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Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung – Einstufung in Schadenfreiheitsklasse unter Vorbehalt

Vorsätzliche Falschmeldung: Einstufung in Schadenfreiheitsklasse unter Vorbehalt unwirksam

Das Urteil des Oberlandesgerichts München bestätigt, dass die Klägerin (Versicherung) berechtigt war, den Versicherungsvertrag des Beklagten rückwirkend anzupassen und zusätzliche Beiträge zu fordern, da der Beklagte falsche Angaben zur Schadensfreiheitsklasse gemacht hatte. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg wurde zurückgewiesen, und er muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 24 U 2174/16  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Berufung: Das OLG München wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts Augsburg.
  2. Übernahme von Kosten: Der Beklagte ist verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Rechtmäßigkeit der Nachforderung: Die Klägerin forderte zu Recht einen erhöhten Beitrag aufgrund nichteingetretener Bedingungen im ursprünglichen Versicherungsschein.
  4. Falsche Angaben des Beklagten: Der Beklagte machte vorsätzlich falsche Angaben über seine Schadensfreiheitsklasse, was die Anpassung des Vertrags rechtfertigte.
  5. Unzulässigkeit der Revision: Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
  6. Anspruch auf Schadensersatz: Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Schadensersatzsumme von 6.130,18 €.
  7. Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 2 VVG: Das Gericht erachtete § 5 Abs. 2 VVG als unanwendbar auf den Fall, da der Versicherer keine Änderungen auf Antrag des Versicherungsnehmers vorgenommen hatte.
  8. Arglistige Täuschung: Die Klägerin konnte eine Arglist-Einrede geltend machen, da der Beklagte bei der Anfrage bewusst falsche Informationen über ein Vorversicherungsverhältnis angegeben hatte.

Rechtliche Auseinandersetzungen im Versicherungswesen

Versicherungsverträge und ihre korrekte Abwicklung sind essenzielle Bestandteile des täglichen Lebens und der Geschäftswelt. Besonders im Bereich der Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung treten häufig rechtliche Fragestellungen auf, die sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherer betreffen. Ein zentrales Thema in diesem Kontext ist die korrekte Einstufung in die Schadenfreiheitsklasse, die für die Berechnung der Versicherungsprämie entscheidend ist. Nicht selten kommt es zu Unstimmigkeiten, wenn die Einstufung unter Vorbehalt erfolgt oder wenn es zu Unklarheiten über die Richtigkeit der Angaben seitens des Versicherungsnehmers kommt.

Solche Fälle können zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen, die bisweilen gerichtliche Klärungen erfordern. Ein solches Szenario entfaltet sich häufig vor Gerichten wie dem OLG München, wo Urteile zu wichtigen Grundsatzfragen im Versicherungsrecht gefällt werden. Dabei stehen oft nicht nur die Regulierungskosten nach einem Verkehrsunfall im Vordergrund, sondern auch grundsätzliche Fragen der Vertragsgestaltung und -auslegung, die weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten haben können. In diesem Zusammenhang spielen auch Aspekte wie das Verhalten des Versicherungsnehmers, insbesondere bei der Angabe relevanter Informationen, und die Reaktionen der Versicherung darauf eine wichtige Rolle.

Streit um die korrekte Einstufung in Schadenfreiheitsklasse

Das Oberlandesgericht München befasste sich mit einem Fall, in dem es um die Einstufung in die Schadenfreiheitsklasse einer Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung ging. Im Kern stand die Frage, ob die Versicherungsgesellschaft die Einstufung des Beklagten in eine bestimmte Schadenfreiheitsklasse unter Vorbehalt stellen durfte. Dieser Vorbehalt war im Versicherungsschein mit einer Fußnote vermerkt, die besagte, dass die Bestätigung eines anderen Versicherers für die endgültige Festsetzung des Beitragssatzes notwendig sei.

Vertragsanpassung nach fehlender Bestätigung

Der Beklagte hatte für seinen Mercedes-Benz eine Versicherung abgeschlossen und einen Beitragssatz gemäß seiner Angaben zur Schadenfreiheitsklasse entrichtet. Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, forderte jedoch nachträglich eine höhere Prämie, da der Vorversicherer die Schadenfreiheitsklasse des Beklagten nicht bestätigte. Diese Anpassung wurde in einem Nachtrag zum Versicherungsschein dokumentiert, welcher den Beitragssatz des Beklagten erheblich erhöhte.

