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Betriebsschließungsversicherung – Versicherungsschutz Corona-Pandemie

LG Siegen – Az.: 1 O 237/20 – Urteil vom 08.06.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Die Klägerin betreibt ein Hotel mit Restaurant mit dem Namen „###“ in ###. Zwischen den Parteien besteht für diese Einrichtung ein Versicherungsvertrag „Betriebsschließungs-Pauschalversicherung“. Ausweislich des Versicherungsscheins beträgt die Versicherungssumme für die Betriebsschließungsversicherung 500.000- EUR.

Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 12) zugrunde. Die Bedingungen (Anlage K 1) haben auszugsweise den folgenden Inhalt:

„1 Gegenstand der Versicherung

Ist der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe Ziffer 3) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) betroffen, ersetzt der Versicherer den dadurch entstehenden Schaden.

Die Versicherung umfasst Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten (siehe Ziffer 3.1), Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Vorräten und Waren (siehe Ziffer 3.2) sowie behördlich angeordnete Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen (siehe Ziffer 3.3).

(…)

3 Versicherte Gefahren und Schäden

3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten

Der Versicherer leistet bis zu den in Ziffer 9 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; (…)

(…)

3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG.

3.5 Nicht versicherte Gefahren und Schäden

(…)“

Eine unmittelbar im Bedingungstext daran anschließende Auflistung von Krankheiten oder Krankheitserregern findet sich nicht. Als Anlage zum Versicherungsschein ist ein „Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz“ beigefügt. Dort sind die §§ 6 und 7 des IfSG in einer Fassung abgedruckt, in der die Coronaviruskrankheit – 2019 (COVID-19) und das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) nicht aufgeführt sind.

Durch die Verordnung zum Schutze vor Neuinfizierungen mit dem SARS-CoV-2 vom 22.03.2020 wurde der Klägerin gemäß § 8 untersagt, Gäste zu touristischen Zwecken zu beherbergen und diese zu bewirten. Die Verordnung trat am 22.03.2020 in Kraft und wurde entsprechend verlängert. Der Betrieb der Klägerin konnte während dieser Zeit nur noch Geschäftsreisende beherbergen.

Aus Kostengründen macht die Klägerin mit der Klage zunächst nur einen Betrag von 5.187,40 EUR für fünf Schließungstage geltend, nämlich für den 23.03.-27.03.2020.

Die Klägerin zeigte gegenüber der Beklagten den Versicherungsfall an. Diese lehnte ihre Eintrittspflicht ab und bot eine vergleichsweise Zahlung von 6.250,00 EUR an.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine namentliche Nennung von „COVID – 19“ oder des Krankheitserregers „SARS – CoV – 2“ in den Versicherungsbedingungen oder im Infektionsschutzgesetz sei für den Versicherungsschutz nicht erforderlich. Ziffer 3.4 der BBSG enthalte eine dynamische Verweisung. Die Formulierung erfasse alle nach dem Gesetz meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. Die Klausel sei so zu verstehen, dass die Beklagte auch für später erfolgte Erweiterungen des Infektionsschutzgesetzes Versicherungsschutz gewähren wollte. Die Bezugnahme in Ziffer 3.4 der BBSG auf die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger stelle eine Information der Beklagten an ihre Versicherungsnehmerin dar, die nicht abschließend sei. Da die Klauseln unklar, beziehungsweise mehrdeutig, seien, komme es ohnehin auf die kundenfreundlichste Auslegung an. Schon deshalb sei von einer dynamischen Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz auszugehen. Der Gesamtentschädigungsbetrag belaufe sich auf 31.184,50 EUR für 30 Tage. Daraus ergebe sich eine Tagesentschädigung in Höhe von 1.039,48 EUR.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.187,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei eine unzulässige Teilklage. Die Klagebegründung mache fünf Schließungstage geltend, obwohl die Klagebegründung dieses Vorbringen nicht trage, da nicht erkennbar sei, für welchen Tag welcher Anspruch in concreto eingeklagt sei. Sie meint darüber hinaus, das Coronavirus sei vom Versicherungsschutz nicht erfasst. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages verstehe ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den Hinweis auf die in den §§ 6 und 7 des IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger so, dass ausschließlich die damals tabellarisch im Gesetzestext in concreto aufgeführten und nicht etwa auch künftige und im IfSG nicht genannte oder noch gar nicht existente Krankheitserreger erfasst würden. Selbst bei einer dynamischen Verweisung wäre das Coronavirus zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles kein im IfSG namentlich genannter Krankheitserreger, weil dieses erst am 23.05.2020 in das IfSG aufgenommen wurde. Die Verwendung des Begriffs „namentlich“ sei nicht im Sinne von „hauptsächlich“ oder „insbesondere“ zu verstehen. Auch gebe es ein erkennbar berechtigtes Interesse des Versicherers, die versicherten Gefahren abschließend – im Sinne der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im IfSG ausdrücklich aufgelisteten Krankheiten und Erreger – zu definieren, da nur so eine Kalkulation der Prämien ermöglicht werde. Dass nur dieser begrenzte Kreis von Krankheiten und Erregern erfasst sei, ergebe sich zusätzlich schon daraus, dass bereits im IfSG namentlich aufgenommene Krankheiten – humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 Abs. 1 Ziffer 1 d IfSG – sogar ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgenommen werden.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Eine Teilklage genügt nach der Formel des Bundesgerichtshofs dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn erkennbar ist, welcher Teil des Gesamtanspruchs Gegenstand der Klage sein soll (BGH NJW-RR 2003, 1075; NJW 1994, 460). Es handelt sich vorliegend um keine unzulässige Teilklage. Denn die Klägerin benennt zunächst den auf einen Zeitraum von 30 Tagen entfallenden Gesamtentschädigungsbetrag in Höhe von 31.184,50 EUR. Von diesem Gesamtzeitraum werden alle relevanten Faktoren abgrenzbar auf die einzelnen, der Klage zugrundeliegenden Schließungstage heruntergebrochen und nur linear geltend gemacht. Dies reicht für die Bestimmbarkeit der Klageforderung aus.

