Skip to content

Behördlich angeordnete Betriebsschließung – Betriebsschließungsversicherung

KG Berlin – Az.: 6 U 84/21 – Urteil vom 05.07.2022

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25.05.2021, Az. 7 O 189/20, abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin vom 31.08.2020 wird aufrechterhalten.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin betreibt in Berlin eine Gaststätte. Sie begehrt von der Beklagten aufgrund von Schließungsanordnungen des Berliner Senats im Frühjahr 2020 Leistungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Geschäftsversicherung, die auch einen Betriebsschließungsversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 400.000 Euro beinhaltet (Versicherungsschein vom 10.10.2019, Anlage K 1).

Der Versicherungsumfang der „Betriebsschließungs-Pauschalversicherung“ (Versicherungsschein S. 4) bestimmt sich nach den Bedingungen für die „Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)“ – im Folgenden: AVB – mit Stand vom 01.06.2019 (Versicherungsschein S. 6, Anlage K 2).

Gemäß Ziffer 1 Absatz 1 AVB erstattet der Versicherer die Schäden, die dadurch entstehen, dass „der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe Ziffer 3) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) betroffen“ ist. Umfasst sind gemäß Ziffer 1 Absatz 2 AVB u.a. „Schäden und Kosten infolge behördlicher Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten (siehe Ziffer 3.1)“.

betriebsschließungsversicherung
(Symbolfoto: Tero Vesalainen/Shutterstock.com)

In Ziffer 3.1 heißt es:

„Der Versicherer leistet bis zu den in Ziffer 9 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; …“.

Ziffer 3.4 lautet:

„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1.d) IfSG“.

In Ziffer 8.1 AVB heißt es zur „Entschädigungsberechnung Schließung“:

„Der Versicherer ersetzt im Falle einer Schließung nach Ziffer 3.1.1 den entgehenden Gewinn aus dem Umsatz der hergestellten Erzeugnisse, der gehandelten Waren und der Dienstleistungen sowie die fortlaufenden Kosten bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Schließung wieder aufgehoben wird, höchstens bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit.

Kosten werden nur ersetzt, sofern ihr Weiteraufwand rechtlich notwendig oder wirtschaftlich begründet ist und soweit sie ohne die Störung des Betriebsablaufs erwirtschaftet worden wären.

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, beginnt die Haftzeit zum Zeitpunkt der erstmaligen Schließung und endet 30 Tage später.

Die Entschädigung ist auf den in Ziffer 9.2.1 vereinbarten Betrag begrenzt (Entschädigungsgrenze).

Die Bestimmungen nach Ziffer 9.2 letzter Absatz bleiben unberührt“.

Gemäß Ziffer 9.2.1 ist die Entschädigung, soweit nichts anderes vereinbart ist, für Schäden infolge Schließung nach Ziffer 3.1.1 und Ziffer 8.1 bis zu 1/12 der vereinbarten Versicherungssumme begrenzt.

Den Bedingungen ist ein Auszug aus dem IfSG ohne Angabe eines Datums der Fassung des Gesetzes beigefügt, in dem die §§ 6, 7, 25, 29 und 42 abgedruckt sind.

Durch § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit „über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 des IfSG auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen Coronavirus („2019-nCoV“)“ vom 30.01.2020, ergangen aufgrund des § 15 Abs. 1 und 2 des IfSG und in Kraft getreten am 01.02.2020 (BAnz AT 31.01.2020 V1) – kurz: CoronaMeldeV -, wurde die Pflicht zur namentlichen Meldung nach §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 S. 1 IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod in Bezug auf eine Infektion mit dem vorgenannten Virus und den Nachweis dieses Krankheitserregers ausgedehnt. Die Verordnung ist zugleich mit dem Inkrafttreten des zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 am 23.05.2020 (BGBl. 2020, 1018 ff.), mit dem die Coronavirus-Krankheit 2019 (Covid-19) dem Katalog in § 6 Abs.1 hinzugefügt und das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) in die Liste des § 7 Abs. 1 S. 1 als Nr. 44a IfSG eingefügt wurde (Art. 1 N.r 4 und Nr. 5), außer Kraft getreten (Art. 18 Abs. 1 S. 2).