Berufung und rechtliche Auseinandersetzung

Der Beklagte legte gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg Berufung ein, wobei er insbesondere die Anwendung des § 5 Abs. 2 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) kritisierte. Er argumentierte, dass der Versicherer die notwendigen Hinweise zur Abweichung vom ursprünglichen Versicherungsantrag nicht erteilt habe. Das OLG München setzte sich mit dieser Argumentation auseinander und prüfte, ob die Einstufung des Beklagten in die Schadenfreiheitsklasse unter Vorbehalt rechtmäßig war.

Entscheidung des OLG München und ihre Begründung

Das OLG München wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Nachforderung der Versicherungsgesellschaft. Das Gericht führte aus, dass der § 5 Abs. 2 VVG in diesem Fall nicht anwendbar sei, da der Versicherer keine Änderungen auf Antrag des Versicherungsnehmers vorgenommen hatte. Vielmehr wurde der bereits erteilte Versicherungsschein geändert, weil die in der Originalpolice vereinbarte Bedingung nicht eingetreten war. Zudem stellte das Gericht fest, dass der Beklagte vorsätzlich falsche Angaben über seinen Schadensfreiheitsrabatt gemacht hatte, wodurch er den Schutz des § 5 Abs. 3 VVG verwirkte. Dieses Verhalten des Beklagten wurde auch unter dem Aspekt des § 19 VVG betrachtet, der ähnliche Fälle regelt, in denen der Versicherungsnehmer wesentliche Umstände nicht anzeigt.

Das Urteil des OLG München ist ein wichtiges Beispiel für die rechtliche Handhabung von Streitigkeiten über die Einstufung in Schadenfreiheitsklassen und zeigt die Bedeutung genauer und wahrheitsgemäßer Angaben im Versicherungswesen auf.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wirkt sich die Bestätigung eines Vorversicherers auf die Einstufung in eine Schadenfreiheitsklasse aus?

Die Bestätigung eines Vorversicherers hat einen erheblichen Einfluss auf die Einstufung in eine Schadenfreiheitsklasse (SF-Klasse) bei der Kfz-Versicherung. Die SF-Klasse ist ein Rabattsystem, das Versicherungsnehmer für schadenfreie Jahre belohnt. Je höher die SF-Klasse, desto geringer ist in der Regel der zu zahlende Versicherungsbeitrag.

Die Übertragung der SF-Klasse vom Vorversicherer erfolgt in Deutschland in der Regel elektronisch und ist standardisiert durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Bei Abschluss einer neuen Versicherung werden die Daten des Vorversicherers angefragt, um die SF-Klasse zu bestätigen. Hierfür sind korrekte Angaben zum Namen der Vorversicherung, zur Versicherungsscheinnummer und zum Namen des Versicherungsnehmers erforderlich.

Wenn Sie Ihre Kfz-Versicherung wechseln, bleibt Ihre SF-Klasse in der Regel bestehen. Die neue Kfz-Versicherung fragt bei der vorherigen Versicherung die Schadenfreiheit für die Kfz-Haftpflicht und Vollkaskoversicherung (falls vorhanden) an und lässt sich diese bestätigen.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen die Bestätigung der SF-Klasse Probleme bereiten kann. Beispielsweise kann es vorkommen, dass eine Versicherung nur eine elektronische Bestätigung akzeptiert und die Vorversicherung diese nicht bereitstellen kann.

Es ist daher ratsam, sich bei Kündigung der Kfz-Versicherung eine Bescheinigung gemäß Pflichtversicherungsgesetz ausstellen zu lassen. Diese Bescheinigung kann als Nachweis der bisherigen SF-Klasse dienen.

Bei der Übertragung der SF-Klasse auf eine neue Versicherung ist es wichtig, einen Versicherer zu wählen, der die bisherige SF-Klasse anerkennt. Ein Wechsel der Versicherung kann sich lohnen, wenn ein anderer Versicherer günstigere Tarife bietet und die bisherige SF-Klasse anerkennt.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 24 U 2174/16 – Urteil vom 15.12.2016

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20.04.2016, Az. 021 O 181/15, berichtigt durch den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19.09.2016, Az. 24 U 2174/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die klagende Versicherung nimmt den Beklagten auf Erstattung der Regulierungskosten für einen Kfz-Haftpflichtschaden in Anspruch.

