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Krankenkassenbeiträge – einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung

SG Karlsruhe, Az.: S 7 KR 2374/08 ER

Beschluss vom 11.06.2008

Krankenkassenbeiträge - einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung1 1. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung der Beitragsforderung der Antragsgegnerin für die freiwillige Versicherung der Antragstellerin in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 1.4.2004 bis 31.12.2006 wird einstweilen bis zum Erlass eines bestandskräftigen Beitragsbescheids über diesen Zeitraum angeordnet.2. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Beitragsbescheiden vom 29.12.2006 und 30.7.2007 betreffend die Zeiträume 1.1. bis 31.12.2007 wird einstweilen bis zum Erlass eines bestandskräftigen Beitragsbescheids über den Zeitraum 1.4.2004 bis 31.12.2006 angeordnet.3. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Schutz vor der Vollstreckung von Beitragsforderungen aus ihrer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung bei der Antragsgegnerin.

Die im Jahre 1946 geborene Klägerin ist seit Jahrzehnten bei der Beklagten wechselnd freiwillig und aufgrund Familienversicherung krankenversichert, seit 1995 auch in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Auf regelmäßige Einkommensanfragen antwortete sie nur sporadisch bzw. legte die von der Beklagten Unterlagen zum Nachweis der Höhe ihrer Einnahmen nicht vor. Seit 2000 kam es immer wieder zu Beitragsrückständen, weil die Antragstellerin mit der Berechnung der Beiträge nicht einverstanden war.

Im Jahre 2003 stellte die Antragsgegnerin schließlich fest, dass die Antragstellerin nicht mehr bei ihr versichert sei, weil sie die laufenden Beiträge nicht bezahlt habe. Den entsprechenden Bescheid nahm die Antragsgegnerin schließlich im Rahmen eines Anerkenntnisses aufgrund eines Vorschlags des Sozialgerichts Karlsruhe zurück (S 5 KR 4084/04), nachdem der Kammervorsitzende darauf hingewiesen hatte, dass der Zugang des Hinweises auf den drohenden Verlust des Versicherungsschutzes nicht nachweisbar sei. Bereits Ende 2003 wurde der Gerichtsvollzieher mit der Einziehung fehlender Beiträge bis einschließlich 15.3.2003 beauftragt. Mit Schreiben vom 16.6.2005 forderte die Antragsgegnerin nunmehr von der Antragsstellerin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 16.3.2003 bis 31.3.2004 in Höhe von 7.177,62 EUR nach. Nachdem die Antragstellerin sich dagegen unter Vorlage eines Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2003, aus dem sich zwar negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aber Einkünfte in Höhe von 18.000 EUR aus nichtselbständiger Arbeit und über 50.000 EUR aus Vermietung und Verpachtung ergaben, erließ die Beklagte am 13.9.2005 einen Bescheid, mit dem sie Höhe der Beiträge noch einmal bestätigte. Diese Beiträge hat die Antragstellerin zwischenzeitlich vollständig gezahlt.

Am 25.3.2004 teilte die Antragstellerin mit, dass sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe und deshalb der Krankenversicherung der Rentner zugehören müsse. Die Deutsche Rentenversicherung führte Beiträge aus der Witwenrente nach ihrem im März 2004 verstorbenen Ehemann ab 1.4.2004 an die Antragsgegnerin ab. Am 10.9.2004 erinnerte die Antragsgegnerin die Antragstellerin an die Übersendung von Unterlagen über die Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit. Im Rahmen eines Telefongesprächs am 27.5.2005 teilte der Sohn der Antragstellerin auch mit, dass die Antragstellerin weiterhin als Steuerberaterin tätig sei.

Mit Bescheid vom 11.10.2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie seit dem 1.4.2004 zwar aufgrund des Bezugs einer Rente in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert sei. Da sie aber weiter freiberuflich selbständig sei, sei sie versicherungsfrei. Die Versicherung werde deshalb ab 1.4.2004 weiterhin als freiwillige Versicherung geführt. Die Antragsgegnerin werde der Rentenversicherung mitteilen, dass sie keine Beiträge aus der Rente mehr an sie abführen müsse.

