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Gebäudeversicherung auf Ersatz für Sturmschäden

Beweis des Vorliegens eines Sturms.

LG Magdeburg – Az.: 11 O 2008/11 – Urteil vom 01.11.2012

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 46.431,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14. August 2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.641,96 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 18. Januar 2012 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Gebäude-Sturm-Versicherung in Anspruch.

Der Kläger ist als Landwirt tätig und ist Eigentümer des Grundstücks „Straße der F 14 in … L“. Die Parteien sind über eine mit Wirkung vom 01. November 2007 abgeschlossene „Landwirtschaftliche Versicherung“ miteinander verbunden, zu der ausweislich des Versicherungsscheins vom 12. November 2007 neben einer Gebäude-Feuer-Versicherung auch eine Gebäude-Sturm-Versicherung vereinbart wurde, und zwar zum gleitenden Neuwert. Versichert sollten sein der auf dem Grundstück aufstehende Stall, die Scheune und das Wohnhaus, wobei im Hinblick auf die Scheune eine Versicherungssumme 1914 in Höhe von 9.000,00 M und hinsichtlich des Wohngebäudes eine Versicherungssumme von 31.000,00 M vereinbart wurde. Schließlich vereinbarten die Parteien einen Selbstbehalt in Höhe von 1.000,00 € und sie legten ihrem Vertragsverhältnis die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung landwirtschaftlicher Betriebe (ABL 2002 ÖSA) zugrunde.

Der Kläger behauptet, dass am 01. Juli 2009, gegen 15.30 Uhr, über seinem Grundstück ein starker Sturm mit Windspitzen von über Windstärke 8 Beaufort zu verzeichnen gewesen sei. Aufgrund dieses Sturmes sei die Scheune vollständig zerstört und das Dach des versicherten Wohngebäudes beschädigt worden. Durch eindringendes Wasser sei zudem die Wohnzimmerdecke beschädigt worden. Er könne daher von der Beklagten den von ihrem eigenen Sachverständigen geschätzten Zeitwert in Höhe von 44.664,52 € sowie die Kosten für die Reparatur des Daches in Höhe von 2.766,75 € verlangen. Hiervon müsse er sich lediglich die vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,00 € anrechnen lassen. Da die Beklagte ihre Einstandspflicht verweigert habe, befände sie sich im Verzug, so dass er auch außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von ihr ersetzt verlangen könne.

Gebäudeversicherung auf Ersatz für Sturmschäden
Symbolfoto: Von inray27 /Shutterstock.com

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 46.431,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14. August 2009 zu zahlen;

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.641,96 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dem Kläger stehe die verlangte Versicherungssumme weder dem Grunde noch der Höhe nach zu. Ausweislich des von ihr eingeholten Gutachtens könne er lediglich den Nettozeitwert ersetzt verlangen in Höhe von 37.533,21 €. Umsatzsteuer könne der Kläger auf der Basis einer fiktiven Abrechnung nicht verlangen. Unabhängig davon habe es auch an dem vom Kläger geschilderten Sturmereignis gefehlt. Hierfür hätten keinerlei Anzeichen gesprochen. Insbesondere habe sich ein Sturm der Windstärke 8 Beaufort nicht ereignet. Die am Gebäude des Klägers eingetretenen Schäden seien offensichtlich bei einer sehr viel niedrigeren Windstärke entstanden. Die sich ihrem Sachverständigen darstellende Situation am Schadensort sei physikalisch durch einen Sturm nicht erklärbar.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten der Sachverständigen A vom 01.06.2012 wird Bezug genommen. Die Kammer hat die Sachverständige darüber hinaus auch mündlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Sachverständigenanhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11. Oktober 2012 Bezug genommen. Bezug genommen wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen. Auch diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat insgesamt Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 46.431,21 € aus dem zwischen ihnen geschlossenen Versicherungsvertrag. Darüber hinaus kann er von der Beklagten außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 € gemäß §§ 280, 286 BGB verlangen.

Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag und § 3 Nr. 1 ABL 2002 ÖSA hatte die Beklagte sich zur Entschädigung solcher versicherten Sachen verpflichtet, die durch Sturm oder Hagel zerstört oder beschädigt werden. Gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 ABL 2002 ÖSA handelt es sich bei einem Sturm um eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 (Windgeschwindigkeit mindestens 62 km/h). Ist die Windstärke nicht feststellbar, so wird ein versicherten Ereignis unterstellt, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass

a) die Luftbewegung in der Umgebung Schäden an anderen Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hat oder

b) der Schaden wegen des einwandfreien Zustandes des versicherten Gebäudes nur durch den Sturm entstanden sein kann.

Nach § 6 Nr. 4.1 der ABL 2002 ÖSA werden bei zerstörten Sachen der Versicherungswert zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles bzw. bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten ersetzt. Nach § 6 Nr. 4.2 der genannten ABL 2002 ÖSA kann der Versicherungsnehmer den Anspruch auf die Versicherungsleistung nur zum Zeitwert geltend machen, wenn er nicht die Wiederherstellung innerhalb eines Zeitraumes von 3 Jahren sicherstellt.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften kann der Kläger von der Beklagten Sturmschäden in einer Gesamthöhe von 46.431,27 € ersetzt verlangen.

