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Kfz-Kaskoversicherung – Redlichkeitszweifel an Versicherungsnehmer bei Kraftfahrzeugdiebstahl

OLG Dresden – Az.: 4 U 1272/18 – Beschluss vom 30.10.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 15.570,00 € festzusetzen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger den Beweis für das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls nicht erbracht hat. Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Zwar kommen nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGHZ 123, 317 ff.; BGHZ, 130, 1 ff.) dem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Kfz-Diebstahl Beweiserleichterungen zugute, indem er nicht den vollen Nachweis des Diebstahls führen, sondern nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweisen muss, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Dieses Mindestmaß ist in der Regel dann erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug vom Versicherungsnehmer zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt, dort aber später nicht mehr vorgefunden worden ist. Kann der Versicherungsnehmer den Beweis für das äußere Bild nicht durch Beweismittel erbringen, kann der Tatrichter im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) den Behauptungen und Angaben des Versicherungsnehmers bei dessen Anhörung gemäß § 141 ZPO folgen und darauf seine Überzeugung gründen. Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 132, 79; BGH, VersR 1997, 691) jedoch, dass der Versicherungsnehmer glaubwürdig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist. Von einem Regelfall kann aber nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder sich schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen der Entwendung aufdrängen (vgl. nur BGH, a.a.O.). Umstände, die für die Unrichtigkeit der Behauptungen des Versicherungsnehmers zum äußeren Bild des Diebstahls sprechen, sind – soweit sie streitig sind – von der Versicherung zu beweisen. Insoweit geht es nicht um den bedingungsgemäß erleichterten Gegenbeweis des Versicherers für eine Vortäuschung des Versicherungsfalles, sondern allein darum, ob dem Versicherungsnehmer als einer redlichen Persönlichkeit die gegebene Sachdarstellung geglaubt werden kann. Umstände, die schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers begründen, müssen daher aufgrund konkreter Tatsachen, die unstreitig oder bewiesen sind, feststehen. Bloße Verdachtsmomente können nicht gegen den Versicherungsnehmer ins Feld geführt werden. Welche feststehenden Tatsachen ausreichen, um zumindest ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers aufkommen zu lassen, lässt sich nicht generell festlegen. Vielmehr ist dies eine Frage des Einzelfalls und kann auch davon abhängen, ob mehrere Umstände zusammenkommen, die bei einer Gesamtschau zu dem Ergebnis führen, dass dem Versicherungsnehmer seine Darstellung von der Entwendung nicht geglaubt werden kann (vgl. nur BGH, VersR 1996, 575; Beckmann. u. a., Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 23 Rz. 195 ff.).

Das Landgericht hat bei der angefochtenen Entscheidung die dargestellten Beweisregeln beachtet. Bezogen auf die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen liegen zudem keine konkreten Anhaltspunkte im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, die für den Senat Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen gebieten könnten. Ferner trägt der Kläger mit der Berufungsbegründung keine neuen Tatsachen vor, deren Berücksichtigung nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zulässig ist.

Im Einzelnen:

1.

Kfz-Kaskoversicherung - Redlichkeitszweifel an Versicherungsnehmer bei Kraftfahrzeugdiebstahl
(Symbolfoto: Von Nomad_Soul/Shutterstock.com)

Ohne Fehler bei der Beweiswürdigung hat das Landgericht festgestellt, dass das Fahrzeug nach der Hauptuntersuchung und Reparatur in D., die in der Zeit vom 12. bis 14. März 2014 stattfand, nur 36 km gefahren ist. Dabei hat das Landgericht zugrunde gelegt, dass die Laufleistung des Fahrzeuges bei Reparaturannahme am 12.03.2014 165.270 km, bei Auslieferung an den Kläger am 14.03.2014 165.278 km und bei seinem Auffinden am 10.06.2014 165.314 km betragen hat, was allein die Annahme zulässt, dass der Kläger nicht am 04.05.2014 von D. nach C. gefahren sein kann, wo das Fahrzeug aber nach seiner Behauptung entwendet worden sein soll. Dass der Kilometerstand, wie vom Landgericht festgestellt, bei Reparaturannahme am 12.03.2014 165.270 km und bei Auslieferung an den Kläger am 14.03.2014 165.278 km betrug, wird von dem Kläger mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen. Soweit er in Frage stellt, dass der nach dem Auffinden des Fahrzeuges dokumentierte Kilometerstand von 165.314 km, der fotografisch festgehalten ist (vgl. Anlage KK9), so dass es auf Schlussfolgerungen des Sachverständigen B. nicht ankommt, zutreffend ist, sind die von ihm aufgezeigten Umstände nicht geeignet, die hierauf gestützte Schlussfolgerung, das Fahrzeug sei zumindest nicht in C. gestohlen worden, zu widerlegen.

