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Kaskoversicherung – Beweislast für Unfall

LG Braunschweig – Az.: 7 O 1700/15 – Urteil vom 11.10.2016

Das Versäumnisurteil vom 11.2.2016 wird bestätigt und aufrechterhalten. Die Klage bleibt abgewiesen.

Die Klagepartei trägt (auch) die (weiteren) Kosten des Rechtsstreits, § 91 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Zugleich wird beschlossen: Der Streitwert beträgt 5.235,58 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus der Kaskoversicherung zum PKW Subaru Forester 2.0 X-Aktive, …, des Klägers.

Für den 19.3.2015 macht der Kläger geltend, dass es zu einem Fahrzeugschaden (neben einem Gebäudeschaden in der Hofeinfahrt des Hauses M. Straße in G.) gekommen sei, für den er den Hergang -zu dem er angehört worden ist (Blatt 75 und 266 ff) – wie folgt schildert (Blatt 12/13, Blatt 108):

Bin von der Arbeit gekommen und habe das Auto mit laufendem Motor vor der Toreinfahrt abgestellt. Bin ausgestiegen Habe den rechten Flügel des Tores aufgemacht und habe dann gesehen das mein Auto angefangen hat sich in bewegung zu setzen Bin hingelaufen zum Auto habe mich hastig hineingesetzt zum Bremsen bin aber abgerutsch und auf Gas gekommen, in den Augenblick ist das Auto nach vorn geschossen den linken Torpflügel durchbrochen und den 2 rechten Stützpfeiler mitgenommen das Auto ist dann kurz vorm 3 Stützpfeiler zu stehen gekommen.

….

ob der Wahlheber auf P N oder D gestanden hat konnte ich damals und heute nicht sagen

nach langen Grübeln bin ich der Meinung das ich den Wahlhebel beim hastigen hinsetzen wahrscheinlich von N auf D gekommen bin.

Dazu hat der Kläger im Termin am 19.7.2016 eine Ausgangsfassung seiner Schilderung – in Kopie – zu den Akten eingereicht (Blatt 267, 274).

Im Verlauf des Rechtsstreits 18.5.2016 eine weitere Schilderung zu den Akten gebracht bzw. bringen lassen (Blatt 210/211), in der es heißt: ich bin von der Arbeit gekommen und habe mein Auto mit laufendem Motor ca. 5 m vor der Toreinfahrt in einer der kleinen Unebenheiten auf der Straße vor der Toreinfahrt abgestellt. Der Wahlhebel war auf N gestellt. Ich bin dann ausgestiegen und bin zum Torweg gegangen, zugleich habe ich den rechten Torflügel aufgemacht.

Aus den Augenwinkeln habe ich dann gesehen, wie sich mein Auto Anführungszeichen selbstständig Anführungszeichen machte. Ich bin dann zum Auto gelaufen und habe mich hastig hineingesetzt, da war das Auto schon kurz bis vor den Bordstein gerollt. Ich wollte dann bremsen, bin mit meinen Arbeitsschuhen, die ich noch anhatte, vom Bremspedal abgerutscht und versehentlich bzw. unwillentlich auf das Gaspedal gekommen.

Durch meine Körperfülle beim Hineinsetzen bzw. Hineinschwingen in das Fahrzeug bin ich gegen den Wahlhebel gekommen, der dann auf D gerutscht ist. In diesem Augenblick ist das Auto nach vorn geschossen, durchbrach den linken Torflügel und ich fuhr gegen die beiden rechten Stützpfeiler in der Toreinfahrt. Kurz vor dem 3. Stützpfeiler ist das Auto zum Stehen gekommen, im 1. Moment habe ich gar nicht begriffen, was gerade passiert war.

Mein Fahrzeug ist augenscheinlich durch den vor Ort zum Unfallzeitpunkt nicht unerheblichen Verkehr infolge von Erschütterungen bzw. Fahrtwind aus der kleinen Unebenheiten vor Ort hinaus in Bewegung gesetzt worden. Der Bereich vor der Toreinfahrt bzw. die entsprechende Straße weist viele kleine Unebenheiten auf.

Der Kläger wendet sich mit dem rechtzeitigen und allen Form Erfordernissen entsprechenden Einspruch gegen das gegen ihn ergangene Versäumnisurteil vom 11.2.2016. Er bezieht sich auf die Reparaturkostenrechnung vom 4.5.2015 über brutto 5235,58 € (Anlage K2) nach dem D. Gutachten vom 25.3.2015 (Anlage K1). Wobei er den Kaskoanspruch zum 20.7.2015 als fällig gestellt sieht, weil er die Rechnung aus eigenen Mitteln zum Ausgleich gebracht habe (Blatt 5, Blatt 98/99).