Am 6.2.2006 versandte die Antragsgegnerin an die Adresse … ein Schreiben folgenden Inhalts:

 mit unserem Schreiben vom 11.10.2005 wurde Ihnen mitgeteilt, dass Ihr Versicherungsschutz rückwirkend ab 1.4.2004 in eine freiwillige Versicherung umgewandelt wurde. Durch diese Änderung kommt es zur Nachberechnung Ihrer Beiträge.

 

Für den Zeitraum 1.4.2004 bis lfd. haben wir somit eine Beitragsschuld in Höhe von 12.312,63 EUR.

Um eine evtl. Ratenzahlung vereinbaren zu können setzen Sie sich bitte mir mir in Verbindung.

Der Rentenversicherungsträger wurde bereits über die Änderung informiert.

Mit freundlichen Grüßen

Eine Rechtsmittelbelehrung enthält dieses Schreiben ebenso wenig wie eine Erklärung über die Berechnung der angegebenen Summe oder eine Aufschlüsselung für welche Versicherung diese Summe geschuldet sein soll. Am 20.2.2006 mahnte die Antragsgegnerin die Klägerin unter der Adresse ihrer Tochter. Dort heißt es  bisher haben sie auf unsere Schreiben nicht reagiert.

Ihr aktueller Saldo zur Kranken- und Pflegeversicherung beträgt 12.906,94 EUR.

Es folgt ein Hinweis auf die Möglichkeit der Ratenzahlung.

Mit Schreiben vom 15.3.2006 mahnte die Antragsgegnerin erneut die Zahlung von Beiträgen ab 1.4.2004. Dort heißt u.a.  Auf Ihrem Beitragskonto fehlen 13.494,75 EUR. Neben dem bereits zuvor ausgewiesenen Betrag von 12.906,94 EUR findet sich dort der Hinweis, dass der Beitrag für Februar 2006 587,81 EUR betrage. Schließlich heißt es  Diese Nachricht ergeht auch im Namen der Pflegekasse.

Mit Bescheid vom 21.3.2006 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass ihr der Ausschluss drohe, weil ein Beitragsrückstand von insgesamt 13.512,75 EUR bestehe. Diesen Bescheid stellte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde an der Adresse ihrer Tochter zu. Bei Gesprächen am 3. und 7.4.2006 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie keine Post erhalten habe. Die mit Postzustellungsurkunde zugestellte Mitteilung habe sie zwischenzeitlich erhalten. Sie bitte ihr Post ab sofort an ihre Geschäftsadresse zuzustellen.

Am 18.4.2006 unterschrieben Antragstellerin und Antragsgegnerin ein mit  Schuldmitübernahmevertrag, Unwiderrufliches Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB), Zahlungsvereinbarung und Abtretungserklärung bezeichnetes Dokument, in dem die Antragstellerin anerkennen sollte, dass sie der Antragsgegnerin 13.248,56 EUR schulde. Die Antragstellerin trug darauf unter Hinzufügung einer Paraphe ein  infolge Schätzung Höhe bis zu neuem Bescheid. In dem Dokument war eine Ratenzahlung vorgesehen.

Mit Schreiben vom 29.12.2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Beitrag sich ab 1.1.2007 ändere. Es gelte nunmehr ein Beitrag von 548,62 EUR für die Krankenkasse und ein solcher von 60,56 EUR für die Pflegekasse. Der neue Beitrag sei ab 15.2.2007 fällig. Im Juni 2007 wies die Klägerin durch Vorlage einer Bestätigung des Finanzamts über ihre Einkünfte 2004 nach. Sie teilte mit, dass sie gegen den diesbezüglichen Steuerbescheid vom 19.9.2006 Einspruch erhoben habe. Mit Bescheid vom 30.7.2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Beitrag ab 1.7.2007 insgesamt 341,29 EUR betrage (307,36 EUR Krankenversicherung, 33,95 EUR Pflegeversicherung). Die Berechnung sei vorläufig, weil die Einkommenshöhe für 2004 noch nicht endgültig feststehe.

