Alkohol am Steuer: Haftungsausschluss im Leasingvertrag unter der Lupe
In einem bemerkenswerten Fall hat das Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden, dass ein Leasingnehmer, der einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss verursacht hat, nicht von der Haftungsfreistellung des Leasingvertrags profitieren kann. Der Fall dreht sich um die Anwendbarkeit der Grundsätze des § 81 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) auf Leasingverträge, insbesondere im Kontext von Kasko-Schutz und Haftungsfreistellung. Das Hauptproblem liegt in der Frage, ob der Leasingnehmer trotz hoher Blutalkoholkonzentration (BAK) von der Haftungsfreistellung profitieren kann, die im Leasingvertrag vereinbart wurde.
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Übersicht
Der Fall: Unfall unter Alkoholeinfluss
Die Klägerin, Eigentümerin und Leasinggeberin des beschädigten Fahrzeugs, verklagte den Beklagten, der das Auto im Rahmen eines Leasingvertrags nutzte und einen Unfall verursachte. Der Beklagte hatte eine BAK von über 3 Promille und kollidierte mit einer Hauswand. Er verließ den Unfallort, ohne die notwendigen Feststellungen zu ermöglichen. Der Schaden am Fahrzeug und am Haus war erheblich.
Die Leasingbedingungen und der Kasko-Schutz
Im Leasingvertrag war ein spezieller Kasko-Schutz vereinbart, der den Leasingnehmer unter bestimmten Bedingungen von der Haftung freistellt. Allerdings war in den Bedingungen festgelegt, dass dieser Schutz nicht gilt, wenn der Schaden durch den Genuss alkoholischer Getränke verursacht wurde. Die Klägerin argumentierte, dass der Beklagte den Unfall im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit verursacht habe und deshalb nicht von der Haftungsfreistellung profitieren könne.
Die Argumente des Beklagten
Der Beklagte wandte ein, dass der Kaskoversicherer der Klägerin den Schaden bereits reguliert habe und er daher nicht haftbar sei. Zudem argumentierte er, dass ihm kein Schuldvorwurf zu machen sei, da er sich nur fahrlässig betrunken habe. Er berief sich auf die Haftungsfreistellung im Leasingvertrag und argumentierte, dass diese auch zu seinen Gunsten wirke.
Das Urteil und seine Auswirkungen
Das Gericht wies die Berufung des Beklagten zurück und entschied, dass die Haftungsfreistellung im Leasingvertrag nicht für Schäden gilt, die durch den Genuss alkoholischer Getränke verursacht wurden. Das Urteil macht deutlich, dass Leasingnehmer, die einen Unfall unter Alkoholeinfluss verursachen, nicht automatisch von der Haftungsfreistellung im Leasingvertrag profitieren können. Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltung von Leasingverträgen und die Praxis der Haftungsfreistellung haben.
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Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 4 U 140/21 – Urteil vom 19.01.2023
Leitsatz
Zur Anwendbarkeit der im Rahmen des § 81 VVG entwickelten Grundsätze auf eine leasingvertragliche Bestimmung, wonach die im Übrigen vereinbarte Haftungsfreistellung des Leasingnehmers für unfallbedingte Schäden an dem geleasten Kraftfahrzeug (hier: BB-Kaskoschutz) dann nicht gilt, wenn dieser den Schaden infolge des Genusses alkoholischer Getränke herbeigeführt hat.(Rn.58) (Rn.59) (Rn.60)
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 22.10.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (1 O 7/21) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
3. Dieses Urteil sowie das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Ansprüche wegen der Beschädigung eines Fahrzeugs durch den Beklagten im Rahmen eines Verkehrsunfalls geltend.
Die Klägerin war im Unfallzeitpunkt Eigentümerin und Leasinggeberin des Pkw VT Tiguan mit dem amtlichen Kennzeichen … Leasingnehmerin war die H. C. GmbH, die das Fahrzeug dem bei ihr beschäftigten Beklagten zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt hatte.
Der Beklagte befuhr am 21.07.2019 gegen 12.40 Uhr mit dem oben bezeichneten Pkw die … Straße in Heusweiler aus Richtung Holz kommend und bog nach rechts in die … Straße ab. Hierbei kam er ohne Fremdeinwirkung nach links von der Fahrbahn ab und kollidierte mit der Hauswand des Anwesens … Straße …. An dem Haus entstand ein Sachschaden von 7.125 € netto. Der Pkw der Klägerin wurde im Frontbereich erheblich beschädigt. Der Beklagte entfernte sich anschließend vom Unfallort, ohne Feststellungen zu ermöglichen.
