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Einbeziehung neuer Versicherungsbedingungen in Unfallversicherungsvertrag

Ein kurzer Strich auf einem Formular, eine kleine Änderung im Versicherungsvertrag – doch die Folgen können unerwartet gravierend sein. Genau das erlebte ein Versicherungsnehmer, als er nach einem Unfall feststellen musste, dass seine scheinbar harmlose Unterschrift nicht nur eine Anpassung, sondern womöglich eine komplette Umstellung der Versicherungsbedingungen bewirkt hatte. Plötzlich stand die Frage im Raum: Galt noch der alte Schutz oder das neue, unbemerkt akzeptierte Kleingedruckte?

Zum vorliegenden Urteil Az.: I-20 U 160/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Hamm
  • Datum: 23.01.2019
  • Aktenzeichen: I-20 U 160/18
  • Verfahrensart: Beschluss (im Berufungsverfahren)
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht (Unfallversicherung)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Versicherungsnehmer eines Unfallversicherungsvertrages, der die Wirksamkeit einer Vertragsänderung und die daraus resultierende Anwendung neuer Versicherungsbedingungen (AUB 2013) bestreitet. Er fordert höhere Leistungen nach den früheren Bedingungen.
  • Beklagte: Die Unfallversicherung, die die Leistung nach den aus ihrer Sicht wirksam einbezogenen AUB 2013 berechnet hat.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger, Versicherungsnehmer, unterzeichnete eine Vertragsänderung bei seiner Unfallversicherung. Die Versicherung sah darin die Einführung neuer Versicherungsbedingungen (AUB 2013), während der Kläger annahm, es ginge nur um die Herausnahme seiner Tochter. Nach einem Unfall wurden Leistungen nach den neuen Bedingungen berechnet, was der Kläger bestreitet und höhere Leistungen fordert.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob eine Vertragsänderung im Unfallversicherungsvertrag wirksam war, die neue Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2013) einführte. Zudem wurde geprüft, ob die Versicherung eine Beratungspflicht hinsichtlich dieser Änderungen hatte.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Damit bestätigte das Gericht die erstinstanzliche Klageabweisung. Dem Kläger stehen keine weiteren Ansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag zu.
  • Begründung: Das Gericht sah die Berufung als aussichtslos an. Die neuen Versicherungsbedingungen (AUB 2013) wurden wirksam Vertragsbestandteil, da der Kläger den Änderungsantrag unterschrieb und seine abweichende Vorstellung unerheblich war. Eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Versicherung lag nicht vor, da die neuen Bedingungen nicht insgesamt ungünstiger waren.
  • Folgen: Die Klage des Klägers auf höhere Versicherungsleistungen wurde endgültig abgewiesen. Er erhält keine weiteren Zahlungen aus dem Unfallversicherungsvertrag von der Beklagten.

Der Fall vor Gericht


Streit um das „Kleingedruckte“: Wann gilt ein neuer Versicherungsvertrag?

Jeder kennt das Gefühl, wenn ein Brief von einer Versicherung im Postkasten liegt. Oft geht es um Vertragsänderungen, neue Bedingungen oder Tarifumstellungen. Meist überfliegt man das Schreiben nur, unterschreibt vielleicht an der markierten Stelle und legt es zu den Akten. Doch was passiert, wenn diese Unterschrift weitreichendere Folgen hat, als man dachte? Genau ein solcher Fall, bei dem es um die Frage ging, ob ein ganzer Versicherungsvertrag unbemerkt durch einen neuen ersetzt wurde, landete vor dem Oberlandesgericht Hamm.

Ein unterschriebener Antrag mit weitreichenden Folgen

Mann unterschreibt Formular für Änderungen der Unfallversicherung am Schreibtisch
Unterschrift auf Versicherungsformular: Wichtig für Vertragsänderungen und Rechtssicherheit bei Unfallversicherung. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Ausgangslage war alltäglich: Ein Mann, der Versicherungsnehmer, hatte seit Längerem eine Unfallversicherung bei einem Versicherungsunternehmen. Im Jahr 2014 wollte er eine simple Änderung vornehmen: Seine Tochter sollte aus dem Versicherungsschutz herausgenommen werden, da sie nicht mehr mitversichert werden musste. Er unterschrieb dazu ein Formular, das ihm von der Versicherung vorgelegt wurde.

Jahre später hatte der Mann einen Unfall und erlitt eine Verletzung. Die Versicherung zahlte ihm eine Leistung für die eingetretene Invalidität. Eine Invalidität ist eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit nach einem Unfall. Die Höhe dieser Zahlung berechnete die Versicherung auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen aus dem Jahr 2013, den sogenannten AUB 2013.