Am 14.9.2007 verfügte die Antragsgegnerin die Pfändung und Einziehung von Guthaben der Antragsstellerin bei der Sparkasse … wegen einer Forderung von 8.737,36 EUR, die sich zusammensetzte aus einer Forderung in Höhe von 8.408,92 EUR Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vom 1.4. bis 14.12.2005 zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 140,23 EUR und Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 139,76 EUR vom 30.5. bis 30.6.2007 in Höhe von 139,76 EUR sowie Gebühren und Auslagen.

Mit Schreiben vom 18.9.2007 machte die Antragstellerin nunmehr geltend, dass es nicht ihr Verschulden sei, dass das Finanzamt … versehentlich ihre Steuernummer gelöscht habe und die Erteilung des Steuerbescheids für 2005 sich deshalb verzögere. Sie bitte, endlich den Beitrag ab 1.1.2006 richtig mit 284 EUR richtig festzusetzen. Diesen Betrag entnahm sie aus einem Gespräch mit einer Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin. Wenn man diesen Betrag zugrunde lege, schulde die Antragsgegnerin ihr rund 7.700 EUR.

Am 18.9.2007 unterzeichneten die Antragsstellerin und der Vollziehungsbeamte der Beklagte eine ähnliche Vereinbarung wie im April. Dort wurde der geschuldete Betrag mit 8.552,10 EUR angegeben. Die Antragstellerin brachte den Vermerk an  unter Vorbehalt. Das Dokument enthält eine Ratenzahlungsvereinbarung über monatlich 300 EUR. Dort heißt es außerdem:  Die Tilgung der lfd. Beiträge bleibt von dieser Vereinbarung unberührt.

Am 8.10.2007 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass sie eine zum 1.10.2007 fällige Rate von 300 EUR nicht überwiesen habe. Ihr aktueller Rückstand betrage 8.393,39 EUR.

Mit Schreiben vom 6.1.2008 rechnete die Antragstellerin die Beiträge für Oktober 2007 und November 2007 die nach ihrer Ansicht zu zahlenden Beiträge in Höhe von 733,81 EUR mit zu erstattenden Beiträge auf. Für Dezember seien Beiträge von 717,21 EUR zu zahlen. Diese rechnete sie ebenfalls auf.

Am 23.1.2008 wies die Antragsgegnerin die Antragsstellerin darauf hin, dass sie aus der Ratenzahlungsvereinbarung vom 18.9.2007 und den laufenden Beiträgen seit 1.10.2007 monatlich 300 EUR plus laufende Beiträge habe überweisen sollen. Statt der geschuldeten 2.265,16 EUR seien jedoch nur 1.582,58 EUR bei der Antragsgegnerin eingegangen. Die Antragstellerin werde gebeten, den fehlenden Betrag von 682,58 EUR unverzüglich zu überweisen. Die Antragsgegnerin werde ansonsten Vollstreckungsmaßnahmen einleiten.

Am 11.2.2008 erließ die Antragsgegnerin erneut eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Danach schuldete die Antragsstellerin der Antragsgegnerin für die Zeit vom 1.4.2004 bis 31.12.2005 Beiträge in Höhe von 8.239,95 EUR zuzüglich Säumniszuschläge und Gebühren für die Verfügung. Die Verfügung stellte die Antragsgegnerin der Sparkasse … zu. Dagegen wandte sich die Antragstellerin nunmehr mit Widerspruch vom 5.3.2008, zu dessen Begründung sie mitteilte, dass sie keine Schulden bei der Antragsgegnerin habe. Während in ihrer Begründung die Bescheide betreffend die Beiträge für 2003 bis März 2004 erwähnt sind, hat sie keine Schreiben der Antragsgegnerin von 2006 erwähnt. Sie habe ein erhebliches Guthaben der Antragsgegnerin, weil sie nicht rund 575 EUR Beiträge sondern nach den Angaben der Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin 284 EUR monatliche Beiträge habe bezahlen müssen. Sie habe Zahlungen in Höhe von insgesamt 24.376,58 EUR für die Beiträge von 2003 bis 2007 geleistet. Die Antragsgegnerin habe Beiträge in Höhe von insgesamt 32.171,51 EUR festgesetzt. Richtig seien aber nur Beiträge in Höhe von 17.511,40 EUR für den gesamten Zeitraum.

