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Kostenerstattungspflicht physiotherapeutische Behandlung

OLG Nürnberg – Az.: 8 U 1311/20 – Urteil vom 17.09.2020

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.03.2020, Az. 8 O 3278/19, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.-

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 22.356,88 € festgesetzt.-

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung.

Der zu 50 % beihilfeberechtigte Kläger unterhält bei dem Beklagten seit 2007 eine Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (Anlagen K 1 bis K 3). Infolge eines Treppensturzes, bei dem er sich ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog, leidet der Kläger an verschiedenen psychosomatischen und orthopädischen Beeinträchtigungen, darunter Blockaden, Krämpfen, chronischen Schmerzen und sensorischen Störungen am Stütz- und Bewegungsapparat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger hat in erster Instanz insbesondere geltend gemacht, die im Klageantrag zu I. genannten Heilbehandlungen seien aus medizinischer Sicht notwendig, um seine Leiden zu kurieren bzw. zu lindern. Diese Behandlungen seien noch mindestens zwei Jahre lang erforderlich. Aus eigener Kraft könne er die damit verbundenen Kosten nicht vorfinanzieren. Neben der Erstattung für die vorgesehenen Behandlungen schulde der Beklagte den Ersatz der bereits angefallenen Kosten sowie die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die folgenden Behandlungsmaßnahmen (Heilmittel) in der angegebenen Frequenz:

1. Manuelle Therapie mit Hausbesuch 2 x wöchentlich

2. Krankengymnastik 2 x wöchentlich

3. Klassische Massagetherapie mit Hausbesuch 2 x wöchentlich

4. Gerätegestützte Krankengymnastik 2 x wöchentlich

5. Wassergymnastik in der Gruppe 1 x wöchentlich

gemäß des Behandlungsplanes des Dr. M. R. vom 13.12. 2018 (Anlage K 6), 05.02.2019 (Anlage K 8) und 02.05.2019 (Anlage K 11) im tariflichen Umfang zu ersetzen.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die folgenden Behandlungsmaßnahmen (Heilmittel) in der angegebenen Frequenz:

1. Manuelle Therapie mit Hausbesuch 2 x wöchentlich

2. Krankengymnastik 2 x wöchentlich

3. Klassische Massagetherapie mit Hausbesuch 2 x wöchentlich

4. Gerätegestützte Krankengymnastik 2 x wöchentlich

5. Wassergymnastik in der Gruppe 1 x wöchentlich

gemäß des Behandlungsplanes des Dr. M. R. vom 13.12. 2018 (Anlage K 6), 05.02.2019 (Anlage K 8) und 02.05.2019 (Anlage K 11) im tariflichen Umfang bis jedenfalls 02.05.2021 zu ersetzen.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 67,10 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 276,10 € im Zeitraum zwischen dem 04.05.2019 und 28.08.2019 sowie aus einem Betrag von 67,10 € ab dem 29.08.2019 zu bezahlen.

III. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.171,67 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.07.2019 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat insbesondere geltend gemacht, der Klageantrag zu I. sei in Haupt- und Hilfsantrag unzulässig. Darüber hinaus seien die geplanten Behandlungsmaßnahmen, namentlich in der geltend gemachten Häufigkeit, weder medizinisch notwendig noch vom tariflichen Umfang erfasst.

Das Landgericht hat den Klageantrag zu I. mit Teilurteil vom 13.03.2020 in Haupt- und Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass es insoweit an den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO mangele, worüber durch Teilurteil entschieden werden könne. Wegen des Charakters der privaten Krankenversicherung sei eine Feststellungsklage des Versicherungsnehmers auf Ausnahmefälle beschränkt. Im vorliegenden Fall fehle es einerseits an einem klärungsfähigen Rechtsverhältnis, denn der Kläger habe insbesondere keinen konkreten Therapieplan vorgelegt. Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sei auch nicht ersichtlich, warum er nicht in Vorleistung treten könne. Darüber hinaus fehle es an einem Feststellungsinteresse, denn die Notwendigkeit der letztlich auf Dauer angelegten Einzelbehandlungen müsse mit fortschreitendem Verlauf immer wieder neu beurteilt werden.

