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Hausratversicherung – Wann liegt ein Raub vor?

Gerichtsurteil: Einengung des Raubversicherungsschutzes

Im Fall Amtsgericht Bergheim – Az.: 21 C 127/21 wurde die Klage einer Versicherungsnehmerin abgewiesen, die nach einem Vorfall, bei dem sie durch Täuschung und psychischen Druck zur Herausgabe von Wertgegenständen gebracht wurde, Leistungen aus ihrer Hausratversicherung beanspruchte, da das Gericht diesen Vorfall nicht als Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen wertete.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 C 127/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht wies die Klage ab, weil der Vorfall nicht den vertraglich festgelegten Bedingungen eines Raubes entsprach; es lag keine physische Gewalt oder Drohung mit unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben vor, die einen Raub kennzeichnen würden.
  • Die Versicherungsbedingungen definierten Raub als eine Tat, bei der gegen den Versicherten Gewalt angewendet wird, um Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten, was hier nicht der Fall war.
  • Die Klägerin konnte nicht glaubhaft machen, dass sie unter einer Drohung, die eine Gefahr für Leib oder Leben darstellte, gehandelt hatte.
  • Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin Opfer einer Straftat wurde, aber keine physische Gewalt oder eine ausreichend erkennbare Drohung erlebte, die als Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen gewertet werden könnte.
  • Die Entscheidung des Gerichts beruhte auch auf der Bewertung, dass der psychische Druck und das Verhalten der Täter nicht den vertraglichen Definitionen von Gewalt oder Drohung entsprachen.
  • Die Klägerin hatte ferner nicht nachgewiesen, dass sie einen bewussten Widerstand geleistet hatte oder dass die Wegnahme der Gegenstände unter einer solchen Drohung erfolgte.
  • Die Diskrepanzen zwischen der ursprünglichen Schadensmeldung der Klägerin und ihren späteren Schilderungen trugen zur Entscheidung bei, die Glaubwürdigkeit ihrer Darstellung in Frage zu stellen.
  • Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der genauen Definitionen von versicherten Gefahren in Versicherungsverträgen und die Anforderungen, die an den Nachweis eines Versicherungsfalles gestellt werden.

Entwendung oder Raub – was sagen die Bedingungen?

Eine Hausratversicherung schützt in der Regel vor Einbruchdiebstahl und Raub. Doch wann liegt tatsächlich ein Raub vor? Diese Frage ist oft nicht so leicht zu beantworten. Es kommt entscheidend auf die genaue Definition der Versicherungsbedingungen an.

In der Praxis können durchaus Situationen auftreten, in denen Wertgegenstände unter Anwendung von Drohungen oder psychischem Druck entwendet werden. Ob ein solcher Fall als Raub einzustufen ist, hängt von den vertraglich vereinbarten Kriterien ab. Eine sorgfältige Prüfung ist hier unerlässlich, da die Abgrenzung zu einem einfachen Diebstahl weitreichende Folgen für den Versicherungsschutz haben kann.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um Versicherungsschutz nach vermeintlichem Raub

Im Juli 2021 kam es zu einem Vorfall, bei dem eine Versicherungsnehmerin, nach eigenen Angaben, Opfer eines Raubes wurde.

Raubüberfall Wohnung
(Symbolfoto: Melnikov Dmitriy /Shutterstock.com)

Zwei Männer hätten sie unter dem Vorwand, Mitarbeiter des Wasserwerks zu sein, in ihre Wohnung gedrängt, dort unter psychischem Druck gehalten und schließlich Schmuck und andere Wertgegenstände entwendet. Die Versicherungsnehmerin meldete den Vorfall ihrer Hausratversicherung, welche die Deckung unter Verweis auf die spezifischen Bedingungen für den Versicherungsschutz bei Raub ablehnte. Laut Versicherungsbedingungen sei für einen Raub entweder die Anwendung physischer Gewalt notwendig oder eine Drohung mit unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben. Die Versicherung argumentierte, dass nach den Schilderungen der Versicherungsnehmerin diese Kriterien nicht erfüllt seien.