Hier begann der Streit. Der Versicherungsnehmer war der Meinung, dass für ihn immer noch die alten Vertragsbedingungen gelten müssten. Nach diesen alten Regeln hätte er für seine spezielle Verletzung deutlich mehr Geld bekommen. Er klagte und forderte die höhere Summe. Sein Argument: Er habe niemals gewollt, den gesamten Vertrag auf neue Bedingungen umzustellen. Sein Ziel sei lediglich gewesen, die Tochter aus der Police zu streichen. Er behauptete, die umfassende Vertragsänderung sei ihm untergeschoben worden.

Die entscheidende Frage: Galt der alte oder der neue Vertrag?

Das Gericht musste also eine grundlegende Frage klären: Welches Regelwerk war die Basis für die Berechnung der Leistung? Waren die neuen AUB 2013 wirksam Teil des Vertrages geworden, nur weil der Mann ein Formular unterschrieben hatte, das er anders verstanden hatte? Oder galt weiterhin der ursprüngliche Vertrag? Von der Antwort auf diese Frage hing ab, ob der Mann Anspruch auf die von ihm geforderte, höhere Geldleistung hatte.

Die Macht der eigenen Unterschrift

Das Gericht schaute sich den Vorgang der Vertragsänderung im Jahr 2014 ganz genau an. Der entscheidende Punkt war: Der Versicherungsnehmer hatte vor Gericht selbst zugegeben, dass die Unterschrift auf dem Änderungsantrag seine war.

Mit diesem Zugeständnis trat eine wichtige juristische Vermutung in Kraft. Das Gesetz geht davon aus, dass der Text über einer echten Unterschrift auch dem Willen des Unterzeichnenden entspricht. Wer etwas unterschreibt, bestätigt damit grundsätzlich den Inhalt des Dokuments.

Aber was ist mit der Behauptung des Mannes, er habe innerlich etwas ganz anderes gewollt? Er wollte doch nur seine Tochter aus dem Vertrag nehmen. Hierzu erklärte das Gericht einen zentralen Grundsatz des Vertragsrechts. Es kommt nicht allein darauf an, was sich eine Person heimlich denkt, sondern darauf, wie ihre Erklärung bei einem objektiven Empfänger ankommen muss. Juristen nennen das die Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die darauf abzielt, eine rechtliche Folge herbeizuführen, wie zum Beispiel einen Vertrag zu schließen oder zu ändern.

Um das zu veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, Sie bestellen in einem Café einen „Morgen-Spezial“. Auf der Karte steht klar, dass dieser aus Kaffee, Croissant und Orangensaft besteht. Sie denken aber, „Spezial“ bedeute, dass Sie ein Stück Kuchen bekommen. Wenn der Kellner Ihnen dann Kaffee, Croissant und Saft bringt, können Sie sich nicht darauf berufen, Sie hätten innerlich an Kuchen gedacht. Ihre Bestellung war objektiv klar. Genauso war es hier: Der schriftliche Antrag bezog sich ausdrücklich auf eine Vertragsänderung unter Einbeziehung der neuen AUB 2013. Die Versicherung konnte den unterschriebenen Antrag nur so verstehen, wie er formuliert war. Der innere Wille des Mannes war für die Versicherung nicht erkennbar und deshalb rechtlich ohne Bedeutung.

Der verspätete Versuch, die Erklärung anzufechten

Im späteren Verlauf des Rechtsstreits versuchte der Mann, seine damalige Unterschrift formal anzufechten. Eine Anfechtung ist die Möglichkeit, eine abgegebene Erklärung nachträglich für ungültig erklären zu lassen, zum Beispiel wegen eines Irrtums.

Doch auch dieser Versuch scheiterte. Das Gesetz schreibt vor, dass eine solche Anfechtung „unverzüglich“ erfolgen muss, also ohne schuldhaftes Zögern, nachdem man seinen Irrtum bemerkt hat. Der Mann erklärte die Anfechtung aber erst Jahre später im Berufungsverfahren. Ein Berufungsverfahren ist die Überprüfung eines Urteils durch die nächsthöhere gerichtliche Instanz. Diese Anfechtung war laut Gericht eindeutig zu spät.

Fehlende Beweise und neue Behauptungen

Im Berufungsverfahren brachte der Versicherungsnehmer weitere Argumente vor. Er behauptete nun „vorsorglich“, den neuen Versicherungsschein, also das Dokument, das die Vertragsänderung bestätigt, nie erhalten zu haben.

Auch hier folgte ihm das Gericht nicht. Zum einen ist es schwierig, in einem Berufungsverfahren völlig neue Behauptungen aufzustellen, die man in der ersten Runde vor dem Landgericht nicht erwähnt hat. Zum anderen reichte ein bloßes „vorsorgliches“ Bestreiten nicht aus. Das Gericht erklärte, dass der Mann sich nicht einfach auf Nichtwissen berufen könne. Er hätte zumindest erklären müssen, warum er sich nicht mehr erinnern kann und was er unternommen hat, um den Verbleib des Dokuments zu klären. Schließlich hatte er ja selbst eine Änderung – die Herausnahme seiner Tochter – beantragt und musste daher mit Post von der Versicherung rechnen.

