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Hausratsversicherung: Narkosegasüberfall in einem Wohnmobil als Beraubung

LG Fulda – Az.: 1 S 158/10 – Urteil vom 29.04.2011

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 12.10.2010 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.681,30 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2010 sowie weitere 351,76 EUR zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Tatbestandes wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.

Der Kläger macht Versicherungsleistungen aus einem Hausratsversicherungsvertrag, den der Kläger bei der Beklagten führt, geltend.

Unstreitig einbezogen in den Versicherungsvertrag sind die allgemeinen Hausratsversicherungsbedingungen der Beklagten (VHB 2005, Bl. 28 f. der Akten).

Der Kläger befand sich am 01.09.2008 gemeinsam mit seiner Familie, seiner Ehefrau, der Zeugin N.N., sowie der eineinhalbjährigen Tochter auf der Fahrt in den Urlaub von Deutschland in Richtung Spanien. Sie waren mit ihrem Wohnmobil, amtliches Kennzeichen N.N., unterwegs. Gegen 1.30 Uhr in der Nacht entschied sich der Kläger, wegen seiner Müdigkeit nicht mehr weiterzufahren, sondern einen Rastplatz anzufahren, das Wohnmobil dort abzustellen und zu schlafen. Sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt gerade in der Nähe von Narbonne. Sie stellten das Wohnmobil auf einer Autobahnraststätte ab und begaben sich zum Schlafen in den Alkoven des Wohnmobils, der über eine Leiter zu erreichen ist. Im Zeitraum zwischen 1.30 Uhr und 5.00 Uhr in der Nacht wurden dem Kläger Wertgegenstände aus dem Wohnmobil entwendet. Der Kläger entdeckte dies, als er und seine Frau aufwachten und feststellen mussten, dass die Alkovenleiter auf dem Boden im Innenraum des Wohnmobils lag. Auch mussten er und seine Ehefrau feststellen, dass die Türen zum Wohnmobil geöffnet waren. Der Kläger stellte das Wohnmobil bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle in Narbonne vor, wo es auch untersucht wurde, jedoch keine Einbruchsspuren festgestellt werden konnten. Die französischen Polizeibeamten erklärten dem Kläger jedoch, dass es immer wieder Vorfälle gäbe, bei denen rumänische Diebesbanden Wohnmobile aufbrächen und die Insassen der Wohnmobile mit Gas betäubten.

Mit der Klage hat der Kläger den Ersatz folgender entwendeter Gegenstände begehrt:

– eine Armbanduhr des Klägers im Wert von 690,- Euro (vgl. Bl. 9 d. A.),

– eine weitere Armbanduhr des Klägers im Wert von 865,- Euro (Bl. 10 d. A.),

– eine Brille des Klägers im Wert von 1.326,30 Euro (Bl. 11 d. A.),

– Bargeld im Wert von 800,- Euro,

– zweimal 500,00 EUR, die durch entwendete EC-Karten noch in der Nacht abgehoben wurden.

Den Gesamtschaden, den der Kläger von der Beklagten beansprucht hat, beträgt demzufolge 4.681,30 Euro.

