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Krankenversicherungsbeitragsanspruch nach Kündigung

Streit um Krankenversicherungsbeiträge nach Kündigung

Das Gericht wies die Klage einer Krankenversicherung gegen einen ehemaligen Versicherungsnehmer ab. Der Versicherer konnte nicht beweisen, dass er den Versicherungsnehmer ausreichend über die Unwirksamkeit seiner Kündigung informiert hatte. Dieser Mangel an Kommunikation führte zur Anerkennung der Kündigung und damit zum Verlust des Anspruchs auf Prämienzahlungen durch den Versicherer.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage der Krankenversicherung gegen einen Versicherungsnehmer wurde abgewiesen.
  2. Kündigung des Versicherungsvertrags erfolgte während einer Insolvenz des Versicherten.
  3. Streitpunkt war die Kommunikation über die Kündigungswirksamkeit zwischen Versicherer und Versichertem.
  4. Der Versicherer konnte nicht nachweisen, dass der Versicherte über die Notwendigkeit eines Nachweises zur Anschlussversicherung informiert wurde.
  5. Laut Urteil ist eine Kündigung wirksam, wenn der Versicherer den Versicherten nicht unverzüglich über Mängel der Kündigung informiert.
  6. Die Klägerin konnte keinen Beweis erbringen, dass sie den Beklagten ausdrücklich auf die Unwirksamkeit der Kündigung hingewiesen hatte.
  7. Nach Treu und Glauben und ständiger Rechtsprechung entstand ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Versicherungsnehmers.
  8. Der Versicherer kann sich nicht auf einen Prämienanspruch berufen, wenn keine Gegenleistung erbracht wird.

Kündigung und Krankenversicherungsbeiträge: Ein juristischer Überblick

Im komplexen Feld des Versicherungsrechts stehen häufig strittige Fälle im Fokus, die sich um die Rechtmäßigkeit von Kündigungen und daraus resultierenden Ansprüchen auf Krankenversicherungsbeiträge drehen. Diese Thematik berührt grundlegende Fragen der Vertragsgestaltung und -auflösung im Kontext privater Krankenversicherungen, insbesondere unter den Bedingungen einer Insolvenz. Zentrale Aspekte hierbei sind die Einhaltung der Kündigungsfrist, die Bedeutung von Pflichtversicherungen sowie die sich daraus ergebenden Prämienansprüche.

Die daraus entstehenden juristischen Auseinandersetzungen beleuchten nicht nur die spezifischen Vertragsverhältnisse zwischen Versicherern und Versicherten, sondern auch grundlegende Prinzipien wie Treu und Glauben im deutschen Rechtssystem. Diese Fälle bieten somit einen tiefen Einblick in die Funktionsweise des Versicherungsrechts und seine Anwendung in realen Situationen. Der nachfolgende Text wird ein konkretes Urteil beleuchten, das exemplarisch die Spannungsfelder und rechtlichen Feinheiten in solchen Versicherungsfällen aufzeigt. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Versicherungsrechts, um zu verstehen, wie Gerichte in Deutschland mit diesen komplizierten und oft folgenschweren Situationen umgehen.

Streit um Krankenversicherungsbeiträge nach Kündigung

Im Zentrum des juristischen Konflikts steht der Krankenversicherungsbeitragsanspruch einer Klägerin, einer privaten Krankenversicherung, gegen einen ehemaligen Versicherten. Der Beklagte hatte im Jahr 2015, während einer Insolvenz, seinen Krankenversicherungsvertrag gekündigt. Die Klägerin verlangte daraufhin Beiträge für die Jahre 2016 bis 2019, argumentierend, dass der Beklagte keinen ausreichenden Nachweis für eine Pflichtversicherung erbracht habe, was nach ihrer Auffassung eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung war.

Der Fall konzentrierte sich auf die Frage, ob der Beklagte der Klägerin tatsächlich hinreichend über seinen Wechsel in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung informiert hatte. Die Klägerin behauptete, sie habe keine ausreichenden Beweise für den Wechsel erhalten, und forderte daher die Beitragszahlungen für den besagten Zeitraum.

Rechtliche Grundlagen und Herausforderungen

Das Gericht musste in diesem Fall die Einhaltung der Kündigungsfrist und die Pflichten im Zusammenhang mit dem Nachweis einer Anschlussversicherung prüfen. Eine zentrale Rolle spielte § 205 Abs. 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), der die Anforderungen an eine wirksame Kündigung eines Krankenversicherungsvertrages regelt. Insbesondere ging es um die Frage, ob der Beklagte seiner Informationspflicht nachgekommen war und ob die Klägerin ihrerseits den Beklagten ausreichend über die Notwendigkeit eines solchen Nachweises informiert hatte.

Der Fall warf zudem die Frage auf, inwieweit ein Versicherungsnehmer darauf vertrauen darf, dass eine Kündigung wirksam ist, wenn der Versicherer nicht auf eventuelle Mängel der Kündigung hinweist. Dieser Aspekt berührt grundlegende Prinzipien des Treu und Glaubens im Versicherungsrecht.