II.

1.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung der begehrten Versicherungsleistung aus §§ 1, 3.1, 3.4 der Betriebsschließungsversicherung zu.

a)

Es besteht zwar zwischen den Parteien ein Vertrag über eine Betriebsschließungsversicherung, welcher die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung in der vereinbarten Höhe zu zahlen, wenn es zu einer Schließung des versicherten Betriebs durch die zuständige Behörde aufgrund des IfSG zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern kommt. Die Versicherung deckt Betriebsschließungen aufgrund der Krankheit Covid19 und des Krankheitserregers SarsCoV jedoch nicht ab. Dies ergibt die Auslegung der hier zugrundeliegenden Bedingungen.

aa)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (siehe dazu und zum folgenden BGH, Urteil vom 18.11.2020 = NJW 2021, 231 Rn. 11). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der Bedingungen auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Für die Betriebsunterbrechungsversicherung hat der Bundesgerichtshof zusätzlich ausgeführt, dass sich die Auslegung nach dem in Unternehmerkreisen zu erwartenden Verständnis richtet (BGH, NJW-RR 2010, 1540 Rn. 12). Die typischen Adressaten sind also nicht in Verbraucherkreisen zu suchen, vielmehr ist sogar davon auszugehen, dass sie geschäftserfahren und mit AGB vertraut sind, nachdem die Versicherung ihrem Zweck und Inhalt nach auf Gewerbebetriebe abzielt (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2021 = recht und schaden 2021, 139 Rn. 19).

bb)

Die Klausel Ziffer 3.4. BBSG „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG“ ist eine klare, verständliche und eindeutige Formulierung, wonach allein die tatsächlich im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 mit ihrem Namen konkret bezeichneten Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz umfasst sind (vgl. i.E. LG Koblenz, Urteil vom 17.12.2020 – 16 O 302/20, BeckRS 2020, 37486; LG Leipzig, Urteil vom 14.01.2021 – 03 O 1222/20, BeckRS 2021, 702; LG Lübeck, Urteil vom 28.01.2021 – 4 O 162/20, VersR 2021, 375; LG Lüneburg, Urteil vom 24.11.2021 – 9 O 662/20, BeckRS 2020, 34067 (Besprechung durch Günther in FD-VersR 2021, 435217); LG Schweinfurt, Urteil vom 08.02.2021 – 23 O 538/20, BeckRS 2021, 1221; LG Trier, Urteil vom 03.02.2021 – 6 O 242/20, BeckRS 2021, 1984; LG Berlin, Urteil vom 24.02.2021 – 23 O 187/20, BeckRS 2021, 2454). Da das Coronavirus weder bei Abschluss des Vertrages noch zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles im Infektionsschutzgesetz ausdrücklich namentlich enthalten gewesen ist, hat die Beklagte auch keinen Versicherungsschutz zu gewähren.