Die Klägerin versicherte gemäß Versicherungsschein vom 11.06.2013 (Anlage K16) den PKW Mercedes-Benz, amtliches Kennzeichen …, des Beklagten in der Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung. Für die Haftpflichtversicherung war ein „Beitragssatz von 26 %, Beitragsklasse: SF 21, schadenfreie Kalenderjahre: 21“ angegeben. In einer Fußnote (*) ist angefügt: „* Soweit für die Festsetzung des endgültigen Beitragssatzes die Bestätigung eines anderen Versicherers notwendig ist, gilt der dokumentierte Beitragssatz vorbehaltlich dieser Bestätigung.“ Der Beklagte bezahlte die sich aus diesem Versicherungsschein ergebende Prämie von 277,96 € für die Haftpflichtversicherung und 304,74 € für die Fahrzeugversicherung. Mit Schreiben vom 20.06.2013 (Anlage K18) und 24.10.2013 (Anlage K19) wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass der Vorversicherer die Bestätigung nicht erteilt habe, weil der Vertrag für sein bisheriges Fahrzeug weiterhin ungekündigt bestehe. Unter Setzung einer Frist von 14 Tagen kündigte die Klägerin beide Male an, den Vertrag gemäß den zugrunde liegenden Bedingungen rückwirkend ab Beginn nach einer Zweitwagenregelung (z. B. SF 1/2) einzustufen, wenn sie keine Nachricht vom Beklagten erhalte.

Mit Schreiben vom 27.01.2014 übersandte die Klägerin dem Beklagten einen Nachtrag zum Versicherungsschein, in dem für die Haftpflichtversicherung ein Beitragssatz von 76 %, Beitragsklasse: SF 1/2, schadenfreie Kalenderjahre: 0″ angegeben ist und für die Haftpflichtversicherung ein Beitrag von 812,50 €, für die Fahrzeugversicherung eine Beitrag von 738,41 € gefordert wird. Unter Anrechnung der erbrachten Zahlung forderte die Klägerin eine Nachzahlung von 968,21 € (Anlage K15).

Mit Schreiben vom 09.03.2014 (Anlage K1) mahnte die Klägerin unter Setzung einer Frist von zwei Wochen diesen Betrag an und wies darauf hin, dass der Versicherer in einem Schadensfall nicht zur Leistung verpflichtet ist, also kein Versicherungsschutz besteht, falls nach Ablauf der Frist ein Schadensfall eintrete und sich der Beklagte ganz oder auch nur teilweise in Verzug befinde. Da der Beklagte auch auf diese Mahnung nicht zahlte, kündigte die Klägerin den Vertrag mit Schreiben vom 06.04.2014 (Anlage K21).

Bereits am 05.04.2014 war der Beklagte auf der Haunstetter Straße in Augsburg infolge von Unachtsamkeit auf das Kfz von … aufgefahren. Die Klägerin regulierte dessen Schaden in Höhe von insgesamt 6.130,18 €.

Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 09.05.2014 (Anlage K13) und 28.05.2014 (Anlage K14) vom Beklagten den Ersatz dieser Aufwendung.

Das Landgericht Augsburg hat der auf Zahlung von 6.130,18 € sowie außergerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 5,00 € jeweils zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.130,18 € seit dem 03.07.2014 und aus 5,00 € seit Rechtshängigkeit gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben. Soweit das Landgericht der Klägerin 6.230,18 € zugesprochen hatte, hat der Senat das Urteil mit Beschluss vom 19.09.2016 berichtigt.