Dieses Teilurteil wurde dem Kläger am 19.03.2020 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 16.04.2020 bei Gericht ein und wurde innerhalb verlängerter Frist mit einem am 02.06.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Kostenerstattungspflicht physiotherapeutische Behandlung
(Symbolfoto: Von koldo_studio/Shutterstock.com)

Der Kläger macht in zweiter Instanz insbesondere geltend, die im Klageantrag zu I. dargestellten Behandlungen stellten bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete und bevorstehende Maßnahmen dar. Diese sei nach Art und Frequenz auch hinreichend konkret bezeichnet. Auf die Frage der Zumutbarkeit einer Vorfinanzierung durch den Kläger komme es entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht an. Die geltend gemachten Behandlungen seien auf Dauer medizinisch notwendig. Eine Veränderung sei nicht zu erwarten, zumindest nicht innerhalb des mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Zeitraums.

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 02.06.2020 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt im Berufungsrechtszug, das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.03.2020, Az. 8 O 3278/19, abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

I. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die folgenden Behandlungsmaßnahmen (Heilmittel) in der angegebenen Frequenz:

1. manuelle Therapie mit Hausbesuch zweimal wöchentlich

2. Krankengymnastik zweimal wöchentlich

3. klassische Massagetherapie mit Hausbesuch zweimal wöchentlich

4. gerätegestützte Krankengymnastik zweimal wöchentlich

5. Wassergymnastik in der Gruppe einmal wöchentlich

gemäß des Behandlungsplanes des Dr. M. R. vom 13.12. 2018 (Anlage K 6), 05.02.2019 (Anlage K 8), 02.05.2019 (Anlage K 11) und 27.04.2020 (Anlage K 32) im tariflichen Umfang zu ersetzen.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die folgenden Behandlungsmaßnahmen (Heilmittel) in der angegebenen Frequenz:

1. manuelle Therapie mit Hausbesuch zweimal wöchentlich

2. Krankengymnastik zweimal wöchentlich

3. klassische Massagetherapie mit Hausbesuch zweimal wöchentlich

4. gerätegestützte Krankengymnastik zweimal wöchentlich

5. Wassergymnastik in der Gruppe einmal wöchentlich

gemäß des Behandlungsplanes des Dr. M. R. vom 13.12. 2018 (Anlage K 6), 05.02.2019 (Anlage K 8), 02.05.2019 (Anlage K 11) und 27.04.2020 (Anlage K 32) im tariflichen Umfang bis jedenfalls 27.04.2023 zu ersetzen.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 477,70 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 276,10 € im Zeitraum zwischen dem 04.05.2019 und 28.08.2019 sowie aus einem Betrag von 67,10 € ab dem 29.08.2019 und aus 477,70 € ab dem 09.06.2020 zu bezahlen.

III. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.171,67 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 05.07.2019 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit seiner Erwiderung vom 06.07.2020 sowie dem Schriftsatz vom 27.07.2020.

Mit Zustimmung der Parteien hat der Senat durch Beschluss vom 28.07.2020 angeordnet, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren ergeht. Innerhalb der gesetzten Frist haben der Kläger mit Schriftsatz vom 11.08.2020 und die Beklagte am 19.08.2020 ergänzend Stellung genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat vorläufig Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht.

1.

Das Teilurteil vom 13.03.2020 ist zu Unrecht ergangen, denn es haben nicht alle hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen. Dies stellt einen in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2011 − VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 19 m.w.N.), so dass es einer entsprechenden Berufungsrüge nicht bedurfte (§ 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

a)

Zwar betrifft das Teilurteil einen von mehreren mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 ZPO) und die zu Ziffer I. erhobene Feststellungsklage war aus der Sicht des Landgerichts zur Entscheidung reif.

b)

Ein Teilurteil kann jedoch nur ergehen, wenn über den hiervon betroffenen Prozessstoff unabhängig vom Rest des Streitgegenstandes entschieden werden kann. Demgemäß darf ein Teilurteil nicht erlassen werden, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht. Dies gilt insbesondere für selbständige Klageanträge, die materiell-rechtlich miteinander „verzahnt“ sind. Dabei ist auch die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21.01.2009 – XII ZR 21/07, NJW 2009, 1824 Rn. 7 und vom 24.02.2015 – VI ZR 279/14, NJW 2015, 2429 Rn. 7 jeweils m.w.N.).