Der rechtliche Kern des Streits

Die Klägerin behauptete, die Männer hätten durch ihr Verhalten und ihre Drohgebärden einen Zustand geschaffen, der sie psychisch so unter Druck setzte, dass sie keinen anderen Ausweg sah, als deren Anweisungen zu folgen. Sie argumentierte, dass dies einer Gewaltanwendung gleichkomme und somit die Bedingungen für einen Raub erfüllt seien. Die Beklagte hielt dagegen, dass die geschilderte Situation die spezifischen Kriterien eines Raubes nach den Versicherungsbedingungen nicht erfülle, da weder physische Gewalt angewendet wurde noch eine explizite Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben vorlag.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Bergheim

Das Amtsgericht Bergheim wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen eines Raubes im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht gegeben seien. Das Gericht stellte fest, dass keine physische Gewalt angewendet wurde und auch die psychische Einwirkung nicht den Tatbestand einer Drohung im Sinne der Versicherungsbedingungen erfülle. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin einen bewussten Widerstand geleistet habe oder die Wegnahme der Gegenstände unter einer solchen Drohung geduldet habe.

Die Abwägung des Gerichts

In seiner Urteilsbegründung legte das Gericht Wert auf die Feststellung, dass die Klägerin zwar Opfer einer Straftat geworden sei, diese jedoch nicht den vertraglichen Definitionen eines Raubes entspreche. Insbesondere wurde betont, dass eine Drohung im Sinne der Versicherungsbedingungen eine erkennbare Gefahr für Leib und Leben voraussetzt, die hier nicht nachgewiesen werden konnte. Das Verhalten der Täter, so das Gericht, erfüllte nicht die notwendigen Kriterien einer solchen Drohung, da weder explizite Gewaltandrohungen noch eine unmittelbare Gefahr für die Klägerin erkennbar waren.

Konsequenzen der gerichtlichen Entscheidung

Durch die Entscheidung des Gerichts wurde klargestellt, dass die Interpretation von „Gewalt“ und „Drohung“ im Kontext von Versicherungsbedingungen eng auszulegen ist. Das Urteil unterstreicht, dass für einen Versicherungsschutz bei Raub nicht nur die subjektive Wahrnehmung des Opfers entscheidend ist, sondern objektiv nachweisbare Kriterien erfüllt sein müssen. Die Entscheidung hat somit direkte Auswirkungen auf die Handhabung ähnlicher Fälle durch Versicherungen und betont die Bedeutung klar definierter Versicherungsbedingungen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was zählt als Raub im Kontext der Hausratversicherung?

Laut den Versicherungsbedingungen zählt ein Vorfall als Raub im Kontext der Hausratversicherung, wenn gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen Gewalt angewendet oder angedroht wird, um an versicherte Sachen zu gelangen. Die entscheidenden Kriterien sind also die tatsächliche Anwendung von Gewalt oder die Androhung von Gewalt zur Wegnahme versicherter Gegenstände.

Einfacher Diebstahl oder Trickdiebstahl, bei dem keine Gewalt im Spiel ist, zählen nicht als Raub und sind in der Regel nicht durch die Hausratversicherung gedeckt. Es muss eine bewusste Gewaltanwendung oder unmissverständliche Drohung vorliegen, um die Grenzen des Raubtatbestands zu erfüllen.

Die Definitionen orientieren sich am strafrechtlichen Verständnis von Raub, können aber in den Versicherungsbedingungen abweichend geregelt sein. Entscheidend sind letztlich die genauen Formulierungen in den Vertragsbedingungen der jeweiligen Hausratversicherung. Bei Unklarheiten sollte der Versicherungsnehmer sich an seinen Versicherer wenden.

Wie wird psychischer Druck in Versicherungsfällen bewertet?

Psychischer Druck wird in Versicherungsfällen ähnlich wie physische Gewalt bewertet und kann zu Entschädigungsansprüchen führen. Allerdings gibt es einige Besonderheiten bei der Bewertung und dem Nachweis:

Bewertung psychischen Drucks

  • Psychischer Druck kann als Gewaltanwendung oder Drohung im Sinne des Raubtatbestands gewertet werden, wenn er zur Wegnahme versicherter Sachen eingesetzt wurde.
  • Psychische Folgen wie Traumata nach Unfällen oder Gewaltereignissen werden von der gesetzlichen Unfallversicherung als Gesundheitsschaden anerkannt und entschädigt.
  • In der Berufsunfähigkeitsversicherung werden psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout oft als Leistungsgrund akzeptiert, sofern sie berufsunfähig machen.