a)

Soweit der Kläger bezogen auf den nach Auffinden des Fahrzeuges festgestellten Kilometerstand von 165.314 km einwendet, dieser sei nicht gesichert, denn es sei weder eine Manipulation des Kilometerstandes durch unbekannte Dritte in dem Zeitraum zwischen der (behaupteten) Entwendung des Fahrzeuges und seinem Auffinden noch eine mögliche Fehlfunktion des Kilometerzählers in Form einer Funktionsbeeinträchtigung der LED-Anlage ausgeschlossen, handelt es sich um Behauptungen seinerseits ins Blaue hinein. Denn der Kläger trägt selbst keinerlei konkrete Tatsachen dafür vor, die auf eine Manipulation oder Fehlfunktion des Kilometerzählers schließen lassen. Solche Feststellungen wären auch nicht ausgeschlossen gewesen, nachdem das Fahrzeug nach seinem Auffinden im Juni 2014 erst im Jahr 2015 durch ihn veräußert worden ist. Vor dem Hintergrund ist es auch nicht geboten, dem Käufer des Fahrzeuges gemäß § 142 ZPO aufzugeben, wie vom Kläger beantragt, „den Vertrag für den Weiterverkauf des Fahrzeuges“, der kurz nach dem Erwerb durch ihn erfolgt sein soll, vorzulegen, um den „aktuellen Eigentümer des Fahrzeuges“ ausfindig zu machen und das Fahrzeug bei diesem auf eine eventuelle Manipulation oder Fehlfunktion des Kilometerstandes zu untersuchen. Denn das Gericht darf die Urkundenvorlegung nicht zum Zwecke der bloßen Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen (vgl. nur BGH, Beschluss v. 15.06.201, Az. XI ZR 318/09 – juris; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 142 Rz. 7, 8, 11).

b)

Darüber hinaus hat der Kläger aber auch keine konkreten Tatsachen dazu vorgetragen, dass er mit dem Fahrzeug nach der durch die Werkstatt erfolgten Auslieferung am 14.03.2014 mehrere Fahrten unternommen hat, die insgesamt über eine Strecke von 36 km hinausgingen, woraus sich ergeben würde, dass der bei dem Auffinden des Fahrzeugs angezeigte Kilometerstand nicht zutreffend sein kann. So meint der Kläger unter Hinweis auf die letzten Zieleingaben im Navigationsgerät, festgehalten durch ein entsprechendes Lichtbild (Anlage KK9) belegen zu können, er habe allein im Hinblick auf diese Fahrten eine Strecke von 43,50 km zurückgelegt. Dabei verkennt er jedoch, dass sich bereits nicht ergibt, zu welchem Zeitpunkt er die Strecken mit der jeweiligen Zielangabe zurückgelegt hat, d. h., dass entsprechende Fahrten tatsächlich nach dem Werkstattbesuch im März 2014 erfolgt sind. Insbesondere folgt dies auch nicht aus dem Umstand, dass die Anschrift der Werkstatt, die sich in der K. Straße in D. befindet, in der Zielangabe nicht genannt ist, da es nicht zwingend ist, dass der Kläger vor seinem Werkstattbesuch diese Zieleingabe überhaupt vorgenommen hat. Im Übrigen ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger mit dem Fahrzeug am 14.03.2014 die Strecke von der Werkstatt (K. Straße …) zur H.straße … (Firmensitz) von 10,20 km zurückgelegt hat und in der Folgezeit an einem Tag die Strecke von der H.straße in die S.straße (2,1 km), von der S.straße in die K.-S.-Straße (7,9 km), von der K.-S.-Straße in die A. Straße (6 km) und von der A. Straße in die T.straße (10,4 km), dem Auffindeort des Fahrzeuges gefahren ist, so dass er damit insgesamt 36,6 km zurückgelegt hätte, was der Differenz der Kilometerstände mit 36 km zwischen der Auslieferung des Fahrzeuges am 14.03.2014 und dem Kilometerstand nach dem Auffinden des Fahrzeuges entspricht.