Musste die Versicherung über jede Änderung einzeln aufklären?

Eine weitere wichtige Frage war, ob die Versicherung eine besondere Pflicht hatte, den Mann über die Nachteile der neuen Vertragsbedingungen aufzuklären. Juristen sprechen hier von einer Beratungspflicht.

Der Mann argumentierte, die Änderung bei der sogenannten Gliedertaxe sei für ihn nachteilig gewesen. Die Gliedertaxe ist eine Tabelle in der Unfallversicherung, die festlegt, welcher Prozentsatz der Versicherungssumme bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit bestimmter Körperteile oder Organe gezahlt wird. Die Formulierung wurde von „Arm im Schultergelenk“ zu nur noch „Arm“ geändert, was sich bei seiner speziellen Schulterverletzung negativ auswirkte.

Keine Pflicht zur Detail-Beratung bei gemischten Änderungen

Das Gericht entschied jedoch, dass die Versicherung hier keine Beratungspflicht verletzt hatte. Die Begründung war zweigeteilt.

Erstens waren die neuen AUB 2013 für den Versicherungsnehmer nicht nur ungünstiger. Die Versicherung konnte darlegen, dass andere Regelungen, wie zum Beispiel die Zahlung eines Schmerzensgeldes, für den Mann vorteilhaft waren und er dieses Geld auch erhalten hatte. Es handelte sich also um ein Paket mit Vor- und Nachteilen.

Zweitens besteht bei einer solchen Mischung aus besseren und schlechteren Klauseln keine Pflicht für den Versicherer, über jede einzelne Abweichung im Detail zu informieren. Eine solche Pflicht würde die Versicherer überfordern. Eine Aufklärung ist nur bei besonders gravierenden und unerwarteten Änderungen notwendig. Die sprachliche Anpassung in der Gliedertaxe sah das Gericht nicht als eine solch gravierende Änderung an. Es war eine Detailanpassung, die sich nur in sehr speziellen Verletzungsfällen auswirkt. Dass genau ein solcher seltener Fall später beim Kläger eintrat, war unglücklich, begründete aber zum Zeitpunkt des Vertragswechsels keine gesonderte Aufklärungspflicht.

Das Gericht bestätigte daher die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Klage des Mannes endgültig ab. Der Vertrag wurde wirksam auf die neuen Bedingungen umgestellt.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil macht deutlich, dass Versicherungskunden bei jeder Unterschrift äußerst vorsichtig sein müssen, da sie sich damit unwiderruflich an den gesamten Inhalt des Dokuments binden – unabhängig davon, was sie ursprünglich beabsichtigt haben. Wer versehentlich neue Versicherungsbedingungen akzeptiert, kann diese später nur schwer wieder rückgängig machen, selbst wenn einzelne Regelungen für ihn nachteiliger sind. Die Versicherung muss nicht über jede Detailänderung aufklären, solange das Gesamtpaket sowohl Vor- als auch Nachteile enthält. Für Verbraucher bedeutet dies: Vor jeder Unterschrift alle Dokumente gründlich lesen oder im Zweifel professionelle Beratung einholen, da eine nachträgliche Korrektur meist unmöglich ist.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ Versicherungsrecht: Waage, Geld und Versicherungspolice unter Schirm mit Fragezeichen-Schild illustrieren häufige Rechtsfragen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet meine Unterschrift auf einem Versicherungsformular?

Ihre Unterschrift auf einem Versicherungsformular hat eine sehr starke und rechtlich bindende Wirkung. Sie ist weit mehr als nur eine formale Bestätigung; sie stellt eine verbindliche Erklärung Ihres Willens dar.

Wenn Sie ein Versicherungsformular unterschreiben, bestätigen Sie damit grundsätzlich, dass Sie den Inhalt des Dokuments gelesen, verstanden und akzeptiert haben. Für das Gesetz bedeutet Ihre Unterschrift, dass Sie mit allem, was über Ihrer Unterschrift steht, einverstanden sind und eine rechtliche Verpflichtung eingehen möchten.

Die Bedeutung der Willenserklärung

Im juristischen Sinne geben Sie mit Ihrer Unterschrift eine sogenannte Willenserklärung ab. Das bedeutet, Sie bringen Ihren festen Willen zum Ausdruck, die im Formular festgehaltenen Vereinbarungen einzugehen. Es ist hierbei entscheidend, was objektiv aus Ihrer Unterschrift und dem Kontext hervorgeht, nicht allein, was Sie sich persönlich dabei gedacht haben mögen.

Für Sie bedeutet das: Was Sie innerlich gedacht oder gemeint haben, spielt meist keine Rolle, wenn die Erklärung, die Sie durch Ihre Unterschrift abgegeben haben, für eine vernünftige Person klar und eindeutig etwas anderes besagt. Die Gerichte gehen in der Regel davon aus, dass Sie ein Dokument vor der Unterschrift gelesen und dessen Inhalt gebilligt haben. Diese Vermutung ist sehr stark und nur in Ausnahmefällen zu widerlegen.

