OLG Oldenburg – Az.: 5 U 91/16 – Urteil vom 08.02.2017
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Juni 2016 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts O. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.870,47 € zu zahlen zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 1 % für jeden angefangenen Monat
- auf einen Teilbetrag von 79,14 € ab dem 13.08.2013 bis zum 10.04.2015,
- auf einen Teilbetrag von 79,14 € ab dem 13.08.2013 bis zum 17.09.2015,
- auf einen Teilbetrag von 155,60 € seit dem 13.08.2013,
- auf einen Teilbetrag von 512,16 € seit dem 02.09.2013,
- auf einen Teilbetrag von 512,16 € seit dem 02.10.2013,
- auf einen Teilbetrag von 512,16 € seit dem 02.11.2013,
- auf einen Teilbetrag von 512,16 € seit dem 02.12.2013,
- auf einen Teilbetrag von 512,16 € seit dem 02.01.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.02.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.03.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.04.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.05.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.06.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.07.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.08.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.09.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.10.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.11.2014,
- auf einen Teilbetrag von 83,33 € seit dem 02.12.2014,
- auf einen Teilbetrag von 59,36 € seit dem 02.01.2015,
- auf einen Teilbetrag von 59,36 € seit dem 02.02.2015,
- auf einen Teilbetrag von 59,36 € seit dem 02.03.2015,
- auf einen Teilbetrag von 59,36 € seit dem 02.04.2015.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin Mahnkosten in Höhe von 15,00 € zu zahlen und die Klägerin von den vorprozessualen Gebührenansprüchen ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 413,64 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin zu 77 % und der Beklagten zu 23 % auferlegt. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 38 % und die Beklagte zu 62 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Feststellung der Tatsachengrundlage im Sinne des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. Während das Landgericht den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin sei aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Krankenversicherungsvertrages verpflichtet, für den Zeitraum August 2013 bis einschließlich April 2015 Prämienrückstände in Höhe von insgesamt 6.277,31 € auszugleichen, belaufen sich die Prämienrückstände tatsächlich auf 3.870,47 €. Entgegen der Auffassung der Kammer sind die verringerten Prämien im so genannten Notlagentarif nicht erst ab Februar 2015, sondern bereits ab Februar 2014 in Ansatz zu bringen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Unstreitig hat sich der Zahlungsrückstand der Beklagten Ende September 2013 auf 1.024,32 € und damit auf zwei Monatsbeiträge (jeweils 512,16 €) belaufen. Der Rückstand setzte sich – zumindest ganz überwiegend – aus den Beiträgen für eine die ambulante und stationäre Heilbehandlung abdeckende Krankheitskostenversicherung zusammen. Er bezog sich folglich auf eine Versicherung, die zur Erfüllung der Verpflichtung aus § 193 Abs. 3 VVG diente. Dementsprechend hat die Klägerin die Beklagte mit Datum vom 2. Oktober 2013 zu Recht gemäß § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG gemahnt.
Zwei Monate nach Zugang der ersten Mahnung – also im Dezember 2013 – war der Prämienrückstand der Beklagten höher als der Prämienanteil für einen Monat. Für einen solchen Fall sieht § 193 Abs. 6 Satz 3 VVG eine zweite Mahnung des Versicherers vor. Ist der Prämienrückstand einen Monat nach Zugang der zweiten Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, ruht der Vertrag grundsätzlich ab dem ersten Tag des nachfolgenden Monats (§ 193 Abs. 6 Satz 4 VVG). Solange der Vertrag ruht, gilt der Versicherungsnehmer gemäß § 193 Abs. 7Satz 1 VVG als im Notlagentarif nach § 153 VAG (bis zum 31. Dezember 2015: § 12h VAG) versichert.
In der vorliegenden Konstellation hat die Klägerin die besagte zweite Mahnung nicht ausgesprochen, obwohl die betreffenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen sind. Erst später – im Oktober 2014 – hat sie nach zwei Tarifänderungen und einer Stundung von Beiträgen erneut das Mahnverfahren im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG eingeleitet. Der Erstmahnung vom 1. Oktober 2014 folgte unter dem 4. Dezember 2014 eine Zweitmahnung im Sinne des § 193 Abs. 6 Satz 3 VVG. Ab Februar 2015 hat die Klägerin die Beklagte dann im Notlagentarif für 59,36 € pro Monat versichert.