Der Kläger hat behauptet, er habe nach Erreichen der Gaststätte den Gasalarm des Wohnmobils eingeschaltet. Sodann sei er während des Schlafes von unbekannten Tätern vermutlich durch Gas betäubt worden. Es sei ihm deswegen nicht möglich gewesen, während des Überfalls aufzuwachen. Als er wieder aufgewacht sei, sei der Gasalarm ausgeschaltet gewesen. Er hat die Ansicht vertreten, dass der Diebstahl aus seinem Wohnmobil einen Versicherungsfall im Sinne des § 5 in Verbindung mit § 11 VHB darstelle, weil das Wohnmobil ein Gebäude darstelle. Demzufolge handele es sich um einen Einbruchsdiebstahl im Sinne der Versicherungsbedingungen der Beklagten.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilten, an ihn 4.681,30 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass der Kläger Opfer eines Raubüberfalles geworden sei. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Entwendung aus dem Wohnmobil rechtlich kein Einbruchsdiebstahl darstelle, da das Wohnmobil weder ein Gebäude noch ein Raum eines Gebäudes darstelle. Der Diebstahl aus einem Wohnmobil sei von den Hausratsversicherungen nicht erfasst. Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin N.N., Ehefrau des Klägers.Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und lediglich einen Abzug in Höhe von 500,- Euro vorgenommen, nachdem die Ehefrau des Klägers im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung angegeben hatte, dass 500,- Euro des über die EC-Karte abgehobenen Betrages bereits durch die Sparkasse … dem Kläger erstattet worden seien. Zur Begründung im Übrigen hat das Amtsgericht Bad Hersfeld ausgeführt, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz der am 01.09.2008 aus dem Wohnmobil entwendeten Sachen gegenüber der Beklagten habe. Dies folge zwar nicht daraus, dass vorliegend ein Einbruchsdiebstahl vorläge, da ein Wohnmobil schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kein Gebäude und keinen Gebäudebestandteil, sondern ein Fahrzeug darstelle. Auch sei das Wohnmobil keine Wohnung des Versicherungsnehmers. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte folge jedoch aus § 1 S. 1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag und § 5 Nr. 3c, § 11 Nr. 1 und 5 VHB. Gemäß dieser Klausel sei die Beklagte zum Ersatz dann verpflichtet, wenn dem Versicherungsnehmer versicherte Sachen weggenommen worden seien, weil sein körperlicher Zustand infolge eines Unfalls oder infolge einer nicht verschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt und dadurch seine Widerstandskraft ausgeschaltet sei. Es hat weiterhin die Ansicht vertreten, dass sich aufgrund der Beweisaufnahme – insbesondere der Zeugenvernehmung N.N. – ergeben habe, dass eine Beeinträchtigung des körperlichen Zustandes des Klägers vorgelegen habe. Zwar genüge insoweit bloßer Schlaf des Versicherungsnehmers nicht, jedoch habe dieser den Nachweis dafür erbringen können, dass er in dem Wohnmobil auf der Raststätte bei Narbonne im Schlaf mit Gas betäubt worden sei und infolgedessen keinen Widerstand gegen die „Beraubung“ aus dem Wohnmobil habe leisten können. Dabei sei ihm auch eine Beweiserleichterung insoweit zugute gekommen, da er nur das äußere Bild eines Einbruchs oder Kfz-Diebstahls zu beweisen habe, welches mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Versicherungsfall schließen lasse. Entsprechende Beweiserleichterungen, die für Einbruchsdiebstähle oder Kfz-Diebstähle gelten würden, müssten auch auf eine Beraubung im Sinne der Version des § 5 Nr. 3 c VHB übertragen werden. Diese Beraubungsvariante erfordere nur, dass dem Versicherungsnehmer versicherte Sachen weggenommen worden seien, weil sein körperlicher Zustand infolge eines Unfalls oder einer nicht verschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt und dadurch seine Widerstandskraft ausgeschaltet sei. Der Nachweis, dass entsprechend seines Vortrages die Täter über die Zufuhr von Gas vorgegangen seien und deswegen der Kläger und seine Familie betäubt gewesen seien, habe sich aus der Vernehmung der Zeugin N.N:, die in jeder Hinsicht glaubwürdig sei und auch in jeder Hinsicht glaubhafte Angaben gemacht habe, ergeben. Zwar habe der Kläger keinen unmittelbaren Beweis einer Betäubung und Entwendung erbracht, wohl aber ein äußeres Bild erwiesen, welches mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein derartiges Geschehen schließen lasse.Demgegenüber habe die Beklagte keine Tatsachen bewiesen, die die Annahme einer Vortäuschung oder einer nichtversicherten Begehungsweise überwiegend wahrscheinlich machen würden. Die abhanden gekommenen Sachen seien auch auf der Urlaubsreise versichert gewesen, da insoweit die Außenversicherung gemäß § 11 Nr. 1 und 5 VHB 2005 gelte. Lediglich der Höhe nach hat das Amtsgericht einen Abzug von der Klageforderung vorgenommen, da der Kläger im Hinblick auf die unberechtigten Abhebungen per EC-Karte bereits 500,- Euro durch die Sparkasse erlangt habe. Die weiteren Schadenspositionen seien seitens der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden, so dass der Kläger entsprechende Ansprüche habe.Mit der Berufung verfolgt die Berufungsklägerin und Beklagte ihren erstinstanzlichen Antrag zur Klageabweisung weiter. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger weder in der polizeilichen Anzeige noch in der Klageschrift einen Anspruch aus Raub geltend gemacht habe. Er habe seine Ansprüche lediglich auf die rechtsirrige Meinung gestützt, bei dem Diebstahl aus einem Wohnmobil handele es sich um einen versicherten Einbruchsdiebstahl. Weiterhin sei es zwar zutreffend, dass dem Kläger gewisse Beweiserleichterungen zugute kämen, allerdings habe der Versicherungsnehmer zunächst objektive Tatsachen voll zu beweisen, aus denen sich das „äußere Bild“ eines Raubüberfalles ergäben. Es müssten insoweit jedenfalls auch Spuren festgestellt werden können, die darauf schließen lassen, dass der körperliche Zustand des Versicherungsnehmers infolge einer nichtverschuldeten sonstigen Ursache, wie beispielsweise Ohnmacht oder Herzinfarkt, beeinträchtigt und dadurch eine Willenkraft ausgeschaltet gewesen sei. Entsprechende Spuren seien jedoch nicht ersichtlich. Hierzu fehle jeglicher substantiierter Vortrag des Klägers. Es sei unwahrscheinlich, dass die Täter zunächst das Fahrzeug aufgebrochen hätten, dann den Knopf für einen eventuell in einem solchen Fahrzeug eingebauten Gasalarm gesucht, ihn dann ausgeschaltet und sodann das Betäubungsgas verwendet hätten. Allein aus dem Umstand, dass die Ehefrau des Klägers am nächsten Morgen auf dem linken Auge nicht richtig sehen konnte, lasse sich keine Betäubung schlussfolgern. Demzufolge sei nach der Beweisaufnahme und dem Vortrag des Klägers, der Vollbeweis für Mindesttatsachen eines qualifizierten Diebstahls nach dem Raubtatbestand nicht erbracht. Auch gebe es Widersprüche zwischen der Aussage der Ehefrau des Klägers in der Verhandlung und vor der französischen Polizei. Dies habe das Amtsgericht nicht ausreichend gewürdigt. Bei der Polizei sei angegeben worden, dass nur 300,00 EUR in bar entwendet worden seien, während nun 800,00 EUR geltend gemacht würden. Auch sei zunächst nicht angegeben worden, dass dem Kläger auch die teure Gleitsichtbrille entwendet worden sei, während ein 3.000,00 EUR teurer Ring als geraubt gemeldet worden sei, der nun aber nicht mehr geltend gemacht werde. Sie vertritt insoweit die Ansicht, dass der Kläger aufgrund Falschangaben zur Schadenshöhe Obliegenheiten gegenüber der Versicherung verletzt habe, die zum Leistungsausschluss führen müssten. Schließlich sei das Amtsgericht im Übrigen den Einwendungen zur Schadenshöhe nicht nachgegangen. Insbesondere habe das Amtsgericht verkannt, dass die Abhebung durch entwendete EC-Karten nicht dem Versicherungsschutz unterliege. Die Hausratsversicherung sei eine reine Sach- und keine Vermögensschadensversicherung.Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 07.12.2010 Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Berufung entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Kammer hat zur Behauptung der Beklagten, der Kläger habe Falschangaben gegenüber der Versicherung gemacht, Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin N.N.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzungsniederschrift vom 14.04.2011 verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, mithin zulässig (§§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 513, 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache hat sie jedoch nur Erfolg, soweit das Amtsgericht dem Kläger auch die 500,- Euro für das mittels der entwendeten EC-Karte abgehobene Geld zugesprochen hat. Insoweit greift der Einwand der Berufungsklägerin und Beklagten, dass die Hausratsversicherung eine reine Sach- und keine Vermögensschadensversicherung ist.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Zu Recht hat das Amtsgericht Bad Hersfeld der Klage überwiegend stattgegeben und einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 1 S. 1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag und § 5 Nr. 3 c, 11 Nr. 1 und 5 VHB bejaht. Es begegnet keinen Bedenken, dass das Amtsgericht nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und der Einvernahme der Zeugin N.N. zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger und seine Familie Opfer einer Beraubung im Sinne von § 5 Nr. 3c VHB geworden sind.

