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Kostenerstattungsanspruch gegen PKV wegen Kinderwunschbehandlung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 4/19 – Urteil vom 18.09.2019

I. Auf die Berufung [der Beklagten] des Klägers* wird das am 13. Dezember 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 224/15 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 538,78 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29. August 2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 147,56 Euro zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 8.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner am 3. November 2015 zum Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte aus einer privaten Krankheitskostenversicherung auf Erstattung von Aufwendungen für Maßnahmen anlässlich einer Kinderwunschbehandlung in Anspruch genommen.

Zwischen den Parteien besteht für den am … Januar 1970 geborenen Kläger eine private Krankheitskostenversicherung für Beihilfeberechtigte im Tarif KB30 und KB20, der im Jahre 1992 auf der Grundlage Allgemeiner Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, darunter den Musterbedingungen 1976 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 76, Bl. 55 ff. GA), abgeschlossen wurde. Der Versicherungsschutz umfasst u.a. die 50-prozentige Kostenerstattung für notwendige ambulante und stationäre Behandlungskosten, eine Selbstbeteiligung ist nicht vereinbart. Versicherungsfall ist gemäß § 1 Nr. 2 MB/KK die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Kläger lebt mit seiner am … November 1972 geborenen, bei einer anderen Gesellschaft privat krankenversicherten Lebenspartnerin in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Gemeinsame Kinder hat das Paar nicht, die Partnerin des Klägers hat ein Kind aus einer früheren Beziehung geboren. Zwischen Dezember 2014 und Juni 2015 ließen der Kläger und seine Partnerin zwei Behandlungen der Intrauterinen Insemination (IUI) und, daran anschließend, zwei Behandlungszyklen einer In-vitro-Fertilisation mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (IVF/ICSI-Behandlungen) durchführen. Hierdurch entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 11.484,20 Euro, darunter ein Betrag in Höhe von 1.077,55 Euro für die zunächst erfolgten Inseminationsbehandlungen (Anlagenkonvolut K8, Bl. 19 ff. GA; Anlagen K25 und K26, Bl. 98 ff. GA). Unter Hinweis auf eine männliche Einschränkung erbat der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 eine ausdrückliche Kostenzusage von der Beklagten. Diese bat den Kläger wiederholt um Vorlage medizinischer Unterlagen, bevor sie mit Schreiben vom 1. Juni 2015 ihre Eintrittspflicht ablehnte. Eine anwaltliche Fristsetzung vom 14. August 2015 (Bl. 41 f. GA) blieb erfolglos.

Der Kläger, der mit seiner Klage zuletzt die tarifgemäße 50-prozentige Erstattung der in Rechnung gestellten Behandlungskosten für die bereits durchgeführten IUI- und IVF/ICSI-Behandlungen geltend gemacht und darüber hinaus die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte im tarifgemäßen Umfang auch für einen weiteren Zyklus in Form einer IVF/ICSI-Behandlung eintrittspflichtig sei, hat behauptet, bei ihm liege eine gravierende Subfertilität vor, die im unbehandelten Zustand seine Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtige und gleichermaßen zur Paarsterilität führe. Aufgrund dieser fertilitätsrelevanten Beeinträchtigung, die eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten darstelle, seien die geltend gemachten Behandlungen, zunächst zwei Inseminationen (IUI-Behandlungen) und nach deren frustranen Verlauf sodann die durchgeführten IVF/ICSI-Behandlungen im streitgegenständlichen Umfang indiziert und medizinisch notwendig gewesen. Die medizinischen Erfolgsaussichten der IVF/ICSI-Behandlungen betrügen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung mindestens 15 Prozent pro Behandlungszyklus, was sich insbesondere aus dem aktuellen IVF-Register in Verbindung mit dem Alter der Partnerin des Klägers und unter Berücksichtigung der sehr günstigen individuellen Umstände des Paares ergebe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit der Behauptung, bei dem Kläger liege weder Zeugungsunfähigkeit, noch eine schwere männliche Fertilitätsstörung, sondern ein Normalzustand vor. Auch seien die streitgegenständliche Behandlungen aus der gebotenen ex ante-Sicht insgesamt nicht medizinisch notwendig gewesen und die eingereichten Rechnungen zudem in Höhe von 131,19 Euro überhöht.

Kostenerstattungsanspruch gegen  PKV wegen Kinderwunschbehandlung
(Symbolfoto: Von Chinnapong/Shutterstock.com)

Das Landgericht Saarbrücken hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht bewiesen habe, dass die streitgegenständliche Behandlungen medizinisch notwendig gewesen seien.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens sein früheres Begehren weiter. Er meint, auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen sei eine Erfolgsaussicht der IVF/ICSI-Behandlungen von mindestens 15 Prozent gegeben; diesbezüglich habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft seinen Antrag auf weitere Ergänzung des Gutachtens übergangen. Zumindest seien die für Inseminationsbehandlungen geltend gemachten Kostenpositionen der ersten vier Rechnungen in Höhe von – unstreitig – 1.077,55 Euro erstattungsfähig gewesen, für deren Notwendigkeit eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 Prozent nicht erreicht werden müsse.

