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Hausratversicherung – Raub einer Armbanduhr – Wann liegt ein solcher vor?

KG Berlin – Az.: 6 U 98/19 – Beschluss vom 06.12.2019

In dem Rechtsstreit … wird der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, seine Berufung gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 25. Juli 2019 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

Denn der Senat ist aufgrund Vorberatung einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern; auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das Landgericht hat die Klage auf Leistung einer Entschädigung gemäß §§ 1 ff VVG in Verbindung mit den Regelungen der VHB 2016 zu Recht abgewiesen, weil der Kläger den Eintritt eines Versicherungsfalles im Sinne eines Raubes nach §§ 1 Nr. 1, 3 Nr. 4 a VHV 2016 nicht hinreichend dargelegt hat. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Hausratversicherung – Raub einer Armbanduhr – Wann liegt ein solcher vor?
Symbolfoto: Von FXQuadro/Shutterstock.com

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Landgericht hat nachvollziehbar und frei von Rechtsfehlern begründet, dass und warum es sich auch nach der persönlichen Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO nicht davon überzeugen konnte, dass ihm seine Armbanduhr ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet worden ist.

Was die tatsächlichen Feststellungen anbelangt, liegen auch keine Anhaltspunkte gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, die für das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen durch das Ausgangsgericht begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnten.

Insbesondere hat der Kläger auch mit der Berufung keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die eine von der Würdigung des Landgerichts abweichende rechtliche Einordnung seines Vorbringens durch den Senat oder seine wiederholte Anhörung erforderlich machen würden.

Nach der Definition unter Abschnitt A § 3 Nr. 4 a) aa) der vereinbarten VHB 2016 liegt Raub vor, “wenn gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Gewalt liegt nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl)”.

Eine solche Regelung ist für den Versicherungsnehmer nicht überraschend im Sinne des § 307 BGB, weil er nach dem normalen Sprachgebrauch typischerweise davon ausgehen wird, dass kein Raub vorliegt, wenn die Entwendung durch seine Überraschung erreicht wird, auch wenn dabei eine gewisse Körperkraft eingesetzt wird, um den Gegenstand wegzunehmen, nicht aber, um einen tatsächlichen oder erwarteten Widerstand zu brechen (vgl. OLG Düsseldorf, Vers.R 2015, 748 f; OLG Köln Vers.R. 2007, 1270).

Unter Zugrundelegung dieser zwischen den Parteien vereinbarten Bedingung ist das Landgericht nach Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO zutreffend davon ausgegangen, dass sein Vorbringen nicht ausreicht, um den versicherungsrechtlichen Tatbestand eines Raubes zu erfüllen. Denn auch nach der eigenen Schilderung des Klägers ist die Entwendung ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes des Klägers erfolgt. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 8 – 10 unter 1 b) des angefochtenen Urteils verwiesen werden, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden.

Soweit der Kläger auf Seite 2 der Berufungsbegründung unter II. 1 seine auf Seite 2 der Verhandlungsniederschrift vom 16.05.2019 protokollierte Aussage wiederholt, lässt sich dieser gerade kein bewusster Widerstand gegen die Wegnahme der Armbanduhr entnehmen. Denn nach seiner eigenen Aussage merkte der Kläger nur “etwas” bzw. “einen Zug” an seinem Arm, er “spürte….., dass da jemand war….(und) zog dann dagegen”. Diese durchaus glaubhafte Schilderung des Vorgangs lässt nur den Schluss zu, dass dem Kläger in diesem Moment (noch) nicht bewusst war, dass seine Armbanduhr das Objekt des Zugriffs war, was noch dadurch veranschaulicht wird, dass er sich – so seine Aussage – etwas umdrehte, “um zu schauen, was los war”. Bis dahin wusste er also gerade nicht, “was los war” und hatte dementsprechend auch nicht realisiert, dass es darum ging, ihm seine Armbanduhr zu entwenden.