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 5 Nr. 3c VHB ergibt, erfordert diese Beraubungsvariante, dass dem Versicherungsnehmer versicherte Sachen weggenommen worden sein müssen, weil sein körperlicher Zustand infolge eines Unfalls oder infolge einer nichtverschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt und dadurch seine Widerstandskraft ausgeschaltet ist. Völlig zutreffend gelangt das Amtsgericht vorliegend zu der Erkenntnis, dass eine Behandlung des Versicherten mit Narkosegas oder ähnlichen Stoffen eine derartige Beeinträchtigung im Sinne von § 5 Nr. 3c VHB darstellt, durch die die Widerstandskraft des Versicherten ausgeschaltet wird. Entgegen dem Vortrag der Berufungsklägerin kommt es dabei auch nicht darauf an, dass Gewalt im Sinne der Rechtsprechung und Literatur ansonsten nur dann anzunehmen ist, wenn versicherte Sachen unter Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden. Bei § 5 Nr. 3c kommt es auf diese Definition der Gewalt gerade nicht an, sondern allein darauf, ob ein körperlicher Zustand infolge einer nichtverschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt wird und dadurch die Widerstandskraft ausgeschaltet wird.

Zutreffend und nachvollziehbar ist das Amtsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass dem Versicherungsnehmer, also hier dem Kläger, auch Beweiserleichterungen zugute kommen. Es reicht auch hier der Beweis eines äußeren Bildes, welches mit hinreichender Sicherheit auf einen Versicherungsfall schließen lässt, wenn nicht der Versicherer Tatsachen beweist, die die Annahme einer Vortäuschung oder einer nichtversicherten Begehungsweise überwiegend wahrscheinlich machen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 02.12.1998 – 2 U 209/98, Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage, 2010, VHB 2000, § 5 Rd-Nr. 3). Für den klassischen Fall einer Beraubung oder eines Einbruchsdiebstahls bedeutet dies, dass Spuren, z. B. eine durchwühlte Wohnung oder Einbruchsspuren gefunden werden müssen. Für den Fall des § 5 Nr. 3c VHB bedeutet dies, dass entsprechende ähnliche äußere Anzeichen dafür vorliegen müssen, dass der Versicherungsnehmer infolge einer nichtverschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt worden ist und seine Widerstandskraft ausgeschaltet worden ist. Soweit das Amtsgericht aufgrund der Einvernahme der Zeugin N.N. zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der klägerische Vortrag zutrifft, wonach er Opfer eines Gasüberfalls im Wohnmobil geworden ist, so ist dies aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Solche Anhaltspunkte können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Das gilt insbesondere dann, wenn es beweisfehlerhaft erhoben oder gewürdigt oder das Beweismaß verkannt hat. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Danach hat der erkennende Richter unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr zu erachten ist. Er muss sich mit dem Tatsachenstoff und dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinandersetzen, darf nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und ist nur ausnahmsweise an gesetzliche Beweisregeln gebunden. Im Übrigen darf er aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten. So darf er beispielsweise trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller-Greger, ZPO, 28. Auflage 2010, § 286 Rd-Nr. 13).

An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat das Amtsgericht sich in dem angefochtenen Urteil gehalten. Es war nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass in der Tatnacht ein äußeres Bild in der Weise vorgelegen hat, welches mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein Geschehen schließen lässt, wonach der Kläger Opfer eines Narkosegasüberfalles geworden ist und deswegen nicht in der Lage war, den Einbruch in das Wohnmobil zu erfassen. Seine Überzeugung hat das Amtsgericht aus der Einvernahme der Zeugin N.N. gewonnen, wobei sich das Amtsgericht eingehend und ausführlich mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin befasst hat. Es hat ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits gewürdigt, daraus aber nicht den Schluss gezogen, dass deren Angaben zur Sache insgesamt unglaubhaft seien. Die Zeugin N.N. habe in sich schlüssig und widerspruchsfrei Angaben gemacht, die auch mit den Angaben des informatorisch angehörten Klägers übereinstimmten.