Der Kläger beantragt (Bl. 324, 332 GA):

1. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Dezember 2018, Az. 14 O 224/15, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.808,06 Euro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29. August 2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenforderung in Höhe von 376,52 Euro zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.934,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen (weitere Kosten 1. + 2. IVF/ICSI-Behandlungszyklus).

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger in tarifgemäßem Umfang ärztliche Heilbehandlungskosten für Sterilitätsbehandlung in Form der IVF/ICSI-Behandlung zu erstatten, und zwar für einen weiteren Behandlungszyklus (3. Zyklus) und deren Gesamtkosten (Behandlungsmaßnahmen am Körper des Mannes, am Körper der Frau und extrakorporale Maßnahmen), welcher bis 31. Dezember 2016 durchgeführt wurde.

sowie für den Fall dass eine weitere Beweisaufnahme notwendig sein sollte,

Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Die Beklagte beantragt (Bl. 327 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 15. November 2018 (Bl. 295 ff. GA) sowie des Senats vom 28. August 2019 (Bl. 368 ff. GA) verwiesen. Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 25. Juli 2019 (Bl. 358 ff. GA) und auf das Sitzungsprotokoll vom 28. August 2019 (Bl. 368 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger kann von der Beklagten auf der Grundlage des Versicherungsvertrages im tarifgemäßen Umfang von 50 Prozent der angefallen Kosten Aufwendungsersatz für die Durchführung der streitgegenständlichen Inseminationsbehandlungen aus Dezember 2014 / Januar 2015 beanspruchen. Im Übrigen, nämlich wegen der sodann durchgeführten bzw. beabsichtigten IVF/ICSI-Behandlungen, besteht auch nach dem Ergebnis der vor dem Senat ergänzten Beweisaufnahme kein Erstattungsanspruch, weil sich deren medizinische Notwendigkeit hier nicht beweiskräftig feststellen lässt.

1.

Die Klage ist allerdings insgesamt zulässig. Dies gilt insbesondere auch, soweit der Kläger mit seinem unter Ziff. 4 angekündigten Klageantrag bis zuletzt die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Erstattung von Behandlungskosten für einen weiteren, bis zum 31. Dezember 2016 durchgeführten Behandlungszyklus verpflichtet sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Antrag nicht deshalb unzulässig, weil sich die begehrte Feststellung nicht (mehr) auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bezöge. Ohnehin kann ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses auch dann bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und die Zukunft ergeben können (BGH, Urteil vom 17. Juni 2016 – V ZR 272/15, NJW-RR 2016, 1404). Die streitgegenständliche Frage, ob die Beklagte zur Erstattung von in der Vergangenheit angefallenen Behandlungskosten verpflichtet ist, betrifft indes ihre gegenwärtige Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag. Für die Annahme eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses reicht es grundsätzlich aus, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden (BGH, Urteil vom 23. September 1987 – IVa ZR 59/86, VersR 1987, 1107, betreffend weitere Behandlungszyklen einer IVF-Behandlung). Das war hier zweifelsfrei der Fall. Wie das Landgericht richtig ausführt, war der Kläger insoweit auch nicht gehalten, seinen Anspruch nach Durchführung weiterer Behandlungen zu beziffern. Da er seinen bei Klageerhebung noch nicht bezifferbaren Anspruch auf Erstattung künftiger Behandlungskosten zulässigerweise im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht hatte, brauchte er nicht zur Leistungsklage überzugehen, soweit im Laufe des Rechtsstreits Bezifferbarkeit eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1987 – II ZR 20/87, NJW-RR 1988, 445; Senat, Urteil vom 17. August 2016 – 5 U 25/15). Soweit er in Ansehung später entstandener Aufwendungen die Klage später doch erweitert und zuletzt zwei Zahlungsanträge geltend gemacht hat, war dies mit der Klarstellung, dass damit Erstattung sämtlicher bislang eingereichter Rechnungen begehrt werde, ebenfalls zulässig (vgl. § 264 Nr. 2 ZPO).

2.

Die Klage ist jedoch nur teilweise, nämlich allein in Ansehung der Aufwendungen für die zunächst durchgeführten Inseminationsbehandlungen (IUI) begründet. Wegen der sodann durchgeführten bzw. beabsichtigten IVF/ICSI-Behandlungszyklen konnte der Kläger dagegen nicht beweisen, dass die vertraglichen Voraussetzungen, unter denen die Beklagte hierfür eintrittspflichtig wäre, im Streitfall vorliegen.

a)