Ausweislich des von der Klägerin eingeholten Gutachtens der T. R. S.- u. W. GmbH vom 11.09.2019 (Anlage K2, Anlagenband) beläuft sich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 23.697,48 € netto bei einem Restwert von 11.175,63 € netto. Der hieraus resultierende unstreitige Wiederbeschaffungsaufwand ist Gegenstand des Klageantrags zu 1 nebst Abschleppkosten von 187,50 € (Anlage K3, Anlagenband) sowie einer Kostenpauschale von 30 €.
Eine bei dem Beklagten am Unfalltag um 14.16 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,19 Promille. Bei einer weiteren Blutprobe um 14.46 Uhr wurde ein BAK-Mittelwert von 3,07 Promille festgestellt.
Der Beklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20.05.2020 (Az. 130 Cs 68 Js 1005/19 (11/20)) zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 40 € wegen fahrlässigen Vollrausches (§ 323a StGB) verurteilt (Anlage K1, Anlagenband).
Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 25.06.2020 unter Fristsetzung bis zum 16.07.2020 vergeblich zur Zahlung des Klagebetrags auf; auch auf ein weiteres Schreiben vom 17.08.2020 (Anlage K4, Anlagenband) reagierte der Beklagte nicht.
Für das streitgegenständliche Fahrzeug war in Ergänzung zu den Leasingbedingungen der Klägerin als weitere Dienstleistung ein „Kasko-Schutz Großkunde“ vereinbart (vgl. Leasingbestätigung vom 16.03.2018, Anlage K6, Bl. 34 ff. d.A.). Dies beinhaltete einen Schadenservice, Notfallmanagement und den sog. Kasko-Schutz als Dienstleistungspaket (Bl. 34 d.A.). Hierfür galten die als Anlage 5 (Bl. 22 ff. d.A.) vorgelegten „Besonderen Bedingungen für die Dienstleistung Kasko-Schutz“, die auszugsweise wie folgt lauten:
I. Haftungsfreistellung und Verhältnis zur Vollkaskoversicherung
1. Haftungsfreistellung
Abweichend von Ziffer XI.1 und XVI.3 der Leasingbedingungen für Geschäftsfahrzeuge bzw. Ziffer I.10 und I.14c) der Groß-/Sonderkunden-Leasingbedingungen wird bei Einschluss der Dienstleistung Kasko-Schutz im Rahmen der nachfolgenden Bedingungen die Haftung des Leasingnehmers für bestimmte Schäden am Leasingfahrzeug (vgl. Ziff. II) durch Zahlung eines besonderen Entgeltes ausgeschlossen (vertragliche Haftungsfreistellung).
(…)
II. Schadensereignisse, die vom Kasko-Schutz umfasst sind
(…)
Schadenfälle infolge der Ereignisse h) und i) sind vom VollKasko-Schutz umfasst:
h) Unfall (…)
III. Umfang der Kasko-Schutzleistung und Selbstbeteiligung
(…)
2. Haftungsfreistellung und Kostenübernahme
Die Kasko-Schutzleistung besteht in einer Freistellung von der leasingvertraglichen Haftung einerseits und einer Übernahme von bestimmten Kosten andererseits, im nachfolgend beschriebenen Umfang:
(…)
IV.
(…)
2. Nicht vom Kasko-Schutz umfasste Schäden:
a) Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
Kein Kasko-Schutz besteht für Schäden, die vorsätzlich herbeigeführt werden.
Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens verzichtet der Leasinggeber dem Leasingnehmer gegenüber in der Voll- und Teilkaskodeckung auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit. Der Verzicht gilt zugunsten eines leasingvertraglich zur Nutzung berechtigten Fahrers entsprechend.
