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Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag – Streit nach Widerruf und Kündigung

AG Rosenheim, Az.: 8 C 2076/17, Urteil vom 14.02.2018

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 15.9.2017, Az. 17-5708158-0-6 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 642,40 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag nach streitigem Widerruf/Kündigung.

Der Beklagte beantragte zum 20.6.2016 bei der … eine Versicherung für den Pkw BMW amtl. Kennzeichen … . Mit der elektronischen Versicherungsbestätigung wurde durch den Beklagten die Zulassung des Fahrzeugs ab dem 20.06.2016 bewirkt. Den Versicherungsschein vom 05.09.2016 übersandte die Versicherung an den Beklagten. Im unmittelbaren Anschluss an den Eingang des Versicherungsscheines führte die Versicherung die Lastschrift mit dem Jahresbeitrag vom Girokonto des Beklagten durch, der Beklagte widersprach und ließ die Lastschrift zurückbuchen. Im Abschnitt C.1.3 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AKB ist vereinbart:

„Rücktritt bei nicht rechtzeitiger Zahlung.

Außerdem können wir vom Vertrag zurücktreten, solange der Beitrag nicht gezahlt ist. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn Sie die verspätete Zahlung nicht zu vertreten haben. Nach dem Rücktritt können wir von Ihnen eine Geschäftsgebühr verlangen. Diese richtet sich nach der Zeit zwischen den beantragten Beginn des Versicherungsschutzes und unserem Rücktritt. Beträgt die Dauer bis zu

  • einem Monat, berechnen wir 15 % des Jahresbeitrags
  • zwei Monaten, berechnen wir 25 % des Jahresbeitrags,
  • drei Monaten, berechnen wir 30 % des Jahresbeitrags,
  • vier Monaten und darüber, berechnen wir 40 % des Jahresbeitrags.“
Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag – Streit nach Widerruf und Kündigung
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Die Versicherung erklärte am 01.11.2016 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag mit der Begründung des nicht bezahlten Erstbeitrags. Aufgrund des zum Vertragsbeginn rückwirkenden Vertragsrücktritts übersandte die Versicherung die Anzeige an die Zulassungsstelle, dass der Versicherungsschutz zum 20.06.2016 erloschen sei. Die Klägerin ist von der Versicherung bevollmächtigt, im eigenen Namen die gegenständliche Beitragsforderung gerichtlich geltend zu machen.

Die Klägerin trägt insbesondere vor, die geltend gemachte Geschäftsgebühr gemäß der Versicherungsbedingungen sei vom Beklagten nach dem wirksamen Rücktritt geschuldet. Ein Widerruf sei vor dem Rücktritt nicht eingegangen, das Fahrzeug offensichtlich erst ab dem 20.11.2016 anderweitig versichert worden.

Die Klägerin beantragt, den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten und insoweit den Beklagten zur Zahlung des Beitragsrückstandes in Höhe von 642,40 € zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, am 9.9.2017 den Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein versandt zu haben und auf seinen schriftlichen Widerspruch keinerlei Reaktion der Versicherung erhalten zu haben. Da er noch an die Versicherung geglaubt habe, da er bis zu diesem Zeitpunkt auch bei einem früheren Vertrag keine Probleme mit der Versicherung gehabt habe, habe er keine weiteren Schritte unternommen, erst nachdem er im November 2016 von der Zulassungsstelle mitgeteilt bekommen habe, dass die Versicherung zum 20.06.2016 erloschen sei.

Mit Verfügung 03.11.2017 wies das Gericht darauf hin, dass nach dem Bestreiten der Angemessenheit der Höhe des geltend gemachten Anspruchs die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast hierfür zu tragen habe, die Vereinbarung C.1.3 AKB hinsichtlich ihrer Wirksamkeit der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Mit weiterem Hinweis 14.11.2017 präzisierte das Gericht seinen Hinweis dahingehend, dass nach den Berechnungen des Gerichts die Geschäftsgebühr nach den Versicherungsbedingungen bis zu einer Versicherungsdauer von ca. 4,8 Monaten den anteilsmäßigen Versicherungsbeitrag jeweils überschreiten dürfte und damit auch im vorliegenden Fall der geltend gemachte Beitrag jedenfalls die reguläre Versicherungsprämie überschreiten würde.

Die Klägerin legt diesbezüglich dar, der Versicherer sei zu der Zeit, in der das Fahrzeug mit einer Versicherungsbestätigungskarte zugelassen gewesen sei, gegenüber geschädigten Dritten in der Haftung gewesen. Der Umstand, dass sich ein Schaden nicht ereignet hatte, schmälere die geltend gemachte Geschäftsgebühr nicht. Obwohl das Fahrzeug länger als vier Monate zum öffentlichen Verkehr angemeldet gewesen sei, beschränke sich die Geschäftsgebühr auf 40 % des Jahresbeitrags. Bei der Geltendmachung der Geschäftsgebühr würden die im Versicherungsschein dokumentierten Berechnungsgrundlagen und Tarifmerkmale wie Laufleistung, Typklasse und Regionalklasse sowie die besonders günstige Schadensfreiheitsklasse zugrunde gelegt; Anhaltspunkte für eine günstigere Einstufung lägen nicht vor. Die Klägerin legte weiter dar, die Versicherungssteuer von 19 % sei nicht in Rechnung gestellt, sodass der Beklagte durch die Erhebung der Geschäftsgebühr von 40 % des Jahresbeitrags deutlich besser gestellt sei als bei Erhebung eines anteiligen Versicherungsbeitrags. Bei 140 Tagen wären so als Versicherungsprämie 733,04 € anfallen.