Am 4.3.2008 beantragte die Antragsgegnerin beim Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts … die Zwangsvollstreckung wegen nicht bezahlten Krankenversicherungsbeiträgen in der Zeit vom 1.4.2004 bis 29.2.2008 in Höhe von insgesamt 10.757,36 EUR. Bei Vermögenslosigkeit beantragte sie die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Der Gerichtsvollzieher sah von einem Vollstreckungsversuch ab, weil ihm bekannt war, dass die Mobiliarvollstreckung keine Aussicht auf Erfolg habe.

Am 18.3.2008 beantragte die Antragsgegnerin erneut die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher. Die fällige Forderung bezifferte sie nunmehr mit 10.141,77 EUR. Der Gerichtsvollzieher traf die Antragstellerin wiederholt nicht vor und forderte die Antragstellerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf. Dieser Aufforderung kam sie nicht nach. Am 19.5.2008 erließ darauf hin das Amtsgericht … einen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

Am 30.5.2008 hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, zu dessen Begründung sie darauf hinweist, dass sie gegen die Beitragsbescheide der Antragsgegnerin Widerspruch erhoben habe. Über die Widersprüche sei bis heute nicht entschieden worden. Die Höhe der Beiträge solle sich nach den Steuerbescheiden für 2003 bis 2006 richten, die aber bis heute nicht ergangen seien. Sie habe am 25.3.2008 einen Unfall mit Gehirnerschütterung erlitten und am 28.4.2008 einen weiteren Unfall. Sie habe sich deshalb nicht früher melden können. Sie schulde der Antragsgegnerin keine Beiträge, sie habe vielmehr die Beiträge für die Zeit vom 1.4.2004 bis einschließlich 31.12.2007 bereits vollständig bezahlt. Die Antragsgegnerin habe weder auf ihren Widerspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung noch auf ihre Einsprüche gegen die Höhe der freiwilligen Beiträge der Jahre 2004 bis 30.6.2007 eine Entscheidung erlassen, gegen die sie hätte Klage erheben können. Zur weiteren Begründung hat sie die Kopie eines Widerspruchs vom 13.4.2006 mit einem Stempel der Antragsgegnerin vorgelegt, nach dem diese den Widerspruch erhalten habe. Darin wendet sie sich gegen das Schreiben vom 21.3.2006 und führt aus, dass sie nicht verstehe, warum ihr Versicherungsschutz in Gefahr sei. Auf ihre Nachfrage habe die Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin ihr mitgeteilt, dass ein Bescheid vorliege oder die Festsetzung der freiwilligen Beiträge. Ein solcher Bescheid liege ihr nicht vor. Die Post komme immer in die …Str. …obwohl sie in der …Str. … wohne. Immer und immer wieder komme die Post gar nicht an. Weiterhin bat sie darin, die Post über die freiwillige Versicherung nunmehr über ihre Büroadresse …Str. … zu senden, damit die Post endlich pünktlich ankomme. Sie bitte um Erlass eines Bescheids über die Beiträge zur freiwilligen Versicherung ab April 2004. Sie habe am 12.4.2006 einen Betrag von 852 EUR für Beiträge 2006 gezahlt. Das seien je 284 EUR für Januar, Februar und März 2006. Sie erkläre an Eides statt, dass sie keinen Bescheid über Beiträge ab 1.4.2004 erhalten habe. Den Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2003 habe sie im August 2006 abgegeben, sie habe Einspruch dagegen eingelegt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte 2003 sei negativ. Das gelte auch für 2004 und 2005. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit aus der …GmbH bestünden seit 2003 nicht.