Praktische Auswirkungen der Unterschrift

Ihre Unterschrift auf einem Versicherungsformular hat verschiedene wichtige Konsequenzen:

  • Vertragsschluss: Oft kommt durch Ihre Unterschrift der Versicherungsvertrag überhaupt erst zustande. Ohne sie wäre keine verbindliche Einigung erreicht.
  • Bestätigung von Angaben: Sie bestätigen die Richtigkeit und Vollständigkeit aller von Ihnen im Formular gemachten Angaben, beispielsweise zu Ihrem Gesundheitszustand, zu Vorerkrankungen oder zu den zu versichernden Objekten. Falsche oder unvollständige Angaben können gravierende Folgen haben, wie den Verlust des Versicherungsschutzes oder die Kürzung von Leistungen, selbst wenn Sie die Fehler nicht absichtlich gemacht haben.
  • Anerkennung der Bedingungen: Sie erklären sich mit den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und allen speziellen Klauseln des Vertrages einverstanden, auch wenn diese oft nur als Verweis aufgeführt sind und nicht direkt im Formular stehen.

Daher ist es entscheidend, dass Sie jedes Dokument gründlich lesen und verstehen, bevor Sie es unterschreiben. Stellen Sie sicher, dass alle Angaben korrekt sind und Sie mit allen Bedingungen einverstanden sind. Einmal unterschrieben, ist es oft schwierig, sich von den darin enthaltenen Verpflichtungen zu lösen.


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Wann werden neue Versicherungsbedingungen für mich verbindlich?

Neue Versicherungsbedingungen werden für Sie grundsätzlich dann verbindlich, wenn Sie diesen Änderungen zugestimmt haben. Ein bestehender Versicherungsvertrag ist ein Vertrag zwischen Ihnen und der Versicherungsgesellschaft. Änderungen an diesem Vertrag – und damit auch an den Vertragsbedingungen – erfordern daher in der Regel das Einverständnis beider Seiten. Die Versicherungsgesellschaft kann die Bedingungen nicht einfach einseitig ändern und Ihnen vorschreiben.

Wie Ihre Zustimmung erfolgen kann

Ihre Zustimmung zu neuen Versicherungsbedingungen kann auf verschiedene Weisen erfolgen:

  • Ausdrückliche Zustimmung: Dies ist der häufigste und klarste Weg. Sie geben Ihre Zustimmung aktiv, zum Beispiel indem Sie einen Änderungsantrag unterschreiben, ein Angebot der Versicherung mit neuen Bedingungen ausdrücklich schriftlich annehmen oder eine E-Mail oder einen Brief senden, in dem Sie den Änderungen zustimmen. Hier ist Ihr klarer Wille zur Annahme erkennbar.
  • Stillschweigende Zustimmung durch Verhalten: In manchen, sehr spezifischen Fällen kann Ihre Zustimmung auch durch Ihr Verhalten angenommen werden, selbst wenn Sie nichts ausdrücklich unterschrieben haben. Dies ist der Fall, wenn Ihr Verhalten objektiv so aussieht, als würden Sie den neuen Bedingungen zustimmen. Ein Beispiel hierfür könnte sein, dass die Versicherung Ihnen ein Angebot mit neuen Bedingungen und einem neuen, höheren Beitrag macht und Sie diesen neuen Beitrag dann über längere Zeit widerspruchslos zahlen. Dies kann unter Umständen als stillschweigende Annahme der neuen Bedingungen gewertet werden, insbesondere wenn die Versicherung Sie zuvor klar auf die Bedeutung Ihres Verhaltens hingewiesen hat. Bloßes Schweigen allein ist in der Regel jedoch keine Zustimmung, es sei denn, es ist zuvor ausdrücklich so vereinbart worden (was selten ist) oder es handelt sich um sehr spezielle Konstellationen, die im Gesetz geregelt sind (z.B. in bestimmten Fällen bei neuen Angeboten anstelle eines bestehenden Vertrages).

Was bedeutet das für Sie?

Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Sie alle Mitteilungen Ihrer Versicherung genau prüfen sollten. Wenn die Versicherung Ihnen neue Bedingungen oder Tarifänderungen vorschlägt, handelt es sich oft um ein Angebot zur Vertragsänderung. Nehmen Sie dieses Angebot aktiv an (z.B. durch Unterschrift) oder verhalten Sie sich in einer Weise, die objektiv als Annahme gewertet werden kann (z.B. durch widerspruchslose Zahlung eines neuen Beitrags, der an die neuen Bedingungen gekoppelt ist), werden die neuen Bedingungen verbindlich.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Versicherungsunternehmen die sogenannten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht einfach im laufenden Vertragsverhältnis einseitig ändern können. Änderungen erfordern fast immer eine Form der Zustimmung von Ihnen, sei es ausdrücklich oder in bestimmten Ausnahmesituationen durch Ihr eindeutiges Verhalten.