Nach dem Versicherungsvertrag bietet die Beklagte dem Kläger Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse, und sie gewährt im Versicherungsfall Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Dabei ist der die Leistungspflicht der Beklagten begründende Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen; dieser beginnt mit der Heilbehandlung und endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Insoweit macht es auch keinen Unterschied, ob man – mit dem Kläger – davon ausgeht, dass der Versicherungsvertrag weiterhin auf der Grundlage der bei Vertragsabschluss im Jahre 1992 geltenden Versicherungsbedingungen, darunter die amtlich genehmigten Musterbedingungen 1976 (MB/KK 76), abgeschlossen ist, oder ob – was indes zu keiner Zeit schlüssig behauptet wurde – zwischenzeitlich die mit der Klageerwiderung vorgelegten AVB, darunter die Rahmenbedingungen 2009 (RB/KK 2009), wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Denn die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte eintrittspflichtig ist, sind in beiden Bedingungswerken identisch geregelt, so dass es hierauf nicht ankommt.

b)

Der Kläger hat nachgewiesen, dass er im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlungen, die Gegenstand der Klage sind, an einer Krankheit litt. „Krankheit“ im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Das erfasst auch eine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122; Urteil vom 15. September 2010 – IV ZR 187/07, VersR 2010, 1485). Insoweit ist allein auf die Person des Klägers abzustellen; ob – was hier aber nicht festgestellt wurde – auch bei seiner Partnerin eine Fertilitätsstörung vorliegt, ist für die Annahme, der Kläger sei „krank“, ohne Belang (BGH, Urteil vom 15. September 2010 – IV ZR 187/07, VersR 2010, 1485). Dass ein regelwidriger Zustand beim Kläger vorliegt, hat dieser auch bewiesen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen steht mit der erforderlichen Gewissheit fest (§ 286 ZPO), dass keine der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den vorgenommenen Behandlungen zwischen Juli 2014 und Juni 2015 angefertigten Ejakulatanalysen (Bl. 147 f. GA) als Normozoospermie befundet werden konnte (Bl. 150 GA). Wenngleich die Sachverständige beanstandet, dass die beiden zeitlich früheren Analysen aus der Praxis des Dr. medic. R. nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Genauigkeit durchgeführt wurden und allein die am 3. Dezember 2014 durchgeführte Analyse unter konsequenter Anwendung des WHO-Manuals erfolgte, woraus sich Konsequenzen für den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung ergeben, stellt sie doch mit der erforderlichen Eindeutigkeit fest, dass bei dem Kläger eine andrologische Subfertilität vorliegt, welche die Fortpflanzungsfähigkeit des Klägers beeinträchtigt (Bl. 156 GA). Hiervon ausgehend, bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass bei Kläger eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt, weil die bei den genannten Untersuchungen beschriebenen Messwerte einen pathologischen Befund ergeben, der zur Folge hat, dass die Fähigkeit, eine Eizelle zu befruchten, stark eingeschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – IV ZR 187/07, VersR 2010, 1485).

c)

Bei den streitgegenständlichen Behandlungen handelte es sich – was allerdings nicht im Streite steht – auch um Heilbehandlungsmaßnahmen. Als „Heilbehandlung“ ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinischen notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt. Dem wird eine ärztliche Tätigkeit, die auf Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist, gleichzuachten sein. Dabei sind die Begriffe „ärztliche Leistung“ und „medizinisch notwendige Krankenpflege“ in einem weiten Sinne zu verstehen (BGH, Urteil vom 3. März 2004 – IV ZR 25/03, BGHZ 158, 166). Insoweit ist auch nicht zwischen Behandlungsschritten zu unterscheiden, die ausschließlich am Körper des Mannes oder der Frau vorgenommen werden. Wird – wie hier – eine In-vitro-Fertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern; dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122). Entsprechendes gilt für die zunächst vorgenommenen Inseminationsbehandlungen (BGH, Urteil vom 15. September 2010 – IV ZR 187/07, VersR 2010, 1485).

d)

Der Kläger hat allerdings nicht bewiesen, dass sämtliche Heilbehandlungen, deren Erstattung er hier beansprucht, medizinisch notwendig gewesen sind. In Ansehung der zuletzt durchgeführten bzw. beabsichtigten Kinderwunschbehandlung mittels In-vitro-Fertilisation mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (IVF/ICSI-Behandlungen) verbleibt es auch nach ergänzender Beweisaufnahme vor dem Senat dabei, dass deren medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen ist. Die vorangegangenen Behandlungen der Unfruchtbarkeit des Klägers mittels Intrauteriner Insemination (IUI) sind dagegen erstattungsfähig.

aa)

Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar – zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122). Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers. Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122; Urteil vom 10. Juli 1996 – IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208). Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden. So kann es bei unheilbaren lebensbedrohlichen Erkrankungen vertretbar sein, auch Behandlungsversuche als notwendig anzusehen, die mit nicht nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel erreichen und denen notwendigerweise Versuchscharakter anhaftet (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 – IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208). Liegt hingegen – wie hier – eine leichtere, insbesondere keine lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit vor, erweist sich die in Aussicht genommene Heilbehandlung also als nicht vital lebensnotwendig und sind ihre Erfolgsaussichten in Abhängigkeit von bestimmten Voraussetzungen bereits umfangreich erforscht, so lässt erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122).

bb)

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so hat der Kläger seine Behauptung, die im Anschluss an zwei Inseminationsbehandlungen durchgeführten bzw. beabsichtigten drei Behandlungszyklen einer IVF/ICSI-Behandlung seien medizinisch notwendig gewesen, auch nach ergänzender Anhörung der Sachverständigen im Berufungsverfahren nicht bewiesen (§ 286 ZPO).