Aufgrund des § 3 Abs. 1 der „Zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung“ vom 21. März 2020 des Senats von Berlin (GVBl. Berlin 2020 S. 219), ergangen aufgrund des § 32 IfSG und in Kraft getreten am 22.03.2020, und der Nachfolgeverordnungen (SARS-CoV-2-EindmaßnV vom 22.3.2020, GVBl. aaO. S. 220 ff.; der 3. Verordnung –VO – zur Änderung dieser VO vom 16.4.2020, GVBl. vom 21.04.2020, der 4. VO zur Änderung dieser VO vom 21.04.2020, GVBl. vom 24.04.2020, ab dieser Fassung nun geregelt in § 6 Abs. 1, der 5. VO zur Änderung dieser VO vom 28.4.2020, GVBl. vom 05.05.2020, und 6. VO zur Änderung dieser VO vom 07.05.2020; GVBl. vom 16.05.2020, S. 307 ff.) durften Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes inklusive Shisha-Bars nicht für den Publikumsverkehr geöffnet werden. Sie durften Speisen und Getränke zur Abholung oder zur Lieferung anbieten. Gemäß § 6 Abs. 2 der zuletzt genannten VO durften Gaststätten mit selbst zubereitetem Speiseangebot ab dem 15.05.2020 unter Einhaltung von Hygieneregeln nach § 2 Absatz 1 von 6 bis 22 Uhr unter bestimmten Maßgaben wieder geöffnet werden.

Nachdem die Beklagte der Klägerin nach der Anmeldung des Versicherungsfalls vorprozessual ihre Eintrittspflicht wegen des Fehlens einer betriebsinternen Gefahr abgelehnt, lediglich eine Abfindungsvereinbarung über einen Betrag von 5.000 Euro angeboten und eine weitergehende Zahlung auch nach anwaltlicher Aufforderung abgelehnt hatte (Anlagen K 6 bis K 8), hat die Klägerin mit der am 17.07.2020 zugestellten Klage einen Betrag in Höhe von 30.000 Euro geltend gemacht im Hinblick darauf, dass sie gemäß den vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen (Anlagen K 4 und K 5 zu Bl. 94 d. A.) in den Monaten März und April 2019 im Mittel monatlich 31.874,62 Euro erwirtschaftet hatte. Sie hat hierzu vorgetragen, dass sie ohne die Corona-bedingte Schließung im Haftzeitraum März/April 2020 einen Betriebsgewinn von mindestens 30.000 Euro erzielt hätte, wie sich aus dem Vergleich der betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Jahre 2019 und 2020 ableiten lasse.

Sie hat behauptet, sie habe ihren Gastronomiebetrieb ab dem 22.03.2020 geschlossen gehabt und den Geschäftsbetrieb erst wieder zum 15.05.2020 aufgenommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18.05.2020 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie die außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.314,50 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Nach Ablauf der Frist zur Verteidigungsanzeige hat das Landgericht am 31.08.2020 ein Versäumnisteil- und Schlussurteil erlassen, durch das es die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin 30.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18.05.2020 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.141,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18.07.2020 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Nach am 14.09.2020 eingegangenem Einspruch der Beklagten gegen das ihr am 11.09.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, ein Außerhausverkauf von Speisen und Getränken sei für sie nicht in Betracht gekommen, weil sich für ihr Geschäft eine solche Minimallösung betriebswirtschaftlich nicht ansatzweise gerechnet hätte. Bis zur Betriebsschließung sei bei ihr kein Gästerückgang zu verzeichnen gewesen, die Gaststätte habe einen ganz normalen Geschäftsbetrieb aufgewiesen. Es habe keine Stornierungen gegeben, auch Veranstaltungen seien nicht abgesagt worden.

