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Einbeziehung neuer Versicherungsbedingungen in Unfallversicherungsvertrag

OLG Hamm – Az.: I-20 U 160/18 – Beschluss vom 23.01.2019

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe des Klägers aus der Berufungsbegründung vom 21.12.2018 (GA 195 ff.) greifen nicht durch.

Dem Kläger stehen gegen den Beklagten keine weiterer Ansprüche aus dem zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsvertrag zu.

1.

Ein vertraglicher Anspruch besteht nicht.

a)

Die Beklagte hat die Versicherungsleistung zu Recht auf Basis der AUB 2013 berechnet. Diese sind aufgrund der Vertragsänderung im September 2014 Vertragsbestandteil geworden.

aa)

Es liegt ein wirksamer Antrag des Klägers im Sinne von § 145 BGB auf eine Änderung des Vertrages unter Einbeziehung der AUB 2013 vor.

(1)

Der Kläger hat bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht erklärt, an die Vertragsänderung als solche keine Erinnerung mehr zu haben; gleichzeitig hat er aber bestätigt, den von der Beklagten als Anlage E4 vorgelegten Antrag unterschrieben zu haben (GA 152/152R). Damit hat er die Echtheit seiner Unterschrift zugestanden, so dass gemäß § 440 Abs. 2 ZPO die Übereinstimmung des Urkundentextes mit dem Willen des Ausstellers vermutet wird (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 440 Rn. 3).

(2)

Soweit der Kläger behauptet und durch das Zeugnis seiner Ehefrau und seiner Töchter unter Beweis stellt, die Antragserklärung habe nach seiner Vorstellung lediglich eine Umstellung dahingehend zum Gegenstand gehabt, dass die Tochter aus dem Versicherungsschutz herausgenommen werde, führt das zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis.

(a)

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie ein objektiver Empfänger diese nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 133 Rn. 9). Der innere Wille des Erklärenden ist hingegen nicht maßgeblich, wenn er in der Erklärung nicht in einer Weise zum Ausdruck kommt, dass dies für einen objektiven Empfänger erkennbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2006 – III ZR 166/05 -, NJW 2006, 3777, juris Rn. 18).

Angesichts der klaren Formulierungen im Antrag, der ausdrücklich auf die AUB 2013 Bezug nimmt, konnte dieser seitens der Beklagten nur so verstanden werden, dass eine Vertragsänderung mit dem dortigen Inhalt gewollt war. Eine eventuelle abweichende innere Vorstellung des Klägers wäre angesichts des klaren Inhalts des Antrags nicht nur schwer verständlich, sondern aus den dargelegten Gründen auch rechtlich ohne Belang.

(b)

Die nunmehr erstmals im Berufungsverfahren erklärte Anfechtung seiner Willenserklärung war jedenfalls nicht mehr unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 S. 1 BGB. Es kann daher dahinstehen, ob der entsprechende Vortrag überhaupt noch zuzulassen gewesen wäre.

bb)

Der Antrag des Klägers ist seitens der Beklagten angenommen worden.

Entgegen dem Vorbringen in der Berufungsbegründung lässt sich dem Vortrag der Beklagten in erster Instanz hinreichend deutlich die Behauptung entnehmen, den Antrag des Klägers durch Zusendung des – vorgelegten – Versicherungsscheins vom 18.09.2014 angenommen zu haben.

Soweit der Kläger nunmehr in der Berufungsbegründung erstmals „vorsorglich“ den Zugang des Versicherungsscheins bei ihm bestreitet, ist dies unbeachtlich unabhängig von der Frage, ob dieses Vorbringen in der Berufungsinstanz überhaupt zuzulassen wäre. Denn mit einem solchen „vorsorglichen“ Bestreiten genügt der Kläger seiner Erklärungslast nicht. Auch wenn die Beklagte für den Zugang des Versicherungsscheins beweisbelastet ist, hat der Kläger sich gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zu der Behauptung der Beklagten, der Versicherungsschein sei ihm zugegangen, zu erklären. Der bloße Vortrag, der Zugang des Versicherungsscheins werde „vorsorglich bestritten“, genügt dafür nicht. Da der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht angegeben hat, sich an die fragliche – und von ihm zugestandenermaßen beantragte – Vertragsänderung nicht erinnern zu können, kann dies nur als Erklärung mit Nichtwissen im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPO auszulegen sein. Eine solche Erklärung mit Nichtwissen ist jedoch vorliegend unzulässig, da der Kläger weder glaubhaft gemacht hat, warum er keine Erinnerung mehr hat, noch dazu vorgetragen hat, welche Maßnahmen er zur Klärung der Frage ergriffen hat, ob sich der Versicherungsschein womöglich bei seinen Unterlagen befindet (vgl. Senat, Beschluss vom 13.11.2015 – 20 U 179/15, VersR 2016, 647). Beides ist hier umso erheblicher, als der Kläger selbst zugestanden hat, jedenfalls eine Vertragsänderung dahingehend beabsichtigt zu haben, dass seine Tochter vom Versicherungsschutz ausgenommen werden solle. Er musste also den Zugang eines die Vertragsänderung bestätigenden Versicherungsscheins erwarten, weil anderenfalls die Gefahr drohte, dass seine Tochter weiter mitversicherte Person war und insoweit auch die Pflicht zur Zahlung der Prämie fortbestand. Angesichts dessen ist es ohne nähere Darlegung nicht nachvollziehbar, dass der Kläger keine Erinnerung mehr daran haben will, ob ihm ein Versicherungsschein zugegangen ist und mit welchem Inhalt.