Die Kammer vermag daher Fehler in der Beweiswürdigung, die eine Wiederholung der Beweisaufnahme zur Frage des festgestellten „Raubes“ rechtfertigen würden, nicht zu erkennen.

Auch in rechtlicher Hinsicht hat das Amtsgericht die Anforderungen hinsichtlich der dem Kläger zugute kommenden Beweiserleichterungen richtig festgestellt und danach geurteilt. Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, dass der Kläger naturgemäß keinen unmittelbaren Beweis dafür erbringen konnte, dass er Opfer einer Betäubung geworden ist. Allerdings sprechen hier die äußeren Anzeichen – die Leiter zum Alkoven lag in der Mitte des Wohnmobils, die Ehefrau des Klägers hatte am darauffolgenden Tag Sehprobleme, weil ihr Auge verschwommen war – für den klägerischen Vortrag. Der Kammer erscheint es auch in keiner Hinsicht unwahrscheinlich, dass die Täter zunächst unbemerkt ins Wohnmobil gelangt sind und sodann den Gasalarm, wie von Klägerseite behauptet, ausgeschaltet haben, um sodann durch die Gaszufuhr und die Betäubung der Familie des Klägers Wertsachen unbemerkt aus dem Wohnmobil zu schaffen. Gerade der Umstand, dass weder der Kläger selbst, noch die Ehefrau des Klägers, die Zeugin N.N., den Diebstahl und die Entwendung der Wertsachen bemerkt haben, lässt darauf schließen, dass sie sich eben nicht nur im Schlaf befunden haben, während ihr Wohnmobil ausgeraubt wurde, sondern dass sie darüber hinaus durch Narkosegas betäubt worden waren. Es erscheint in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar, dass die Täter relativ schnell den Gasalarm ausschalten konnten, wenn nach den Mitteilungen der französischen Polizei entsprechende Banden darauf spezialisiert sind, durch Gasüberfälle auf Wohnmobile Einbrüche zu begehen.

2. Im Hinblick auf die bereits in erster Instanz von der Beklagten vertretene Ansicht, der Kläger habe aufgrund von Falschangaben seine Obliegenheiten gegenüber der Beklagten verletzt, hielt es die Kammer jedoch für notwendig, zum einen den Kläger selbst hierzu informatorisch anzuhören, zum anderen die Ehefrau des Klägers hierzu ergänzend zu vernehmen.

 

Im Kern hielt es die Kammer in diesem Zusammenhang für erforderlich, Widersprüche in den Angaben des Klägers zur Schadenshöhe ergänzend aufzuklären. Insofern hatte das Amtsgericht nicht ausreichend aufgeklärt, warum der Kläger gegenüber der Polizei zunächst angegeben hatte, dass auch ein 3.000,00 EUR teuerer Ring entwendet worden sei, dieser jedoch dann nicht als Schadensposition geltend gemacht worden ist. Weiterhin war aufzuklären, warum gegenüber der französischen Polizei die Entwendung von 300,00 EUR Bargeld angegeben wurde, während nunmehr 800,00 EUR Bargeld als Schadensposition geltend gemacht worden sind. Schließlich war aufzuklären, warum die Entwendung der klägerischen Brille nicht gleich gegenüber der französischen Polizei gemeldet worden ist, da der Kläger – nach seinem eigenen Vortrag – das Wohnmobil noch vom Standplatz nach Narbonne zur Polizei gesteuert hatte und dazu auf Sehhilfen angewiesen war.

Die vorgenannten Fragen konnten jedoch nach Überzeugung der Kammer durch die informatorische Befragung des Klägers sowie die Zeugenvernehmung der Zeugin N.N. aufgeklärt werden.

Was den Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatz hinsichtlich des entwendeten Ringes betrifft, hat der Kläger sein Vorgehen nach Überzeugung der Kammer hinreichend damit begründen können, dass er nur jene Schadenspositionen geltend machen wollte, für die er auch noch entsprechende schriftliche Belege vorweisen konnte. Da dies für den bei der französischen Polizei angegebenen Ring nicht möglich war, hat der Kläger dementsprechend auch auf die Geltendmachung von Schadensersatz insoweit verzichtet.