(1)

Maßgeblich für die bedingungsgemäße Notwendigkeit der streitgegenständlichen In-vitro-Fertilisations-Behandlung ist nach mittlerweile gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung zunächst, dass diese eine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung der Sterilität des Klägers darstellt (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122). Das allein besagt aber noch nicht, dass die Maßnahme auch in jedem Einzelfall ausreichend erfolgversprechend ist, um ihre bedingungsgemäße Notwendigkeit zu bejahen. Vielmehr hat das Gericht insoweit unter Hinzuziehung sachverständiger Hilfe die ausreichende Erfolgsaussicht der Maßnahme zu beurteilen, wobei zunächst von der im sog. „IVF-Register“ dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau auszugehen ist, während in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, inwieweit individuelle Faktoren ihre Einordnung in die ihrem Lebensalter entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind, als die im IVF-Register für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte es ausweisen. Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung ist – vorbehaltlich einer etwaigen, auf der zweiten Stufe vorzunehmenden Korrektur – dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 Prozent nicht mehr erreicht wird (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122; strenger noch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1986 – IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228: 15-20 Prozent).

(2)

Vorliegend kann danach auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der weiteren Beweisaufnahme nicht von einer medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten IVF/ICSI-Behandlungszyklen ausgegangen werden.

(a)

Nach den auf die Daten des Deutschen IVF-Registers gestützten Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung in Gestalt der Herbeiführung einer Schwangerschaft bei Anwendung der gebotenen ex-ante-Betrachtung hier mit 13,7 Prozent zu beziffern (Bl. 155 GA). Aus dem – maßgeblichen – Jahrbuch des IVF-Registers für 2014 (dort Seite 25) folgt nämlich, dass in der Altersgruppe der 42jährigen Patientinnen, unabhängig von der Anzahl der transferierten Embryonen, bei 13,7 Prozent pro durchgeführtem Embryonentransfer eine Schwangerschaft erzielt werden konnte (Bl. 196 GA). Das erreicht nicht die von der Rechtsprechung für erforderlich erachtete Erfolgswahrscheinlichkeit von – zuletzt – mindestens 15 Prozent. Nicht entscheidend ist für diese Beurteilung, dass – wie der Kläger erneut mit der Berufung einwendet – bei seiner Partnerin sowohl beim ersten als auch beim zweiten Behandlungszyklus von den entnommenen Eizellen am Ende jeweils zwei Embryonen transferiert werden konnten. Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung kommt es auf die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung an (BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122). Geboten ist also – wovon auch die Sachverständige ausgeht – eine ex-ante-Betrachtung aus der Sicht des Behandlers. Spätere – bessere – Erkenntnisse können eine zuvor erfolgte (auch: negative) Prognose deshalb nicht nachträglich korrigieren. Wie die Sachverständige schon erstinstanzlich unter Beachtung dieses ihr vom Landgericht zutreffend vorgegebenen Beurteilungsmaßstabes ausgeführt und anlässlich der Erläuterung des Gutachtens vor dem Senat wiederholt hat, wird jedoch erst nach der erfolgreichen Hormonstimulation, Eizellentnahme und Befruchtung – mithin nach Beginn der Behandlung – erkennbar, ob bei der betroffenen Patientin nur ein Embryo oder zwei oder drei oder auch keine Embryonen zur Verfügung stehen werden, weshalb ihres Erachtens die im Falle des Transfers von zwei Embryonen günstigere Prognose nicht a priori zugrunde gelegt werden kann. Der Senat schließt sich dieser in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Argumentation an. Solange nicht von vornherein davon ausgegangen werden muss, dass eine bestimmte Mindestanzahl von Embryonen transferiert werden kann und ggf. auch ein völliges Scheitern der Behandlung in Rede steht, kann eine sachgerechte Erfolgsprognose der medizinischen Notwendigkeit nur unter der Annahme erfolgen, dass ein einzelner Embryotransfer mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 Prozent oder mehr zur gewünschten Schwangerschaft führt (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122).

(b)

