Skip to content

Krankenversicherung: – Notwendigkeit Linsenaustausch bei Alterssichtigkeit

LG Hamburg – Az.: 332 O 329/15 – Urteil vom 10.02.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für einen Linsenaustausch.

Der am … 1964 geborene Kläger ist Bauingenieur und Inhaber einer Gerüstbaufirma. Er unterhält bei der Beklagten gemäß Nachtrag aus Februar 2014 (Anlage K 1) eine private Krankenversicherung auf Basis der Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB, Anlage K 2) der Beklagten. Eine damals bestehende Fehlsichtigkeit des Klägers wurde im Jahr 2001 durch eine LASIK-Operation behoben. Mit Schreiben vom 12. September 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er nun eine Gleitsichtbrille benötige und er sich mit der Alternative des Austauschs einer natürlichen Linse gegen eine trifokale Linse beschäftigt habe (Anlage K 3). Er fügte eine Leistungsaufstellung zur Vorabklärung einer Kostenerstattung (Anlage K 3) bei. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 22. September 2014, dass kein Leistungsanspruch bestehe, da die medizinische Notwendigkeit für einen Linsenaustausch nicht gegeben sei (Anlage K 4). Der Kläger entschied sich dennoch für den Linsenaustausch. Die Voruntersuchung fand am 29. Oktober 2014 statt. Am 13. und 14. November 2014 wurde der Kläger an beiden Augen operiert. Für diese Leistungen wurden mit Rechnung vom 14. November 2014 EUR 5.711,00 berechnet (Anlage K 5). Wegen der Einzelheiten, auch hinsichtlich Abrechnungsziffern und Abrechnungsfaktoren, wird auf die Anlage verwiesen. Mit Schreiben vom 25. März 2015 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte und bat um die Überprüfung ihres Rechtsstandpunktes (Anlage K 6). Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 13. April 2015, dass es bei der Leistungsablehnung bleibe, da die Behandlung nicht medizinisch notwendig gewesen sei (Anlage K 7).

Der Kläger behauptet, er benötige zwei Brillen. Die von ihm für das Lesen und zum Autofahren benutzten Brillen behinderten ihn sehr. Er bekomme permanent Kopfschmerzen und Schwindelgefühle. Der Austausch der natürlichen Linsen gegen Multivokallinsen sei daher medizinisch notwendig gewesen. Es sei eine Honorarvereinbarung (Anlage K 12) abgeschlossen worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 5.711,00 nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Krankenversicherung: - Notwendigkeit Linsenaustausch bei Alterssichtigkeit
(Symbolfoto: Von Pressmaster/Shutterstock.com)

Die Beklagte behauptet, der Linsenaustausch führe zu einer verminderten Wahrnehmung von Kontrasten und einer geringeren Sehschärfe. Die Operation zeihe nicht selten als Nachteil den so genannten „Halo-Effekt“ nach sich. Es gäbe keine Erfahrungen zu einer jahrzehntelangen Tragedauer. Bei einem progredienten Zustand sei die Kunstlinsenimplantation kontraindiziert. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung sei daher nicht gegeben. Es fehlten schließlich die Begründung der Abrechnung der GOÄ-Ziffer 1375 zu einem 6,5-fachen Steigerungssatz sowie Belege für die abgerechneten Sachkosten. Die vorgelegte Honorarvereinbarung sei nicht wirksam.

Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vom 20. Juli 2016 (Bl. 105 d.A.) sowie die Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 02. Dezember 2016 Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für den im November 2014 erfolgten Linsenaustausch aus dem streitgegenständlichen Krankenversicherungsvertrag. Ein Versicherungsfall im Sinne der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen lag nicht vor. Gemäß § 1 1. 2. Satz 1 AVB ist der versicherte Versicherungsfall die „medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“ Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es kommt für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers oder auf die des behandelnden Arztes an. Vielmehr ist die Behandlung dann notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juli 1996, IV ZR 133/95, juris). Erforderlich ist insoweit nicht, dass die Behandlung sicher zu einem Behandlungserfolg führt und auch nicht, dass es keine kostengünstigeren Behandlungsalternativen gibt.

Vorliegend könnte bereits das Vorliegen einer Krankheit in Zweifel gezogen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist Krankheit „ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand“ (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. September 2005, IV ZR 113/04, juris). Bei der Verschlechterung des Sehvermögens des Klägers handelte es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch um eine alle Menschen gleich treffende Alterserscheinung, die zwar behandlungsbedürftig ist, jedoch nicht von der Norm abweicht und damit auch nicht regelwidrig ist. Die Alterssichtigkeit in dem Alter des Klägers, die alle Menschen trifft, könnte danach als Krankheit ausscheiden.

Das bedarf jedoch keiner Entscheidung, da nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die medizinische Notwendigkeit des Linsenaustausches nicht gegeben war. So führt der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zunächst aus, dass bei der Alterssichtigkeit des Klägers und des nach der erfolgten LASIK-Operation nur noch minimalen Korrektionsbedarfs für die Ferne bereits die Voraussetzungen für einen Austausch der klaren Linse nach der Empfehlung der Kommission refraktiver Chirurgie (KRC) der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands nicht gegeben gewesen seien. Die Voraussetzungen dieser Empfehlung werden auch nicht erreicht, wenn die von dem Kläger geschilderten Beschwerden bei der Benutzung von zwei Brillen zu Grunde gelegt werden. Ferner entstehe bei der Art der dem Kläger implantierten Linse immer vermehrtes Streulicht und das Kontrastsehen sei etwas reduziert. Weiter träten besonders nachts photopische Phänomene auf. Zwar sei der Wunsch des Klägers, auf eine Lesebrille verzichten zu können, durch die Implantation der Trifokallinsen möglicherweise erreicht worden. Dies jedoch mit den erwähnten Nachteilen und dem Risiko eines intraokularen Eingriffs.

Bei diesen Feststellungen bleibt der Sachverständige auch in seiner mündlichen Anhörung. Ergänzend führt er aus, dass bei der implantierten Linse übereinander lagernde Bereiche für Nähe, mittlerer Entfernungen und Weite habe, was zu schlechteren Ergebnissen als eine Brille führe. Die Richtlinienbehandlung sähen den Linsenaustausch nicht vor, um auf eine Lesebrille verzichten zu können. Der Sachverständige führt ferner die erheblichen Risiken der Operation an. Auf Nachfrage erläutert der Sachverständige nachvollziehbar, dass die mit dem Schreiben gemäß Anlage K 13 geschilderten Beschwerden nicht objektivierbar seien und im Übrigen schwankende Refraktionswerte an der gelaserten Hornhaut liegen könnten, nicht aber an der Linse. Schließlich rechtfertigten gerade so genannte asthenopische Beschwerden, die auf subjektiver Ebene empfunden würden und die nicht erklärbar seien, gerade nicht den Einsatz einer Multifokallinse.

Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht anschließt, war es nicht vertretbar, den Linsenaustausch zu dem Zeitpunkt der Vornahme unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen, der erzielbaren Ergebnisse, der Folgen und der Operationsrisiken als notwendig anzusehen und damit nicht medizinisch notwendig.

Ausführungen zu der Höhe der Behandlungskosten erübrigen sich.

Die Zinsansprüche entfallen mit dem Hauptanspruch.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Absatz 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!