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Berufsunfähigkeitsversicherung – befristete Leistungserbringung als Anerkenntnis der Leistungspflicht

LG Potsdam – Az.: 6 O 311/11 – Urteil vom 27.09.2012

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 45.139,38 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 24.305,82 € seit dem 07.04.2011 und aus jeweils 3.472,26 € seit dem 01.05.2011, 01.06.2011, 01.07.2011, 01.08.2011, 01.09.2011 und 01.10.2011 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.11.2011 bis zum Wegfall dessen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages zur Versicherungsnummer 4212811 am 01.09.2030 jeweils zum Monatsersten im Voraus 3.472,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers für den Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer 4213811 ab dem 01.10.2010 bis zum Wegfall dessen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 01.09.2030, jeweils am 01.09. eines jeden Jahres um 3 % des der Vorjahresrente zu erhöhen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.10.2010 von der Beitragszahlungspflicht für den Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer 4213811 bis zum Wegfall dessen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 01.09.2030 freizustellen.

V. Die Beklagte wird verurteilt, an an die C…. Rechtsschutz-Leistungs-GmbH, 30625 Hannover, zur Schadennummer 60-23-11-29641-4ho 2.292,89 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2011 zu zahlen.

VI. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der Rechtsanwälte ……. für die Kostendeckungsfrage bei der C……-Rechtsschutz-Leistungs-GmbH, 30625 Hannover, vom 08.08.2011 freizustellen.

VII. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VIII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Der Kläger schloss – auf eigene Vermittlung hin – mit der Beklagten am 03.09.1998 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, die eine Laufzeit vom 01.09.1998 bis zum 01.09.2030 hatte.

In den Berufsunfähigkeitsbedingungen für Akademiker im Rahmen des MLP Vorsorgemanagements (Stand 01.07.1997/EZM 797 – im Folgenden AVB) als Ergänzung zum Versicherungsvertrag heißt es unter anderem:

„ § 1 Was ist versichert?

(1) Wird der Versicherte während der Dauer dieser Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherung zu mindestens 50% berufsunfähig, so erbringen wir folgende Versicherungsleistungen:

a) Beitragsbefreiung: Wir befreien sie von der Beitragszahlungspflicht für die im Versicherungsschein bezeichneten Versicherungen

b) Rente: Wir zahlen die vereinbarte Rente im voraus entsprechend der von ihnen gewählten Rentenzahlungsweise jährlich, halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich an den vereinbarten Fälligkeitstagen, erstmals anteilig bis zum Ende des laufenden Rentenzahlungsabschnittes.

Bei einem geringeren Grad der Berufsunfähigkeit (weniger als 50 %) besteht kein Anspruch auf diese Versicherungsleistungen.

(4) Der Anspruch auf Leistungen erlischt, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 Prozent sinkt.

§ 2 Wann liegt Berufsunfähigkeit vor?

(1) a) Vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn und solange der Versicherte, der

– ein Studium an einer staatlich anerkannten Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie innerhalb der Europäischen Union abgeschlossen hat und

– zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit einen Beruf ausübt, der einer akademischen Ausbildung entspricht,

infolge ärztlicher nachzuweisender Krankheit….voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf auszuüben.

b) Übt der Versicherte bei Eintritt der Berufsunfähigkeit einen Beruf aus, der nicht einer akademischen Ausbildung entspricht, …, so liegt vollständige Berufsunfähigkeit nur vor, wenn er infolge ärztlich nachzuweisender Krankheit…voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, auch diesen Beruf oder eine andere vergleichbare Tätigkeit auszuüben. Vergleichbar ist dabei nur eine Tätigkeit, die der Versicherte aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

… (3) a) Ist der Versicherte…. sechs Monate ununterbrochen infolge ärztlich nachzuweisender Krankheit…, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf auszuüben, so gilt der Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.

…“

Der Kläger ist Diplom Wirtschaftsingenieur (FH) und arbeitete seit dem 01.07.1998 für die M… AG als selbstständiger Financial-Consultant sowie als Geschäftsstellenleiter:

Im August 2005 traten erste gesundheitliche Beschwerden im Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf des Klägers für die M…. AG auf. Er erlitt einen Gleichgewichtssturz und es wurde eine erste depressive Episode sowie ein Burnout-Syndrom diagnostiziert.