Das Landgericht hat die Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch des Geschädigten … aus §§ 7, 18 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen den Beklagten und die Klägerin als Gesamtschuldner durch die Zahlung der Klägerin gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 BGB auf diese übergegangen sei. Im Verhältnis der Gesamtschuldner sei der Beklagte gemäß § 116 Abs. 1 S. 2 VVG alleine verpflichtet, weil er den angemahnten Beitrag nicht innerhalb der zweiwöchigen Zahlungsfrist bezahlt gehabt habe. Die Klägerin habe den erhöhten Beitrag gemäß Nachtrag vom 27.01.2014 zu Recht gefordert, weil die Bedingung aus dem *-Zusatz im Versicherungsschein nicht eingetreten sei. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG lägen nicht vor.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er rügt, dass das Landgericht die Norm des § 5 Abs. 2 VVG verkannt habe. Diese gelte auch für Nachträge. Der Inhalt des Versicherungsscheins weiche vorliegend von dem Antrag des Versicherungsnehmers ab, ohne dass der Versicherer die erforderlichen Hinweise erteilt habe.

Auf den gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilten Hinweis des Senats vom 17.08.2016 hat der Beklagte seine Argumentation dahin umgestellt, dass bereits das Anfügen der Fußnote im Versicherungsschein vom 11.06.2013 ein Abweichen vom ursprünglichen Antrag des Beklagten darstelle. Unter Bezug auf ein Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 18.04.2013 (Az. 13 C 134/12) vertritt er die Ansicht, dass auch für die Mitteilung des Vorversicherers, dass die Einstufung in die SF-Klasse entgegen dem Antrag unter Vorbehalt erfolgt, der Anwendungsbereich des § 5 VVG eröffnet sei, weshalb bereits der *-Zusatz im Versicherungsschein nicht Vertragsbestandteil geworden sei; da deshalb ein wirksamer Vorbehalt gefehlt habe, sei die Klägerin nicht zur Änderung der Police berechtigt gewesen.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20.04.2016 (Az. 021 O 181/15) wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Nachtrag zum Versicherungsschein sei zu Recht erfolgt. Auf einen Nachtrag sei die Regelung des § 5 VVG nicht anwendbar. Hilfsweise verteidigt sie sich mit der Arglist-Einrede. Der Beklagte habe arglistig ein gekündigtes Vorversicherungsverhältnis bei der …Versicherung behauptet und die Klägerin zu drei Versicherungswechsel-Bescheinigungs-Anfragen veranlasst, obwohl ihm bewusst sein musste, dass diese Behauptung objektiv falsch war.

Der Senat hat aufgrund der Einwände des Beklagten gegen den Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO am 10.11.2016 mit den Parteien mündlich verhandelt und den Beklagten angehört.

Ergänzend wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 27.05.2015, 16.03.2016 und 10.11.2016 sowie den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 6.130,18 €.

1. Der Anspruch des Geschädigten … gegen den Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG ist gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf die Klägerin übergegangen, weil diese den Gläubiger befriedigt hat, ohne im Innenverhältnis zu ihrem Versicherungsnehmer hierzu verpflichtet gewesen zu sein,

§ 116 Abs. 1 S. 2 VVG. Die Klägerin war zur Zeit des Unfalls vom 05.04.2014 im Verhältnis zum Beklagten gemäß § 38 Abs. 2 VVG sowie Abschnitt C.2.3. der AKB 2008 von der Leistung frei, weil der Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Mahnung vom 09.03.2014 (Anlage K1) den fälligen Beitrag nicht geleistet hat.

2. Die Nachforderung von 968,21 € (für Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung) gemäß dem Nachtrag zum Versicherungsvertrag vom 27.01.2014 (Anlage K15) hat die Klägerin zu Recht gestellt.

a) Entgegen der Meinung der Berufung kann sich der Beklagte hinsichtlich der neuen Police vom nicht auf § 5 Abs. 2 VVG berufen. § 5 VVG gilt zwar für jede Art von Versicherungsurkunde, auch für Nachträge. Unanwendbar sind § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VVG hingegen, wenn der Versicherer ohne Vertragsänderungsantrag des Versicherungsnehmers einen – gegenüber der Originalpolice geänderten – Versicherungsschein zu einem bestehenden Vertrag übersendet (Prölss/Martin/ Rudy, VVG, 29. Aufl. 2015, VVG § 5 Rn. 1). Denn in diesem Fall liegt kein Abweichen des Versicherungsscheins vom Antrag des Versicherungsnehmers vor; vielmehr wird der bereits erteilte Versicherungsschein vom Versicherer von sich aus geändert, weil die in der Originalpolice vereinbarte Bedingung nicht eingetreten ist.