Der Verzicht gilt nicht bei Entwendung des Fahrzeugs und bei Herbeiführung des Kasko-Schutzfalles infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel. In diesem Fall ist der Leasinggeber berechtigt, die Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.“
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe zum Unfallzeitpunkt eine BAK von 3,07 Promille gehabt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne sich nicht auf den – der Regelung des § 81 Abs. 2 VVG nachempfundenen – Haftungsausschluss in Ziffer IV 2a der Kasko-Schutz-Bedingungen berufen, da er den Unfall im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit verursacht habe. Nach gesicherter Rechtsprechung sei bei einem infolge Fahruntüchtigkeit herbeigeführten Unfall in der Regel eine Kürzung der Haftungsfreistellung des Versicherers um 100 % angemessen.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 12.793,35 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 17.08.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 805,20 € zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, der Kaskoversicherer der Klägerin habe den Unfallschaden bereits reguliert, weshalb er gemeint hat, die Klägerin könne weiteren Schadensersatz nicht geltend machen. Zudem hat er die Ansicht vertreten, mit Blick auf das Entfallen einer Schadensersatzpflicht im Verhältnis zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin (der Leasingnehmerin), die nicht innerhalb der in § 15 des Arbeitsvertrags geregelten Ausschlussfrist Klage erhoben habe, könne die Klägerin sich nur an die Leasingnehmerin als ihre Vertragspartnerin halten.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihm sei bezüglich der Fahrt unter Alkoholeinfluss kein Schuldvorwurf zu machen, sondern es könne ihm allenfalls vorgeworfen werden, dass er sich fahrlässig betrunken habe. Nach den Kasko-Schutz-Bedingungen der Klägerin bestehe damit kein Anspruch gegen den Beklagten. Die im „Kaskovertrag“ geregelte Haftungsfreistellung wirke auch zu seinen Gunsten. Nach Maßgabe des § 827 BGB sei anzunehmen, dass er den Schaden fahrlässig verursacht habe. Bei normaler Fahrlässigkeit bestehe jedoch eine Haftungsfreistellung.
Mit Urteil vom 22.10.2021 (Bl. 69 ff. d.A.) hat das Landgericht im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 24.09.2021 den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 12.788,35 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 805,20 € zu zahlen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt. Er rügt, das Landgericht habe den vorgetragenen Sachverhalt falsch gewürdigt. Seine Blutalkoholkonzentration sei im Zeitpunkt des Unfalls deutlich höher als der vom Landgericht angenommene Wert von 3,07 bis 3,19 Promille gewesen. Sie habe in Wirklichkeit bei 3,55 Promille gelegen. Bei Annahme eines nur geringen Abbaus des Alkohols von 0,1 Promille pro Stunde habe eine BAK von 3,34 Promille zum Zeitpunkt des Unfalls vorgelegen. Ausgehend von den Blutuntersuchungen sei jedoch im konkreten Fall von einer Abbaugeschwindigkeit von 0,24 Promille pro Stunde auszugehen. Zurückgerechnet auf den Unfallzeitpunkt ergebe dies – worauf der Beklagte bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 15.04.2021 hingewiesen habe – eine BAK von 3,55 Promille. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Schuldunfähigkeit des Beklagten zum Unfallzeitpunkt unstreitig gewesen sei, sondern habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin dies im Schriftsatz vom 13.07.2021 bestritten habe. Darin habe die Klägerin jedoch lediglich eine (nicht bindende) rechtliche Einschätzung dargetan.
Auf der Grundlage seiner somit unstreitig anzunehmenden Schuldunfähigkeit im Unfallzeitpunkt hätte das Landgericht, so der Beklagte, seine Haftung nur dann bejahen dürfen, wenn der Klägerin der Nachweis gelungen wäre, dass er den Schaden grob fahrlässig verursacht habe. Nach der vom Landgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lasse sich eine grobe Fahrlässigkeit nicht aus dem Umstand herleiten, dass ein Fahrer seinen Wagen im Zustand der Schuldunfähigkeit gesteuert habe. Hierzu fehle jedoch jeglicher Vortrag der Klägerin.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22.10.2021, Az. 1 O 7/21, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für richtig. Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht unstreitig gestellt, dass der Beklagte schuldunfähig gewesen sei, sondern lediglich vorgetragen, dass es darauf nicht ankomme. Die Klägerin weist darauf hin, dass der Beklagte auch nicht im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vorgetragen habe, ob und welche Maßnahmen er getroffen habe, um zu verhindern, dass er seine spätere Fahrt im alkoholisierten Zustand angetreten oder fortgesetzt habe, in deren Verlauf es später zum Eintritt des Schadens gekommen sei.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 25.6.2021 (Bl. 42 ff. d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift des Senats vom 01.12.2022 (Bl. 116 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Beklagten günstigere Entscheidung.
1.