Im Hinblick auf die nachträgliche Schadensersatzforderung für die entwendete Gleitsichtbrille hat die Beweisaufnahme ebenfalls zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass der Kläger nicht bewusst falsche Angaben gegenüber der Versicherung gemacht hat, sondern in der Situation gegenüber der französischen Polizei noch gar nicht bemerkt hatte, dass die streitgegenständliche Gleitsichtbrille überhaupt entwendet worden war. Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung insoweit angegeben, dass er über mehrere Brillen verfügt und die Gleitsichtbrille selbst beim Autofahren gar nicht verwendet. Die von ihm am Morgen auf der Autofahrt von der Raststätte zur Polizei in Narbonne getragene Brille sei eine weitere von ihm mitgeführte Brille gewesen, die er generell nur zum Autofahren verwende. Die entsprechenden Angaben wurden durch die Zeugin N.N., Ehefrau des Klägers, bestätigt. Auch sie konnte insoweit widerspruchsfrei zu den Angaben ihres Ehemannes angeben, dass er beim Autofahren die streitgegenständliche Brille gar nicht verwende. Dass die Zeugin sich zuvor mit ihrem Ehemann abgesprochen haben könnte, schließt die Kammer aus, weil die Kammer vor der Vernehmung der Zeugin nicht zu erkennen gegeben hatte, zu welchem konkreten Beweisthema (ausschließlich zur Frage der Obliegenheitsverletzung) eine ergänzende Befragung durchgeführt werden sollte. Auch waren die Angaben der Zeugin nicht derart deckungsgleich mit den Angaben ihres informatorisch angehörten Ehemannes, dass die Kammer von abgesprochenen Aussagen und mithin von der Unglaubwürdigkeit der Zeugin ausgehen müsste. Vielmehr unterschieden sich etwa die Angaben hinsichtlich des tatsächlichen Aufbewahrungsortes der vom Kläger auf der Autofahrt getragenen Brille. Während der Kläger insoweit angab, die Brille habe unter dem Lenkrad gelegen, meinte die Zeugin – nicht absolut sicher – dass die Brille auf dem Tisch des Wohnmobils gelegen haben könnte. Jedoch ist auch dies nach Ansicht der Kammer kein Grund dafür, an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln, da aufgrund des nun schon über 2 1/2 Jahre zurückliegenden Vorfalls naturgemäß eine konkrete Erinnerung nicht mehr zu erwarten gewesen ist, zumal die Zeugin angesichts des „Durcheinanders“ im Wohnmobil, ihrer eigenen Beeinträchtigungen am Auge sowie der Sorge um das kleine Kind glaubhaft hat darlegen können, dass sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern könne.

Was die Frage des entwendeten Bargeldes angeht, so ist die Kammer schließlich auch überzeugt davon, dass der Kläger nicht bewusst falsche Angaben gemacht hat, obwohl er das Protokoll der französischen Polizei unterschrieben hat, dass nur 300,00 EUR entwendet worden seien. Insoweit haben sowohl der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung als auch die Zeugin N.N. übereinstimmend angegeben, dass sie von Beginn an davon ausgegangen sind, dass 800,00 EUR entwendet worden seien. Die Kammer hält es für nachvollziehbar und glaubhaft, dass vor dem Hintergrund einer verständlichen Aufgeregtheit der Eheleute N.N. und der Verständigungsschwierigkeiten (französische Polizei; englischer Dolmetscher) unbewusst eine falsche schriftliche Bestätigung durch den Kläger abgegeben wurde, obwohl tatsächlich 800,00 EUR mündlich angegeben worden waren.