Nachweis psychischen Drucks

  • Der Nachweis ist schwieriger als bei physischen Verletzungen, da psychische Folgen oft nicht unmittelbar sichtbar sind.
  • Ärztliche Gutachten und Atteste sind zur Dokumentation der psychischen Beeinträchtigungen erforderlich.
  • Bei Verdacht auf Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten durch psychischen Druck am Arbeitsplatz muss die arbeitsbedingte Ursache nachgewiesen werden.
  • Die Plausibilität der Schilderungen und Konsistenz mit objektiven Befunden werden sorgfältig geprüft.

Insgesamt wird psychischer Druck von Versicherungen durchaus als Schadensursache anerkannt, aber der Nachweis gestaltet sich aufgrund der Natur psychischer Leiden oft schwieriger als bei rein körperlichen Schäden.

Welche Rolle spielt die Drohung mit unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben bei der Einschätzung eines Raubes?

Die Drohung mit unmittelbarer Gefahr für Leib oder Leben spielt eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung, ob ein Vorfall als Raub eingestuft wird. Dabei kommt es sowohl im strafrechtlichen als auch im versicherungsrechtlichen Kontext auf die Konkretheit und Gegenwärtigkeit der Drohung an.

Strafrechtlich muss die Drohung so beschaffen sein, dass beim Opfer der Eindruck entsteht, es bestehe eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben, wenn es sich der Wegnahme widersetzt. Die Drohung muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass eine erhebliche Schädigung der körperlichen Unversehrtheit oder sogar der Tod drohen, falls das Opfer nicht kooperiert. Unerheblich ist, ob der Täter die Drohung tatsächlich umsetzen will oder kann – entscheidend ist die Sicht des Opfers.

Auch in Versicherungsbedingungen wird für die Anerkennung als Raub regelmäßig eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben vorausgesetzt. Hier orientiert man sich an den strafrechtlichen Maßstäben. Eine vage, unkonkrete Drohung reicht nicht aus. Es muss dem Opfer unmittelbar bevorstehender Schaden an Leib und Leben in Aussicht gestellt werden, um dessen Widerstand zu brechen.

Liegt eine solche qualifizierte Drohung nicht vor und werden die Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstands weggenommen, wird dies von Versicherungen oft nur als Trickdiebstahl eingestuft, für den kein oder nur eingeschränkter Versicherungsschutz besteht. Die explizite Androhung von Gewalt gegen Leib oder Leben ist also ein zentrales Kriterium für die Einstufung als Raub und damit oft auch für den Versicherungsschutz.

Gibt es Unterschiede im Versicherungsschutz bei Einbruchdiebstahl und Raub?

Es gibt in der Tat Unterschiede im Versicherungsschutz zwischen Einbruchdiebstahl und Raub bei der Hausratversicherung. Hier die wichtigsten Punkte:

Einbruchdiebstahl

  • Ist in der Hausratversicherung standardmäßig abgedeckt.
  • Definiert als gewaltsames Eindringen in Räumlichkeiten zum Zweck der Wegnahme versicherter Sachen.
  • Hierzu zählt auch das Eindringen mit falschen Schlüsseln oder Werkzeugen.

Raub

  • Ebenfalls standardmäßig in der Hausratversicherung versichert.
  • Definiert als Wegnahme versicherter Sachen unter Anwendung oder Androhung von Gewalt gegen Personen.
  • Die Gewaltandrohung muss eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben darstellen.
  • Einfacher Diebstahl ohne Gewaltanwendung ist in der Regel nicht versichert.

Besonderheiten:

  • Bei Raub besteht Versicherungsschutz auch für Sachen, die erst auf Verlangen des Täters herangeschafft werden.
  • Psychischer Druck kann ähnlich wie physische Gewalt als Raub gewertet werden, ist aber oft schwieriger nachzuweisen.
  • Für gestohlenes Bargeld gelten oft Höchstgrenzen oder Ausschlüsse in den Versicherungsbedingungen.