Das Landgericht hat angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB zustehe. Insbesondere könne der Beklagte sich im Ergebnis nicht auf die in den Kaskobedingungen der Klägerin enthaltene Haftungsbeschränkung des berechtigten Fahrers berufen. Denn der Beklagte habe den Unfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke grob fahrlässig herbeigeführt mit der Folge, dass die Klägerin gemäß Ziffer IV 2.a) der Kaskobedingungen berechtigt sei, die Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Dies führe im vorliegenden Fall zu einer vollumfänglichen Haftung des Beklagten. Von einer – von der Klägerin jedenfalls mit Schriftsatz vom 13.07.2021 bestrittenen – Schuldunfähigkeit des Beklagten im Unfallzeitpunkt könne nicht ausgegangen werden, da der Beklagte abgesehen von der festgestellten BAK von 3,07-3,19 Promille nicht weiter zu seiner Schuldunfähigkeit vorgetragen bzw. Beweis angeboten habe. Außerdem habe er seiner sekundären Darlegungslast dazu nicht genügt, ob und welche Maßnahmen er getroffen gehabt habe, um zu verhindern, dass er eine Fahrt in alkoholisierten Zustand antrete oder fortsetze. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, insbesondere der ganz erheblichen Alkoholisierung, sei eine Kürzung der Haftungsfreistellung auf null angemessen.
2.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Berufung stand. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Voraussetzungen der im Leasingvertrag geregelten Haftungsfreistellung sind nicht erfüllt.
a.
Die Klägerin kann ihr Schadensersatzbegehren nicht auf § 7 Abs. 1 StVG stützen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs dem Eigentümer gegenüber nicht aus § 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz eines Schadens am Kraftfahrzeug. Nach dem Schutzzweck der Norm ist unter der Sache im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG nur eine vom Fahrzeug verschiedene Sache zu verstehen, nicht dagegen das Fahrzeug selbst. Die verschärfte Haftung des Kraftfahrzeughalters bezweckt nur, Dritte vor den ihnen aufgezwungenen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs zu schützen. Damit wäre eine Haftung des Leasingnehmers gegenüber dem Leasinggeber allein aufgrund dessen Eigentums nicht zu vereinbaren. Der Zweck der Gefährdungshaftung, andere Verkehrsteilnehmer vor von dem Kfz ausgehenden Gefahren zu schützen, kann hier nicht eingreifen; anders verhält es sich nur, wenn der Eigentümer durch das Kfz körperlich geschädigt wird (BGH, Urteil vom 07.12.2010 – VI ZR 288/09 –, juris Rn. 9 ff.; Greger in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl. 2021, Rn. 21.15; Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 7 StVG (Stand: 01.12.2021) Rn. 257). Damit haftet der Beklagte, dem das Fahrzeug von seiner Arbeitgeberin (der Leasingnehmerin) zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen worden war, nicht als Halter gegenüber der Klägerin als der Fahrzeugeigentümerin.
b.
Vertragliche Ansprüche der Klägerin wegen der Beschädigung des Fahrzeugs scheiden ebenfalls aus, da der Beklagte nicht Partei des Leasingvertrags war.
c.
Die Klägerin kann jedoch, wie das Landgericht richtig angenommen hat, den Beklagten auf der Grundlage einer deliktischen (Verschuldens-)Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen:
(1)
Der Beklagte hat als Fahrer des streitgegenständlichen Pkw im Unfallzeitpunkt das Eigentum der Klägerin an dem Fahrzeug verletzt, indem er in stark alkoholisiertem Zustand und ohne Fremdeinwirkung in einer Kurve die Gewalt über das Fahrzeug verlor und infolgedessen mit einer Hauswand kollidierte.
(2)
Einer deliktischen Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Leasingnehmerin und Arbeitgeberin des Beklagten davon abgesehen hat, binnen der in dem Arbeitsvertrag in § 15 geregelten Ausschlussfristen Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfall zu erheben. Auf den genauen Inhalt der zwischen dem Beklagten und seiner Arbeitgeberin getroffenen Vereinbarungen, der im vorliegenden Rechtsstreit nicht näher dargelegt worden ist (vgl. lediglich das Schreiben vom 02.10.2019, Bl. 14 ff. d.A.), kommt es hierbei nicht streitentscheidend an. Denn selbst wenn – aus welchen Gründen auch immer – die Leasingnehmerin auf die Geltendmachung eigener Ansprüche gegenüber dem Beklagten verzichtet oder zumindest versäumt hätte, solche geltend zu machen, wirkt dies nicht zulasten der Klägerin. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt und wird von dem Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht angezweifelt.