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Kann ich eine unterschriebene Vertragserklärung rückgängig machen, wenn ich mich geirrt habe?

Ja, unter bestimmten strengen Voraussetzungen ist es möglich, eine unterschriebene Vertragserklärung rückgängig zu machen, wenn Sie sich dabei geirrt haben. Im juristischen Bereich spricht man hier von einer Anfechtung wegen Irrtums. Eine solche Anfechtung macht den Vertrag von Anfang an unwirksam, als hätte er nie existiert.

Wann liegt ein rechtlich relevanter Irrtum vor?

Nicht jeder Fehler erlaubt es Ihnen, einen Vertrag anzufechten. Das Gesetz erkennt nur bestimmte Arten von Irrtümern an, die für eine Anfechtung ausreichen können. Es muss ein Irrtum vorliegen, der dazu geführt hat, dass Ihre Erklärung nicht dem entsprach, was Sie tatsächlich wollten, oder dass Sie sich über eine wichtige Eigenschaft geirrt haben.

  • Fehler beim Aussprechen oder Schreiben (Erklärungsirrtum): Dies liegt vor, wenn Sie beispielsweise versehentlich eine falsche Zahl oder ein falsches Wort schreiben oder sagen, obwohl Sie etwas anderes gemeint haben. Stellen Sie sich vor, Sie tippen in einem Vertrag versehentlich „1.000 Stück“ anstatt der beabsichtigten „100 Stück“.
  • Fehler über den Inhalt (Inhaltsirrtum): Hier liegt der Irrtum nicht im Ausdruck, sondern im Verständnis des Gesagten oder Geschriebenen. Sie verwenden zwar das richtige Wort, messen ihm aber eine andere Bedeutung bei, als es tatsächlich hat. Beispielsweise, Sie kaufen eine „Meisterwerkstatt“ und verstehen darunter einen Betrieb, der ausschließlich von Meistern geführt wird, während der Begriff im Vertrag lediglich eine gut ausgestattete Werkstatt beschreibt.
  • Fehler über wesentliche Eigenschaften (Eigenschaftsirrtum): Dieser Irrtum bezieht sich auf bestimmte Merkmale einer Person oder einer Sache, die für den Vertragsschluss entscheidend waren. Wenn Sie beispielsweise ein Kunstwerk kaufen, weil Sie es für ein Original halten, es sich aber später als Fälschung herausstellt, könnte dies ein relevanter Eigenschaftsirrtum sein, sofern die Echtheit eine wesentliche Eigenschaft für den Kauf war.

Wichtig ist, dass der Irrtum ursächlich für Ihre Erklärung gewesen sein muss. Das bedeutet, Sie hätten die Erklärung mit dem Wissen um den wahren Sachverhalt nicht oder nicht in dieser Form abgegeben.

Wie wird die Anfechtung erklärt und welche Frist ist zu beachten?

Um eine Vertragserklärung wegen Irrtums rückgängig zu machen, müssen Sie die Anfechtung gegenüber dem anderen Vertragspartner erklären. Diese Erklärung muss klar zum Ausdruck bringen, dass Sie den Vertrag wegen Ihres Irrtums nicht gelten lassen wollen. Eine bestimmte Form ist hierfür meist nicht vorgeschrieben, aus Beweisgründen ist die Schriftform jedoch ratsam.

Die wohl wichtigste und oft übersehene Voraussetzung ist die Frist zur Anfechtung. Eine Anfechtung wegen Irrtums muss unverzüglich erfolgen, nachdem Sie den Irrtum entdeckt haben. Der Begriff „unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Dies ist eine sehr kurze Frist. Es bedeutet nicht „sofort in derselben Sekunde“, aber es lässt Ihnen nur sehr wenig Zeit, oft nur wenige Tage, um zu handeln. Wenn Sie zu lange warten, nachdem Sie Ihren Irrtum bemerkt haben, verlieren Sie Ihr Anfechtungsrecht in der Regel, selbst wenn ein relevanter Irrtum vorlag. Ein Zögern von mehr als wenigen Tagen kann bereits zu spät sein.

Was sind die Folgen einer erfolgreichen Anfechtung?

Wird die Anfechtung wirksam erklärt, dann wird der Vertrag von Anfang an als nicht existent betrachtet. Das bedeutet, alle bereits erbrachten Leistungen müssen grundsätzlich zurückgewährt werden. Es ist, als hätte es den Vertrag nie gegeben. Beachten Sie, dass die Partei, die den Irrtum verursacht hat, unter Umständen schadensersatzpflichtig sein kann für den Schaden, der der anderen Partei durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages entstanden ist.


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Muss meine Versicherung mich über alle Nachteile neuer Bedingungen aufklären?