2. Die Beklagte ist der Meinung, der Versicherer sei verpflichtet, die Krankheitskostenversicherung generell auf den Notlagentarif umzustellen, sobald die in § 193 Abs. 6 VVG genannten Rückstände erreicht und die dort vorgesehenen Fristen verstrichen seien. Nur eine solche Lesart trage dem Gesetzeszweck hinreichend Rechnung. Den Wechsel in den sogenannten Notlagentarif habe der Gesetzgeber verbindlich angeordnet, um dem Versicherungsnehmer den Abbau des aufgelaufenen Zahlungsrückstandes zu erleichtern. Eine Fortsetzung des Vertrages in dem ursprünglichen Tarif sehe das Gesetz erst vor, nachdem alle rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge und der Beitreibungskosten gezahlt worden seien (§ 193 Abs. 9 Satz 1 VVG). Daher hätte die Klägerin ihr, der Beklagten, ab Januar 2014 lediglich die monatliche Prämie für den Notlagentarif, das heißt 59,36 €, in Rechnung stellen dürfen.
3. Demgegenüber hält die Klägerin den Krankenversicherer nicht für verpflichtet, den Versicherungsnehmer nach einem Prämienrückstand in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate zu mahnen. Die Vorschrift des § 193 Abs. 6 VVG stelle keine zwingende Regelung dar, sondern überlasse es dem Versicherer, ob er das Mahnverfahren durchführe oder nicht.
Abgesehen davon sprächen die Besonderheiten der vorliegenden Gestaltung gegen ein Ruhen des Vertrages bereits ab Januar 2014. Das erste, im Oktober 2013 begonnene Mahnverfahren sei durch die von der Beklagten initiierten Maßnahmen (Tarifwechsel, Stundung, Ratenzahlung) unterbrochen worden. Angesichts der weitreichenden Nachteile, die eine Umstellung in den Notlagentarif mit sich bringe, sei eine Aufrechterhaltung des vom Versicherungsnehmer gewünschten und vertraglich festgelegten Versicherungsschutzes anzustreben. Dementsprechend habe man im Fall der Beklagten zunächst einvernehmlich andere Lösungsmöglichkeiten als den Notlagentarif ins Auge gefasst.
4. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil einen Mittelweg eingeschlagen. Einerseits, so die Kammer, räume § 193 Abs. 6 VVG dem Versicherer prinzipiell kein Ermessen ein, soweit es um die Frage gehe, ob er seinen Versicherungsnehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 193 Abs. 6 VVG anmahne und so das Ruhen des Versicherungsvertrages und damit die Umstellung in den Notlagentarif herbeiführe. Andererseits könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Versicherungsschutz durch eine Überführung in den Notlagentarif erheblich reduziere. Deshalb müsse eine von § 193 Abs. 6 VVG abweichende Regelung möglich sein, wenn diese, wie hier, von beiden Vertragspartnern, insbesondere auch vom Versicherungsnehmer, gewollt sei. In derartigen Konstellationen sei von einer zulässigen Unterbrechung eines ursprünglich eingeleiteten Mahnverfahrens im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG auszugehen.
5. Dieser Auffassung vermag der Senat sich in der dargelegten Allgemeinheit nicht anzuschließen. Allerdings ist dem Landgericht im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass es, wenn die in § 193 Abs. 6 VVG festgelegten Prämienrückstände aufgelaufen sind, prinzipiell nicht dem Ermessen des Versicherers überlassen bleiben darf, ob es zu einem Ruhen des Vertrages und damit zu einer Versicherung im Notlagentarif kommt. Weiter ist der Senat mit dem Landgericht der Meinung, dass § 193 Abs. 6 VVG privatautonomen Regelungen der Vertragsparteien nicht generell entgegensteht. Anders als die Kammer hält der Senat die Klägerin unter den konkreten Umständen aber nicht für berechtigt, die Beklagte über die zeitlichen Grenzen des § 196 Abs. 6 VVG hinaus aufgrund von Parteivereinbarungen an Tarifen festzuhalten, deren Prämien höher sind als die im Notlagentarif zu leistenden Beiträge. Dabei sind für den Senat die folgenden Erwägungen maßgebend:
a) Für eine Pflicht des Versicherers, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen das Mahnverfahren im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG einzuleiten, spricht der Wortlaut der Regelung („hat […] zu mahnen“). Zwar vertritt Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 193, Rn. 41, die Ansicht, die zitierte Formulierung sei „ohne Bedeutung“; es handele sich um eine Kann-Vorschrift. Worauf er seine Lesart stützt, ist jedoch nicht erkennbar. So wird denn in der Judikatur auch durchaus der Standpunkt eingenommen, der Versicherer sei bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen dazu verpflichtet, einen privaten Krankenversicherungsvertrag in den Notlagentarif zu überführen. Komme ein Versicherer seiner Pflicht aus § 193 Abs. 6 VVG nicht nach, sei es ihm gemäß § 242 BGB verwehrt, im Rahmen einer Klage auf Zahlung rückständiger Beiträge Prämien oberhalb des Notlagentarifs zu verlangen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 19.10.2015, Az.: 8 O 6702/15, Tz. 3 ff, unter Berufung auf das Urteil des OLG Köln vom 06.03.2015, Az.: 20 U 131/14, Tz. 48, welches § 193 Abs. 6 VVG a. F. zum Gegenstand hat, jeweils zitiert nach juris).