(3)
Ebenfalls unerheblich ist, ob für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen war. Der Beklagte ist für die pauschal in den Raum gestellte Behauptung, der Schaden der Klägerin sei durch eine Vollkaskoversicherung bereits beglichen worden – was für die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin relevant sein könnte (§ 86 VVG) –, beweisfällig geblieben.
(4)
Die Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB ist nicht nach § 827 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
(a)
Gemäß § 827 Satz 1 BGB ist, wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, für den Schaden nicht verantwortlich. Soweit das Verschuldensprinzip gilt, ist die Zurechnungsfähigkeit des Schädigers Haftungsvoraussetzung. Dadurch wird ein subjektives Korrektiv zum objektiven Sorgfaltsmaßstab geschaffen. In Ausprägung dieses Grundsatzes schließen die §§ 827 Satz 1, 828 BGB bei Zurechnungsunfähigkeit die zivilrechtliche Verantwortlichkeit aus (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 827 Rn. 1). Im Fall einer im Raum stehenden alkoholbedingten Bewusstseinsstörung stellt der Grad der Blutalkoholkonzentration ein wichtiges Indiz für eine Deliktsunfähigkeit dar. Einen Grenzwert für die Unzurechnungsfähigkeit, die auch nicht mit der Fahruntüchtigkeit gleichgesetzt werden darf, gibt es allerdings nicht, denn die Alkoholtoleranz kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die individuelle Alkoholtoleranz und -gewöhnung, körperliche und seelische Verfassung, Zeit, Menge und Art der vorangegangenen Nahrungsaufnahme, aber auch das Verhalten des Schädigers vor und nach der Tat (vgl. MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 827 Rn. 8; Wilhelmi in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 827 Rn. 2; Staudinger/Oechsler (2021) BGB § 827 Rn 13f., jeweils m.w.N.).
Wer sich auf die Unzurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt beruft, trägt dafür die Beweislast (BGH, Urteil vom 13.12.2006 – IV ZR 252/05 –, juris Rn. 18). Schon aus der negativen Formulierung des § 827 Satz 1 BGB („nicht verantwortlich“) folgt, dass das Gesetz im Regelfall die Zurechnungsfähigkeit vermutet. Der Täter kann auch viel eher als der Geschädigte die maßgeblichen Einzelumstände aufdecken und über diese Beweis führen (Staudinger/Oechsler (2021) BGB § 827 Rn. 19).
Selbst wenn eine Tat in einem Zustand rauschbedingter Unzurechnungsfähigkeit begangen wurde, kann der Schädiger verantwortlich sein, wenn ihn hinsichtlich des Herbeiführens dieses Zustands ein Schuldvorwurf trifft (§ 827 Satz 2 BGB). Auch hier obliegt dem Schädiger angesichts der negativen Formulierung des § 827 Satz 2 Halbs. 2 BGB der Entlastungsbeweis, er muss also den Nachweis führen, dass er schuldlos in einen Rauschzustand geraten ist. Das bedeutet: Steht fest, dass der Schädiger Alkohol oder andere Narkotika zu sich genommen hatte, wird – widerlegbar – vermutet, dass dies schuldhaft geschah, und darüber hinaus fingiert, dass der Unfall ohne den Rausch nicht eingetreten wäre (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 827 Rn. 15).
Neben dem Tatbestand des § 827 Satz 2 BGB kann – kumulativ oder alternativ – eine Haftung nach den Grundsätzen der actio libera in causa in Betracht kommen. Auch hier wird der Anknüpfungspunkt für die Haftung vorverlagert. Der Täter muss zu einem Zeitpunkt, in dem er noch schuldfähig war, mit der Möglichkeit gerechnet haben, im Zustand der Schuldunfähigkeit eine unerlaubte Handlung zu begehen. Wenn er dann tatsächlich eine Handlung der voraussehbaren Art begangen hat, knüpft der Schuldvorwurf daran an, dass er sich (vorsätzlich oder fahrlässig) in einen solchen Zustand begeben bzw. keine Vorkehrungen zur Verhinderung entsprechender Handlungen getroffen hat. Anders als bei § 827 Satz 2 BGB genügt hier das Verschulden im Hinblick auf die Auslösung des Zustands der Unzurechnungsfähigkeit nicht, sondern es muss darüber hinaus auch die spätere Tat vorhersehbar gewesen sein. Soweit § 827 Satz 2 BGB erfüllt ist, mithin bei alkohol-, drogen- oder medikamentenbedingten Zuständen der Unzurechnungsfähigkeit, bedarf es des Rückgriffs auf die Figur der actio libera in causa nicht mehr, sodass es auf die Voraussehbarkeit der begangenen Tat nicht ankommt (Wellenhofer in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, Stand: 01.10.2022, § 827 Rn. 25 f.).