Ihre Versicherung hat nicht die Pflicht, Sie über jeden einzelnen Nachteil neuer Vertragsbedingungen gesondert aufzuklären. Die Erwartung, dass der Versicherer jede kleinste ungünstige Änderung hervorhebt, ist rechtlich nicht begründet. Es gibt jedoch wichtige Ausnahmen und eine allgemeine Transparenzpflicht.

Wann eine besondere Aufklärungspflicht besteht

Eine besondere Aufklärungspflicht besteht, wenn neue Bedingungen gravierende oder unerwartete Nachteile für Sie als Versicherungsnehmer mit sich bringen. Dies ist der Fall, wenn:

  • Erhebliche Verschlechterungen: Die Änderungen das bestehende Versicherungsangebot wesentlich und zu Ihrem Nachteil verändern. Stellen Sie sich vor, Ihre Haftpflichtversicherung würde plötzlich grobe Fahrlässigkeit nicht mehr abdecken, obwohl dies zuvor Teil des Schutzes war. Solche fundamentalen Einschränkungen müssen deutlich gemacht werden.
  • Überraschende Klauseln: Die neuen Bedingungen Regelungen enthalten, mit denen Sie als durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht rechnen mussten. Das betrifft oft Änderungen, die das Kernrisiko der Versicherung betreffen oder den Leistungsumfang stark einschränken, ohne dass dies aus dem Gesamtkontext ersichtlich ist.
  • Irreführung oder Täuschung: Der Versicherer versucht, Nachteile bewusst zu verschleiern oder Ihnen ein falsches Bild von den neuen Bedingungen zu vermitteln.

Wann keine besondere Aufklärungspflicht besteht

In vielen Fällen müssen Versicherer nicht auf jeden einzelnen Nachteil hinweisen:

  • Gemischte Pakete: Wenn die neuen Bedingungen ein Paket aus Vor- und Nachteilen darstellen und die Änderungen insgesamt ausgewogen sind. Oft werden Tarife angepasst, um sie moderner oder marktgerechter zu gestalten, was sowohl Verbesserungen als auch kleinere Anpassungen beinhalten kann.
  • Geringfügige Anpassungen: Bei kleineren Detailänderungen oder Aktualisierungen, die den Versicherungsschutz nicht grundlegend beeinflussen oder nur geringfügige Nachteile mit sich bringen, wird in der Regel keine gesonderte Aufklärung über jeden Punkt verlangt.
  • Übliche Geschäftspraxis: Sie als Versicherungsnehmer sind grundsätzlich gehalten, die Ihnen übermittelten Vertragsbedingungen zu lesen. Es wird erwartet, dass Sie sich mit den Ihnen zugesandten Unterlagen vertraut machen.

Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet das, dass Sie ein Recht auf Transparenz bei wesentlichen Änderungen haben, aber auch eine gewisse Eigenverantwortung beim Prüfen neuer Bedingungen liegt. Es ist ratsam, neue Vertragsunterlagen stets sorgfältig zu überprüfen, insbesondere wenn es um Änderungen Ihres bestehenden Versicherungsschutzes geht.


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Was passiert, wenn ich neue Versicherungsdokumente oder -scheine nicht erhalten habe?

Wenn Sie neue Versicherungsdokumente oder einen Versicherungsschein nicht erhalten haben, obwohl Sie damit gerechnet haben oder diese nötig wären, kann das Unsicherheiten hervorrufen. Dies ist eine häufige Situation, da der Postweg nicht immer lückenlos ist und der Überblick über die eigenen Unterlagen schnell verloren gehen kann.

Die Bedeutung des Erhalts von Versicherungsdokumenten

Der Erhalt von Versicherungsdokumenten wie einem Versicherungsschein oder einer Bestätigung über eine Vertragsänderung ist für Sie wichtig, da diese Unterlagen die genauen Bedingungen und den Umfang Ihres Versicherungsschutzes festhalten. Sie dienen als Nachweis für den Inhalt Ihres Versicherungsvertrages. Auch wenn ein Versicherungsvertrag oft schon mündlich oder durch eine erste Beitragszahlung gültig werden kann, bestätigen diese Dokumente schriftlich die vereinbarten Leistungen, Prämien und Laufzeiten. Wenn sich Bedingungen ändern, ist die schriftliche Bestätigung des Versicherers der Beleg dafür, was neu vereinbart wurde.

Wer muss was beweisen (Beweispflicht)?

Im Falle eines Streits, ob ein Dokument angekommen ist oder nicht, spielt die sogenannte Beweispflicht eine entscheidende Rolle. Das bedeutet, dass eine der beiden Parteien (Sie als Versicherungsnehmer oder die Versicherung) beweisen muss, dass eine bestimmte Tatsache eingetreten ist oder eben nicht.