Für die Auslegung ist in erster Linie der Wortlaut maßgeblich (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2011 – IV ZR 217/09 -, Rn. 14, juris). Namentlich bedeutet bei der hier vorliegenden Verwendung als Adjektiv statt als Adverb im allgemeinen Sprachgebrauch unter Verwendung eines Namens (LG Lüneburg, Urteil vom 30.11.2020 – 5 O 171/20, BeckRS 2020, 33998 Rn. 25). Es mag zwar sein, dass das Wort „namentlich“ für sich genommen verschiedene Bedeutungen haben kann. Eine Wortlautauslegung hat sich aber nicht auf eine isolierte Betrachtung von mehreren aneinandergereihten Wörtern zu beschränken. Vielmehr ist die gesamte Formulierung mit ihrem erkennbaren Sinn in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist aus der Stellung des genannten Wortes im Satz zu entnehmen, dass das Wort nicht im Sinne von „insbesondere/hauptsächlich/beispielhaft“ verstanden werden kann; der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird darunter vielmehr „mit Namen benannte“ Begriffe – hier also Krankheiten – verstehen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2021 – 7 U 351/20, r+s 2021, 139, Rn. 27 f.; OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 11.02.2021 – 1 U 261/20, BeckRS 2021, 3248, Rn.22 f.; eingehend auch LG Hof, Urteil vom 23.4.2021 – 25 O 24/20, Rn.31ff [BeckRS 2021, 10230]). Auch das OLG Hamm tendiert in seinem Beschluss vom 15.07.2020 (Az. 20 W 21/20, r+s 2020, 506; ergangen zu anderen Versicherungsbedingungen; ohne Begründung) zu der Auffassung, dass es für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich war, dass der Versicherer nur für die benannten Risiken einstehen will.

cc)

Im Übrigen wäre vorliegend ein Anspruch der Klägerin selbst dann nicht gegeben, wenn stets die aktuell in den §§ 6, 7 IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger von der streitigen Versicherung umfasst wären. Die Änderung des IfSG, durch die Covid19 und SarsCoV2 in die Liste der meldepflichtigen Krankheiten aufgenommen wurde, ist erst zum 23. Mai 2021 erfolgt. Die Klägerin macht jedoch Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung für den Zeitraum vom 23.03.2020 bis zum 27.03.2020 geltend. In diesem Zeitraum war COVID-19 noch keine meldepflichtige Erkrankung im Sinne des IfSG. Die zuvor ergangene Verordnung zur Meldepflicht ist von der Verweisung auf die Regelungen der §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes nicht erfasst, da in diesen Vorschriften keine namentliche Nennung stattfindet (LG Berlin Urt. v. 24.2.2021 – 23 O 187/20, BeckRS 2021, 2454 Rn. 21, beck-online).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der in den §§ 6 und 7 IfSG enthaltenen Generalklauseln (§ 6 Abs. 1 Nr. 5, § 7 Abs. 2 IfSG). Zwar können nach diesen gesetzlichen Regelungen auch nicht bereits ausdrücklich mit ihrem Namen im Gesetz aufgeführte Krankheiten und Erreger meldepflichtig sein. Doch sind diese dann allein nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig, jedoch nicht „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“ i.S.d. Versicherungsbedingungen, weil sie nicht, wie es Ziffer 3.4 BBSG 12 verlangt, spezifisch unter ihrer medizinischen Bezeichnung (also unter ihrem Namen) im Gesetzestext aufgeführt sind. Daran ändert es auch nichts, dass § 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG auch in dem als Anhang zum Versicherungsschein beigefügten Gesetzesauszug abgedruckt sind. Denn für den verständigen Versicherungsnehmer ist zwanglos erkennbar, dass an diesen Stellen gerade keine meldepflichtigen Krankheiten „namentlich“ aufgeführt sind (vgl. LG Berlin a.a.O.).

dd)

COVID-19 ist auch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht unter Influenza-Viren oder hämorrhagisches Fieber zu fassen; es ist allgemein bekannt, dass es sich um unterschiedliche Viren handelt (vergleiche Landgericht Stuttgart, Urteil vom 02.11.2020 – 18 O 264/20 Rn. 8 = COVuR 2020, 871; Landgericht Frankfurt, Urteil vom 12.02.2021 – 8 O 186/20 Rn. 43 [Beck RS 2021, 3243, dort auch zum Marburg Virus, Ebola Virus und anderen; Nugel, ZfS 2020, 672, 673]).

Ein abweichendes Verständnis kann nicht darauf begründet werden, dass in den Bedingungen ein Ausschluss für Schäden infolge von Prionenerkrankungen enthalten ist (vgl. OLG Stuttgart a.a.O, Rn. 34; LG Münster, Urteil vom 18.02.2021 – 115 O 281/20, R. 45/46, BeckRS 2021, 3529). Diese Regelung dient nur der Klarstellung; jedenfalls rechtfertigt eine solche Ausschlussregelung, die den Umfang des Versicherungsschutzes weiter einschränkt, aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht die Annahme einer Öffnung dahingehend, dass auch nicht namentlich benannte Krankheiten bzw. Krankheitserreger Grundlage einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung sein können.

b)

Auch eine Betrachtung des relevanten Passus unter dem Gesichtspunkt der AGB-Kontrolle führt zu keinem anderen Ergebnis.

aa)

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf § 305c Abs. 2 BGB berufen. Nach dieser Vorschrift gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Unklar in diesem Sinne sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (OLG Oldenburg, Urteil vom 6.5.2021 – 1 U 10/21, juris, Rn.38 unter Bezug auf Rechtsprechung des BGH).