Seit September 2009 nahm er die Tätigkeit bei der M…. AG nicht mehr wahr und begab sich in ärztliche Behandlung. Dabei wurde unter anderem ein Burnout-Syndrom gemäß ICD -10 Z73.0, eine mittelgradige depressive Episode gemäß ICD 10 F32.1 und eine rezidivierende depressive Störung gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome gemäß ICD – 10 F33.2 diagnostiziert. Darüber hinaus war der Kläger seit 22.01.2010 regelmäßig in ambulanter und teilweise auch in teilstationärer psychiatrischer Behandlung der Fliedner – Klinik in Berlin. Ob er seit spätestens September 2009 nicht mehr in der Lage war, seinen zuletzt konkret ausgeübten Beruf auszuüben, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 06.02.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Leistungen aus der Berufungsunfähigkeitsversicherung.

Die Beklagte bot dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 07.05.2010 (Anl. K 9, Bl. 61 d.A.) eine Vergleichsvereinbarung an: Darin erklärte sie sich bereit, ohne Anerkennung einer Rechts- und Leistungspflicht für einen befristeten Zeitraum vom 02.09.2009 bis 30.09.2010 im Kulanzwege die vereinbarte monatliche Rente von 3.472,26 zu zahlen.

In der vom Kläger akzeptierten Vereinbarung heißt es weiter:

„…1. Die H……r Lebensversicherungs AG leistet mit Blick auf die besonderen Umstände des Sachverhalts und auf dem Kulanzwege sowie mit Rücksicht auf die Interessen des Versicherungsnehmers ohne Anerkennung einer Recht- und Leistungspflicht für den Zeitraum vom 02.September 2009 bis zum 30.September 2010 die für den Fall der Berufsunfähigkeit bedingungsgemäß versicherten Leistungen. …“

Nach Ablauf der Vergleichsvereinbarung am 30.09.2010 kehrte der Kläger nicht in seinen zuletzt ausgeübten Beruf zurück. Die Beklagte übersandte dem Kläger aus diesem Grund einen „verkürzten Fragebogen zur Prüfung von Berufsunfähigkeitsleistungen“, der vom Kläger am 18.10.2010 an die Beklagte zurückgesandt wurde.

Zur Weiteren Untersuchung wandte sich die Beklagte, an die behandelnden Ärzte des Klägers und holte darüber hinaus ein Sachverständigengutachten bei der Firma IMB Interdisziplinäre medizinischer Begutachtungen ein.

Unter Berufung auf das erstellte Gutachten lehnte die Beklagte am 07.04.2011 die vereinbarte Versicherungsleistung über den 30.09.2010 hinaus ab, da eine bedingungsgemäße 50 %ige Berufsunfähigkeit nicht nachgewiesen werden konnte.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei auch über den 30.09.2010 hinaus aufgrund der psychischen Belastungen bedingungsgemäß zu 50 % berufsunfähig und habe einen Anspruch auf Freistellung der Beitragszahlungspflicht sowie der Zahlung einer monatlichen Rente von 3.472,26 €.

Er behauptet er habe dem durch die M…. AG ausgeübten Druck nicht mehr standhalten können. Die daraus resultierenden psychosomatischen Beschwerden, wie beispielsweise Druckgefühl und Enge im Brustkorb, Schmerzen, Atemschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Sehstörungen sowie Durchschlafstörungen haben ihm eine Berufsausübung verwehrt. Er könne sich nicht konzentrieren, keinen Gesprächen folgen und selbst einfachste Sachverhalte nicht merken. Arbeitsversuche von 2-4 Stunden täglich im September 2010 und Februar 2011 habe er nach jeweils vier Wochen abbrechen müssen, da es zu einem erneuten Auftreten der Symptome gekommen sei.

Darüber hinaus müsse sich die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 06.05.2010 so behandeln lassen, als habe sie mit Wirkung ab dem 01.09.2009 ein bindendes Leistungsanerkenntnis ihrer Leistungspflicht abgegeben.