Individuelle Umstände, die es hier rechtfertigen könnten, die persönlichen Erfolgsaussichten im Streitfall höher einzuschätzen, als die im IVF-Register für die Altersgruppe der Partnerin des Klägers ermittelten, hier unterhalb von 15 Prozent liegenden Durchschnittswerte, liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Insoweit kann zwar zugrunde gelegt werden, dass bei der Partnerin des Klägers keine negativen Faktoren, insbesondere keine Störung der Eileiterfunktion oder -durchgängigkeit vorlagen, weil solches anlässlich von Untersuchungen vor Durchführung der Maßnahmen nicht festgestellt wurde. Ein solcher Normalbefund ist nach den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen jedoch kein Argument, die Erfolgswahrscheinlichkeit abweichend zu bemessen. Entsprechendes gilt für weitere Parameter wie den sog. „AMH-Wert“, der sich bei der Partnerin des Klägers auf 2,01 belief und damit im Normalbereich lag, sowie für den AFC-Wert, dessen Aussagekraft umstritten ist (Bl. 372 GA). Dass die Partnerin des Klägers bereits eine Tochter geboren hat, rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Solches wäre nur dann positiv zu werten, wenn – wie die Sachverständige erläutert hat – die Schwangerschaft in einem Zeitraum von 2 bis 5 Jahren vor der streitgegenständlichen Behandlung vorgelegen hätte (Bl. 372 GA). Dies ist hier nicht der Fall, nachdem die Geburt des ersten Kindes nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits im Jahr 2001 erfolgt war, mithin mehr als 10 Jahre zuvor. Andererseits hat die Sachverständige bis zuletzt eine Reihe an kritischen Faktoren hervorgehoben, die gegen eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit sprechen. Sie hat es als auffällig bezeichnet, dass die Anzahl der bei der Partnerin des Klägers gewonnenen Eizellen (jeweils 6) unterhalb des bundesdeutschen Durchschnitts liege, der den publizierten Daten des IVF-Registers 2014 zu entnehmen sei und der sich auf 9,1 Eizellen pro Behandlungsversuch belaufen habe. Auch die Befruchtungsrate, die bei 30 Prozent gelegen habe, sei deutlich niedriger als der publizierte Durchschnitt, der 59 Prozent betrage (Bl. 154, 370 GA). Berücksichtigt man all diese Umstände, so sind ausreichende Gründe, die eine Korrektur der statistischen Erfolgswahrscheinlichkeit von 13,7 Prozent rechtfertigen könnten, hier nicht vorhanden. Bei all dem vermag der Senat deshalb nicht die Überzeugung davon zu gewinnen, dass die geltend gemachten IVF/ICSI-Behandlungen medizinisch notwendig gewesen sind; aus diesem Grunde scheitert die Klage, soweit Ersatz von Aufwendungen für diese Behandlungen begehrt wird.

cc)

Dagegen sind die im Vorfeld durchgeführten Inseminationsbehandlungen, die das Landgericht unbeachtet gelassen hat und die nach den nicht bestrittenen Angaben des Klägers den Kostenpositionen 1 bis 4 gemäß Anlage K7 (Bl. 19 GA) in Höhe von insgesamt 1.077,55 Euro entsprechen, medizinisch notwendig gewesen; sie sind deshalb von der Beklagten tarifgemäß in hälftiger Höhe (= 538,78 Euro) zu erstatten.

(1)

Die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Inseminationsbehandlung ist im Ansatz nach denselben Grundsätzen zu beantworten wie die der bereits erörterten IVF/ICSI-Behandlung (OLG Köln, Urteil vom 24. August 2012 – 20 U 150/11, juris). Auch insoweit ist daher zunächst maßgeblich, ob die angewandte Methode zur Überwindung der Sterilität anerkannt ist, was für die Inseminationsbehandlung als reproduktionsmedizinische Maßnahme unzweifelhaft der Fall ist, und zum anderen, ob sie im konkreten Einzelfall ausreichend erfolgversprechend ist. Dabei ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass reproduktionsmedizinische Maßnahmen nicht vital lebensnotwendig sind und daher erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen lässt, eine Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2005 – IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122). Der Senat folgt hierzu der Ansicht, dass die für die Behandlung im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (IVF) mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) geforderte Erfolgswahrscheinlichkeit von zumindest 15 Prozent auf die Inseminationsbehandlung nicht unbesehen übertragen werden kann (so auch OLG Köln, a.a.O.; a.A. Brömmelmeyer, in: Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar VVG 3. Auf., § 192 Rn. 28). Das begründet sich damit, dass – wie die Sachverständige in ihrer mündlichen Erläuterung für den Senat nachvollziehbar ausgeführt hat – die Erfolgsaussichten bei einer Insemination grundsätzlich anders zu bewerten sind und konkrete statistische Werte weder mit derselben Genauigkeit wie bei IVF/ICSI-Behandlungen erhoben werden noch überhaupt etabliert sind (Bl. 373 GA). Deshalb erachtet es der Senat insoweit für entscheidend, ob in Bezug auf den Kläger und seine Partnerin individuelle Faktoren vorliegen, die nach sachverständigen Feststellungen – im Vergleich zum Durchschnitt – die Annahme einer höheren oder niedrigeren Erfolgswahrscheinlichkeit rechtfertigen, wobei maßgebliche Kriterien insbesondere das Alter der Ehefrau, die beabsichtigte Art der Behandlung (mit oder ohne zusätzliche Stimulation), die Ejakulatqualität oder die Funktionsfähigkeit der Eileiter sein können (vgl. OLG Köln a.a.O.).