Er beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5235,58 € nebst 5 % Zinsen usw. hierauf seit dem 21.7.2015 zu zahlen und an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 571,44 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der Kläger bei der Befragung durch den von der Beklagten eingeschalteten Diplom-Ingenieur G. am 12.6.2015 mitgeteilt habe, er sei mit dem Fahrzeug vor das zu diesem Zeitpunkt vollständig geschlossene Tor gefahren und habe mit den Vorderrädern (wahrscheinlich) auf dem Bordstein stehend angehalten, den Motor habe er laufen gelassen, nachdem er ausgestiegen sei, habe er die Fahrertür geöffnet gelassen, den Wahlhebel habe er (wahrscheinlich) auf D stehen gelassen, anschließend sei er zu dem geschlossenen Tor gegangen und habe den rechten Flügel geöffnet, als er bemerkt habe, dass das Fahrzeug plötzlich auf ihn zu gerollt sei, sei er vor dem Fahrzeug hergelaufen und am Fahrzeug entlang in Richtung Fahrertür, in das offene Fahrzeug sei er eingestiegen und habe die Bremse treten wollen, dann sei er abgerutscht und habe das Gaspedal betätigt, das Fahrzeug habe plötzlich beschleunigt, er sei durch den geschlossenen linken Torflügel gefahren und anschließend mit der Fahrzeugecke rechts vorn gegen den 1. Sockel nach der Toreinfahrt, das Fahrzeug sei dann etwa vor dem 2. Sockel stehen geblieben, Einleitungen von Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung sei nicht möglich gewesen.

Wenn das Fahrzeug auf dem Bordstein angehalten worden sei, habe jedoch kein Stillstand erreicht werden können, dass ein Aussteigen möglich gemacht haben würde, vielmehr würde das Fahrzeug bei solcher Konstellation selbstständig vorwärtsgerollt sein.

Habe das Fahrzeug jedoch mit den Rädern auf der Fahrbahn vor dem Bordstein gestanden, würde das Fahrzeug auch in der Wahl Hebelstellung D stehen geblieben sein und sich nicht bewegt haben, so würde das Fahrzeug aufgrund der Gehwegskante nicht selbstständig über den Bordstein gerollt worden sein, ohne dass das Fahrzeug mit Gas geben beschleunigt worden sei.

Insgesamt gesehen sei der vom Kläger persönlich geschilderte Sachverhalt nicht nachvollziehbar, technisch sei es nicht plausibel und gar nicht möglich, dass es zu dem geltend gemachten Schaden (am Fahrzeug und am Gebäude) gekommen sei.

Insofern bestreitet die Beklagte, dass es sich um ein unfreiwilliges Ereignis gehandelt habe, die angegebenen Möglichkeiten sein sämtlichst nicht geeignet, das Schadenersatz Ereignis mit den Schadenfolge herbeizuführen.

Der Kläger sei auf die Notwendigkeit wahrer und vollständiger Angaben und die Folgen von etwaigen unwahren, unvollständigen Angaben hingewiesen worden. Die gegebenen Erklärungen seien offensichtlich falsch, die abgegebene Schilderung nicht geeignet, die Schäden zu erklären. Insofern sei Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher, arglistiger Obliegenheitsverletzung gegeben.

Es ist Beweis erhoben worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommen sind, und die weitere Darstellung in den Entscheidungsgründen verwiesen. Auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

1. Die Verlegung des Verkündungstermins war erforderlich, weil der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung allein zuständige Richter zu diesem Zeitpunkt wegen eines Krankenhausaufenthalts und ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit die dienstlichen Aufgaben nicht wahrnehmen konnte.

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere ergibt er sich nicht aus dem von der Klagepartei herangezogenen Versicherungsvertrag.

Einschlägige (Rechts-) Fragen haben die Parteien in ihren Schriftsätzen aufgefächert. Darauf wird verwiesen. Dies bedarf keiner Wiederholung.

Maßgebend ist:

Es kommen einem Versicherungsnehmer anders als zu Entwendungsvorgängen keine Beweiserleichterungen zugute. Es ist also für einen Anspruch der geltend gemachten Art und des geltend gemachten Inhalts der Vollbeweis für das Vorliegen eines Unfalls zu erbringen. Für die Frage, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist, kommt es nach der Rechtsprechung im einschlägigen Kontext dabei allerdings nicht auf eine Unfreiwilligkeit bzw. die Zufälligkeit des Schadenereignisses bzw. der durch das Ereignis bewirkten Schädigung an.