Entscheidung des Gerichts und ihre Begründung

Das Amtsgericht Halle wies die Klage der Krankenversicherung ab und entschied, dass der Beklagte nicht zur Zahlung der geforderten Beiträge verpflichtet sei. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin den Beklagten nicht nachweisbar über das Fehlen eines Anschlussversicherungsnachweises informiert hatte. Somit konnte sich die Klägerin nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen.

Das Gericht folgte damit dem Leitsatz eines Urteils des Bundesgerichtshofs von 2015, der besagt, dass ein Versicherer einen Versicherungsnehmer nachweisbar auf das Fehlen eines Anschlussversicherungsnachweises hinweisen muss. Da die Klägerin keinen solchen Nachweis erbringen konnte, wurde die Kündigung des Beklagten als wirksam angesehen.

Folgen und Bedeutung des Urteils

Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der klaren Kommunikation und der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften im Versicherungsrecht. Es unterstreicht die Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben und schützt den Versicherungsnehmer vor einer unangemessenen Fortführung des Versicherungsverhältnisses ohne entsprechende Gegenleistung.

Für die Versicherungsbranche stellt dieses Urteil einen wichtigen Präzedenzfall dar, der die Pflichten der Versicherer in Bezug auf die Kommunikation und den Nachweis bei Kündigungen hervorhebt. Es zeigt auf, dass Versicherer nicht ohne Weiteres Beiträge für nicht erbrachte Leistungen verlangen können, insbesondere wenn die Kommunikation mit dem Versicherten Mängel aufweist.

Das Urteil des AG Halle bietet somit einen detaillierten Einblick in die komplexen rechtlichen Herausforderungen im Versicherungsrecht und setzt maßgebliche Standards für ähnliche Fälle in der Zukunft.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was beinhaltet eine wirksame Kündigung eines Krankenversicherungsvertrags?

Eine wirksame Kündigung eines Krankenversicherungsvertrags in Deutschland beinhaltet mehrere Aspekte, die sowohl für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) als auch für die private Krankenversicherung (PKV) gelten.

Für die GKV gilt, dass die Mitgliedschaft mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des übernächsten Monats gekündigt werden kann. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und wird zum letzten Tag des übernächsten Monats wirksam. Wenn Sie beispielsweise im Oktober kündigen, wird die Kündigung zum 31. Dezember wirksam. Es ist auch wichtig zu beachten, dass gesetzlich Versicherte nach einer Mindestvertragslaufzeit von 18 Monaten jederzeit kündigen können.

Für die PKV gilt, dass der Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Versicherungsjahres gekündigt werden kann. Auch hier muss die Kündigung schriftlich erfolgen und ausdrücklich erklären, dass Sie kündigen möchten.

In beiden Fällen, sowohl bei der GKV als auch bei der PKV, ist es wichtig, dass die Kündigung erst wirksam wird, wenn bis zum Beendigungszeitpunkt der bisherigen Krankenversicherung die nachfolgende neue Krankenversicherung nachgewiesen wird. Dies dient dazu, sicherzustellen, dass keine Versicherungslücke entsteht, da in Deutschland eine Versicherungspflicht besteht.

Es gibt auch Sonderkündigungsrechte, die es ermöglichen, die Krankenversicherung außerhalb der regulären Kündigungsfristen zu kündigen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Krankenkasse den Zusatzbeitrag erhöht. In solchen Fällen kann die Kündigung ebenfalls mit einer Frist von zwei Monaten erfolgen.

Bitte beachten Sie, dass diese Informationen allgemeiner Natur sind und es in bestimmten Situationen Ausnahmen oder zusätzliche Anforderungen geben kann. Es ist daher immer ratsam, sich bei Unklarheiten an einen Experten zu wenden oder sich direkt bei der Krankenkasse zu informieren.


Das vorliegende Urteil

AG Halle (Saale) – Az.: 98 C 519/22 – Urteil vom 06.04.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird bis 30.08.2022 auf 3.139,60 €, sodann auf 1.536,40 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Beiträge zur privaten Krankenversicherung (zunächst für den Zeitraum 1/2016 – 11/2019) für den Zeitraum 2018-2019 von mtl. 66,80 €.

Der Beklagte hatte – im Zuge einer Insolvenz 2015 – mit Schreiben vom 26.06.2015 seinen bestehenden Krankenversicherungsvertrag gegenüber der Klägerin gekündigt (Bl. 59).

Die Klägerin teilt mit Schreiben vom 23.07.2015 dem Beklagten mit, dass die Kündigungsfrist 3 Monate beträgt – so dass zum 01.12.2015 die Kündigung wirksam sei, allerdings nur, wenn er einen Nachweis zur Pflichtversicherung innerhalb der Kündigungsfrist vorlegt (Bl. 54).

Seit dem 22.06.2015 ist der Beklagte unstreitig gesetzlich bei der XX Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert (Bl.87).