So liegt der Fall auch hier. Denn es besteht die nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass das Berufungsgericht auf das Rechtmittel hin die Zulässigkeit des Klageantrags zu I. bejaht, also insbesondere ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis und ein Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für gegeben hält (hierzu ergänzend unter 2. a). Wenn dann kein Zurückverweisungsantrag gestellt wird oder das Berufungsgericht sein Ermessen dahingehend ausübt, den Rechtsstreit nicht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zurückzuverweisen, ist die Begründetheit des Feststellungantrags in zweiter Instanz zu prüfen und hierbei insbesondere zu klären, ob die geltend gemachten Behandlungsmaßnahmen nach Art und Umfang medizinisch notwendig (§ 192 Abs. 1 VVG, § 1 Abs. 2 MB/KK 2009) sowie tariflich gedeckt sind (Ziffer II. A. 3. und 4. der Tarifbedingungen; Anlage K 3). Zugleich ist der Rechtsstreit im Hinblick auf den noch in erster Instanz anhängigen Teil fortzuführen, wenn das Berufungsgericht diesen Teil – was ebenfalls in seinem Ermessen liegt und keines Antrags bedarf – nicht an sich zieht (vgl. zu dieser Möglichkeit BGH, Urteil vom 13.10 2000 – V ZR 356/99, NJW 2001, 78, 79 sowie nachfolgend unter 2. b). In einer solchen Konstellation wäre in erster Instanz bezüglich der Klageanträge zu II. und III. ebenfalls zu prüfen, ob dem Grunde und der Höhe nach ein Erstattungsanspruch wegen der geltend gemachten Behandlungskosten besteht bzw. bestanden hat.

Hierbei ist nicht sicher auszuschließen, dass die beiden Gerichte den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt anders beurteilen, zu anderen Beweisergebnissen gelangen und es folglich zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt.

Diese Gefahr entfällt entgegen der Ansicht des Beklagten weder durch die in zweiter Instanz erfolgte Klageerweiterung noch durch die behauptete deutliche zeitliche Trennung zwischen Feststellungs- und Leistungsklage. Wenn nämlich der (in die Zukunft gerichteten) Feststellungsklage stattzugeben ist, wäre der Widerspruch zu einer Abweisung der (in die Vergangenheit gerichteten) Leistungsklage nur mit einer vertraglich relevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers zu erklären. Ob eine solche eingetreten ist bzw. ob sich – wie der Beklagte behauptet – die Situation des Klägers „faktisch jeden Tag verändert“, lässt sich im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht beantworten. Die zuvor beschriebene Gefahr einander widersprechender Entscheidungen wäre somit nur dann vermieden worden, wenn das Landgericht gemäß § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit dem Teilurteil zugleich ein stattgebendes Grundurteil hinsichtlich der Klageanträge II. und III. erlassen hätte (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 437/14, NJW 2016,1648 Rn. 30).

2.

Die Sache ist daher gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO an das Gericht des ersten Rechtzuges zurückzuverweisen. Eines entsprechenden Antrags bedarf es nicht (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

a)

Über die Feststellungsklage ist eine weitere Verhandlung zur Sache erforderlich. Diese Klage ist weder zur Endentscheidung reif noch kann sie mit vertretbarem Aufwand zur Entscheidungsreife geführt werden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Feststellungsklage jedenfalls in ihrem Hilfsantrag zulässig.

aa)

Die Zulässigkeit einer auf Feststellung der Eintrittspflicht des Krankenversicherers für die Kosten einer bestimmten Heilbehandlungsmaßnahme gerichteten Klage ist – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – auf Ausnahmefälle beschränkt. Dies ergibt sich aus dem Charakter der privaten Krankenversicherung als Passivversicherung und aus dem Umstand, dass die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung als Anspruchsvoraussetzung für die Eintrittspflicht der Versicherung bezogen auf den Zeitpunkt der Behandlungsmaßnahme zu beurteilen ist. Wann einer solchen Klage die Zulässigkeit dennoch nicht versagt werden kann, ist seit einiger Zeit höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2006 – IV ZR 131/05, NJW-RR 2006, 678 Rn. 14 ff. m.w.N.):

Danach liegt ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO vor, wenn das Begehren des Klägers nicht nur auf eine künftig mögliche, sondern auf eine bereits aktuelle und bevorstehende sowie ärztlich für notwendig erachtete Behandlung gerichtet ist. Denn nur dann kann der Versicherungsvertrag der Parteien im Zeitpunkt der Klageerhebung die Grundlage bestimmter Ansprüche des Klägers bilden.