  • Für die Versicherung: Wenn die Versicherung sich auf den Inhalt eines Dokuments beruft, das Sie angeblich erhalten haben (zum Beispiel eine Mitteilung über geänderte Vertragsbedingungen oder eine Beitragserhöhung), muss die Versicherung grundsätzlich beweisen, dass dieses Dokument Sie auch tatsächlich erreicht hat. Es genügt oft nicht, nur den Versand nachzuweisen. Die Versicherung muss nachweisen, dass das Dokument so in Ihren Machtbereich gelangt ist (z.B. im Briefkasten lag oder in Ihrem E-Mail-Postfach war), dass Sie unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen konnten. Ein einfacher Poststempel ist dafür oft nicht ausreichend. Bei einem eingeschriebenen Brief mit Rückschein ist der Nachweis des Erhalts leichter zu führen.
  • Für Sie als Versicherungsnehmer: Wenn Sie behaupten, ein Dokument nicht erhalten zu haben, müssen Sie keine „negative Tatsache“ beweisen, also nicht beweisen, dass es nicht angekommen ist. Vielmehr liegt der Fokus darauf, ob die Versicherung den Nachweis des Zugangs erbringen kann. Es kann jedoch nützlich sein, darzulegen, dass es keinen Grund für den Nichteingang gab (z.B. die Adresse war korrekt, andere Post kam an).

Was Sie tun können, wenn Dokumente fehlen

Wenn Sie feststellen, dass Ihnen erwartete Versicherungsdokumente fehlen oder Sie unsicher sind, ob alle Unterlagen vollständig sind, gibt es typische Schritte, die man unternehmen kann:

  • Direkte Kontaktaufnahme: Suchen Sie umgehend den Kontakt zu Ihrer Versicherungsgesellschaft. Informieren Sie diese darüber, dass Sie bestimmte Dokumente nicht erhalten haben. Bitten Sie darum, Ihnen eine Zweitschrift oder Kopie der fehlenden Unterlagen zuzusenden. Viele Versicherer stellen Dokumente auch in einem Online-Kundenportal zur Verfügung.
  • Überprüfung Ihrer Daten: Kontrollieren Sie, ob Ihre aktuelle Postanschrift und E-Mail-Adresse bei der Versicherung korrekt hinterlegt sind. Ein Umzug oder eine Adressänderung ohne Benachrichtigung der Versicherung ist eine häufige Ursache für fehlende Post.
  • Dokumentation der Kommunikation: Es ist hilfreich, sich Datum und Uhrzeit Ihrer Kontaktaufnahme mit der Versicherung sowie den Namen des Gesprächspartners zu notieren. Wenn Sie schriftlich Kontakt aufnehmen (E-Mail, Brief), bewahren Sie eine Kopie Ihrer Korrespondenz auf. Dies kann im Falle späterer Unstimmigkeiten von Bedeutung sein.

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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Illustration zum Glossar Versicherungsrecht: Waage, aufgeschlagenes Buch und Siegelrolle.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Willenserklärung

Eine Willenserklärung ist eine ausdrückliche oder konkludente Äußerung einer Person, mit der sie eine rechtliche Wirkung herbeiführen möchte, zum Beispiel einen Vertrag abzuschließen oder zu ändern. Dabei ist entscheidend, wie ein objektiver Dritter die Erklärung versteht – nicht der innere, persönliche Wille des Erklärenden. Im Vertragsrecht bestimmt die Willenserklärung die Rechtsbindungsabsicht des Vertragspartners. Im konkreten Fall führte die Unterschrift des Versicherungsnehmers auf dem Änderungsformular zu einer Willenserklärung, mit der er den Vertragswechsel bestätigte.

Beispiel: Wenn Sie einem Freund sagen „Ich schenke dir mein Fahrrad“, wollen Sie rechtlich eine Schenkung bewirken. Das ist eine Willenserklärung.

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Anfechtung

Die Anfechtung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine abgegebene Willenserklärung wegen eines rechtlich relevanten Irrtums rückwirkend für unwirksam erklärt werden kann. Voraussetzung ist, dass der Irrtum den Inhalt oder die Bedeutung der Erklärung betrifft und die Anfechtung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern nach Entdeckung des Irrtums, erklärt wird (§ 119, 121 BGB). Im Streitfall versuchte der Versicherungsnehmer seine Unterschrift auf dem Änderungsantrag wegen Irrtums anzufechten, scheiterte jedoch, weil er dies erst Jahre später im Berufungsverfahren tat, also zu spät.

Beispiel: Wenn Sie aus Versehen einen Vertrag über 1.000 Euro unterschreiben wollen, aber eigentlich nur 100 Euro zahlen wollten, können Sie diesen Fehler unter den Bedingungen der Anfechtung korrigieren – aber nur, wenn Sie schnell reagieren.