Am 17.01.2018 wurde zur Hauptsache verhandelt. Hinsichtlich der weiteren vorgetragenen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze mitsamt Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht nach Rücktritt der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Die Wirkungen der Rückabwicklung des Vertrags bemessen sich nach den Rechtsfolgen des Rücktritts der Versicherung; der von der Klägerin bis zuletzt ausreichend mit Nichtwissen bestrittene Widerruf des Beklagten ist von dem Beklagten nicht ausreichend unter Beweis gestellt worden; soweit der Beklagte vortrug, er habe ein Einschreiben mit Rückschein versandt, hat er keine Sendebestätigung oder ähnlich vorgelegt, sodass der Beklagte beweisfällig blieb. Die Begründung der Rückbuchung der Lastschrift mit dem einzigen Wort „Widerspruch“ genügt der Textform aufgrund der Zweideutigkeit der Erklärung, die sich auch gegen die Lastschrift als solche richten kann, nicht. Die außergerichtliche Kommunikation, dass ein Widerruf früher erfolgt sei, konnte jedenfalls keinen wirksamen Widerruf bewirken, da zu diesem Zeitpunkt der Rücktritt bereits wirksam erklärt war.

Aus § 39 Abs. 1 S. 3 VVG ist ersichtlich, dass bei Rücktritt und Rückabwicklung gemäß § 37 Abs. 1 VVG dem Versicherer für Versicherungsperioden, in denen kein Versicherungsschutz bestanden hat, keine Prämie zusteht. Der Versicherer ist zu einer Leistung nicht verpflichtet gemäß § 37 Abs. 2, soweit der Versicherungsnehmer die Nichtzahlung nicht zu vertreten hat. Gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 kann jedoch eine angemessene Geschäftsgebühr verlangt werden.

Die Vorschrift des § 309 Nr. 5a BGB ist anwendbar, soweit die angemessene Geschäftsgebühr gemäß § 39 VVG geltend gemacht wird (Marcopoulos, zur Bestimmung der angemessenen Geschäftsgebühr bei der Rückabwicklung von Versicherungsverträgen, r+s 2013, S. 114). Demnach ist eine Klausel unwirksam, wenn der Verwender einen pauschalierten Anspruch auf Schadensersatz geltend macht und die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Die Geschäftsgebühr muss sich vielmehr an den Verwaltungskosten des Versicherers orientieren (Amtsgericht Arnsberg, Urteil vom 17.04.2007, Az. 3 C 519/06, NJW-RR 2017, 1254). Aufgrund der streitgegenständlich unstreitigen Höhe der geltend gemachten Geschäftsgebühr ist diese offensichtlich höher als nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Kosten. Diese Geschäftsgebühr mag zwar mangels Erhebung der Versicherungssteuer geringer sein als die entsprechende anteilige Jahresprämie, dies ist jedoch nicht alleiniger Maßstab. So ist ersichtlich, dass die Versicherung durch die Erhebung der Geschäftsgebühr jedenfalls im konkreten Fall besser gestellt ist, als wenn der Versicherungsvertrag regulär durchgeführt worden wäre. Die Versicherung selbst muss keine Versicherungssteuer abführen, sodass der geltend gemachte Betrag voll bei ihr verbleiben würde. Zudem hätte die Versicherung im Fall eines von der Versicherung im Außenverhältnis umfaßten Schadenseintritts, den sie bei Bestand einer Versicherung im Innenverhältnis grundsätzlich hätte alleine tragen müssen, einen Regressanspruch gegenüber den Beklagten, selbst wenn sie zuvor im Außenverhältnis gegenüber Dritten für die Zeit der vorläufigen Versicherung hätte einstehen müssen. Die Haftung nach außen hätte sie jedoch auch im Falle der Nichterklärung des Rücktritts zu tragen gehabt, hierfür wäre die Versicherungsprämie kalkuliert gewesen. Auf den gerichtlichen Hinweis hin sind keine Umstände dargelegt oder ersichtlich gemacht worden, die den Anfall von Kosten aufzeigen, die die kalkulierten Versicherungsrisiken einschließlich Verwaltungsaufwand übersteigen würden.

Die Höhe des Wertersatzes nach Rücktritt für den Versicherungsschutz im Außenverhältnis sind im Hinblick auf §§ 346 ff BGB offensichtlich nicht hinreichend dargelegt, der Vortrag diesbezüglich nicht hinreichend substantiiert. Auch die sehr allgemein gehaltenen Ausführungen zur Kalkulation der Geschäftsgebühr genügen nicht. Insbesondere kann, aufgrund Haftungsfreistellung nur im Außenverhältnis, nicht die Gegenleistung gem. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB zugrundegelegt werden. Die Geschäftsgebühr wird vom Gericht nicht im Rahmen eines als Ausforschungsbeweis wirkenden Sachverständigengutachtens ermittelt. Darlegungs- und beweispflichtig wäre die Klagepartei, entsprechend dem Hinweis des Gerichts. Auch kann das Gericht nicht gemäß § 287 ZPO schätzen, solange die Klägerin nicht ansatzweise eine konkrete Berechnung darlegt.

Nicht entscheidungserheblich sind die vorgetragenen Gründe des Beklagten dafür, die Erstprämie rückbuchen zu lassen; der Inhalt der Vereinbarung im Versicherungsvertrag, ob eine jährliche oder monatliche Lastschrift hat erfolgen sollen, kann dahinstehen, denn jedenfalls hatte der Beklagte die Erstprämie auch nicht anteilig bezahlt, sodass mit der Rückbuchung der Beklagte die Nichtzahlung der Erstprämie zu vertreten hatte und der Rücktritt erklärt werden konnte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.

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