Dies ist hier nicht der Fall. Mit dem genannten Verständnis der hier anzuwendenden Vertragsbestimmungen können eine objektive Mehrdeutigkeit und das Bestehen für den Versicherungsnehmer nicht behebbarer Zweifel nicht angenommen werden, zumal Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt bleiben müssen, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernstlich in Betracht kommen (Landgericht Leipzig, Urteil vom 14.01.2021 – 3 O 917/20 Rn. 34 [Beck RS 2021, 701] unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen [NJW 2021, 1392 Rn.33). Ein Versicherungsnehmer kann und muss damit rechnen, dass sein Versicherungsschutz begrenzt ist und der Versicherer insbesondere nicht für unbekannte und damit für ihn unkalkulierbare Infektionskrankheiten einstehen will. Dass die Prämienkalkulation auf einer Risikorechnung beruht, ist selbstverständlich, weil jedem Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung bei Abschluss bewusst ist, dass der Schadensfall eintreten kann, aber nicht muss. Ist – wie vorliegend – die Reichweite des Versicherungsfalles beschränkt, kann der Versicherungsnehmer keinen unbegrenzten Schutz verlangen, zumal die Prämienkalkulation des Versicherers nicht darauf ausgerichtet ist. Die Grenzen des Versicherungsschutzes sind für den Versicherungsnehmer verständlich und eindeutig durch Verweisung auf die in §§ 6, 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserregern gezogen. Diese Grenzen wären auch im Falle einer dynamischen Verweisung zu ziehen, weil dann entweder die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Gesetzesfassung oder die jeweils gültige Fassung eingreifen würden (vgl. beispielsweise LG Lüneburg Urt. v. 30.11.2020 – 5 O 171/20, BeckRS 2020, 33998 Rn. 32, beck-online; LG Koblenz, Urt. v. 17.12.2020 – 16 O 302/20, BeckRS 2020, 37486, Rn. 27).

bb)

Die Klausel ist auch nicht mehrdeutig gemäß § 305 Abs. 2 BGB. Die Voraussetzung für die Anwendung der Unklarheitenregel ist, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, Rn. 15 m.w.N.).

Ein solcher Zweifel besteht angesichts der hier streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen und wegen der vorgenannten Gründe nicht (vgl. LG Berlin Urt. v. 24.2.2021 – 23 O 187/20, BeckRS 2021, 2454 Rn. 23, 24, beck-online; LG Aurich, Urteil vom 08.03.2021 – 3 O 677/20, BeckRS 2021, 4370).

cc)

Eine Inhaltskontrolle hat gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht zu erfolgen, denn die Regelung weicht nicht von Rechtsvorschriften ab. Das VVG enthält keine speziellen Vorschriften zur Betriebsschließungsversicherung. Die allgemein, unabhängig von dem jeweiligen Versicherungszweig geltenden Normen des VVG werden von der Klausel nicht berührt (OLG Oldenburg, a.a.O., Rn.40). Dementsprechend könnte die Vertragsbestimmung auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führen.

Weiterhin liegt der Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes nicht darin, einen Unternehmer vor Schäden durch eine Unterbrechung des Betriebs aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes zu bewahren; die Zielrichtung ist eine gänzlich andere. Daher läuft ein Verständnis dahin, dass nur die aufgeführten Krankheiten beziehungsweise Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollten, von vornherein nicht dem Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes zuwider (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 36/37).

Auch eine Gefährdung des Vertragszwecks der Versicherung ist offenkundig nicht anzunehmen. Das hier zugrunde gelegte Verständnis der Versicherungsbedingungen begrenzt lediglich den Leistungsumfang des Versicherers auf diejenigen Fälle, die dort benannt sind. Der versprochene Versicherungsschutz wird damit nicht ausgehöhlt (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 39 ff.). Zwar gebieten Treu und Glauben auch, dass Versicherungsbedingungen die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Die hier maßgebliche Bewertung kann aber von einem geschäftlich tätigen Betriebsinhaber unschwer erkannt werden (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 41ff.).

2.

Nach alledem kann auch dahinstehen, ob nach den Versicherungsbedingungen eine einzelfallbezogene Maßnahme zur Bekämpfung einer aus dem konkreten Betrieb erwachsenden Infektionsgefahr (intrinsische Gefahr) notwendig ist (so Schleswig-Holsteinisches OLG – 16 U 25/21, juris, Rn.21-26).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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