Die Gesetzesmaterialien weisen tendenziell in Richtung eines am Gesetzeswortlaut anknüpfenden Verständnisses. Die aktuelle Fassung des § 193 Abs. 6 VVG ist durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2423) mit Wirkung zum 1. August 2013 eingeführt worden. Die Neuregelung erschien dem Gesetzgeber notwendig, weil die bis dato geltenden Vorschriften aus seiner Sicht nicht den gewünschten Effekt hatten, Beitragsschuldner vor weiterer Überschuldung zu schützen und eine finanzielle Belastung der Versichertengemeinschaft zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 17/13079, S. 1,6, 9; 17/13402, S. 1; 17/13947, S. 22). Freilich ging es bei der Gesetzesänderung nicht primär darum, den in der vorliegenden Konstellation feststellbaren Effekt zu verhindern, dass die nach dem Auftreten von Beitragsrückständen fortbestehende Pflicht zur Zahlung der ursprünglichen Prämie zu einem raschen Anwachsen der Außenstände des Versicherungsnehmers führt. Als problematisch hatte sich vielmehr erwiesen, dass nach der bisherigen Gesetzeslage eine Fortsetzung der Versicherung im Basistarif vorgesehen war, sofern die Rückstände nicht innerhalb eines Jahres nach Beginn des Ruhens der Versicherung beglichen worden waren. Der Begründung des Gesetzentwurfes zufolge hätte die Umstellung auf den Basistarif in vielen Fällen zu einer Beitragserhöhung geführt. Dies wäre sowohl mit einer stärkeren finanziellen Belastung der betroffenen Versicherungsnehmer als auch mit einer Erhöhung der gegebenenfalls nicht eintreibbaren Außenstände der Versicherer verbunden gewesen (vgl. BT-Drucks. 17/13079, S. 9; 17/13402, S. 7).Obschon diese Stoßrichtung der Gesetzesänderung nicht unmittelbar auf Konstellationen der hier zu beurteilenden Art abzielt, kann der mit der Gesetzesänderung intendierte Schutz des Versicherungsnehmers bei der Interpretation des neuen § 193 Abs. 6 VVG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.
Entsprechendes gilt für den vom Gesetzgeber ebenfalls beabsichtigten Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer unnötigen finanziellen Belastung. Werden, wie hier, Versicherungsnehmer länger als nötig im ursprünglichen Tarif weitergeführt, obwohl Beitragsrückstände aufgelaufen sind, führt dies zu Verzerrungen bei der Kalkulation der Tarifprämien, wodurch die Vertragstreuen Versicherungsnehmer ungleichmäßig mit den durch die Nichtzahler verursachten Kosten belastet werden.
b) Auf der anderen Seite liefert das Gesetz nach Auffassung des Senats keine hinreichende Grundlage für die Annahme, § 193 Abs. 6 VVG schränke die Privatautonomie tatsächlich so weit ein, dass es den Parteien generell verwehrt ist, einvernehmlich auf das zum Notlagentarif führende Mahnverfahren zu verzichten und stattdessen der verringerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers durch andere Maßnahmen Rechnung zu tragen, etwa durch einen Wechsel in einen günstigeren Tarif, eine Stundung von Prämien oder eine Ratenzahlungsvereinbarung.
aa) Das Absehen von einer Einstufung im Notlagentarif entspricht insofern dem Interesse des Versicherungsnehmers, als der Notlagentarif gemäß § 193 Abs. 7 Satz 1 VVG i. V. m. § 153 VAG beziehungsweise § 12h VAG a. F. eine erhebliche Verringerung des Leistungsumfangs nach sich zieht. Er sieht bei Erwachsenen ausschließlich die Aufwendungserstattung für solche Leistungen vor, die zur Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind (§ 153 Abs. 1 Satz 2 VAG / § 12h Abs. 1 Satz 2 VAG a. F.).
bb) Dem soeben genannten Argument hält die Beklagte entgegen, einem Versicherungsnehmer, der mit seinen Beiträgen in Rückstand geraten sei, werde auch bei Verbleib im bisherigen Tarif faktisch der Versicherungsschutz entzogen, weil der Versicherer Leistungsansprüche mit den Prämienrückständen verrechne. Ob diese Erwägung allgemein tragfähig ist, erscheint zweifelhaft. Zumindest hat die
Klägerin erklärt, ihren Versicherungsnehmern stehe im Fall einer Verrechnung von Leistungen mit rückständigen Prämien ein Widerspruchsrecht von einem Monat zu; wenn ein Versicherungsnehmer einer solchen Verrechnung widerspreche, zahle sie die Leistung aus.