(b)
Im Streitfall kann dahinstehen, ob die starke Alkoholisierung des Beklagten zum Unfallzeitpunkt dessen freie Willensbestimmung im Sinne des § 827 Satz 1 BGB ausschloss. Denn jedenfalls haftet er gemäß § 827 Satz 2 BGB, weil er sich – insoweit unstreitig – selbst durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen (hier unterstellten) vorübergehenden Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt hatte und er nicht dargetan und nicht bewiesen hat, ohne Verschulden in einen solchen Zustand geraten zu sein.
Ohne dass es darauf im vorliegenden Zusammenhang ankäme, wäre eine Haftung des Beklagten auch nach den Grundsätzen der actio libera in causa begründet, weil den Kläger sowohl mit Blick auf das Konsumieren von zu einem Blutalkoholgehalt von rund 3 Promille führenden Alkoholmengen als auch die Vorhersehbarkeit einer späteren Trunkenheitsfahrt und der damit verbundenen Gefahren der Vorwurf – sogar grober – Fahrlässigkeit zu machen ist. Nach eigenem Vortrag (Bl. 13 und 117 d.A.) ist der Beklagte ein – derzeit „trockener“ – Alkoholiker. Der Unfall ereignete sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2022, nachdem der Beklagte von seiner Frau verlassen worden war; er fuhr mit dem streitgegenständlichen Pkw in ein Lokal in Heusweiler und trank dort; sodann setzte er sich erneut ans Steuer, wobei offenbar unmittelbar anschließend – im Ortsbereich von Heusweiler – um 12.40 Uhr der Unfall geschah (Bl. 117 d.A.). In den Gründen des Strafurteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 20.05.2020 (Anlage K1, Anlagenband) ist hierzu ausgeführt: „Ihre Fahruntüchtigkeit hätten Sie bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Wegen Ihrer erheblichen Alkoholisierung mussten sie auch mit der Möglichkeit eines von Ihnen im Zustand der Fahruntüchtigkeit verursachten Verkehrsunfalles und seiner Folgen rechnen“. Dem Strafurteil ist ferner zu entnehmen, dass der Beklagte den Tatvorwurf des § 323a StGB in der Hauptverhandlung eingeräumt hatte (Seite 4 des Urteils). Wenngleich im zivilrechtlichen Haftungsprozess keine Bindung des Gerichts an die im Strafprozess getroffenen Feststellungen besteht, können die Akten eines Strafverfahrens und das rechtskräftige Strafurteil grundsätzlich als Beweisurkunden im Zivilprozess herangezogen werden (BGH, Beschluss vom 24.01.2012 – VI ZR 132/10 –, juris Rn. 3). Der Senat ist aufgrund der dort getroffenen Feststellungen und unter Berücksichtigung des eigenen Vorbringens des Beklagten davon überzeugt, dass sich diesem, als er am Unfalltag in einer Situation besonderer seelischer Belastung mit einem Kraftfahrzeug zu einer Gaststätte fuhr und dort zu trinken begann, die Möglichkeit aufdrängte, dass er sich später im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit erneut ans Steuer setzen und dabei möglicherweise einen Unfall verursachen würde. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte selbst – so die Angaben seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2022 – sich nicht als alkoholkrank betrachtet haben mag, weil er „eigentlich seiner Arbeit noch nachgehen“ konnte (Bl. 117 d.A.). Der Beklagte muss bei lebensnaher Betrachtung jedenfalls um seine Neigung zu übermäßigem Alkoholkonsum gewusst haben. Indem er sich gleichwohl im Bewusstsein, dass er noch den Heimweg zu bewältigen haben würde und dass sein eigenes Fahrzeug fahrbereit vor der Tür stand, zum (Weiter-)Trinken entschloss, hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders grobem Maße verletzt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31.05.2000 – 20 U 231/99 –, juris Rn. 9). Der Beklagte selbst behauptet nicht, irgendwelche Maßnahmen getroffen zu haben, um sicherzustellen, dass es zu einer Benutzung des Fahrzeugs durch ihn nicht mehr kommen würde.