Sie beschäftige acht Steuerfachangestellte, von denen zwei derzeit zwei in Elternzeit und eine im Mutterschutz sei. Außerdem habe sie drei Ausbildungsplätze zum 1.9.2008 zugesagt. Wenn sie nunmehr die eidesstattliche Versicherung abgeben müsse, sei sie verpflichtet, die Bestellung zum Steuerberater sofort zurückzugeben. Sie könne dann weder ihre Mitarbeiter weiter beschäftigen noch die zugesagten Ausbildungen durchführen.

Am 11.6.2008 hat sie telefonisch mitgeteilt, dass sie bereit sei, die Beiträge ab 1.1.2008 nachzuzahlen. Die Zahlung werde bis 13.6.2008 an den Gerichtsvollzieher erfolgen. Wegen dieser Zeiten werde deshalb kein einstweiliger Rechtsschutz mehr begehrt. Das hat sie mit Fax vom 11.6.2008 noch einmal bestätigt.

Die Antragstellerin beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Beitragsforderung nicht zu vollstrecken.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.

Es bestehe schon kein Anordnungsgrund, weil die Antragstellerin die Inhaftierung abwenden könne, indem sie die eidesstattliche Versicherung abgebe. Es seien keine Nachteile erkennbar, die ihr aus der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung drohten. Die Antragstellerin habe am 24.2.2008 gegen die Beitragsfestsetzung in den Jahren 2003 bis 2007 Widerspruch eingelegt. Darüber werde sie in der nächsten Sitzung des Widerspruchsausschusses entscheiden. Aus ihrer Sicht seien die Widersprüche unzulässig. Es könne allenfalls eine Nachprüfung des Verwaltungsakts nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) erfolgen. Die Antragstellerin habe keine Einkommenssteuerbescheide vorgelegt, deshalb sei sie mit dem Höchstbetrag eingestuft worden. Sie habe deshalb im Jahre 2004 Beiträge in Höhe von 519,64 EUR für die Krankenversicherung (GKV) und 59,28 EUR für die Pflegeversicherung (SPV), bis 31.9.2005 monatlich 525,22 EUR GKV, 59,92 EUR SPV, ab 1.9.2005 521,70 EUR GKV, 59,62 EUR SPV und ab 1.1.2006 bis einschließlich 30.6.2007 548,62 EUR GKV sowie 60,56 EUR SPV zahlen müssen. Bis einschließlich Mai 2008 betrage die Forderung 11.292,63 EUR. Die Antragstellerin habe zuletzt im November 2007 Beiträge in Höhe von 682,48 EUR gezahlt. Die Klägerin habe verschiedene Zahlungen geleistet, aber nicht den vollständigen Betrag gezahlt.

Auf Nachfrage des Gerichts hat sie weiterhin ausgeführt, dass hier nur Zwangsvollstreckung der freiwilligen eigenen Beiträge der Antragstellerin betrieben werde nicht aber diejenige für eventuell nicht abgeführte Beiträge für die Beschäftigten der Klägerin. Sie habe die Beiträge für die Zeit vom 16.3.2003 bis 31.3.2004 vollständig bezahlt. Sie sei der Auffassung, dass das Schreiben vom 6.2.2006 ein Beitragsbescheid sei, wie sich auch aus der Aufforderung ergebe, Ratenzahlung zu vereinbaren. Die dort angesprochene Beitragsforderung sei auch zeitlich klar definiert und nachvollziehbar. Sie müsse außerdem im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 11.10.2005 gelesen werden. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung führe nicht dazu, dass dem Schreiben der Bescheidcharakter fehle. Auch wenn die Antragstellerin die Mahnung vom 15.3.2006 nicht erhalten habe, sei die Vollstreckung zulässig. Es sei wohl unstrittig, dass die Antragstellerin das Schreiben vom 21.3.2008 erhalten habe, mit dem die Antragsgegnerin die Zahlung von Beiträgen in Höhe von 14.100,56 EUR angemahnt habe. Das Schreiben vom 21.3.2008 hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt.