Seine von dem Klägervertreter auf Seite 2 der Berufungsbegründung direkt im Anschluss an das vorherige Zitat wiedergegebene Aussage, er habe eine Abwehrbewegung gemacht, ihm sei gleich klar gewesen, dass es um seine Uhr ging, ist hingegen nicht etwa “sofort”, sondern erst später “auf Nachfragen der Beklagtenvertreterin zum Entwendungsmoment” erfolgt und dementsprechend auch erst ab Seite 4 der Verhandlungsniederschrift protokolliert worden. Wie auch bei seinen – ab dem dritten Absatz auf Seite 2 des Protokolls festgehaltenen – auf Nachfrage des Gerichts erfolgten Angaben, die das Landgericht aufgrund der Formulierungen “ich denke schon….” und “ich gehe also davon aus….” zutreffend als Schlussfolgerungen qualifiziert hat, handelt es sich bei dieser Aussage nicht um eine unbeeinflusste, tatsächlich nur auf seiner konkreten Erinnerung beruhende Wiedergabe des damaligen Geschehens einschließlich seiner Wahrnehmungen, sondern eine allein schon durch die Nachfrage beeinflusste – möglicherweise sogar ungewollt – ergebnisorientierte Darstellung. Dafür spricht auch, dass der Kläger anfangs seiner persönlichen Anhörung in der Verhandlung vom 16. Mai 2019 ausweislich seiner auf Seite 1, 2 des Protokolls wiedergegebenen Aussage (erstmals) realisiert hat, dass seine Uhr weg war, als die Täter wegliefen und er ihnen hinterher rannte. Das steht zudem in Übereinstimmung mit seiner aus dem von ihm unterzeichneten Protokoll ersichtlichen Angabe anlässlich der Anzeigenerstattung bei der örtlichen Polizeibehörde am 10. Juni 2018, dass er “bemerkte, wie sein linkes Handgelenk ergriffen wurde” (vgl. Anlage BLD 2), wobei dahinstehen mag, ob die weitere Angabe, dass die Täter “den Sicherheitsverschluss seiner Uhr öffneten”, tatsächlich so von ihm getätigt wurde oder auf ein Missverständnis im Zusammenhang mit der Übersetzung zurückzuführen ist.

Somit kann bereits nach den eigenen Angaben des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass ihm während des nur wenige (“ein bis drei”) Sekunden dauernden Entwendungsvorgangs überhaupt bewusst gewesen ist, dass gerade seine Armbanduhr gestohlen wird, so dass er auch keinen bewussten Widerstand gegen die Wegnahme leistete.

Nach alle dem scheitert eine Entschädigungspflicht der Beklagten nach § 1 VHB 2016 unabhängig von der in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Günther, “Der Versicherungsfall Raub”, R+S 2007, 265 ff sowie die dortige Zusammenstellung der bis dahin ergangenen Rechtsprechung; OLG Karlsruhe Vers.R. 2009, 1360; 2016, 1494 f; OLG Düsseldorf Vers.R. 2015, 748 f; OLG Köln Vers.R. 2017, 1397 f; Klimke in Prölls/Martin, VVG, 30. Aufl., § 3 VHB Rd-Nr. 22 – 26; Jula in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., VHB 2010 A § 3 Rd-Nr. 52 – 54) kontrovers diskutierten Frage, ob und unter welchen konkreten Umständen das Entreißen einer Armbanduhr vom Handgelenk einen Raub im Sinne von A § 3 Nr. 4 a) aa) Satz 1 VHB 2016 (oder gleichlautend) darstellt, vorliegend bereits daran, dass die in § 3 Nr. 4 a) aa) Satz 2 geforderte Voraussetzung der Überwindung eines bewussten Widerstandes nicht erfüllt ist.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, zu den vorstehenden Hinweisen sowie zu der bereits zugestellten Berufungserwiderung vom 6. November 2019 innerhalb von 2 Wochen Stellung zu nehmen, wobei im Kosteninteresse die Rücknahme der Berufung erwogen werden mag.

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