Darüber hinaus muss durch das Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Rechtsstreits zu erwarten sein. Dies erfordert die konkrete Darlegung ärztlicherseits vorgeschlagener und für erforderlich gehaltener Behandlungen.

bb)

Die beiden zuvor genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

(1)

Nach dem klägerischen Vorbringen hat die konkrete Behandlung bereits begonnen; die hierbei angefallenen Kosten sind Teil der Leistungsklage. Dieser schlüssige Klagevortrag ist für die Zulässigkeit der Feststellungsklage maßgebend, so dass von einer unmittelbar bevorstehenden weiteren Behandlung auszugehen ist.

(2)

Der Kläger hat unter Bezugnahme auf die Anlagen K 4 bis K 12 auch die Art und den Umfang der beabsichtigten Behandlungen ausführlich und konkret dargelegt. Er hat dies sowie die medizinische Erforderlichkeit unter Beweis gestellt. Damit ist ein Behandlungsplan in ausreichendem Maße vorgetragen worden (vgl. auch LG Potsdam, VersR 2009, 491; BeckOK-VVG/Gramse, § 192 Rn. 56 [Stand: 15.10.2019]). Ergänzt wird dies durch den als Anlage K 32 vorgelegten aktuellen Behandlungsplan des Herrn Dr. R.

Entgegen der vom Landgericht und von Teilen des Schrifttums (vgl. Wendt in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Aufl., § 11 Rn. 14) vertretenen Ansicht bedarf die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht zwingend der Vorlage eines Heil- und Kostenplanes. Derartiges mag für zahnmedizinische Behandlungen gelten, nicht aber für die hier im Raum stehenden physiotherapeutischen Maßnahmen. Insofern ist es ausreichend, dass der Kläger Art, Dauer und Rhythmus der einzelnen Behandlungen sowie die hierbei erwarteten Kosten (Anlage K 33) vorgetragen und unter Beweis gestellt hat.

cc)

Der Feststellungsklage steht auch nicht gänzlich entgegen, dass sie sich auf regelmäßig wiederkehrende physiotherapeutische Maßnahmen bezieht.

Zwar ist die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung wegen der sich ständig ändernden organischen Abläufe im menschlichen Körper und der fortschreitenden medizinischen Entwicklung kaum der Beurteilung für einen zukünftigen Zeitpunkt zugänglich (vgl. OLG Koblenz, r+s 2015, 613). Der Kläger hat jedoch vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass eine Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation nicht zu erwarten sei, die beschriebenen Maßnahmen ohnehin nur die „Minimallösung“ darstellten, welche für mindestens zwei Jahre erforderlich seien. Er hat der verbleibenden Unvorhersehbarkeit einer Änderung des medizinischen Zustandes schließlich dadurch Rechnung getragen, dass die Feststellungsklage zuletzt hilfsweise auf einen Zeitraum bis 27.04.2023 beschränkt worden ist. Damit ist die Feststellungsklage jedenfalls in ihrem Hilfsantrag zulässig. Weitere Fragen der erforderlichen Dauer der geltend gemachten Maßnahmen betreffen die Begründetheit der Klage und sind der Beweisaufnahme vorbehalten.

dd)

Schließlich war es nicht erforderlich, dass der Kläger seine Einkommensverhältnisse und laufenden Ausgaben näher darlegt (vgl. Gramse, aaO. mit Nachweisen zur Gegenauffassung). Zwar hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der Feststellungsklage im Bereich der privaten Krankenversicherung u.a. mit der Erwägung begründet, dass sie dem Versicherungsnehmer Schutz davor bietet, ein für ihn nicht abzuschätzendes Kostenrisiko eingehen zu müssen, obwohl eine medizinische Behandlung angesichts des Beschwerdebildes ärztlicherseits aktuell für geboten erachtet und deswegen angeraten wird (vgl. BGH, aaO Rn. 15). Dies bedeutet aber nicht, dass eine derartige Klage nur solchen Versicherungsnehmern offensteht, bei denen das genannte Risiko wegen der eigenen finanziellen Verhältnisse besonders schwer wiegt.