Schließlich hat sie noch einen Beitragsbescheid vom 5.6.2008 vorgelegt, nach dem der laufende Beitrag seit 1.1.2008 weiterhin 341,29 EUR beträgt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

II.

Der Antrag auf Gewährung ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin darf ihre angebliche Beitragsforderung für die Zeit vom 1.4.2004 bis 31.12.2007 nicht (mehr) vollstrecken.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Vollstreckung aller Beitragsforderungen seit 1.4.2004 zu unterlassen. Das deutet zunächst darauf hin, dass es ihr zunächst im Vollstreckungsschutz geht. Ihr Antrag ist aber dahingehend zu verstehen, dass sie sich auch gegen die Höhe der Forderung wenden will, denn sie trägt vor, dass sie den von der Beklagten geltend gemachten Betrag nicht schulde.

1. Für den so verstandenen Antrag ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Die Klägerin wendet sich die Höhe ihrer Beiträge aus der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und die Vollstreckung einer Forderung die diese Beiträge betrifft sowie gegen die einstweilige Vollstreckung aus Beitragsbescheiden. Der Rechtsstreit betrifft deshalb im Kern Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

2. Der Antrag ist zulässig und begründet soweit sich die Antragstellerin gegen die Vollstreckung der Beitragsforderung der Antragsgegnerin für die Zeit vom 1.4.2004 bis 28.2.2006 wendet. Richtiger Weg für diesen Schutz ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Antragsgegnerin hat sich zur Vollstreckung ihrer vermeintlich gegen die Antragstellerin bestehenden Forderungen zur Beitreibung eines Gerichtsvollziehers bedient. Vollstreckungsschutz gegen diesen gemäß § 66 Abs. 3 SGB X in Verbindung mit § 15 Landesveraltungsvollstreckungsgesetz BW (LVwVG) grundsätzlich zulässigen Weg der Zwangsvollstreckung kann im Wege der vorläufigen Erinnerung nach § 86b Abs. 2 SGG in Verbindung mit §§ 766, 732 Abs. 2 ZPO analog erreicht werden (vgl. LSG Berlin, Beschluss vom 16.3.2004 – L 9 B 165/03 KR ER).

Dieser Vollstreckungsschutz ist hier zu gewähren, denn der Antragsgegnerin fehlt es an einem vollstreckungsfähigen Titel. Nach § 66 Abs. 3 SGB X in Verbindung mit § 15 LVwVG kann eine Behörde aus einem Verwaltungsakt die Zwangsvollstreckung betreiben. Das setzt voraus, dass ein solcher Verwaltungsakt erlassen und wirksam geworden ist. Verwaltungsakt ist nach § 31 SGB X jede Verfügung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Durch den Begriff der Regelung unterscheidet sich ein Verwaltungsakt von einer bloßen Mitteilung und anderem schlicht hoheitlichen Handeln. Ob ein Schreiben eine Regelung trifft oder schlicht eine Mitteilung ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist vom objektiven Empfängerhorizont auszugehen. Ist der Regelungsgehalt eines Schreibens nicht eindeutig und kann damit allein anhand des Inhalts nicht festgestellt werden, ob ein Verwaltungsakt oder schlichtes Hoheitshandeln vorliegt, kann die äußere Form eines Schreibens zur Auslegung mit herangezogen werden.