Zunächst ist die Kammer infolge der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass über dem Grundstück des Klägers in L ein Sturm mit der Windstärke 8 Beaufort geherrscht hat. Dem Kläger ist der ihm obliegenden Nachweis gelungen, dass ein Sturm im Sinne der Bedingungen vorgelegen hat.

Die Sachverständige hat insbesondere in ihrer Anhörung am 11. Oktober 2012 klargestellt, dass der hier in Rede stehende Sturm nach der von ihr zugrunde zu legenden Wahrscheinlichkeitssystematik von Bayerlein auf der dritten Stufe von oben von einer 10-stufigen Skala einzuordnen sei und eine Windstärke von 8 Beaufort demnach mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ stattgefunden habe. Die Sachverständige hat demnach mit der „dritthöchsten Wahrscheinlichkeitsstufe“ ein bedingungsgemäßes Sturmereignis festgestellt.

An der Sachkunde der Sachverständigen hatte die Kammer keinen Anlass zu Zweifeln. Die Sachverständige war sowohl in ihrem schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen ihrer mündlichen Erläuterung erkennbar darum bemüht, der Kammer sowohl ihre tatsächlichen Ergebnisse, aber auch ihre wissenschaftlichen Schlussfolgerungen nahe zu bringen. Insbesondere die hier streitentscheidenden Wahrscheinlichkeitseinstufungen nach Beyerlein wurden erst durch die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen deutlich.

Steht damit fest, dass über dem Grundstück des Klägers ein Sturm mit der Windstärke 8 Beaufort geherrscht hat, so steht nach der Systematik des § 3 Nr. 2 Satz 2 ABL 2002 ÖSA ein Sturmereignis fest. Auf den sonst dem Versicherungsnehmer möglichen Indizienbeweis kommt es in diesem Fall nicht mehr an.

Zu Unrecht beruft die Beklagte sich zudem auf eine Obliegenheitsverletzung des Klägers, und zwar der ihn gemäß § 12 der ABL 2002 ÖSA treffenden Instandhaltungsobliegenheit. Gemäß § 12 Nr. 1 b) ABL 2002 ÖSA hat der Versicherungsnehmer die versicherten Sachen, insbesondere wasserführende Anlagen und Einrichtungen, Dächer und außen angebrachte Sachen stets in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten und Mängel oder Schäden unverzüglich beseitigen zu lassen. Nach Nr. 2. der genannten Vorschrift hat der Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz, wenn diese Sicherheitsvorschrift verletzt wird und der Versicherer von seinem Recht Gebrauch macht, den Vertrag innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Verletzung der Sicherheitsvorschrift fristlos zu kündigen. Nach Satz 2 der Ziffer 2. des § 12 ABL 2002 ÖSA hat der Versicherer kein Kündigungsrecht und der Versicherungsschutz bleibt bestehen, wenn die Verletzung der Sicherheitsvorschrift weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften entfällt der Versicherungsschutz des Klägers nicht wegen der Verletzung von Instandsetzungsobliegenheiten. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Beklagte das Versicherungsverhältnis zum Kläger nicht binnen eines Monats fristlos gekündigt hat, nachdem sie von der von ihr behaupteten Obliegenheitsverletzung Kenntnis erlangt hat. Die Vorschrift will eindeutig sicherstellen, dass der Versicherer nicht über längere Zeit weiter in den Genuss von Prämienzahlzungen gelangt, ohne aber Versicherungsschutz bieten zu müssen. Er soll sich daher endgültig innerhalb einer eindeutigen Frist entscheiden, ob er das Versicherungsverhältnis fortsetzen möchte, obwohl ihm (angebliche) Obliegenheitsverletzungen bekannt geworden sind. Der Beklagten sind die angeblichen Obliegenheitsverletzungen des Klägers durch ihren eigenen Gutachter bekannt geworden. Innerhalb eines Monats hätte die Beklagte kündigen müssen. Dies hat sie nicht getan, so dass der Kläger den Versicherungsschutz nicht verloren hat.

Unabhängig davon hat die Beklagte nichts dazu vorgetragen, dass der Kläger die von ihr behaupteten Instandhaltungsobliegenheiten vorsätzlich oder grobfahrlässig missachtet hat. Hierfür fehlt jeglicher Vortrag, so dass es auch an Anknüpfungstatsachen fehlte, die ggf. einem Sachverständigen zur Überprüfung hätten vorgelegt werden können.

Der Höhe nach schuldet die Beklagte zum einen den von ihrem eigenen Sachverständigen festgestellten Zeitwert. Der Versicherungssachverständige Riedel hat einen Bruttozeitwertschaden in Höhe von 44.664,52 € festgestellt. Diesen Schaden kann der Kläger incl. Mehrwertsteuer ersetzt verlangen.

Zu ersetzen hat die Beklagte auch die Kosten der vom Kläger bereits veranlassten Reparatur des beschädigten Daches des Wohngebäudes sowie die Beseitigung des Wasserschadens an der Wohnzimmerdecke in Höhe von 2.766,75 €. Abzüglich der zwischen den Parteien vereinbarten Selbstbeteiligung ergibt sich der tenorierte Gesamtbetrag in Höhe von 46.431,27 €.

Die Pflicht zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB. Die Beklagte hat innerhalb der ihr gesetzten Frist keine Entschädigungsleistungen gezahlt, so dass sie sich in Verzug befand und daher auf die nicht anrechenbare Kosten der Rechtsverfolgung zu begleichen hat.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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