b)

§ 538 Abs. 2 ZPO räumt dem Berufungsgericht ein Ermessen ein („darf“; vgl. auch BGH, Urteil vom 01.02.2010 – II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048 Rn. 16). Der Senat hat im Rahmen der erforderlichen Abwägung folgendes berücksichtigt:

Zwischen den Parteien ist schon der Grund des Anspruchs streitig, hinsichtlich der Leistungsklage auch dessen Höhe. Hierüber ist, wie auch das Landgericht erkannt hat (LGU 5), Beweis zu erheben, wobei zur Frage der medizinischen Notwendigkeit voraussichtlich ein Sachverständigengutachten einzuholen sein wird. Die beweisbedürftigen Tatsachen betreffen sowohl den Klageantrag zu I. (Feststellungsklage) als auch die Klageanträge zu II. und III. (Leistungsklage). Die erhobenen Ansprüche werden aus demselben Versicherungsvertrag und denselben Rechtsgründen abgeleitet sowie auf identischen Tatsachenvortrag gestützt. Wegen des schützenswerten Interesses der Parteien an effektivem Rechtsschutz und aus prozessökonomischen Erwägungen ist grundsätzlich zu vermeiden, dass sich überschneidende Streitfragen vor unterschiedlichen Gerichten bzw. in unterschiedlichen Instanzen durch eine Beweisaufnahme geklärt werden. Es erscheint daher geboten, den gesamten Rechtsstreit vor ein und demselben Gericht fortzusetzen. Der Senat sieht davon ab, das Verfahren auch hinsichtlich der noch vor dem Landgericht anhängigen Klageanträge zu II. und III. an sich zu ziehen und gemäß § 538 Abs. 1 ZPO alle nötigen Beweise selbst zu erheben. Denn hiermit wäre keine Zeitersparnis verbunden, nachdem eine Beweisaufnahme bislang noch nicht begonnen hat. Auch entstehen durch eine solche Beweisaufnahme keine zusätzlichen Kosten, die ohne eine Zurückverweisung vermieden werden könnten. Darüber hinaus ginge den Parteien eine Tatsacheninstanz verloren und die Möglichkeit der Rechtsmittelkontrolle würde verkürzt. Diese Aspekte erscheinen in ihrer Gesamtschau so wesentlich, dass die möglichen zusätzlichen Kosten eines nochmaligen Berufungsverfahrens nach vollständigem Abschluss der ersten Instanz dahinter zurücktreten.

c)

Einer Aufhebung des gesamten Verfahrens bedarf es nicht, weil der festgestellte Verfahrensfehler nur den Erlass des Teilurteils betrifft. Eine Neuvornahme des vorausgegangenen Verfahrens im ersten Rechtszug ist nicht geboten (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 17. Aufl., § 538 Rn. 6).

3.

Ein Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist ebenfalls nicht verlasst. Hierüber ist in dem die erste Instanz abschließenden Urteil nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO mitzuentscheiden.

4.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine solche Entscheidung ist zu treffen, obwohl das vorliegende Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt enthält (vgl. OLG München, Urteil vom 18.09.2002 – 27 U 1011/01, juris Rn. 75).

5.

Die Voraussetzungen eines Teilurteils und der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO werfen im Streitfall keine höchstrichterlich noch ungeklärten Fragen auf. Die Revision gegen dieses Urteil ist daher nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

6.

Der Streitwert im Berufungsverfahren (§§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1 GKG) richtet sich nach dem Wert der Feststellungsklage. Der Kläger hat die voraussichtlichen, nicht vom Beihilfeanspruch gedeckten Kosten der streitgegenständlichen Heilbehandlungsmaßnahmen mit jährlich 7.984,60 € beziffert (Anlage K 33). Für die Feststellungsklage ist analog § 9 ZPO das 3,5-fache dieser Kosten zugrunde zu legen und hiervon der übliche Abschlag von 20 % vorzunehmen (§ 3 ZPO).

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