(5)
Der nach dieser Maßgabe zu bejahenden Haftung des Beklagten im Verhältnis zur Klägerin als Eigentümerin des Fahrzeugs steht die in dem Leasingvertrag geregelte Haftungsfreistellung des Leasingnehmers gemäß Ziffer I.1 der „Besonderen Bedingungen für die Dienstleistung Kasko-Schutz“ (im Folgenden: BB-Kasko-Schutz, Bl. 22 ff. d.A.) nicht entgegen.
(a)
Gemäß Ziff. I.1, II. h, II.2 BB-Kasko-Schutz ist der Leasingnehmer von einer vertraglichen Haftung für Schadenfälle infolge eines Unfalls grundsätzlich freigestellt ( Bl. 22 d.A.). Die Schutzwirkung dieser vertraglichen Haftungsfreistellung kommt auch dem aus Delikt in Anspruch genommenen Beklagten zugute (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 328 Rn. 14, 20). Sie gilt nach Ziff. IV.2.a Satz 1 BB-Kasko-Schutz nicht für vorsätzlich herbeigeführte Schäden. Nach Ziff. IV.2.a Sätze 2 und 3 BB-Kasko-Schutz „verzichtet“ der Leasinggeber gegenüber dem Leasingnehmer sowie dem leasingvertraglich zur Nutzung berechtigten Fahrer „bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens in der Voll- und Teilkaskodeckung auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit“. Dies soll nicht gelten – unter anderem – bei „Herbeiführung des Kasko-Schutzfalles infolge des Genusses alkoholischer Getränke“; der Leasinggeber soll dann berechtigt sein, „die Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen“ (Ziff. IV.2.a Sätze 4 und 5 BB-Kasko-Schutz).
(b)
Diese Vertragsbedingungen sind ersichtlich an die versicherungsvertragsrechtliche Regelung des § 81 VVG angelehnt. Auch nach § 81 Abs. 2 VVG ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn dieser den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Für die Beweislast gilt dort: Der Versicherer muss die Herbeiführung des Versicherungsfalls – also auch die Kausalität des Verhaltens des Versicherungsnehmers für den Eintritt des Versicherungsfalles – und das Verschulden des Versicherungsnehmers beweisen. Der Versicherer muss grundsätzlich auch den Nachweis führen, dass die subjektive Seite der groben Fahrlässigkeit vorliegt. Aus dem objektiven Sachverhalt können jedoch Schlüsse auf das Vorliegen der subjektiven Seite der groben Fahrlässigkeit gezogen werden. Im Bereich der Fahruntüchtigkeit kann der Kausalitätsbeweis mittels des Anscheinsbeweises geführt werden. Für die Frage der Schuldfähigkeit gilt die Beweisregelung des § 827 S. 1 BGB entsprechend, so dass die Beweislast für einen Zustand der Schuldunfähigkeit beim Versicherungsnehmer liegt. Bei Trunkenheitsfahrten kann das Verschulden auch an ein zeitlich vorangehendes Verhalten des Versicherungsnehmers anknüpfen. Rechnete der Versicherungsnehmer oder musste er damit rechnen, dass er später unter Alkoholeinfluss mit einem Fahrzeug fahren würde, so setzt der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles bereits zu diesem Zeitpunkt an. Den Versicherungsnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht in grob fahrlässiger Weise die entsprechenden Vorkehrungen unterlassen hat. § 827 Satz 2 BGB gilt insoweit entsprechend (siehe Burmann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 81 Rn. 27-30, m.w.N.; Burmann/Heß in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Stand: Juni 2022, Kap. 7 IV; Heß in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 16 Rn. 116; a.A. Loschelders in: MünchKommVVG, 3. Aufl., 2022, § 81 Rn. 104: lediglich sekundäre Darlegungslast des Versicherungsnehmers).
(c)
Der Senat hält es für sachgerecht – worauf im Termin vom 01.12.2022 bereits hingewiesen wurde – die vorstehend dargelegten Grundsätze zur Anwendung des § 81 VVG heranzuziehen für die Beurteilung der im Streitfall relevanten Frage, ob die (deliktische) Haftung des Beklagten nach den oben wiedergegebenen Klauseln der BB-Kasko-Schutz ausgeschlossen ist.
Sie ist zu verneinen.
Der Beklagte hat den Schaden grob fahrlässig im Sinne von Ziff. IV.2.a Satz 4 BB-Kasko-Schutz herbeigeführt.