Zusammengefasst sind Einbruchdiebstahl und Raub zwar beide durch die Hausratversicherung gedeckt, beim Raub muss aber eine qualifizierte Gewaltanwendung oder -androhung gegen Personen vorliegen. Dies hat Auswirkungen auf Beweis- und Entschädigungsansprüche.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 249 BGB – Schadensersatz Naturalrestitution: Dieser Paragraph ist relevant, da er die Grundlage für Schadensersatzansprüche darstellt, insbesondere wenn es um die Wiederherstellung des Zustandes geht, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Im Kontext des Textes bezieht sich dies auf die Ansprüche der Klägerin gegenüber der Hausratversicherung nach einem Raub.
  • § 823 BGB – Schadensersatzpflicht: Bedeutend für die Haftungsfragen. Er regelt die Schadensersatzpflicht bei der Verletzung eines Rechtsguts, wie z.B. Eigentum. Dies ist besonders wichtig für den Fall, dass die Versicherung die Entschädigung für den entwendeten Schmuck verweigert.
  • VVG (Versicherungsvertragsgesetz), insbesondere § 28 Abs. 2: Erläutert die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers und die Folgen ihrer Verletzung. Dies könnte im Fall der unterschiedlichen Schilderungen des Schadenshergangs durch die Klägerin relevant sein.
  • Allgemeine Bedingungen für die Hausratversicherung (VHB): Diese sind nicht gesetzlich, aber vertraglich bindend und definieren, was als versichertes Ereignis gilt, einschließlich Definitionen von Einbruchdiebstahl und Raub. Die spezifischen Versicherungsbedingungen HRB 07/09 wären hier entscheidend, um zu klären, ob der Vorfall unter die Versicherung fällt.
  • StGB § 249 – Raub: Wichtig zur Klärung, was rechtlich unter Raub zu verstehen ist, insbesondere die Elemente der Gewaltanwendung oder Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben, die im Versicherungsfall als Kriterium herangezogen werden.
  • ZPO (Zivilprozessordnung), insbesondere §§ 91, 708 Nr. 11, 711: Diese Paragraphen regeln die Kosten des Rechtsstreits und die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen. Im Kontext des Urteils sind diese Normen relevant für die Entscheidung über die Kostenverteilung und Vollstreckungsmaßnahmen.


Das vorliegende Urteil

Amtsgericht Bergheim – Az.: 21 C 127/21 – Urteil vom 14.10.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin ist nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Bergheim auf die mündliche Verhandlung vom 18.08.2022 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin ist nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Hausratversicherung. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand im Juli 2021 eine Privatpolice, zu der eine Hausratversicherung für die Wohnung der Klägerin im Mehrfamilienhaus Y Z gehörte. Auf diese Versicherung finden die Hausratsversicherungsbedingungen der Beklagten HRB 07/09 Anwendung. Dort heißt es unter „3. Versicherte Gefahren und Schäden; Versicherungsfall“ u.a.:

„3.1 Wir leisten Entschädigung für versicherte Sachen, die durch (…)Einbruchdiebstahl, Raub oder den Versuch einer solchen Tat (siehe Ziffer 5) (…) zerstört oder beschädigt werden oder infolgedessen abhanden kommen (Versicherungsfall).“

Unter „5. Einbruchdiebstahl, Raub“ heißt es u.a. weiter:

5.2 Raub liegt vor, wenn

5.2.1 gegen Sie Gewalt angewendet wird, um Ihren Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Gewalt liegt nicht vor, wenn Ihnen versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl);

5.2.2 Sie versicherte Sachen herausgeben oder sich wegnehmen lassen, weil Ihnen eine Gewalttat mit Gefahr für Leib oder Leben angedroht wird, die innerhalb des Versicherungsortes (siehe Ziffer 9) verübt werden soll;

5.2.3 Ihnen versicherte Sachen weggenommen werden, weil Ihr körperlicher Zustand unmittelbar vor der Wegnahme infolge eines Unfalls oder infolge einer nicht verschuldeten sonstigen Ursache wie beispielsweise Ohnmacht oder Herzinfarkt beeinträchtigt und dadurch Ihre Widerstandskraft ausgeschaltet ist.“

Zum weiteren Inhalt und Wortlaut der Versicherungsbedingungen wird auf Bl. 71 ff d.A. Bezug genommen. Zum Vertrag im Übrigen wird auf Bl. 57 ff d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin meldete gegenüber der Beklagten einen Versicherungsfall vom 01.07.2021. Mit Schreiben vom 05.07.2021 lehnte die Beklagte Leistungen ab und verwies darauf, dass nach der Schadensmeldung ein Versicherungsfall nicht gegeben sei. Versichert seien Einbruchsdiebstahl und Raub, was nach den Angaben der Klägerin nicht erfüllt sei.