Am 16.09.2015 gab es zwischen dem Beklagten und der Klägerin telefonischen Kontakt.

Die Klägerin behauptet, mit Schreiben vom 24.11.2015 (Bl. 60) den Beklagten darüber informiert zu haben, dass ein Nachweis über die Anschlussversicherung ihr nicht vorliege und deshalb der Vertrag unverändert fortlaufe.

Mit Mahnbescheid vom 08.12.2021, dem Beklagten am 13.12.2021 zugestellt, verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche und erklärte nach Verjährungseinwand den Rechtsstreit für den Zeitraum 2016 + 2017 für erledigt – dem der Beklagte zugestimmt hat.

Die Klägerin beantragt nun noch, den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.536,40 € nebst 5%Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2019, sowie vorgerichtliche RA-Kosten i.H.v. 323,68 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Er behauptet, in der Zeit vor oder unmittelbar nach dem Telefongespräch vom 16.09.2015 dem zuständigen Außendienstmitarbeiter der Klägerin das Schreiben der XX über die Anschluss-Pflichtversicherung übergeben zu haben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der seinen Prämienanspruch geltend machende Versicherer kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer vom Versicherungsnehmer ausgesprochenen Kündigung wegen Fehlens eines Anschlussversicherungsnachweises gem. § 205 Abs. 6 VVG berufen, wenn er den Versicherungsnehmer nicht nachweisbar auf dessen Fehlen hingewiesen hat.

So der Leitsatz des Urteils des BGH vom 14.01.2015, IV ZR 43/14.

Der Beklagte hat den Zugang/Erhalt des Schreibens vom 24.11.2015 bestritten.

Insoweit fehlt es an einer eindeutigen Zurückweisung der Kündigung wegen Fehlens des Nachweises über die Erfüllung der Krankenversicherungspflicht.

Die Klägerin hat keinen Beweis dafür angeboten, dass dieses Schreiben mit der deutlichen Zurückweisung der Kündigung den Beklagten erreicht hat. Diese Hinweispflicht des Versicherers umfasst nicht nur die Absendung eines entsprechenden Hinweisschreibens, sondern auch dessen Zugang beim Versicherungsnehmer. Die dem Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben geschuldeten Informationen sind empfangsbedürftig.

Zwar hat die Klägerin bereits im Schreiben vom 23.07.2015 auf die Notwendigkeit der Vorlage des Nachweises und etwaiger künftiger Folgen hingewiesen. Danach kam es unstreitig zu einem telefonischen Kontakt im September 2015. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Versicherer verpflichtet, seinen Kunden bei unvollständiger, formunwirksamer, verspäteter oder aus anderem Grund ungültigen Kündigung unverzüglich über den Mangel zu informieren. Unterlässt er dies, wird die ansonsten ungültige Kündigung nach Treu und Glauben als wirksam angesehen. Nach überwiegende Auffassung schafft der Versicherer durch sein Untätigbleiben einen Vertrauenstatbestand. Der Versicherungsnehmer könne sich darauf verlassen, mit seinem Kündigungsschreiben alles getan zu haben, um das Vertragsverhältnis fristgerecht zu beenden. Zum beabsichtigten / von der Klägerin angekündigten Vertragsende zum 01.12.2015 schwieg die Klägerin – jedenfalls kann sie nicht nachweisen, dass sie den Beklagten ausdrücklich auf eine Unwirksamkeit der Kündigung hingewiesen habe.

Diese strengen Voraussetzungen für die ausdrückliche Aufklärung des Versicherungsnehmers ist auch deshalb notwendig, weil andernfalls der Versicherer auf unabsehbare Zeit sich eines Zahlungsanspruchs rühmen könnte, dem keine Gegenleistung gegenübersteht, wenn und weil der Versicherungsnehmer tatsächlich – wie hier – gesetzlich krankenversichert ist. Es widerspricht Treu und Glauben, einen Zahlungsanspruch zu generieren – ohne Gegenleistung. Die Klägerin trägt vorliegend seit 22.06.2015 für den Beklagten weder das Risiko, Heilbehandlungskosten für ihn zu übernehmen, noch gab es in dieser Zeit eine Kostentragung.

Insofern verbietet nicht nur § 242 BGB einen Zahlungsanspruch der Klägerin, sondern darüber hinaus auch § 226 BGB – das Schikaneverbot: Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

So ist es hier. Die Klägerin verlangt für nicht von ihr zu tragende Risiken einen Prämienanspruch, derweil der Beklagte diese Prämien an einen anderen Versicherer bereits gezahlt hat. Dies belegt die im Zuge der PKH-Beantragung vorgelegte Entgeltabrechnung, in der KV-Zahlungen ausdrücklich an die XX Krankenkasse aufgeführt sind und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Nachweis der XX Krankenkasse über die seit 22.06.2015 dort ununterbrochen bestehende Kranken- und Pflegeversicherung.

Mangels Hauptanspruch bestehen auch keine Ansprüche auf Nebenforderungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr.11, 711 ZPO.

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