c)

Soweit der Kläger schließlich seine Darstellung, der Kilometerstand nach dem Auffinden des Fahrzeuges sei unzutreffend gewesen, mit einer Fahrt am 26.03.2014 von D. nach L. und zurück (Gesamtkilometer 756) begründet und zum Beweis für seine Behauptung die Vernehmung der Zeugin W. beantragt, ist sein Vorbringen neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Das Vorbringen ist jedoch nicht zuzulassen, da weder dargetan noch ersichtlich ist, dass die Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 ZPO vorliegen, insbesondere sich nicht erschließt, warum dieser Vortrag durch den Kläger nicht bereits in 1. Instanz erfolgt ist. Unabhängig davon, geht aus dem Vorbringen aber auch nicht klar hervor, ob die Zeugin lediglich für die Behauptung einer Hausbesichtigung in L. benannt wird oder auch für die Behauptung, dass der Kläger die Fahrt mit dem streitgegenständlichen Pkw am 26.03.2014 zurückgelegt hat. Sollte Letzteres der Fall sein, dürfte es sich jedoch um ein ungeeignetes Beweismittel handeln, da es ausgeschlossen erscheint, dass die Zeugin zu dem Beweisthema überhaupt sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann. Das Vorliegen eines ungeeigneten Beweismittels wird in der Rechtsprechung bejaht, wenn ein Zeuge zu einem viele Monate zurückliegenden, für ihn völlig unbedeutenden Vorgang benannt wird (vgl. nur Zöller, ZPO, 32. Aufl., vor § 284 Rz. 10 a).

2.

Entgegen der Auffassung des Klägers spricht aber auch die von ihm als Anlage K8 vorgelegte Tankquittung, aus der sich ein Tankvorgang am 04.05.2014 in C. ergibt, nicht dafür, dass er an dem Tag tatsächlich mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug in C. war. Denn aus der Tankquittung geht nicht ansatzweise hervor, welches Fahrzeug betankt worden ist. Selbst wenn der Kläger in C. war und in C. ein Fahrzeug betankt haben sollte, ist es nicht zwingend, dass es sich bei dem vom Kläger betankten Fahrzeug um das streitgegenständliche Fahrzeug bzw. überhaupt um ein Fahrzeug gehandelt hat, welches sich in seinem Eigentum befand oder welches von ihm regelmäßig genutzt wurde. Gleichermaßen ist es möglich, dass der Kläger mit einem Mietfahrzeug oder dem Fahrzeug eines Dritten in C. unterwegs war.

3.

Soweit der Kläger darauf hinweist, es habe für ihn kein Motiv bestanden, den Diebstahl des Fahrzeuges bzw. der in dem Fahrzeug befindlichen Geräte vorzutäuschen, da er sich in gesicherten finanziellen Verhältnissen befunden habe, führt dies – selbst wenn man diesen Umstand als richtig unterstellt – nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach der langjährigen Erfahrung des Senats lässt die Vermögenssituation eines Versicherungsnehmers keinen Rückschluss auf dessen Glaubwürdigkeit zu. Das heißt, auch wenn gesicherte Erkenntnisse über das konkrete Motiv des Klägers fehlen, begründet das dargestellte Indiz der Laufleistung des Fahrzeuges bereits derart gravierende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben, dass dem Kläger allein aufgrund dessen der Nachweis für das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls nicht gelungen ist. Hinzu kommt, dass das Fahrzeug am Wohnort des Klägers aufgefunden worden ist, was ebenfalls gegen die behauptete Entwendung in C. spricht. Der Senat hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass ein Fahrzeug nach einem Diebstahl in C. durch Zufall wieder nach D. verbracht wird, wo es dann – zudem vollkommen unversehrt – aufgefunden wird.

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