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Kaskoversicherung – Mehrfachversicherung für Kaskoschäden an Fahrzeug

Doppelversicherung bei Kaskoschäden an Fahrzeugen: Klarstellung eines Urteils des Amtsgerichts Berlin-Mitte

In einem kürzlich ergangenen Urteil hat das Amtsgericht Berlin-Mitte (Az.: 119 C 27/21 V) entschieden, dass eine Klägerin, die Versicherungsleistungen aufgrund eines Schadens am Fahrzeug erbracht hat, diese von der Beklagten, die ebenfalls eine Versicherung für das Fahrzeug abgeschlossen hatte, zurückfordern kann. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob im Innenverhältnis eine Doppelversicherung vorlag und ob die abredewidrige Übergabe des Fahrzeugs eine Rolle spielte.

Direkt zum Urteil Az: 119 C 27/21 V springen.

Hintergrund des Falls

Der Klägerin hatte ihrer Versicherungsnehmerin die Kosten für die Reparatur einer Frontscheibe, die durch einen Steinschlag auf der Autobahn beschädigt wurde, erstattet. Die Beklagte hatte ebenfalls eine Versicherung für das betroffene Fahrzeug abgeschlossen. Die Klägerin verlangte nun die Rückerstattung der erbrachten Leistungen in Höhe von 962,00 €.

Abredewidrige Übergabe und Doppelversicherung

Die Beklagte argumentierte, dass angesichts der abredewidrigen Übergabe des Fahrzeugs – das Fahrzeug wurde entgegen den Weisungen der Firma mit regulären Nummernschildern übergeben – es treuwidrig sei, im Innenverhältnis von einer Doppelversicherung auszugehen.

Entscheidung des Gerichts

Das Amtsgericht Berlin-Mitte entschied zugunsten der Klägerin. Das Gericht stellte fest, dass die Klage zulässig und begründet ist. Die abredewidrige Übergabe des Fahrzeugs hatte nach Ansicht des Gerichts keine Auswirkungen auf das Bestehen einer Doppelversicherung im Innenverhältnis.

Auswirkungen auf ähnliche Fälle

Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei Vorliegen einer Doppelversicherung im Innenverhältnis eine Partei die Erstattung von Versicherungsleistungen, die sie erbracht hat, von der anderen Partei verlangen kann. Die abredewidrige Übergabe eines Fahrzeugs spielt dabei keine Rolle.

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Das vorliegende Urteil

AG Berlin-Mitte – Urteil vom 05.01.2022 – Az.: 119 C 27/21 V

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 962,00 € zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 962,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ausgleich geleisteter Versicherungsleistungen.

Zwischen der Klägerin und der Firma … Kfz-Handel, …, besteht eine Handel- und Handwerkversicherung einschließlich einer Fahrzeugversicherung. Ebenso besteht eine Handel- und Handwerkversicherung zwischen der Beklagten und der Firma …

Kaskoversicherung - Mehrfachversicherung für Kaskoschäden an Fahrzeug
(Symbolfoto: mojo cp/Shutterstock.com)

Die Versicherungsnehmerin der Beklagten war im Rahmen eines Leasingsverhältnisses Leasingnehmerin und Halterin des Pkw Ford Galaxy mit dem amtlichen Kennzeichen …. Über die Beklagte bestand Vollkaskoschutz einschließlich einer Teilkaskoversicherung für das Fahrzeug. Die Firma … gab das Fahrzeug am 28.4.2016 nach Beendigung des Leasingvertrags an die Leasinggeberin … zurück. Die Firma … verkaufte das Fahrzeug mit Vertrag vom 29.4.2016 an die Versicherungsnehmerin der Klägerin. Das Fahrzeug wurde am 29.4.2016 an die Firma … Kfz-Handel übergeben. Bei der Überführung von Stuttgart zur Versicherungsnehmerin Klägerin in Ichenhausen am 2.5.2016 kam es auf der Autobahn A8 in der Nähe von Ulm durch einen Steinschlag eines nicht mehr mittelbaren Fahrzeugs zu einem Schaden am streitgegenständlichen Ford Galaxy, nämlich an der Frontscheibe. Klägerin regulierte gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin unfallbedingt erforderliche Reparaturkosten in Höhe von 1.924 €, wobei eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150 € bereits berücksichtigt ist. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde von der Firma … entgegen den Weisungen der Firma … mit den regulären Nummernschildern an die Firma … Kfz-Handel übergeben, sodass die Überführung des Fahrzeugs ohne Verwendung von roten Überführungskennzeichen erfolgte. Die Abmeldung des Fahrzeugs durch die Leasinggeberin erfolgte am 4.5.2016.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 962 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 8.8.2018 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, angesichts der abredewidrigen Übergabe des Fahrzeugs sei es treuwidrig, im Innenverhältnis vom Vorliegen einer Doppelversicherung auszugehen.