(2)

Im Streitfall kann nach Auffassung des – sachverständig beratenen – Senats für die zwischen Dezember 2014 und März 2015 beim Kläger und dessen Partnerin durchgeführten Inseminationsbehandlungen die zur Bejahung medizinischer Notwendigkeit erforderliche Erfolgswahrscheinlichkeit festgestellt werden. Bei Berücksichtigung sämtlicher individueller Faktoren war die Vornahmen dieser Behandlungen im maßgeblichen Zeitpunkt aus medizinischer Sicht vertretbar. Wie die Sachverständige in ihrer Gutachtenergänzung ausgeführt hat, folgt aus Studien, die sich mit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft nach einer Inseminationsbehandlung befassen, und die Frauen mit einem Alter von größer 38 betreffen, eine statistische Erfolgswahrscheinlichkeit von 12 Prozent, wenn – wie hier – keine begleitende Therapie mit Hormoninjektion erfolgt ist. Die Sachverständige hat allerdings ausgeführt, dass dieser Wert mit Vorsicht zu betrachten ist, weil die Datenlage hier ungenauer ist; zudem hat sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Zeitpunkt, zu dem die Prognose einer erfolgreichen Schwangerschaft erfolgt, hier ein anderer ist, als bezüglich der Erfolgswahrscheinlichkeit einer IVF/ICSI-Behandlung, und daher aus Gründen der Vergleichbarkeit nach oben korrigiert werden müsste (Bl. 359 f., 373 GA). Besonders günstig falle bei dieser Behandlung ins Gewicht, dass die Partnerin des Klägers auf beiden Seiten durchgängige Eileiter hatte. Auch der seinerzeit erhobene AMH-Wert spreche dafür, dass sie bei dem statistischen Durchschnittswert von 12 Prozent einzuordnen sei (Bl. 373 GA). Bei dieser Sachlage sei die zunächst erfolgte IUI-Behandlung aus der gebotenen ex-ante-Sicht erfolgversprechend gewesen (Bl. 359 GA). Der Senat schließt sich dieser nachvollziehbaren Beurteilung der IUI-Behandlung, die auch schon in dem in erster Instanz vorgelegten Ausgangsgutachten (dort Seite 13) als „aussichtsreiche, jedoch risikoärmere und weniger invasive geeignete Therapie“ bezeichnet worden war, an. Die in jeder Hinsicht durchschnittliche Einordnung der Partnerin des Klägers bei im Übrigen guten Voraussetzungen ohne erkennbare negative Faktoren ließen es hier als in jeder Hinsicht vertretbar erscheinen, die Behandlung als medizinisch notwendige anzusehen. Die dadurch veranlassten Kosten sind deshalb von der Beklagten tarifgemäß zu erstatten.

3.

Der Anspruch auf die Nebenforderungen beruht auf den §§ 280, 286, 288 BGB. Die Beklagte befand sich seit ihrer mit Schreiben vom 1. Juni 2015 ausgesprochenen Leistungsablehnung im Verzug, so dass Zinsen auf die bestehende Forderung des Klägers jedenfalls ab 29. August 2015 geschuldet werden (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO). Zu den erstattungsfähigen Verzugsschäden zählen auch die Kosten der nach Verzugseintritt erfolgten außergerichtlichen Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers (eine 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. 20,- Euro Auslagenpauschale und Umsatzsteuer), die sich mit Blick auf die Höhe der berechtigten Forderung des Klägers unter Ansatz eines Gegenstandswertes von bis zu 1.000,- Euro errechnen und folglich 147,56 Euro (brutto) betragen.

4.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. August 2019 darauf hinweist, dass ihr der Schriftsatz des Klägers vom 16. August 2019, mit dem dieser zum Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Stellung genommen hat, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung zugegangen sei, stand dieser Umstand einer Entscheidung durch den Senat nicht entgegen. Neues tatsächliches Vorbringen enthält dieser Schriftsatz ohnehin nicht; im Übrigen sind die darin erhobenen Einwendungen des Klägers gegen das Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Gründe, die eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen könnten (vgl. § 156 ZPO), zeigt die Beklagte nicht auf; solche sind auch nicht erkennbar.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 3, 4 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Fußnoten *)

Berichtigt durch Senatsbeschluss vom 30. September 2019 – 5 U 4/18.

10. für versicherungsrechtsiegen.de

Brandschaden – Ausgleichsanspruch gegen Haftpflichtversicherung eines Mieters nach Regulierung

LG Darmstadt

Az.: 11 O 89/18

Urteil vom 18.09.2019

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.462,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht als Gebäudeversicherer gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer Ausgleichsansprüche nach dem „Teilungsabkommen Mieterregress zwischen Gebäude – und Allgemeinen Haftpflichtversicherern und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)“ (Anlage K 1, Bl. 11ff. d.A.) geltend.

Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen.

A ist Eigentümer eines in der [Anschrift] gelegenen Mehrparteienhauses.

B, der in einer der Wohnungen in dem Anwesen zur Miete wohnt, hat mit der Beklagten einen Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen.

Die Parteien sind Mitglieder des „Teilungsabkommens Mieterregress zwischen Gebäude – und Allgemeinen Haftpflichtversicherern und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) (Anlage K 1, Bl. 11 ff.d.A.).

