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Private Krankenversicherung – Anforderungen an die Mitteilung einer Beitragsanpassung

LG Köln – Az.: 23 O 463/18 – Urteil vom 10.07.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung. Der Kläger ist bei der Beklagten nach den Tarifen AM 3, ZM 3, SM 6, G 25, KM 25,00 und TC 34 krankheitskostenversichert.

Die Beklagte nahm aufgrund gestiegener Leistungsausgaben Prämienerhöhungen mit Wirkung zum 01.04.2016 (Tarif AM 3; Tarif TC 43), zum 01.04.2017 (Tarif AM 3; Tarif ZM 3; Tarif TC 43) sowie zum 01.04.2018 (Tarif SM 6) vor. Die für die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen maßgeblichen Zustimmungen wurden bis einschließlich des Geschäftsjahres 2014 durch den Treuhänder L1 und bis zum Ende des Jahres 2017 durch den Treuhänder Dipl.-Math. L2 erteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2018 ließ der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung überzahlter Beiträge sowie den daraus gezogenen Nutzungen auffordern.

Der Kläger ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen seien aus formellen Gründen unwirksam. Sie seien nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG begründet. Der Kläger hält es insbesondere für erforderlich, dass die konkrete Höhe der Veränderung der Versicherungsleistungen bzw. Sterbewahrscheinlichkeiten anzugeben seien, um beurteilen zu können, ob der auslösende Faktor für eine Neukalkulation der Prämie erreicht ist.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

Private Krankenversicherung - Anforderungen an die Mitteilung einer Beitragsanpassung
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

1.) festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer …../…. unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbeitrages – bezogen auf den letzten rechtmäßigen Beitrag vom 01.12.2014 in Höhe von insgesamt 422,92 EUR – verpflichtet ist:

a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif AM 3 die Erhöhungen zum 01.04.2016 um 58,66 EUR und zum 01.04.2017 um 81,57 EUR,

b) in der Krankenkostenversicherung im Tarif ZM 3 die Erhöhung zum 01.04.2017 um 5,47 EUR,

c) in der Krankenkostenversicherung im Tarif TC 43 die Erhöhungen zum 01.04.2016 um 8,25 EUR und zum 01.04.2017 um 12,36EUR,

d) in der Pflegekostenversicherung im Tarif PVN die Erhöhungen zum 01.01.2016 um 2,05 EUR und zum 01.01.2017 um 6,78 EUR.

e) im gesetzlichen Zuschlag R10 die Erhöhungen zum 01.01.2016 um 2,05 EUR, zum 01.04.2016 um 74,83 EUR, zum 01.04.2017 um 114, 89 EUR und zum 01.04.2018 um 160,76 EUR.

2.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.919,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.) festzustellen, dass die Beklagte

a) ihm zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 17.12.2018 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

b) die nach 3 a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen hat,

4.) die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 1.384,27 EUR freizustellen.

Der Kläger hat den Feststellungsantrag zu 1e) mit Schriftsatz vom 11.04.2019 (Bl. 58 d. A.) zurückgenommen. Er hat den Feststellungsantrag zu 1) im Schriftsatz vom 11.04.2019 darüber hinaus zunächst dahingehend geändert, dass er beantragt hat,

festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer …../…. unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet und der Gesamtbetrag auf insgesamt 435,19 EUR zu reduzieren ist:

a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif AM 3 die Erhöhungen zum 01.04.2016 um 58,66 EUR und zum 01.04.2017 um 22,91 EUR,

b) in der Krankenkostenversicherung im Tarif ZM 3 die Erhöhung zum 01.04.2017 um 5,47 EUR,

c) in der Krankenkostenversicherung im Tarif TC 43 die Erhöhungen zum 01.04.2016 um 8,25 EUR und zum 01.04.2017 um 4,11EUR,

d) in der Pflegekostenversicherung im Tarif PVN die Erhöhungen zum 01.01.2015 um 2,05 EUR und zum 01.01.2017 um 4,73 EUR.

e) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif SM 6 die Erhöhung zum 01.04.2018 um 41,70 EUR.

Die Parteien haben den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags zu 1a), 1b) 1c) und 1e) übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 59 und Bl. 112 d.A.). Darüber hinaus hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.04.2019 (Bl. 58 d. A.) den Leistungsantrag zu 2) iHv 304,08 EUR sowie den Antrag zu 4) iHv 328,44 EUR zurückgenommen. Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 11.06.2019 (Bl. 131 d. A.) den Rechtsstreit gemäß § 145 Abs. 1 ZPO in dem aus dem Beschluss ersichtlichen Umfang abgetrennt und an das Sozialgericht Köln verwiesen hat, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12.06.2019 die Klage zurückgenommen, soweit sie den Tarif PVN betrifft (BL. 138). Er stellt nunmehr sämtliche Anträge nach Maßgabe des Verweisungsbeschlusses vom 11.06.2019. Den Antrag zu 3) stellt der Kläger zudem nunmehr nach Maßgabe der übereinstimmend für erledigt erklärten Antrag zu 1a), 1b), 1c) und 1e).