(aa)
Er hat den streitgegenständlichen Unfall im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit (anzunehmen ab 1,1 Promille) verursacht. Der Beklagte, der nähere Angaben zum Unfallhergang nicht gemacht hat, hat den hieraus folgenden Anscheinsbeweis für einen Kausalzusammenhang zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und Unfall nicht erschüttert (zum Anscheinsbeweis Maier in: Langheid/Wandt, MünchKommVVG, 2. Aufl. 2017, § 81 Rn. 76).
(bb)
Der Beklagte handelte auch grob fahrlässig. Der Begriff ist hier im selben Sinne zu verstehen wie in der als Vorbild der Klausel dienenden gesetzlichen Regelung des § 81 VVG (vgl. Koch in: Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2018, A.2 Kaskoversicherung, Rn. 727). Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich großen Maße verletzt und nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Grobe Fahrlässigkeit liegt nahe, wenn der Versicherte wusste oder durch einfache und naheliegende Überlegungen hätte erkennen können, dass sein Verhalten geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls zu fördern. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des eingetretenen Schadens offenkundig so groß sein, dass es ohne Weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich verübte in Betracht zu ziehen. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, handelt grundsätzlich objektiv und subjektiv grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 22.06.2011 – IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 11; BGH, Urteil vom 22.02.1989 – IVa ZR 274/87 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 23.01.1985 – IVa ZR 128/83 -, Rn. 9, juris; KG Berlin, Urteil vom 03.05.2022 – 6 U 39/21; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.12.2022 – 5 U 22/22 –, juris Rn. 32). Der Beklagte hat den – nach dem oben Gesagten ihm obliegenden – Beweis einer Unzurechnungsfähigkeit nicht geführt und sich auch nicht analog § 827 Satz 2 Halbs. 2 BGB vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit entlastet. Das gilt sowohl für das Unfallgeschehen als solches als auch für das zeitlich vorangegangene Geschehen, bei dem der Beklagte es versäumt hat, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung der Trunkenheitsfahrt zu treffen, obwohl er damit rechnete oder rechnen musste, dass er später unter Alkoholeinfluss mit seinem Kfz fahren und möglicherweise einen Unfall verursachen würde.
Selbst wenn man die Beweislast für ein fehlendes (grobes) Verschulden bei der Klägerin sehen und dem Beklagten lediglich eine sekundäre Darlegungslast auferlegen wollte (in diesem Sinne Looschelders in: MünchKommVVG, 3. Auflage 2022, § 81 Rn. 104), gälte nichts Anderes. Trotz expliziter Hinweise des Landgerichts sowie des Senats hat der Beklagte weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren in diesem Zusammenhang etwas vorgetragen.
(6)
Der Höhe nach haftet der Beklagte in vollem Umfang für die der Klägerin bei dem Unfall entstandenen Schäden:
Nach der maßgeblichen Regelung in Ziff. IV.2 a) Satz 4 und 5 BB-Kasko-Schutz ist – ebenso wie bei § 81 Abs. 2 VVG – für den Umfang der Haftung die Schwere des Verschuldens des Beklagten maßgeblich. Bei der Kürzung einer Versicherungsleistung gemäß § 81 Abs. 2 VVG sind sämtliche Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Eine Leistungskürzung des Versicherers auf null wird in Ausnahmefällen als möglich erachtet, insbesondere bei der Herbeiführung eines Verkehrsunfalls im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit. Denn das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand zählt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (BGH, Urteil vom 22.06.2011 – IV ZR 225/10, juris; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 09.09.2022 – 5 U 2/22 – juris Rn. 32; OLG Hamm, Beschluss vom 17.07.2021 – 20 U 29/21, juris).
Nach dieser Maßgabe ist es angesichts der hier in Rede stehenden Alkoholisierung (im Unfallzeitpunkt rund 3 Promille, also deutlich im Bereich absoluter Fahruntüchtigkeit) nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es bei einer vollen Haftung des Beklagten belassen hat.
3.
Die Höhe des Schadens steht im Berufungsverfahren außer Streit. Die Zinsforderung beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 805,20 € netto stellen gemäß § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzende Schadensfolgen dar, da sie aus sachgerechten und vernünftigen Maßnahmen der Rechtsverfolgung erwachsen sind. Dieser Betrag setzt sich, ausgehend von einem berechtigten Gegenstandswert von 12.788,35 €, zusammen aus einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung in Höhe von 785,20 € sowie einer Kostenpauschale gemäß Nr. 7001, 7002 VV RVG in Höhe von 20 €; gesetzliche Umsatzsteuer hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.