Der vom Amtsgericht Stuttgart am 3.8.2018 hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderung erlassene Mahnbescheid zum Az. 18-9072341-0-3 ist der Beklagten am 7.8.2018 zugestellt worden. Nachdem das Gericht mit Verfügung (Blatt 24 d.A.) auf die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Mitte hingewiesen hat, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.7.2021 (Blatt 50 der Akte) den Verzicht auf die Rüge der örtlichen Zuständigkeit erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Nach erklärtem Rügeverzicht ist das Amtsgericht Mitte gemäß §§ 39 S. 1, 504 ZPO zuständig.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG Anspruch auf Ausgleich gezahlter Versicherungsleistungen in Höhe von 962 €.

Für das streitgegenständliche Fahrzeug Ford Galaxy bestand zum Unfallzeitpunkt eine Mehrfachversicherung im Sinne von § 78 Abs. 1 VVG. Unstreitig waren sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Kasko- und Teilkaskoversicherer für das Fahrzeug. Als solche waren beide zur Regulierung des eingetretenen Schadens verpflichtet, wobei Anhaltspunkte für einen geringeren Haftungsumfang der Beklagten im Außenverhältnis gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Eigentümerin des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt nicht ersichtlich sind. Angesichts der vollen Haftung der beiden Versicherer im Außenverhältnis betrug die Summe der von beiden jeweils ohne das Bestehen der anderen Versicherung zu leistenden Entschädigungen das doppelte der von der Klägerin geleisteten Zahlung. Gegen das Vorliegen einer Mehrfachversicherung spricht nicht, dass die mit der Klägerin und mit der Beklagten jeweils bestehenden Versicherungsverträge durch verschiedene Versicherungsnehmer abgeschlossen worden waren (siehe Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 77 Rn. 10 m.w.N.).

Gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 VVG ist die Beklagte aufgrund des gleich hohen Haftungsumfangs im Außenverhältnis im Innenverhältnis gegenüber der Klägerin zur Erstattung der Hälfte der von der Klägerin geleisteten Entschädigung verpflichtet, sodass sich bei einer Regulierungsleistung der Klägerin in Höhe von 1.924 € der zugesprochene Betrag ergibt. Ansatzpunkte für eine abweichende Schadensteilung im Innenverhältnis sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist eine Inanspruchnahme der Klägerin nicht aufgrund der gegenüber der Versicherungsnehmerin der Beklagten abredewidrigen Übergabe des Fahrzeugs an die Versicherungsnehmerin der Klägerin durch die Leasinggeberin … mit regulärem Kennzeichen und nicht mit rotem Überführungskennzeichen oder aufgrund einer verspäteten Abmeldung des Fahrzeugs durch die … treuwidrig. Denn eine Verpflichtung der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Firma … Kfz-Handel, zur Abmeldung des Fahrzeugs oder zur Verwendung eines roten Überführungskennzeichen ist nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere nicht aus dem Kaufvertrag vom 29.4.2016. Auch Anhaltspunkte für eine Leistungsfreiheit der Beklagten aufgrund einer Obliegenheitsverletzung seitens deren Versicherungsnehmerin bzw. seitens der in deren Lager stehenden Leasinggeberin … durch die unterbliebene Verwendung eines roten Kennzeichens oder eine verspätete Abmeldung des Fahrzeugs lassen sich dem beiderseitigen Vortrag nicht entnehmen, zumal im Falle einer Leistungsfreiheit der Beklagten bereits eine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 VVG nicht gegeben wäre.

Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Berichtigungsbeschluss vom 7. Februar 2022

Das Endurteil des Amtsgerichts Mitte vom 05.01.2022 wird im Tenor wie folgt berichtigt:

Ziffer 1. des Tenors muss an Stelle von

„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 962,00 € zu zahlen.“

richtig lauten

„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 962,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.08.2018 zu zahlen.“

Gründe:

Es liegt ein offensichtliches Diktat- oder Schreibversehen vor, § 319 ZPO. Wie sich aus dem vorletzten Satz der Entscheidungsgründe auf Seite 4 des Urteils ergibt, beabsichtigte das Gericht, der Klägerseite die beantragte Klagesumme einschließlich Verzugszinsen zuzusprechen. Die entsprechende Formulierung wurde versehentlich nicht in den Tenor des Urteils aufgenommen.

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