Die Klägerin behauptet, dass sie am 01.07.2021 vom Einkauf nach Hause gekommen sein und im Begriff gewesen sei die Haustüre aufzuschließen, um anschließend ihren Trolli mit ihren Einkäufen die Stufen hochzuziehen, als zwei Männer auf sie zugekommen seien und erklärt hätten, dass sie vom Wasserwerk seien und eine Überprüfung vornehmen müssten. Die Männer hätten sie in den Hausflur gedrängt, indem sie sie im Befehlston aufgefordert hätten, nach drinnen zu gehen. Dabei seien sie ihr körperlich näher gekommen und hätten gestikuliert, sie – die Klägerin – sei regelrecht in den Flur getrieben worden. Einer der Männer habe sie dann weiter gedrängt, nach oben in ihre Wohnung zu gehen, die sich unstreitig im ersten Obergeschoss befindet. Der Mann, der ihr die Anweisungen gegeben habe, habe sie dann gezwungen ins Badezimmer zu gehen, dort den Duschschlauch zu nehmen und Wasser laufen zu lassen bzw. den Duschschlauch zu halten. Aus Angst vor einer Tätlichkeit oder körperlicher Gewaltanwendung ihr gegenüber habe sie die Anweisungen befolgt. Zwar habe sie auch darüber nachgedacht, an ihr Telefon im anderen Zimmer zu gelangen, der Mann habe ihr jedoch den Weg aus dem Badezimmer versperrt. Er habe sich unmittelbar vor ihr aufgebaut und jede einzelne ihrer Bewegungen kontrolliert Aus Furcht habe sie gehorcht und weiter den Duschschlauch gehalten, bis ihr der Mann schließlich befohlen habe, mit in den Keller zu gehen. Dort sei man auf einen dritten Mann getroffen. Nach kurzem Wortwechsel sei ihr signalisiert worden, sie möge wieder in ihre Wohnung gehen. Auch dem habe sie gehorcht. Kurz darauf habe es dann von Seiten der Männer geheißen, diese seien fertig und würden das Haus verlassen. Die Klägerin behauptet weiter, dass die Männer aus ihrer Wohnung eine Weißgoldkette mit Armband (Wert 850,00 €), zwei Ringe mit Diamanten (Wert je 200,00 €), 2 Ketten mit Rubinen (Wert je 300,00 €, 16 Goldringe (Wert je 100,00 €) sowie eine Kette mit Amethyst (Wert 250,00 €) und Ketten mit Rosenquarz (je 200,00 €) an sich genommen hätten.

Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Tat um einen Raub gehandelt habe. Sie sei durch die Männer in die jeweiligen Räumlichkeiten und zum Halten des Schlauchs genötigt worden. Ein Weggehen, Weglaufen oder Telefonieren ihrerseits habe der sie begleitenden Mann unterbunden, in dem er sich vor ihr aufgebaut und sich ihr in den Weg gestellt habe. Er habe im Befehlston gesprochen und auf sie furchteinflößend und bedrohlich gewirkt. Mit Kommandos und Handbewegungen sei sie zunächst in ihre Wohnung und das Badezimmer gedrängt worden, im weiteren Verlauf dann in den Keller. Im gesamten Zeitraum sei durch den Mann köperlicher Zwang ausgeübt worden. Er habe durch die Befehle, seine drängenden Handbewegungen, die körperlichen Nähe und das Sich-Aufbauen vor ihr im Badezimmer keinen Zweifel daran gelassen, dass sie seinen Anweisungen zu folgen habe. Während des gesamten Vorfalls habe sie Angst um Leib und Leben gehabt, da ihr die kriminellen Absichten der Männer bewusst gewesen seien, weil diese bereits zu Beginn nicht bereit gewesen seien, ihr einen Ausweis vorzuzeigen und Stimme, Wortwahl sowie die dazugehörige Körperhaltung und Gestik keinen Zweifel daran zugelassen hätten, sie den Anweisungen zu folgen habe, wolle sie Gefahren für Leib und Leben ausschließen. Die Täter hätten nicht ausdrücklich gedroht, aus deren Verhalten habe sich aber die Drohung ergeben.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, seit Rechtshängigkeit zu zahlen; die Beklagte wird zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den von der Klägerin in der Klageschrift behaupteten Geschehensablauf und behaupteten Schaden mit Nichtwissen und verweist darauf, dass dieser von den in der Ermittlungsakte festgehaltene Angaben der Klägerin gegenüber den Polizeibeamten in wesentlichen Punkten abweiche. Bei der Schadensmeldung an sie – die Beklagte – habe die Klägerin angegeben, es sei ein Schaden durch „Einbruch“ oder Diebstahl entstanden. So hätten die Täter vorgetäuscht Mitarbeiter vom Wasserwerk zu sein. Die Täter seien bereits im Haus gewesen und hätten sich als Mitarbeiter vom Wasserwerk vorgestellt. Nach Bitte um Vorlage eines Ausweises seien die Täter geflohen. Die Tat sei polizeilich gemeldet worden. Entwendet worden sei Schmuck und ein Sparbuch. Den Schaden schätze die Klägerin auf 3.000,00 €. Nachdem Leistungen abgelehnt worden seien, sei dann mit Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Schadenshergang modifiziert geschildert und dargestellt worden, dass Druck auf die Klägerin ausgeübt worden sei und diese aus Angst den Anweisungen gefolgt sei. Ansprüche seien bereits deswegen verwirkt, weil die gerin – wie sich aus der Anzeige in der Ermittlungsakte ergebe – vorprozessual den Sachverhalt falsch dargestellt habe, die Darstellung des Sachverhalts sei angepasst worden, um auf ihr – der Beklagten – Regulierungsverhalten Einfluss zu nehmen. Bereits dies führe zur Leistungsfreiheit. Ein Versicherungsfall liege nicht vor, da der einfache Diebstahl nicht versichert sei und ein Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht vorliege, ggf. Dinge ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet worden seien. Zu einer Drohung für Leib und Leben der Klägerin sei es nicht gekommen. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Klägerin die vopn dieser genannten Schmuckstücke entwendet worden seien und es sich bei den angegebenen Werten um Neuwerte handele.

Die Klägerin ist durch das Gericht persönlich angehört worden. Die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte StA Köln lag vor und war zu Informations- und Beweiszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Schriftsätze der Parteien und die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten nicht zu, da es sich bei dem Vorfall vom 01.07.2021 nicht um ein versichertes Ereignis im Sinne der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen handelt.

Versichert sind Einbruchsdiebstahl und Raub, nicht aber der einfache Diebstahl bzw. Trickdiebstahl. Nach durchgeführter Anhörung der Klägerin geht das Gericht davon aus, dass diese am 01.07.2021 Opfer einer erheblichen Straftat geworden ist, diese aber kein Raub im Sinne der vertraglichen Bedingungen war: Unstreitig ist gegen die Klägerin keine physische Gewalt im Sinne eines physisch vermittelten Zwangs zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes angewendet worden. Auch psychisch wirkender Zwang kann zwar als „Gewalt“ gewertet werden, notwendig ist aber, dass eine gewisse körperliche Kraftentfaltung durch den Täter erkennbar ist. Auch dies ist hier nicht festzustellen und kann insbesondere in dem von der Klägerin beschriebenen Gestikulieren und Sich-vor-ihr-Aufbauen nicht erkannt werden. Auch unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist ebenfalls nicht festzustellen, dass sie im tatbestandlichen Sinne bedroht wurde. Sie verweist zutreffend darauf, dass eine Drohung nicht nur ausdrücklich und verbal ausgesprochen erfolgen kann, sondern auch ein schlüssiges Verhalten durch den oder die Täter ist ausreichend ist. Erforderlich ist dabei aber jedenfalls, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht (BGH, Urt. v. 11.3.2015 – 2 StR 323/14). Daran mangelt es hier. Dass der Mann, der die Klägerin in ihre Wohnung begleitet hat, dieser durch sein Verhalten mit einer Gefahr für Leib und Leben gedroht hat, ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Zwar mag die Klägerin in der konkreten Situation Angst verspürt haben und ihr diese unangenehm gewesen sein, dass der Mann durch das von ihr geschilderte Verhalten die Klägerin an Leib und Leben bedrohen wollte bzw. bedroht hat, ist allerdings nicht ersichtlich und hieraus auch nicht zu schlussfolgern. Allein die Größe oder körperliche Präsenz des Täters reicht hierfür nicht, auch die von der Klägerin geschilderten Gesten und Handbewegungen lassen nicht den Schluss auf eine Bedrohung von Leib und Leben zu, nichts anderes gilt für das Stehen im Türrahmen. Wenig nachvollziehbar wäre zudem, dass die Klägerin nach Entdeckung der Tat nicht mit zur Anzeigenerstattung bei der Polizei gegangen ist, sondern – wie sie in der Anhörung ausführte – deswegen nicht mitging, weil sie auch Sorge hatte, dass die Männer noch einmal wieder kommen könnten. Hätte die Klägerin den Mann / die Männer während deren Anwesenheit in ihrer Wohnung bzw. dem Hausobjekt als konkrete Bedrohung für Leib und Leben empfunden, wäre es wenig nachvollziehbar, dass sie sich ggf. einer weiteren Begegnung stellen wollte.

Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, denn die Gewalt bzw. die Drohung müssten dazu eingesetzt worden sein, den erwarteten oder geleisteten Widerstandswillen zu durchbrechen (BGH 17.7.2002 – 2 StR 225/02, NStZ-RR 2002, 304). Hierzu muss das Opfer jedenfalls die Absicht des Täters noch während des Tatgeschehens noch rechtzeitig erkannt haben (OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.7.2016 – 12 U 85/16, r+s 2016, 515). Dass dies der Fall gewesen sein könnte und die Klägerin bewusst Widerstand gegen die Wegnahme ihrer Schmuckstücke geleistet hat, oder die Wegnahme infolge einer Drohung geduldet hat, ist nicht ersichtlich und ihrem Vortrag sowie den Angaben in der Anhörung nicht zu entnehmen. Dass der Klägerin während der Anwesenheit der Täter bewusst war, dass diese ihren Schmuck bzw. andere Gegenstände entwenden wollten bzw. entwenden würden, hat sie nicht vorgetragen und ist auch ihren Angaben in der persönlichen Anhörung nicht zu entnehmen. Soweit die Klägerin in der Klageschrift darauf verwiesen hat, dass ihr die kriminellen Absichten der Männer bewusst gewesen seien, weil diese bereits zu Beginn nicht bereit gewesen seien, ihr einen Ausweis vorzuzeigen, steht dies im Widerspruch zu dem von der Klägerin in ihrer schriftlichen Eingabe dargestellten und in der persönlichen Anhörung geschilderten weiteren Ablauf zwischen dem Sich-Entfernen der Täter bis zur Entdeckung der Entwendung. Dass die Klägerin – nachdem die Männer das Haus verlassen hatten – zunächst ihre Einkäufe ausgepackt hat und dann erst beim Verräumen einzelner Einkäufe im Schlafzimmer den Verlust ihres Schmucks bemerkte, ist wenig nachvollziehbar, wenn sie hiermit bereits zuvor gerechnet hätte. In diesem Fall hätte nichts näher gelegen als sich sogleich zu vergewissern, ob die Wertgegenstände noch vorhanden sind. Dieses Verhaltens spricht vielmehr dafür, dass die Klägerin sich bis zur Entdeckung der Tat nicht bewusst war, dass die Männer ihre Wertgegenstände entwenden könnten bzw. würden.

Das Gericht hat – wie ausgeführt – nach Anhörung der Klägerin keinen Zweifel, dass diese Opfer einer erheblichen Straftat geworden ist. Auf Grundlage der Angaben der Klägerin in ihrer Anhörung zum Tatgeschehen und den diesbezüglichen Schilderungen bzw. auch Widersprüchen konnte sich das Gericht allerdings keine Überzeugung bilden, dass es sich bei dieser Tat um einen Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt hat. Die Klage war daher – wie geschehen – abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 4.100,00 EUR festgesetzt.

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