Demgegenüber hat der Versicherer darzulegen und nachzuweisen, dass der Versicherungsnehmer das Schadensereignis vorsätzlich herbeigeführt hat, wobei eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist. Erfahrungsschlüsse auf Tatsachen, die den Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens begründen, sind zulässig. Vermag der Versicherer nur grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen hat, dies zur Rechtsfolge, dass der Versicherer berechtigt ist, eine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Bei einfacher Fahrlässigkeit besteht kein Kürzungsrecht. Zweifel oder aus lebenspraktischer Sicht vernünftigerweise verbleibende Restzweifel an einer Unfreiwilligkeit des Geschehens gehen aus diesen Gründen im Ergebnis zu Lasten einer Versicherung. Es kommen einem Versicherungsnehmer anders als zu Entwendungsvorgängen keine Beweiserleichterungen zugute. Es ist also der Vollbeweis für das Vorliegen eines Unfalls zu erbringen. Es kommen einem Versicherungsnehmer anders als zu Entwendungsvorgängen keine Beweiserleichterungen zugute. Es ist also der Vollbeweis für das Vorliegen eines Unfalls zu erbringen. Darauf kommt es in dessen Streit nach den Umständen, klägerseits geltend gemacht werden, nicht entscheidend an.

Denn tatsächlich und technisch ist die Schilderung des Klägers nicht plausibel und nicht in sich stimmig, sodass es an einer substantiierten Schilderung eines (versicherten) Unfalles fehlt. Allein der Umstand dass der Fall Kläger sein Fahrzeug hat reparieren lassen, verpflichtet die Beklagte nicht zur Zahlung von Reparaturkosten.

Am 11.2.2016 hat der Kläger in Person erklärt, er wisse nicht mehr, was er dem Sachverständigen gesagt habe (Blatt 75). Dabei hat er geschildert, dass das Fahrzeug am nächsten Tag abgeschleppt und zur Werkstatt gebracht worden ist (Blatt 76) und er seinerseits das Fahrzeug am 27. April abgeholt habe, ohne etwas zu bezahlen, er dann aber im Mai oder Juni den Rechnungsbetrag überwiesen habe (Blatt 77).

Am 19.7.2016 ist dem Kläger erneut Gelegenheit gegeben worden, sein Erlebnis zu schildern. Dabei hat er betont, er könne nur von „wahrscheinlich“ sprechen, weil er es nicht mehr genau wisse (Blatt 267).

Der Sachverständige Zeuge G. hat alle Einzelheiten des Gesprächs mit dem Kläger und der Versuche, den Ablauf nachzustellen, geschildert und dazu die Fahrbewegungen angegeben, die von dem Kläger seinerseits zum einen berichtet worden sind und die er andererseits zugleich gemacht hat. Dabei hat der Sachverständige Zeuge zugleich in allen Einzelheiten seine schriftlichen Angaben in der Stellungnahme vom 20. Juli 2015 (Anlage 1 zum Protokoll Blatt 266 ff) geschildert, auf die im Einzelnen dem vollen Wortlaut nach insgesamt und für sich gesehen Bezug genommen und verwiesen wird, auch – neben den klägerseits eingereichten Fotos (in Kopie) – mit den Fotos, unter anderem Seite 31 ff und Seite 37 ff. Zugleich wird Bezug genommen auf den Unfall Fragebogen/Kaskoschaden (Anlage 2 zum Protokoll). Insgesamt betrachtet ergibt sich danach aus dem Ergebnis der Anhörung des Klägers ebenso wie nach und angesichts der glaubhaften und glaubwürdigen Schilderung des sachverständigen Zeugen nichts, was einen Ablauf so als möglich und vorstellbar bezeichnen lassen könnte, der zu einem Versicherungsfall (streitgegenständlich in der Kaskoversicherung) führen könnte. Denn bei den Ausgangspositionen des Fahrzeugs, die der Kläger für möglich gehalten hat, ist es technisch nicht vorstellbar, dass der Schaden am Gebäude und Fahrzeug gleichzeitig eingetreten sein kann. Dass es andere Bewegungsmöglichkeiten gibt, bei denen es zu einem Schaden am Fahrzeug und Gebäude (der Toreinfahrt) hätte kommen können, ändert daran nichts. Die Idee, dass das Fahrzeug auf der Straße so weit vom Bürgersteig entfernt abgestellt worden sein könnte, dass es bei einem schrägen Verlauf und Unebenheiten in der Straße, die der Kläger selbst gar nicht gesehen hat, und die er gar nicht kennt, obwohl er dort gewohnt hat, reicht nicht, um abweichend von den Ausgangsschilderungen des Klägers eine plausible Unfalldarstellung als Voraussetzung des geltend gemachten Kaskoschadens zu Grunde legen zu dürfen. Vielmehr ist bezogen auf den Streitfall völlig unklar, wie es dazu gekommen sein kann, dass ein Sachschaden beim Fahrzeug des Klägers eingetreten ist, für den die zur Entscheidung gestellten Reparaturkosten angefallen sind.

Bei dieser Unklarheit fehlt es an der klägerseits gebotenen und erforderlichen plausiblen Darstellung, die Voraussetzung für einen Anspruch der geltend gemachten Art ist.

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