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sämtliche Beitragsanpassungen seien rechtmäßig vorgenommen worden. Insbesondere sei der Inhalt der Mitteilungsschreiben ausreichend. Die Mitteilung des auslösenden Faktors sei nicht notwendig und ermögliche dem Versicherungsnehmer ohnehin keine Überprüfung der Beitragsanpassung auf Plausibilität. Hilfsweise macht die Beklagte geltend, etwaig unzureichende Begründungen seien durch die ergänzenden Ausführungen in der Klageerwiderung – insbesondere die Mitteilung der jeweiligen auslösenden Faktoren – jedenfalls nachgeholt worden. Darüber hinaus erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Beitragserhöhungen in der privaten Pflegeversicherung, deren Klärung gem. § 51 Abs. 2 SGG in die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte fällt, sind nach der Antragsanpassung des Klägers nach Maßgabe des Verweisungsbeschluss nicht mehr streitgegenständlich.

II.

Soweit der Feststellungsantrag zu 1) durch die einseitige Erledigungserklärung des Klägers in einen Antrag auf Feststellung der Erledigung in der Hauptsache geändert worden ist, ist die Klage unbegründet. Denn insoweit war die Klage von Anfang an unbegründet. Die Beitragsanpassungen waren formell nicht zu beanstanden, ihre materielle Rechtmäßigkeit steht nicht in Streit.

Gemäß § 203 Abs. 5 VVG wird eine Neufestsetzung der Prämie zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

a)

Die Mitteilung der Beitragsanpassungen erfolgte mit den Schreiben der Beklagten vom April 2016, Februar 2017 sowie Februar 2018 (jeweils Anlage C 5)..

b)

Die mit den vorstehend genannten Schreiben übersandten „Informationen zur Beitragsanpassung“ reichen als Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG aus.

aa)

An die Mitteilung der für die Beitragsanpassung maßgeblichen Gründe sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018 – 8 U 57/18, VersR 2018, 1179, juris Rn. 98-102). Hierfür spricht bereits der Zweck der Norm. Diese zielt – wie ihre Vorläuferbestimmung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. – in erster Linie darauf ab, dem Versicherungsnehmer einen gewissen Zeitraum zu belassen, um sich auf eine ihm mitgeteilte Vertragsänderung einstellen zu können und sich darüber klar zu werden, ob er innerhalb der zeitgleich ausgestalteten Frist des § 205 Abs. 4 VVG sein Kündigungsrecht ausübt oder die Prämienänderung zum Anlass nimmt, von seinem Tarifwechselrecht nach § 204 VVG Gebrauch zu machen, auf das ihn der Versicherer bei der substitutiven Krankenversicherung nach § 6 Abs. 2 VVG-InfoV bei der Prämienerhöhung – wie vorliegend geschehen – ebenfalls hinzuweisen hat (BGH, a.a.O. Rn. 70).

Die Mitteilung der Gründe einer Prämienanpassung entspricht jedenfalls dann den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG, wenn sie die Rechnungsgrundlage, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, und die wesentlichen Kriterien, die deren Höhe beeinflusst haben, benennt. Die Kenntnis der konkreten Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage (auslösender Faktor) ist nicht erforderlich. Für die Prämienanpassung reicht es aus, dass die Veränderung den gesetzlich oder in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert übersteigt. Dass dies der Fall ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Versicherer die Prämienanpassung vorgenommen hat (OLG Celle, Urteil vom 20. August 2018 – 8 U 57/18 -, Rn. 99-102, juris).

Eine den Begründungsanforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Mitteilung hat nicht den Namen – geschweige denn weitere Angaben zur Person – des zustimmenden Treuhänders zu enthalten. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Angaben um für die Beitragsanpassung „maßgebliche“ Gründe handelt. Jedenfalls aber ist der Rechtsauffassung des Klägers durch die Entscheidung des BGH vom 19.12.2018 (a.a.O.) der Boden entzogen. Unterliegt die Unabhängigkeit des Treuhänders keiner gesonderten Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte, so kann dessen Namhaftmachung kein Wirksamkeitserfordernis für die Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG darstellen.

bb)

Gemessen an diesen Anforderungen reichen die „Informationen zur Beitragsanpassung“ als Mitteilung der Gründe im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG aus. Sämtlichen dieser Informationen kann entnommen werden, dass die Prämienanpassung durch eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen (§ 203 Abs. 2 S. 3 VVG) ausgelöst wurde. Ferner kann den Informationen entnommen werden, dass sich auf die Prämienanpassung neben der Veränderung der Leistungsausgaben auch die steigende Lebenserwartung, das Absenken des Rechnungszinses und die Entwicklung des Versichertenbestandes namentlich in Form der seltener gewordenen Beendigung von Tarifen ausgewirkt hat. Damit sind die wesentlichen Kriterien, welche die Prämienanpassung ausgelöst und deren Höhe beeinflusst haben, dargelegt. Die materielle Richtigkeit und Vollständigkeit der Begründung ist für die Wahrung des Begründungszwangs als formales Kriterium unmaßgeblich.

III.

Aus den vorstehenden Gründen ist auch der auf Zahlung überhöhter Prämien gerichtete Antrag zu 2. unbegründet, ohne dass es auf eine Nachholung der Begründung im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG erst im Laufe des Rechtsstreites ankäme.

IV.

Mangels Hauptforderung sind auch die weiteren Klageanträge zu 3. und 4. unbegründet.

V.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 9.826,21 EUR festgesetzt.

 

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