Der Kläger beantragt:

1. die Beklagte zu verurteilen an ihn 45.139,38 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 24.305,82 € seit dem 07.04.2011 und aus jeweils 3.472,26 € seit dem 01.05.2011, 01.06.2011, 01.07.2011, 01.08.2011, 01.09.2011 und 01.10.2011 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.11.2011 bis zum Wegfall dessen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages zur Versicherungsnummer 4212811 am 01.09.2030 jeweils zum Monatsersten im Voraus 3.472,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers für den Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer 4213811 ab dem 01.10.2010 bis zum Wegfall dessen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 01.09.2030, jeweils am 01.09. eines jeden Jahres um 3 % des der Vorjahresrente zu erhöhen;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.10.2010 von der Beitragszahlungspflicht für den Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag zur Versicherungsscheinnummer 4213811 bis zum Wegfall dessen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 01.09.2030 freizustellen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an die ……. Rechtsschutz-Leistungs-GmbH, 30625 Hannover, zur Schadennummer 60-23-11-29641-4ho 2.292,89 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Rechtsanwälte …… für die Kostendeckungsfrage bei der C…….-Rechtsschutz-Leistungs-GmbH, 30625 Hannover, vom 08.08.2011 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers und verweist auf die von ihr im Rahmen der Leistungsprüfung eingeholten nervenärztlich-psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 24.03.2011 (Bl. 104 d.A.) sowie das neuropsychologische Zusatzgutachten vom 21.02.2011 (Bl. 131 d.A.). Hieraus ergäben sich deutliche Diskrepanzen zu den Einschätzungen der behandelnden Ärzte des Klägers. Im Bereich der Akquisition, Beratung und Verkaufsgespräche im Büro, sowie beim Kunden vor Ort sei durch den Sachverständigen lediglich eine Beeinträchtigung i.H.v. 30 % festgestellt. Diagnostiziert worden sei eine leichte depressive Episode ICD – 10 F32.00 mit leichten Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Im Neuropsychologischen Zusatzgutachten seien bei dem Kläger keine neuropsychologischen Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt worden.

Die vom Kläger vorgelegten Atteste behandelnder Ärzte reichten als Nachweis für die Feststellung der Berufsunfähigkeit nicht aus.

Sie behauptet, der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht für die Beurteilung der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nicht ausreichend nachgekommen. Er habe seine Arbeitsabläufe nicht ausreichend strukturiert dargelegt.

Sie ist der Ansicht, dass die mit dem Kläger geschlossene Vereinbarung nicht als Leistungsanerkenntnis gewertet werden dürfe, sondern lediglich ein Vorteil für den Kläger darstelle, schnell und unbürokratisch Leistungen zu erlangen. Es habe zum Zeitpunkt der Vereinbarung keine ausreichende Aufklärung darüber gegeben, ob bei dem Kläger tatsächlich die bedingungsgemäß geforderte 50 % Berufsunfähigkeit vorgelegen habe. Im Übrigen könne die Vereinbarung schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut her nicht als Anerkenntnis gewertet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Landgericht Potsdam für die Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 215 I VVG in Verbindung mit den §§ 12 ff., 35 ZPO örtlich zuständig.

Die Klage hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistungserbringung gem. § 1 (1) a,b i.V.m. § 2 (1) a, (3) a der Ergänzungen zum Versicherungsvertrag, Berufsunfähigkeitsbedingungen für Akademiker im Rahmen des MLP Vorsorgemanagements (BUZV) (Stand: 01.07.1997/EZM 797).

Auf die Frage, ob derzeit konkret der Leistungsfall vorliegt, d.h. die Frage, ob bei dem Kläger mindestens 50 %ige Berufsunfähigkeit vorliegt, die ununterbrochen sechs Monate gegeben ist, kommt es derzeit nicht an, da die Beklagte durch die als Anerkenntnis zu wertende Vereinbarung vom 06.05.2010 (Anl. K 9, Bl. 62 d.A.) gebunden ist.

Es liegen indes hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger aufgrund des hohen Leistungsdrucks durch die M…. AG seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnte.