b) Die Voraussetzungen für die Änderung des Versicherungsvertrags gemäß Nachtrag vom 27.01.2014 (Anlage K15) hat das Landgericht zu Recht bejaht. Die Bedingung aus dem *-Zusatz im Versicherungsschein vom 11.06.2013 (Anlage B6 = K16) ist nicht eingetreten, weil die andere Versicherung (die …Versicherung) den vom Beklagten behaupteten Beitragssatz von 26% – SF 21 – in der Haftpflichtversicherung nicht bestätigt hat; vielmehr hat die …-Versicherung zweimal mitgeteilt, dass ein Vorversicherungsvertrag bei ihr ungekündigt fortbesteht (vgl. Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 20.06.2013 und 24.10.2013, Anlagen K18, 19).

c) Die Bedingung aus dem *-Zusatz im Versicherungsschein vom 11.06.2013 wurde wirksam vereinbart.

aa) Allerdings weicht der Versicherungsschein hinsichtlich des *-Zusatzes vom Versicherungsantrag des Beklagten ab, der sich aus der 3. Seite des (elektronischen) Beratungsprotokolls zur Kfz-Versicherung von Check24 vom 03.06.2013 (Anlage B4) ergibt. Der Beklagte hat den „DA Direkt Mein Tarif Basis“ der Klägerin mit einer Schadensfreiheitsklasse SF 21 sowohl für Haftpflicht als auch für Vollkasko gewählt. Das Beratungsprotokoll enthält zwar einen Hinweis, hinsichtlich der Tarifdetails und der genauen Ausgestaltung des Leistungsumfanges unbedingt die Versicherungsbedingungen des ausgewählten Tarifs zu beachten, jedoch keinen dem *-Hinweis im Versicherungsschein entsprechenden Hinweis auf einen Vorbehalt der Bestätigung durch den Vorversicherer. Ein solcher ist auch dem darauf von der Klägerin mit Schreiben vom 03.06.2013 (Anlage B5) abgegebenen Angebot, mit dem zugleich die Versicherungsbestätigung zur Vorlage bei der Zulassungsstelle übersandt wurde, nicht zu entnehmen, auch wenn es heißt: „Der Betrag ist nach Ihren Angaben berechnet und gültig bis zum 03.09.2013, wenn bis zu diesem Datum der Vertragsabschluss zustande kommt.“

bb) In der Erwiderung auf den Hinweis des Senats nach § 522 Abs. 2 ZPO hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14.09.2016 erstmals unter Bezug auf ein Urteil des AG Solingen vom 18.04.2013 (Az. 13 C 134/12, ZfS 2013, 512) die Ansicht vertreten, dass der Anwendungsbereich des § 5 VVG auch bei dem Abschluss einer Kraftfahrt-Versicherung für die Mitteilung des Versicherers eröffnet sei, dass die Einstufung in die SF-Klasse (entgegen dem Antrag) unter Vorbehalt erfolgt, mit der Folge, dass der Vertrag in Ermangelung eines auffälligen Hinweises auf die Abweichung vom Antrag als mit dem Inhalt des Antrags – also ohne Vorbehalt – geschlossen anzusehen sei (§ 5 Abs. 2, 3 VVG). Eine nähere Begründung ist dem Urteil des AG Solingen, das bei Prölss/Martin/Rudy VVG, 29. Aufl. 2015, § 5 Rn. 5 zustimmend zitiert wird, nicht zu entnehmen. Der Senat zweifelt an der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 VVG, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Einstufung des Versicherungsnehmers in einen Schadensfreiheitsrabatt allein auf den Angaben beruht, die er bei der elektronischen Anfrage über einen Versicherungsmakler macht. In einem solchen Fall erscheint es als Selbstverständlichkeit, dass der Versicherer sein Angebot zum Vertragsschluss unter der Bedingung macht, dass die Richtigkeit der Angaben durch eine Bestätigung des Vorversicherers nachgewiesen wird. Der Zweck des § 5 VVG – zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer möglicherweise unerkannt ohne Versicherungsschutz bleibt (Prölss/Martin/Rudy VVG § 5 Rn. 1) – erfordert es nicht, den Versicherer mangels eines deutlichen Hinweises an der in der Police gegebenen Einstufung in einen Schadensfreiheitsrabatt festzuhalten, wenn diese ohne vorherige Nachprüfung allein aufgrund der Angaben des Versicherungsnehmers erfolgt ist.