Nach diesen Kriterien hat die Antragsgegnerin hier nie einen Beitragsbescheid für die Zeit vom 1.4.2004 bis 28.2.2006 erlassen. Für die Zeit vom 1.4.2004 bis 28.2.2006 fehlt es an einer verbindlichen Regelung der Beitragshöhe. Mit Schreiben vom 6.2.2006 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin mitgeteilt, dass eine Beitragsschuld von rund 12.000 EUR bestehe. Aus dem Wortlaut des Schreibens ist noch nicht einmal eindeutig, ob hier eine Schuld der Antragstellerin oder der Antragsgegnerin (also eine Rückzahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin) gemeint ist. Auch der Hinweis auf die Ratenzahlung hilft nicht weiter, denn auch hier ist nicht Rede von einer Ratenzahlung durch die Antragstellerin sondern lediglich einer Ratenzahlung allgemein. Hier kann auch eine Ratenzahlung der Antragsgegnerin gemeint sein. Weiterhin ergibt sich aus diesem Schreiben nicht, dass damit verbindlich die Höhe der Beiträge für die genannte Zeit festgelegt werden soll. Vielmehr wird lediglich die Höhe der derzeitigen Schuld (der Antragsteller oder der Antragsgegnerin?) mitgeteilt. Ein Regelungsgehalt kommt dieser Mitteilung deshalb nicht zu.

Aus dem Schreiben vom 6.2.2006 kann auch aus einem weiteren Grund nicht vollstreckt werden. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es hier um einen Verwaltungsakt handelte, der grundsätzlich vollstreckungsfähig ist, setzt die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt zumindest voraus, dass er wirksam geworden ist. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakt tritt mit seiner Bekanntgabe ein § 39 Abs. 1 SGB X. Bekanntgabe setzt voraus, dass der Verwaltungsakt dem Betroffenen zugegangen ist. Dazu muss er zumindest auf den Weg zum Betroffenen gebracht werden und die Vermutung des § 37 Abs. 2 SGB X eingreifen. An beiden Voraussetzungen fehlt es hier. Die Antragsgegnerin kann auch auf Nachfrage des Gerichts noch nicht einmal nachweisen, dass das Schreiben vom 6.2.2006 auf den Weg zur Antragstellerin gebracht wurde. Unabhängig davon, dass in den Akten kein Abgangsvermerk erkennbar ist, findet sich in dem Schreiben weder die Wohnanschrift der Antragstellerin …Str. … noch ihre Geschäftsadresse …Str. …, sondern die Adresse …Str. … Der nach § 37 Abs. 2 SGB X fingierte Zugang an diese Adresse reichte ohnehin nicht aus, um die Bekanntgabe an die Antragstellerin zu fingieren. Die Antragstellerin selbst hat bereits in der Vergangenheit ständig beteuert nie einen Beitragsbescheid für den Zeitraum 1.4.2004 bis 28.2.2006 erhalten zu haben. Diese Beteuerung hat die Antragsgegnerin trotz Nachfrage nicht widerlegen können. Selbst wenn man also in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 6.2.2006 wie die Antragsgegnerin einen Verwaltungsakt sehen wollte, könnte deshalb daraus nicht vollstreckt werden.

Darüber kranken sowohl das Schreiben vom 6.2.2006 als auch die Ankündigung des Ausschlusses vom 21.3.2006, in dem noch einmal die Höhe der Forderung erwähnt wird und das insofern auch in Bezug auf die Höhe der Beitragsforderung für die Zeit vom 1.4.2004 bis 28.2.2006 als Verwaltungsakt anzusehen sein könnte, auch an fehlender Bestimmtheit und sind deshalb nicht vollstreckbar. Ein Verwaltungsakt muss nach § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das setzt vor allem voraus, dass bei der Feststellung einer Forderung erkennbar sein muss, welcher Sozialversicherungsträger von wem welchen Betrag fordert. Sowohl im Schreiben vom 6.2.2006 als auch im Bescheid vom 21.3.2006 wird aber einer Gesamtforderung ausgeworfen. Es ist nicht erkennbar, welcher Teil der Forderung der Antragsgegnerin und welcher Teil der Pflegekasse bei der Antragsgegnerin zustehen soll. Die Forderung ist deshalb auch insofern nicht allein durch die Antragsgegnerin vollstreckbar.