Die Angst vor Misserfolg sowie die unregelmäßigen Arbeitszeiten führten nach den vorliegenden ärztlichen Berichten zu psychosomatischen Symptomen, wie Engegefühl in der Brust, Schmerzen, Atemnot und Schlafstörungen. Er konnte seinen Alltag nicht bewältigen und stellte eine deutliche Verringerung seines Leistungsvermögens und seiner Belastbarkeit fest. Anfang September 2009 stellte der Hausarzt des Klägers eine erste depressive Episode und ein Burnout-Syndrom fest. Im Zeitraum vom 09.09.2009 bis Februar 2010 befand sich der Kläger in ambulanter Therapie. Dort wurde ebenfalls eine mittelgradige Depression sowie ein Burnout-Syndrom diagnostiziert. Der behandelnde Arzt stellte im Arztfragebogen der Beklagten bezüglich der Feststellung des Berufsunfähigkeitsgrades fest, dass der Kläger starke Einschränkungen in der Konzentrationsfähigkeit und mittlere Einschränkungen in der Merkfähigkeit, der psychischen Belastbarkeit und beim Arbeiten unter Zeitdruck hat. In Bezug auf die konkreten Tätigkeiten des Klägers, kam der behandelnde Arzt zu dem Ergebnis, dass eine Einschränkung von 85 % – im Bereich der Akquisition- bzw. der Beratungs- und Verkaufsgespräche – bis zu 50 % in den übrigen Tätigkeitsfeldern, vorläge.

Der Kläger ist seit 06.08.2010 in dauerhafter psychologisch/psychotherapeutischer Behandlung. Auch hier wurde ein Burnout-Syndrom sowie eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert. Die behandelnde Ärztin stellte bei dem Kläger ebenfalls eine starke Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit fest, sowie der psychischen Belastbarkeit. Ein Arbeiten unter Zeitdruck sei für den Kläger nicht möglich. Hinsichtlich der Tätigkeitseinschränkungen liegen die Werte hier zwischen 75 – 100 %.

Eine weitere ärztliche Einschätzung der Einschränkungen wurde durch eine Tagesklinik vorgenommen, in der der Kläger vom 01.03. – 01.04.2010, vom 19-04 – 25.06. 2010 sowie vom 11.04. – 17.06.2011 in ambulanter und teilstationärer Behandlung war. Starke Einschränkungen sind danach im Bereich der Konzentration, der Arbeit unter Zeitdruck sowie im Antrieb zu sehen. Eine psychische Belastbarkeit sei nicht möglich. Die Einschränkungsprognosen der Klinik liegen in einem Bereich von 25 – 100 % – vor allem im Bereich der Akquisition, Beratung und Verkauf, sowohl im Büro, als auch beim Kunden vor Ort. Eine Verbesserung der Gesundheitssituation ist nicht ausgeschlossen, derzeit jedoch noch nicht absehbar.

Ob damit die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die Leistungspflicht der Beklagten erfüllt sind, kann indes dahinstehen, da sich die Beklagte aufgrund der Vereinbarung so behandeln lassen muss, als habe sie mit Wirkung ab dem 01.09.2009 ein bindendes Anerkenntnis ihrer Leistungspflicht abgegeben.

Mit der Vereinbarung hat die Beklagte in Abweichung von § 5 AVB, der sie nach Prüfung der ihr eingereichten sowie der von ihr beigezogenen Unterlagen zur (unverzüglichen) Erklärung zum Bestehen oder Nichtbestehen einer Leistungsverpflichtung anhält, den Weg einer sog. individualvertraglichen Vereinbarung mit dem Kläger gewählt. Derartige Individualvertragliche Vereinbarungen über Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung können daraufhin überprüft werden, ob darin enthaltene Beschränkungen der bedingungsgemäßen Rechte des Versicherungsnehmers auf seiner freien Entscheidung oder einer treuwidrigen Ausnutzung der überlegenen Verhandlungsposition des Versicherers beruhen (vgl. BGH, Urteil v. 30.03.2011 – Az.: IV ZR 269/08).