cc)

Die weitere erstmalig im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung, die streitige Vertragsänderung sei „erst in 2015“ geschehen, ist gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.

Erstinstanzlich hat der Kläger wie dargelegt zugestanden, den Antrag vom 16.09.2014 unterschrieben zu haben. Dazu er setzt sich mit seiner Behauptung, die Vertragsänderung sei erst im Jahre 2015 geschehen, in Widerspruch.

Im Übrigen ist diese Behauptung in dieser Pauschalität ohnehin nicht nachvollziehbar, da es an jeglicher näherer Darlegung zu den konkreten Abläufen fehlt.

dd)

Im Zuge der damit feststehenden Vertragsänderung sind auch die AUB 2013 wirksam in den geänderten Vertrag einbezogen worden.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Berufungsbegründung vorträgt, mit dem Bestreiten der Vertragsumstellung sei „denknotwendigerweise“ ebenfalls bestritten, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Kläger übergeben wurden.

Selbst wenn der Kläger den Erhalt der Unterlagen – was zweifelhaft ist – damit im Wege der Auslegung seines Prozessvortrags bestritten haben sollte, wäre ein solches einfaches Bestreiten ohne nähere Angaben gemäß 138 Abs. 2 ZPO aus den bereits dargelegten Gründen unzureichend, zumal er in dem von ihm unterzeichneten Antragsformular den Erhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausdrücklich mit seiner Unterschrift bestätigt hat.

b)

Dass die Invaliditätsleistung nach den mithin wirksam einbezogenen Bestimmungen der AUB 2013 korrekt ermittelt wurde, stellt der Kläger nicht in Abrede.

2.)

Der Kläger kann auch nicht unter Schadensersatzgesichtspunkten gemäß § 6 Abs. 5 VVG verlangen, so gestellt zu werden, als seien die AUB 2013 nicht Vertragsbestandteil geworden.

Eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung liegt nicht vor.

a)

Eine Beratungspflicht des Versicherers aus § 6 Abs. 4 S. 1 VVG ergibt sich hier nicht daraus, dass die AUB 2013 für den Kläger insgesamt ungünstiger gewesen wären als die AUB 2000. Vielmehr hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sich die AUB 2013 für den Kläger in mehreren Punkten – unter anderem hinsichtlich des an ihn auch ausgezahlten Schmerzensgeldes – günstig auswirkten.

b)

Sollen im Zuge einer Vertragsänderung geänderte Vertragsbedingungen eingeführt werden, die für den Versicherungsnehmer teils günstiger, teils ungünstiger sind, so besteht für den Versicherer aus § 6 Abs. 4 VVG jedenfalls keine Verpflichtung, über sämtliche Abweichungen im Detail zu informieren (Senat, Urteil vom 21.01.2000 – 20 U 147/99, VersR 2000, 1231; OLG Bamberg, Urteil vom 13.03.1997 – 1 U 160/96, VersR 1998, 833; OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.07.1996 – 4 U 108/95, VersR 1997, 1134 m.w.N.).

Im Einzelfall mag zwar bei gravierenden Änderungen ein Beratungsanlass im Sinne von § 6 Abs. 4 VVG erkennbar sein. Bei der bloßen Umstellung der Formulierung „Arm im Schultergelenk“ in die Formulierung „Arm“ in der Gliedertaxe handelt es sich jedoch nicht um eine derartige gravierende Änderung, sondern um die sprachliche Anpassung einer Klausel, die nur einen kleinen Bereich des Versicherungsschutzes – nämlich bei Verletzungen an der Schulter – betrifft und sich zudem nur in ganz bestimmten Fällen auswirkte, nämlich dann, wenn eine Schädigung ausschließlich des Schultergelenks eintrat, die sich auf den Arm im Übrigen nicht auswirkte. Dass bei der Klägerin später ein ebensolcher Fall eintrat, ändert nichts daran, dass es sich um ein Detail handelte, über das nach Maßgabe von § 6 Abs. 4 VVG im Zeitpunkt der Vornahme der Vertragsänderung nicht gesondert aufgeklärt werden musste.

II.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

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