Auch die als  Schuldanerkenntnis u.ä. gekennzeichneten Dokumente verschaffen der Antragsgegnerin keine vollstreckbaren Titel. Unabhängig davon, dass Zweifel an der Wirksamkeit dieser schuldrechtlichen Verträge bestehen, weil ganz offensichtlich keine Einigung über die Höhe der von der Antragstellerin geschuldeten Beitragsforderung hergestellt werden konnte und die Verträge deshalb wegen eines offenen Dissens nicht zustande gekommen sein dürften, findet sich auch keine wirksame Unterwerfung der Antragstellerin unter die sofortige Zwangsvollstreckung.

Soweit die Antragsgegnerin meint, aus einem Schreiben vom 21.3.2008 vollstrecken zu dürfen, entzieht sich dieser Titel der Kenntnis des Gerichts. Die Antragsgegnerin hat dieses Schreiben nicht vorgelegt.

3. Der Antrag ist ebenfalls zulässig und begründet soweit sich die Antragstellerin gegen die Vollstreckung von Beiträgen für die Zeit vom 1.3. bis 31.12.2006 wendet. Für die Zeit vom 1.3.2006 bis 31.3.2006 fehlt es an jeglicher Mitteilung über die geschuldete Beitragshöhe, denn aus den Akten ist kein einziges Schreiben erkennbar, in dem die Antragsgegnerin der Antragstellerin mitgeteilt hätte, in welcher Höhe sie die Zahlung von Beiträgen von der Antragstellerin erwartet.

4. Die Antragsgegnerin darf auch vorläufig nicht aus den Beitragsbescheiden für das Jahr 2007 vollstrecken. Unabhängig davon, der angeblich gegen diese Bescheide anhängige Widerspruch aufschiebende Wirkung hat oder ob diese Bescheide bestandskräftig geworden sind, ist auch insofern einstweiliger Rechtsschutz gewähren. Die Antragstellerin trägt insofern vor, dass sie mit einer Rückforderung aus zu Unrecht gerichteten Beiträgen aufrechne. Die Antragstellerin macht damit in der Sache einen öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch für ohne Rechtsgrund gezahlte Beiträge für die Zeit vom 1.4.2004 bis 31.12.2006 geltend. Nach der vorherigen Ausführungen ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin für diese Zeiträume zu Unrecht – weil ohne Beitragsbescheide – Beiträge gezahlt hat und ihr insofern ein Erstattungsanspruch zusteht. Sie macht damit die Erfüllung der vollstreckten Forderung geltend. Ihr ist deshalb einstweiliger Rechtsschutz nach §§ 86b, 198 SGG, 769, 767 ZPO zu gewähren.

In Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und des Ausmaßes des drohenden Eingriffs (Inhaftierung oder Verlust der Zulassung als Steuerberaterin und damit der Lebensgrundlage) kann nicht im Details ausgerechnet werden, in welcher Höhe die Antragstellerin Beiträge gezahlt und in welcher Höhe ihr ein Erstattungsanspruch für 2004 bis 2006 zusteht. Im Wege der Folgenabwägung ist ihr insofern bis zur Bestandskraft einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die für die Zeit vom 1.4.2004 bis 31.12.2006 geschuldeten Beiträge einstweiliger Rechtsschutz in der Einstellung der Zwangsvollstreckung auch aus diesen Beitragsbescheiden zu gewähren.

5. Die Antragsgegnerin darf deshalb nicht ihre Beitragsforderungen für die Zeit vom 1.4.2004 bis 31.12.2007 derzeit nicht vollstrecken. Die Antragstellerin darf vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache weder zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert noch durch Inhaftierung zu deren Abgabe gezwungen werden.

6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

7. Dieser Beschluss ist seinerseits vorläufig vollstreckbar, § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG.

 

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