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Beratungspflicht

Die Beratungspflicht ist eine rechtliche Verpflichtung des Vertragspartners, insbesondere des Versicherers, den Kunden über wichtige und nachteilige Vertragsbedingungen aufzuklären. Diese Pflicht besteht vor allem bei gravierenden oder überraschenden Nachteilen für den Kunden. Im konkreten Fall entschied das Gericht, dass keine besondere Beratungspflicht bestand, weil die Änderungen der neuen Versicherungsbedingungen ein ausgewogenes Paket aus Vorteilen und Nachteilen bildeten und die Verschlechterung in der Gliedertaxe nur eine geringfügige Detailanpassung war.

Beispiel: Wenn ein Versicherer plötzlich einen wichtigen Schutz ausschließt, muss er den Kunden darauf hinweisen; wird jedoch nur eine unwesentliche Leistungsänderung vorgenommen, reicht eine solche Information nicht immer aus.

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Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)

Die AVB sind vorformulierte Vertragsbedingungen, die für den gesamten Versicherungsvertrag gelten und Rechte sowie Pflichten der Vertragspartner regeln. Sie werden meist Vertragsbestandteil durch Bezugnahme, auch wenn sie nicht im Hauptvertragstext stehen. Im vorliegenden Fall sind die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2013) der neue Rahmenvertrag, der nach Unterschrift des Versicherungsnehmers wirksam wurde und die Berechnung der Invaliditätsleistung bestimmt.

Beispiel: Wenn Sie eine Unfallversicherung abschließen, enthalten die AVB zum Beispiel Regelungen dazu, welche Arten von Unfällen geschützt sind und wie Leistungen berechnet werden.

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Beweispflicht

Die Beweispflicht beschreibt die Verpflichtung, Tatsachen vor Gericht zu beweisen, wenn diese zwischen den Parteien streitig sind. Im Versicherungsrecht liegt diese oft bei der Versicherung, beispielsweise wenn sie behauptet, dem Kunden geänderte Bedingungen oder Dokumente zugegangen zu haben. Im beschriebenen Fall musste die Versicherung vor Gericht nachweisen, dass der neue Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer zugegangen ist; der Versicherungsnehmer konnte sich nicht allein auf sein Nichtwissen berufen.

Beispiel: Wenn Sie behaupten, keinen Brief von der Versicherung erhalten zu haben, ist es nicht Ihre Aufgabe zu beweisen, dass er nicht angekommen ist; vielmehr muss die Versicherung nachweisen, dass der Brief unter normalen Umständen bei Ihnen eingegangen sein müsste.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 133 BGB und § 157 BGB: Diese Paragraphen legen fest, wie Willenserklärungen und Verträge auszulegen sind. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, wie einem Vertragsantrag, kommt es nicht allein auf den inneren, nicht geäußerten Willen des Erklärenden an. Vielmehr ist entscheidend, wie die Erklärung vom Empfänger nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte verstanden werden durfte. Dies dient der Rechtssicherheit, da der Empfänger auf die objektive Bedeutung der Erklärung vertrauen können muss. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht urteilte, dass der nicht erkennbare innere Wille des Mannes, nur die Tochter aus dem Vertrag zu nehmen, irrelevant war, da der unterschriebene Antrag objektiv als Umstellung auf die neuen Bedingungen verstanden werden musste.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 119 BGB und § 121 BGB: § 119 BGB ermöglicht es, eine abgegebene Willenserklärung nachträglich für unwirksam zu erklären (anzufechten), wenn der Erklärende sich bei der Abgabe über deren Inhalt geirrt hat oder eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgeben wollte. Eine solche Anfechtung macht die Erklärung von Anfang an nichtig. Allerdings schreibt § 121 BGB vor, dass die Anfechtung „unverzüglich“ erfolgen muss, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, nachdem der Betroffene den Anfechtungsgrund (seinen Irrtum) erkannt hat. Eine zu spät erklärte Anfechtung ist unwirksam. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versuch des Versicherungsnehmers, seine Unterschrift wegen Irrtums anzufechten, scheiterte, da er dies erst Jahre später im Berufungsverfahren und damit nicht „unverzüglich“ tat.
  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 6 VVG und § 7 VVG: Das VVG enthält spezielle Schutzvorschriften für Versicherungsnehmer, darunter Informations- und Beratungspflichten des Versicherers. § 6 VVG regelt die Informationspflichten vor Vertragsabschluss, die dem Kunden die wesentlichen Merkmale des Produkts vermitteln sollen. § 7 VVG konkretisiert die Pflicht zur anlassbezogenen Beratung, die auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden abzielen muss. Bei Vertragsänderungen ist der Versicherer grundsätzlich zur transparenten Information über die Konsequenzen verpflichtet. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Versicherung, da die Vertragsänderung ein Paket aus Vor- und Nachteilen darstellte und keine so gravierende Einzeländerung enthielt, die eine gesonderte Detail-Aufklärung über jede Klausel erfordert hätte.

Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: I-20 U 160/18 – Beschluss vom 23.01.2019


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