Anders als in der von der Beklagten in ihrem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 19.09.2012 in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 28.09.1994 (Az.: IV ZR 226/93) hat die Beklagte weder in der Vereinbarung noch in dem Begleitschreiben vom 07.05.2010 (Bl. 61 d.A.) das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit verneint, so dass dies der Auslegung der Vereinbarung als bindendes Anerkenntnis nicht entgegensteht.

Der Beklagten ist hierbei zuzugeben, dass das Schreiben und die Vereinbarung eine ausdrückliche Anerkenntniserklärung nicht enthalten; im Gegenteil ist in der Vereinbarung unter Ziffer 2. sogar der Passus enthalten, dass eine bedingungsgemäße Anerkennung der Berufsunfähigkeit mit der Vereinbarung nicht erklärt werden soll, gleichwohl kann sich die Beklagte hierauf nicht berufen, da sie sich den Rechtsfolgen eines ggfls. gebotenen Anerkenntnisses nicht dadurch entziehen kann, dass er ein nach Sachlage gebotenes Anerkenntnis nicht abgibt. Durch die individualvertragliche Vereinbarung, in der sich der Versicherer – wie hier – eine umfassende Erstprüfung des Versicherungsfalls vorbehält, und dem Versicherungsnehmer ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine befristete Leistungserbringung anbietet, begibt sich der Versicherungsnehmer ihm zustehender Rechte, da die Vereinbarung deutlich weniger wert ist als ein bedingungsgemäßes Anerkenntnis (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil v. 10.04.2002 – Az.: 20 U 34/01). Die dem Versicherer geläufige Regelung der §§ 5-7 AVB über die Erklärung eines Leistungsanerkenntnisses, dessen Reichweite und das Nachprüfungsverfahren ist für den Versicherungsnehmer, für den die Berufsunfähigkeitsrente existentielle Bedeutung hat, nur schwer durchschaubar, so dass dieser in die Lage versetzt werden muss, verantwortlich darüber zu entscheiden, ob er sich auf eine Beschränkung der von ihm nach den Versicherungsbedingungen für berechtigt gehaltenen Ansprüche einlassen will (vgl. hierzu BGH Urteil v. 12.11.2003 – Az.: IV ZR 173/02).

Insoweit geht die Kammer davon aus, dass die in der Vereinbarung enthaltene Beschränkung der bedingungsgemäßen Rechte des Versicherungsnehmers auf einer treuwidrigen Ausnutzung der überlegenen Verhandlungsposition der Beklagten als Versicherer beruht (so BGH Urteil v. 12.11.2003 – Az.: IV ZR 173/02), da der Versicherer gerade im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten ist, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen (vgl. BGH, Urteil v. 30.03.2011 – Az.: IV ZR 269/08 unter Verweis auf BGH, Urteil v. 28.02.2007 – IV ZR 46/06; BGH Urteil v. 07.02.2007 – IV ZR 244/03).

Der Umstand, dass der Kläger sich die Versicherung selbst vermittelte und im Bereich der Finanzdienstleistungen und des Versicherungsgewerbes tätig war – so von der Beklagten im nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 19.09.2012 vorgetragen -, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da sich hieraus nicht ergibt, dass ihm bei Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung die weitreichenden Konsequenzen der Unterschrift unter die Vereinbarung bewusst waren.

Die Klage stellt sich daher hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche als begründet dar. Soweit die Beklagte hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens der Berufsunfähigkeit bei dem Kläger nunmehr gestützt auf die von ihr selbst eingeholten Sachverständigengutachten Bedenken hat, ist sie auf das Nachprüfungsverfahren gemäß § 7 AVB zu verweisen.

Die Zinsforderung ergibt sich aus § 286, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreites ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO,

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 199.176,30 € wie folgt festgesetzt:

Klageantrag zu 1.)   45.139,38 €

Klageantrag zu 2.) 3,5-facher Jahresbetrag 42 Monate á 3.472,26 €  145.834,92 €

Klageantrag zu 3.) 3.750,00 €

Klageantrag zu 4.) 3,5-facher Jahresbetrag 42 Monate á 106,00 € 4.452,00 €

Klageantrag zu 5.) kein eigenständiger Wert

Klageantrag zu 6.) kein eigenständiger Wert

Summe 199.176,30 €

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