An Gewicht verlöre das auf die Aufrechnung abzielende Argument im Übrigen dann, wenn es dem Versicherer im Notlagentarif ebenfalls gestattet wäre, fällige Prämienforderungen gegen eine Forderung aus der Versicherung aufzurechnen. Für zulässig gehalten wird eine derartige Aufrechnung beispielsweise vom Thüringer Oberlandesgericht (Urteil vom 04.08.2016, Az.: 4 U 756/15, Tz. 21 ff., zitiert nach juris). In der Kommentarliteratur wird aber auch die gegenteilige Ansicht vertreten (vgl. die Nachweise in dem Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts, a. a. O., Tz. 23 ff.).
cc) Eine zusammenfassende Würdigung der angesprochenen Aspekte führt – auch ohne Vertiefung des zuletzt genannten Punktes – zu dem Ergebnis, dass es den Parteien eines Krankenversicherungsvertrages bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 193 Abs. 6 VVG nicht von vornherein versagt ist, einvernehmlich Regelungen zu treffen, um eine Überführung des Vertrages in den Notlagentarif zu vermeiden.
c) Auf einem anderen Blatt steht die Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen sich ein Versicherer erfolgreich auf eine grundsätzlich zulässige Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer berufen kann. Da beim Vorliegen erheblicher Prämienrückstände in der privaten Krankenversicherung das Mahnverfahren gemäß § 193 Abs. 6 VVG den gesetzlichen Regelfall bildet, ist für eine davon abweichende wirksame privatautonome Vereinbarung zumindest das Bewusstsein des Versicherungsnehmers zu fordern, von der an sich vorgesehenen Rechtsfolge des Notfalltarifs abzuweichen. Um eine solche Kenntnis effektiv sicherzustellen und Unsicherheiten hinsichtlich der Durchsetzbarkeit einschlägiger Abreden zu vermeiden, erscheint es sachgerecht, den Versicherer dazu anzuhalten, den Versicherungsnehmer vor einer entsprechenden Vereinbarung über den Inhalt des § 193 Abs. 6 VVG zu unterrichten. Dies gilt zumindest in denjenigen Fällen, in denen der Versicherer keine positive Kenntnis davon hat, dass der Versicherungsnehmer über die maßgebenden gesetzlichen Regelungen informiert ist. Weicht der Versicherer aufgrund einer Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer von dem gesetzlich vorgeschriebenen Mahnverfahren ab, obwohl unklar ist, ob der Versicherungsnehmer die Vereinbarung überhaupt in einem solchen Bewusstsein geschlossen hat, muss es dem Versicherer gemäß § 242 BGB verwehrt bleiben, dem Versicherungsnehmer nach Ablauf der Fristen des § 193 Abs. 6 VVG Prämien in Rechnung zu stellen, die die Beiträge im Notlagentarif überschreiten.
d) Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt, sie sei, als sie nach der Erstmahnung der Klägerin vom 2. Oktober 2013 einem Tarifwechsel zugestimmt habe, nicht darüber informiert gewesen, dass ein Notlagentarif existiere.
Tatsächlich ist der Notlagentarif in den Schreiben, die die Klägerin der Beklagten seinerzeit hat zukommen lassen, nicht erwähnt. Das gilt sowohl für die Erstmahnung als auch für das Umstellungsangebot, welches die Klägerin der Beklagten mit Datum vom 8. Januar 2014 unterbreitet hat.
Soweit die Klägerin ins Feld führt, ihr Umstellungsangebot gehe auf die Anfrage der von der Beklagten beauftragten Versicherungsmaklerin Marion Nölting zurück, trägt dies nicht entscheidend zu ihrer Entlastung bei. Ihr ist zwar zuzugeben, dass der Versicherungsmakler prinzipiell der „Interessenwahrer und Sachwalter‘ des Versicherungsnehmers und nicht etwa der (Empfangs-)Vertreter und Erfüllungsgehilfe des Versicherers ist. Doch enthielt auch das Schreiben der Versicherungsmaklerin Nölting vom 16. Dezember 2013 keinen konkreten Hinweis darauf, dass die Beklagte um die Existenz eines Notlagentarifs wusste. Dem Schreiben lässt sich noch nicht einmal entnehmen, dass die Maklerin die einschlägige gesetzliche Regelung kannte.