cc) Eine Entscheidung dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich. Nach Auffassung des Senats kann sich der Versicherungsnehmer jedenfalls dann nicht auf das Fehlen eines deutlichen Hinweises berufen, wenn die Einstufung in einen Schadensfreiheitsrabatt auf seinen vorsätzlich falschen Angaben beruht. § 5 Abs. 3 VVG dient dem Schutz des Vertrauens des Versicherungsnehmers auf das Zustandekommen des Versicherungsvertrags mit dem Inhalt seines Versicherungsantrags in dem Fall, dass der Versicherer keinen deutlichen Hinweis auf die Abweichung gibt. Ein Versicherungsnehmer, der vorsätzlich falsche Angaben über den Schadensfreiheitsrabatt macht, verdient jedoch diesen Schutz nicht.

Diese Rechtsauffassung wird auch durch § 19 VVG bestätigt, der einen vergleichbaren Fall regelt. Nach § 19 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Anzeigepflicht, kann der Versicherer vom Vertrag nach § 19 Abs. 2 VVG zurücktreten. Wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, hätte besteht das Rücktrittsrecht nicht; die anderen Bedingungen aber werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend Vertragsbestandteil, § 19 Abs. 4 VVG. Damit ist der hier vorliegende Fall vergleichbar, dass der Versicherungsnehmer falsche Angaben über den ihm zustehenden Schadensfreiheitsrabatt gemacht hat; der Versicherer muss – jedenfalls im Fall vorsätzlich falscher Angaben – das Recht haben, den Vertrag entsprechend auf den dem Versicherungsnehmer tatsächlich zustehenden Schadensfreiheitsrabatt abzuändern.

dd) Der Beklagte hat vorsätzlich falsche Angaben über den Schadensfreiheitsrabatt gemacht. Er hat angegeben, dass der Anlass seiner Anfrage der Fahrzeugwechsel sei. Ein weiteres Fahrzeug für eine mögliche Zweitwageneinstufung sei nicht vorhanden (vgl. Anlage B4).

In Wirklichkeit war auf den Beklagten zur Zeit der Anfrage am 13.06.2013 ein PKW Opel Vectra mit dem Kennzeichen … zugelassen, der bei der …-Versicherung versichert war und für den der Schadensfreiheitsrabatt von 26% (bei der Haftpflichtversicherung) in der Klasse SF 21 galt (vgl. Schriftsatz vom 20.03.2015, Bl. 25/28 d. A.). Entgegen der Angabe des Beklagten beabsichtigte er keinen Fahrzeugwechsel, sondern die Zulassung eines weiteren Fahrzeugs, eines PKWs Mercedes-Benz, Erstzulassung 19.01.1996, den der Beklagte am 07.06.2013 mit der Versicherungsbestätigung der Klägerin vom 03.06.2013 (Anlage B5) auf sich unter dem Kennzeichen … zuließ.

Der Beklagte beteuerte zwar in seiner Anhörung durch den Senat, er habe den alten Mercedes-Benz nur erworben, weil der PKW Opel Vectra nicht fahrfähig gewesen sei; er habe die Versicherung für den Opel dann mündlich gekündigt. Eine zeitnahe Kündigung des Versicherungsvertrags mit der …-Versicherung hat der Beklagte jedoch weder nachgewiesen noch substantiiert behauptet, wann und wem gegenüber er gekündigt hat. In Wirklichkeit bestand der Versicherungsvertrag für den Opel bei der …-Versicherung fort, bis diese den Vertrag am 15.01.2014 wegen nicht geleisteter Beitragszahlungen kündigte (vgl. Schreiben der …-Versicherung vom 15.01.2014, Anlage zum Schriftsatz vom 20.10.2015, Bl. 61a d. A.).

ee) Der erstmals in der Berufungserwiderung der Klägerin vom 19.07.2016 enthaltene Geltendmachung der Arglist-Einrede ist nicht verspätet. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Argumentation, die nicht als verspätet zurückgewiesen werden kann. Die Tatsachen, auf die die Klägerin die Einrede stützt, waren in 1. Instanz unstreitig. Sie beruhen ausnahmslos auf dem eigenen Vortrag des Beklagten und auf den von ihm vorgelegten Urkunden (vgl. oben dd).