Nach § 3 dieses Abkommens beteiligt sich der Haftpflichtversicherer bei Schäden über 2.500,00 € mit einer Quote von 50% am Entschädigungsbetrag, wenn der Gebäudeversicherer Tatsachen darlegt, „die keinen ernsthaften Zweifel an dem rechtswidrigen, objektiv fahrlässigen und ursächlichen Pflichtverstoß des Mieters zulassen“ (§ 2 des Abkommens).

Am 9.2.2015 kam es in der Mittagszeit zu einem Brand in der von B angemieteten Wohnung.

B, der Raucher ist, hatte seine Wohnung gegen 12.15 Uhr verlassen und stellte bei seiner Rückkehr um 15.00 Uhr einen Brand fest. Der Brand war im Bereich der linken Seite des Sofas im Wohnzimmer ausgebrochen. Gestänge der ursprünglich über dem Sofa befestigten Kerzenhalter wurden innerhalb des Federkerns des Sofas und unter dem Sofa gefunden. Es wurden außerdem zwei Kerzen gefunden, von denen eine leicht angeschmolzen war.

Zu dem Brandgeschehen fanden amtliche Ermittlungen statt. Der KOK P untersuchte den Brandort und kam in dem Brandortbericht vom 10.2.2015 zu dem Ergebnis, dass im Wege des Ausschlussverfahrens allein menschliches Handeln für den Brandausbruch in Betracht komme. Einbruchsspuren wurden nicht festgestellt. Elektrokabel wurden als Brandursache ausgeschlossen, weil diese unbeschädigt waren. Über der Fußbodenleiste hinter dem Sofa wurden Schmauchspuren festgestellt.

Der Brandschaden in Höhe von 40.924,41 € wurde von der Klägerin reguliert.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 28.9.2015 auf, binnen vier Wochen die Hälfte des regulierten Betrages, mithin 20.462,21 € an die Klägerin zu zahlen.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Hälfte dieses Betrages.

Die Klägerin behauptet, A habe bei ihr für das streitgegenständlich Anwesen eine Gebäudehaftpflichtversicherung abgeschlossen (Anlage K 2, Bl. 83ff. d.A.). Die Untersuchungen hätten ergeben, dass allein menschliches Handeln als Brandursache in Betracht komme und allein B Zugang zum Schadensort habe. Das Brandgeschehen sei daher auf sein Verhalten zurückzuführen. Daher bestünden keine Zweifel daran, dass er das Brandgeschehen mindestens fahrlässig herbeigeführt habe. Es liege nahe, dass B Kerzen im linken Bereich des Sofas habe brennen lassen oder dort geraucht habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 20.462,21 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, B habe nie im Wohnzimmer geraucht. Die Kerzen hätten ausschließlich als Wandschmuck gedient und seien nie angezündet worden. Im Übrigen spreche der Umstand, dass die Rückenlehne des Sofas bis ganz unten abgebrannt sei, gegen die Annahme, die Polsterbezug sei durch herabfallende Zigarettenasche oder Kerzen in Brand gesetzt worden. Denn ein Brand bereite sich der Thermik folgend zu 90% nach oben aus. Gegen eine Ausdehnung des Brandes an der Rückseite des Sofas nach unten spreche auch der Umstand, dass das Sofa an der Wand gestanden habe. Im Zuge der Sanierungsarbeiten sei außerdem ein weiteres Kabel zum Vorschein gekommen, das sich hinter der Abschlussleiste des Fußbodens befunden habe. In dem Zusammenhang sei auffällig, dass man ausweislich des Brandortberichtes Schmauchspuren direkt über der Fußleiste hinter dem Sofa entdeckt habe. Die Beklagte meint, auf Grund der Aussagen des B sei ein Umgang mit offenem Feuer auszuschließen. Daher komme nur das Kabel hinter der Leiste als Brandursache in Betracht.

Das Gericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft […], Az. […], beigezogen und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2018 (Bl. 136ff. d.A.) und das Gutachten des Sachverständigen Dr. U.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat auf Grund des „Teilungsabkommens Mieterregress zwischen Gebäude– und Allgemeinen Haftpflichtversicherern“ einen Anspruch auf Ersatz von 50% des von ihr regulierten Schadenbetrages, das heißt auf Zahlung von 20.462,51 €.

Das Teilungsabkommen regelt u.a. Ausgleichs– und Regressansprüche des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters bei einem von dem Mieter verursachten Feuerschaden (§ 1 des Teilungsabkommens).

Nach § 2 Nr. 1a) des Teilungsabkommens muss der Gebäudeversicherer „Tatsachen darlegen, die keinen ernsthaften Zweifel an dem rechtswidrigen, objektiv fahrlässigen und ursächlichen Pflichtverstoß“ des Mieters zulassen. Der Nachweis der subjektiven Komponente des Verschuldens ist nicht erforderlich (§ 2 Nr. 1 Satz 3 des Teilungsabkommens).

Nach § 3 des Teilungsabkommens beteiligt sich der Haftpflichtversicherer bei von einem haftpflichtversicherten Mieter objektiv fahrlässig verursachten Feuerschäden über 2.500,00 € und bis zum 100.000,00 € am Entschädigungsbetrag mit einer Quote von 50%.

Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch auf Ausgleich von 50% des geleisteten Entschädigungsbetrages sind vorliegend gegeben:

a) Das Teilungsabkommen ist vorliegend anwendbar, da sowohl die Klägerin als auch die Beklagte diesem Teilungsabkommen beigetreten sind.

b) Ausweislich des als Anlage K 2 vorgelegten Versicherungsvertrages unterhält A bei der Klägerin eine Gebäudehaftpflichtversicherung für das streitgegenständliche Anwesen [Anschrift]. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Mieters, B, in dessen Wohnung es zu dem Brand gekommen ist.

c) Im Hinblick auf die Frage der Brandverursachung gelten vorliegend die vom BGH im Mietrecht entwickelten und auch in der vorliegenden Konstellation anwendbaren Grundsätze der Sphärentheorie. Danach wird die Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen aufgeteilt: Scheidet eine Schadensursache im Einfluss – und Herrschaftsbereich des Vermieters aus, obliegt es dem Mieter, nachweisen, dass die Schadensursache nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt. Diese Grundsätze sind gleichermaßen anwendbar, wenn der ausgleichpflichtige Gebäudeversicherer Zahlung vom ausgleichpflichtigen Haftpflichtversicherer verlangt (vgl. OLG Koblenz, NJOZ 2009, 3968; OLG Sachsen- Anhalt, Urteil vom 19.2.2016, – 19.2.2015 –, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend von einer Schadensursache im Bereich des Mieters auszugehen.

Die Klägerin hat dargelegt und bewiesen, dass die Brandursache nicht in den Verantwortungsbereich des Vermieters fällt. Denn nach dem Brandortbericht (Bl. 5ff. der Ermittlungsakte) konnten in dem Bereich, in dem das Feuer entstanden ist, keine elektrischen Anschlüsse oder Geräte festgestellt werden. Nach den Feststellungen in dem Bericht kommt deshalb als Brandauslösung nur menschliches Handeln in Betracht. Auch nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen, denen sich das Gericht anschließt, ist von einer Brandverursachung im Bereich der Sitzfläche des Sofas auszugehen. Das Sofa gehört aber nicht zum Einfluss- und Herrschaftsbereich des Vermieters. Eine Schadensursache im Einfluss- und Herrschaftsbereich des Vermieters ist daher ausgeschlossen.

Der Beklagten ist es nicht gelungen, nachzuweisen, dass die Schadensursache nicht in den Verantwortungsbereich des Mieters fällt.

Zwar hat die Beklagte behauptet, im Zuge der Sanierungsarbeiten sei ein Kabel hinter der Fußleiste entdeckt worden, das brandursächlich geworden sein könnte. Der hierzu vernommene Zeuge B hat auch bestätigt, dass ihm von dem Elektriker mitgeteilt worden sei, dass in dem Bereich, in dem der Brand entstanden sei, hinter der Fußleiste ein Kabel vorhanden gewesen sei.

Allerdings ist es der Beklagten nicht gelungen, zu beweisen, dass dieses Kabel brandursächlich gewesen sein kann. Denn nach den umfassenden und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen wäre bei einer Brandausbreitung von hinten unten aus Richtung Fußleiste auf das Sofa eine Brandeinwirkung auch auf den hinteren unteren Teil der Sitzflächenunterseite zu erwarten gewesen. Darüber hinaus weist die Brandzehrung nach den Feststellungen des Sachverständigen an der Rückenlehne eine scharfe Abgrenzung entlang eines Holzteils des Sofarahmens auf. Dieses Rahmenteil kann aber, so der Sachverständige, nur dann eine abschirmende Wirkung entfaltet haben (wie geschehen), wenn der Brand im Bereich der Sitzfläche entstanden und sich Richtung Rückenteil ausgebreitet hat, nicht aber, wenn der Brand im Bereich der Fußleiste entstanden und auf den Bezugsstoff übertragen worden wäre. Wenn es, so der Sachverständige weiter, an einer Elektroleitung hinter der Fußleiste zu einem Kurzschluss und infolgedessen zu einem Brand gekommen wäre, wäre zunächst die Fußleiste in Brand geraten. Angesichts des Abbrandzustandes des Sofas hätte es dann aber zu einer Durchbrennung der Fußleiste oder jedenfalls zu massiven Brandzehrungen an der Leiste führen müssen. Das war aber vorliegend nicht der Fall.

Es bestehen daher keine ernsthaften Zweifel an einer Schadensverursachung, die in die Sphäre des Mieters fällt.

d) Nicht erforderlich ist der Nachweis, dass der Zeuge B schuldhaft gehandelt hat (§ 2 Nr. 1 Satz 3 des Teilungsabkommens).

e) Die Klägerin hat den dem Eigentümer durch den Brand entstandenen Schaden in Höhe von 40.924,41 € reguliert. 50% hiervon sind 20.462,21 €.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286, 288 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 20.462,21 €

 

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