Dass die Angaben der Zeugin N.N. und des Klägers im Hinblick auf die Herkunft der entwendeten 800,00 EUR widersprüchlich waren, vermag an der Überzeugung der Kammer, dass die Angaben hinsichtlich der Höhe des entwendeten Betrages der Wahrheit entsprechen, nichts zu verändern. Auch schließt die Kammer daraus nicht, dass die Zeugin N.N. aufgrund dieses Umstandes insgesamt falsche Angaben gemacht haben könnte. Die Kammer hat hier den Eindruck gewonnen, dass sowohl der Kläger als auch die Zeugin N.N. selbst nicht mehr genau gewusst haben, ob nun – wie die Zeugin meint – das Geld aus ihrer eigenen Haushaltskasse stammte oder – wie der Kläger angab – der Zeugin vom Kläger noch in Deutschland 1.000,00 EUR in bar übergeben worden waren. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung der Kammer darlegen können, dass er angesichts seiner beruflichen Tätigkeit stets sehr viel Bargeld bei sich führe, welches er auch auf „mehrere Köpfe“ verteile, um das Risiko eines Diebstahles gering zu halten. Auch in der Hauptverhandlung konnte der Kläger insoweit spontan auf Bitten des Gerichts vorzeigen, 3.000,00 EUR in bar im Geldbeutel zu haben. Angesichts dieses Umstandes hält es die Kammer durchaus für nachvollziehbar, dass der Kläger selbst gar nicht mehr genau wusste, ob es sich bei den entwendeten 800,00 EUR tatsächlich um Geld gehandelt hat, welches er zuvor seiner Ehefrau überlassen hatte.

Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers, welche zu einem Leistungsausschluss hätte führen müssen, vermag die Kammer daher nicht festzustellen.

3. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist dem amtsgerichtlichen Urteil zu folgen, wenngleich ein Abzug in Höhe von 500,- Euro vorzunehmen ist.

Zunächst begegnet es auch hier keinen rechtlichen Bedenken, dass das Amtsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, dass der Schaden, der dem Kläger durch den Überfall entstanden ist, schlüssig dargelegt und durch die von ihm vorgelegten Quittungen belegt worden ist. Es begegnet insoweit ebenfalls keinen Bedenken, wenn die Angaben, die unmittelbar nach dem Unfall gegenüber der französischen Polizei zum Verlust von Wertsachen gemacht worden sind, später möglicherweise korrigiert worden sind. Naturgemäß kann in unmittelbarem Zusammenhang mit einem solchen überfallartigen Geschehen nicht sofort „en detail“ angegeben werden, was genau und in welcher Höhe entwendet worden ist. Auch hat die Klägerseite im Verlaufe des Prozesses in erster Instanz und ergänzend in der mündlichen Verhandlung am 14.04.2011 dargelegt, dass nur diejenigen Wertsachen klageweise geltend gemacht worden sind, die der Kläger durch entsprechende Belege nachweisen konnte, im Übrigen aber auf eine Geltendmachung gegenüber der Beklagten verzichtet wurde (vgl. insoweit bereits unter Ziff. 2).

Allerdings ist der Berufung insoweit stattzugeben, als das Amtsgericht dem Kläger auch die 500,- Euro zugesprochen hat, die als Vermögensschaden des Klägers dadurch entstanden sind, dass über die entwendete EC-Karte Geld abgehoben werden konnte. Insoweit ist § 1 Nr. 1a sowie § 28 Nr. 3a VHB 2005 zu beachten, wonach versicherte Sachen im Hinblick auf Bargeld nur sind:

„Bargeld und auf Geldkarten geladene Beträge bis zu 1.100,- Euro“.

Soweit daher mit der EC-Karte Geld abgehoben worden ist, handelt es sich nicht um Bargeld, welches auf einer Geldkarte geladen war. Der dem Kläger insoweit entstandene Vermögensschaden fällt nicht unter die Versicherungsersatzpflicht einer Hausratsversicherung. Demzufolge ist das amtsgerichtliche Urteil insoweit zu korrigieren.

c. Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB) ist die Berechnung im Urteil fehlerhaft. Allerdings liegt der ausgeurteilte Betrag von 351,76 EUR auch nach dem neuen Hauptsachebetrag noch unter dem eigentlich nach Nr. 2300 RVG zuzüglich Pauschale und Mehrwertsteuer auszuurteilenden Betrag, so dass hier keine Korrektur zu erfolgen hat.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus § 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision.

 

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