Der Einwand der Klägerin, es sei Aufgabe der Maklerin gewesen, die Beklagte sachgerecht zu beraten und insbesondere über das Verfahren gemäß § 193 Abs. 6 VVG aufzuklären, mag zutreffen. Gleichwohl lagen aus Sicht der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine derartige Beratung tatsächlich stattgefunden hatte. Die Beklagte schlichtweg auf einen eventuellen Schadensersatzanspruch gegenüber der Maklerin zu verweisen, erscheint nicht sachgerecht. Dass eine Versicherungsnehmerin, die sich bereits in einer wirtschaftlichen Notlage befindet, darauf beschränkt sein soll, eine rechtliche Auseinandersetzung mit einer Maklerin zu führen, um eine Situation zu bereinigen, die sich durch einen schlichten Hinweis ihres Versicherers hätte vermeiden lassen, vermag nicht zu überzeu- gen. Dies gilt in der vorliegenden Gestaltung umso mehr, als die Klägerin erklärt hat, es handele sich bei der Maklerin um eine Bekannte, die ihr lediglich gefälligkeitshalber aus einer schwierigen Situation habe heraushelfen wollen.
6. Nach alledem waren der Klägerin für den geltend gemachten Zeitraum nur diejenigen Prämien zuzusprechen, die sie erhalten hätte, wenn sie nach ihrer Erstmahnung vom 2. Oktober 2013 das gesetzlich vorgeschriebene Mahnverfahren gemäß § 193 Abs. 6 VVG fortgesetzt hätte.
a) Wie oben dargelegt, wären die Voraussetzungen für ein Ruhen des Versicherungsvertrags bei ordnungsgemäßer Durchführung des Mahnverfahrens, das heißt bei Ausspruch der gebotenen Zweitmahnung im Dezember 2013, ab dem 1. Februar 2014 erfüllt gewesen. Von diesem Zeitpunkt an hätte die Beklagte für den Notlagentarif eine Prämie in Höhe von 59,36 € zahlen müssen.
Darüber hinaus stehen der Klägerin die von ihr geltend gemachten Beiträge für die Krankenhaustagegeldversicherung in Höhe von 23,97 € bis einschließlich Dezember 2014 zu. Denn § 193 Abs. 6 VVG erfasst nur Versicherungen, die zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 193 Abs. 3 VVG dienen. Die Krankenhaustagegeldversicherung gehört nicht in diese Kategorie. Dementsprechend hat die Klägerin in ihren Mahnungen auch jeweils zwischen der Krankheitskostenversicherung im Sinne des § 193 Abs. 3 VVG und der „Zusatzversicherung“ differenziert. Schließlich hat sie die Zusatzversicherung zum Ablauf des Monats Dezember 2014 gekündigt.
b) Im Ergebnis hat die Klägerin danach einen Anspruch auf rückständige Prämien in Höhe von insgesamt 3.870,47 €. Soweit die Beklagte in der ersten Instanz vorgetragen hat, sie habe mehr Teilzahlungen erbracht, als die Klägerin in ihrer Anspruchsbegründung berücksichtigt habe, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil überzeugend ausgeführt, dass derartige Leistungen nicht bewiesen seien. Dieser Wertung ist die Beklagte mit ihrer Berufung nicht mehr entgegengetreten.
7. Die Säumniszuschläge stehen der Klägerin gemäß § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG zu. Der Senat legt den Berufungsantrag der Beklagten vor dem Hintergrund der Berufungsbegründung dahin aus, dass die Säumniszuschläge nicht auf die vom Landgericht ausgeurteilten Prämien, sondern auf die der Klägerin tatsächlich zustehenden Beiträge zu beziehen sind.Wegen der vom Landgericht zuerkannten Mahnkosten und der festgestellten Pflicht zur Freistellung von den vorprozessualen Rechtsanwaltskosten nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug. Einwände hat die Beklagte insoweit nicht erhoben. Die Höhe des vorprozessualen Gebührenanspruchs, von dem die Klägerin freizustellen ist, war an den hier ausgeurteilten Betrag anzupassen. Dementsprechend war die 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG nach einem Gegenstandswert von 3.870,47 € zu berechnen. Auf diesem Weg ergibt sich – einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer – ein Betrag in Höhe von 413,64 €.
8. Den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen – nicht nachgelassenen – Schriftsatz der Klägerin vom 3. Februar 2017 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Er bot keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).