ihren Beruf auszuüben, da sie zwischenzeitlich ihre Dienste, wenn auch nur an einzelnen Tagen, ungestört ausüben konnte. Sie war damit nicht aufgrund der latenten Migräneerkrankung nicht in der Lage, ihren Beruf auszuüben – dies war erst bei akuten Migräneanfällen der Fall, die aber gerade nicht ununterbrochen andauerten.

Nach dem Wortlaut der Klausel wäre es ausreichend, wenn der Versicherungsnehmer nur einmal während des Zeitraums von sechs Monaten uneingeschränkt im Stande war, seinen Beruf auszuüben. Ob die Klausel in einem solchen Fall noch wirksam wäre oder ob sie einschränkend zu verstehen wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn hier war die Klägerin in der Vergangenheit in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zwischenzeitlich immer wieder uneingeschränkt im Stande, ihren Beruf auszuüben; dass dies im September 2009 so nicht zu prognostizieren war, ist von der Klägerin nicht dargetan und angesichts ihrer Krankengeschichte bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht anzunehmen.

4.

Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung keinen Arbeitsplatz finden dürfte. Dies ist indes – anders als im Sozialversicherungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 1997 – 13 RJ 99/96 -, Rn. 46, juris, zur Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bei Vorliegen eines Anfallsleidens) – nicht Gegenstand der privatrechtlichen Berufsunfähigkeitsversicherung, die dieses Merkmal in den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht enthält.

II.

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 06.03.2018 nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorträgt, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand weiter verschlechtert habe und sie nunmehr nicht mehr in der Lage sei, auch nur die leichtesten Arbeiten zu erledigen, ist dies für den anhängigen Rechtsstreit unerheblich, da die Parteien um eine Berufsunfähigkeit der Klägerin ab September 2012 streiten. Folgerichtig hat die Klägerin in diesem Schriftsatz einen erneuten Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt, über den hier im Verfahren nicht zu entscheiden ist.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert wird auf 56.084,16 Euro (10.691,40 Euro zzgl. 42 x (1022,58 Euro + 58,20 Euro)) festgesetzt.

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