Der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2016 beantragten Gewährung einer Schriftsatzfrist bedarf es daher nicht, zumal auch der Senat bereits in seinem Hinweis vom 17.08.2016 ausgeführt hat, dass der Beklagte wahrheitsgemäß ein gekündigtes Vorversicherungsverhältnis bei der …-Versicherung behauptet hatte (S. 4 = Bl. 123 d. A.).

Auch der Vortrag des Beklagten in dem nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 01.12.2016 würde daran nichts ändern. Wenn der Beklagte hier behauptet, das Fahrzeug … sei zum 10.09.2013 abgemeldet worden, bestätigt er indirekt, dass es im Juni 2013 noch angemeldet war. Damit steht fest, dass der Beklagte in seiner Versicherungsanfrage vom 03.06.2013 einen Fahrzeugwechsel vorgetäuscht hat, in Wirklichkeit aber den Mercedes mit dem Kennzeichen … als Zweitwagen zugelassen hat. Durch die Täuschung gelang es ihm vorübergehend, den Schadensfreiheitsrabatt SF 21 für den Zweitwagen zu erhalten, während er ihn gleichzeitig für sein erstes Fahrzeug – den Opel Vectra … – weiter in Anspruch nahm.

ff) Auch der verspätete Schriftsatz des Beklagten vom 12.12.2016 führt nicht zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO.

Wenn die – aktuell im Jahr 2016 – von der Klägerin online zur Verfügung gestellten Formulare keine Frage danach enthalten, ob das vorherige Versicherungsverhältnis gekündigt war oder ist, ändert das nichts daran, dass auch das aktuelle Formular von 2016 zu allererst fragt, ob Anlass der Anfrage ein Fahrzeugwechsel, ein Versichererwechsel, eine erstmalige Autoversicherung oder ein Zweitfahrzeug ist. Diese Frage enthielt auch das vom Beklagten am 03.06.2013 online ausgefüllte Beratungsprotokoll des Versicherungsmakler Check24; der Beklagte hat „Fahrzeugwechsel“ angegeben, in Wirklichkeit jedoch den neu erworbenen PKW als Zweitfahrzeug unter einem neuen – allerdings dem Erstfahrzeug täuschend ähnlichen – Kennzeichen angemeldet und das Erstfahrzeug erst drei Monate später abgemeldet.

Auf die Behauptung, dass die Übernahme eines Schadensfreiheitsrabattes aus einem ungekündigten Versicherungsverhältnis möglich ist, vorausgesetzt der anderweitige Versicherungsvertrag wird durch Kündigung oder Abmeldung später nach Antragstellung beendet, kommt es nicht an. Der Beklagte trägt nicht vor, wieviel später die Beendigung erfolgen muss. Im vorliegenden Fall liegen zwischen dem Abschluss der neuen Versicherung „wegen Fahrzeugwechsel“ und der Stilllegung des alten Fahrzeugs drei Monate; bis zur Beendigung des alten Versicherungsvertrages wegen Kündigung durch den Versicherer vergingen sogar mehr als sieben Monate. Dass der neue Versicherer einen derart langen Zeitraum der Versicherung zweier Fahrzeuge auf denselben Schadensfreiheitsrabatt akzeptiert, behauptet der Beklagte nicht. Auch die Frage aus einem Online-Formular des Versicherers …, der am konkreten Fall in keiner Weise beteiligt ist, legt eine solche Annahme nicht nahe, da hier u. a. die Option angeklickt werden kann „wird innerhalb der nächsten 2 Monate verkauft“; ob aufgrund dessen ein gleichzeitiger Betrieb des alten und des neuen Fahrzeugs während zweier Monate toleriert würde, muss nicht geklärt werden, da der Beklagte diesen Zeitraum überschritten hat.

Gründe für eine zwingende Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO trägt der Beklagte nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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