Die Auslegung der Ziffer 3.4 AVB ergebe, dass vom Deckungsschutz alle zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nach späteren Fassungen des IfSG meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger umfasst seien, wobei hierzu auch Meldepflichten aufgrund der in den §§ 6 und 7 IfSG enthaltenen Generalklauseln und aufgrund der Ausdehnung der Meldepflicht aufgrund einer Verordnung gehörten. Ohnehin sei die Beschränkung des Versicherungsschutzes in Ziffer 3.4 auf „namentlich“ genannte Krankheiten und Krankheitserreger intransparent, sofern nicht schon zugunsten des Versicherungsnehmers die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB eingreife.

Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 31.08.2020 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Eintrittspflicht dem Grunde nach verneint im Hinblick darauf, dass am 22.03.2020 das SARS-CoV-2-Virus und die entsprechende Erkrankung in den Katalogen der §§ 6 und 7 IfSG noch nicht enthalten waren, so dass die Voraussetzung der namentlichen Nennung gemäß Ziffer 3.4 AVB nicht erfüllt gewesen sei. Die Auslegung der Ziffer 3.4 ergebe, dass ohnehin nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in §§ 6, 7 IfSG genannten und nicht künftige, noch unbekannte Krankheiten und Krankheitserreger versichert sein sollten, wie auch die dort aufgeführte Ausnahme der humanen spongiformen Enzephalopathien zeige. Nach der –unwirksamen – Berliner Verordnung liege wegen des zulässigen Außerhausverkaufs schon keine Betriebsschließung, sondern lediglich eine Betriebseinschränkung vor. Außerdem handele es sich nicht – wie nach den Bedingungen erforderlich – um eine betriebsinterne Gefahr.

Der Höhe nach fehle es an einem kausalen Schaden, da im Allgemeinen – und so auch bei der Klägerin – aufgrund der general-präventiven, freiwilligen Kontaktbeschränkungen in der Bevölkerung die Besucherzahlen in der Gastronomie schon in der ersten Märzhälfte eingebrochen und bereits erfolgte Reservierungen storniert worden seien, so dass auch ohne eine förmliche Verordnung kein Gewinn entstanden wäre und die Klägerin ihren Betrieb sowieso hätte schließen müssen. Da es sich um eine Schadenversicherung handele, müsse die Klägerin weitere Unterlagen zum Nachweis des entgangenen Gewinns und der eingesparten Kosten vorlegen, so die vollständigen monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen getrennt für die Monate Januar bis Juli bzw. August 2020 (für März und April 2020 bezogen auf die einzelnen Tage) und den testierten Jahresabschluss 2019. Außerdem müsse sie zur gesamten Kostenstruktur während der behaupteten Betriebsschließung vortragen.

Schließlich bestehe nach Ziffer 12 BBSG kein Anspruch auf Entschädigung, wenn Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beansprucht werden kann, was hier aufgrund des § 56 oder § 65 IfSG der Fall sei. Da der Versicherungsnehmer gemäß Ziffer 12 AVB verpflichtet sei, unverzüglich Anträge bei Behörden zu stellen, und sich eine entsprechende Verpflichtung aus der gesetzlichen Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 82 VVG für weitere Ansprüche gegen Dritte wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen ergebe, fehle es schon an Vortrag der Klägerin aufgrund der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage mit der Erwägung abgewiesen, die Beschränkung des klägerischen Betriebs im Zusammenhang mit der Covid-19 bzw. wegen des SARS-CoV-2-Erregers sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst, da diese in Ziffer 3.4 nicht benannt seien und die dortige Nennung abschließend sei. Die Klausel sei weder überraschend noch unwirksam. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das Landgericht lege seiner Entscheidung bereits die unzutreffende Annahme zugrunde, dass in den hier vereinbarten Bedingungen eine abschließende Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern umfasst sei. Auf die Berufungsbegründung vom 01.09.2021(Bd. I Bl. 140 ff. d. A.) und den Schriftsatz vom 5.04.2022 (Bd. I Bl. 189 ff. d. A.) wird verwiesen.

Auf die Auflage vom 27.05 2022 (Bd. II Bl. 4 d. A.) hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.06.2022 (Bd. II Bl. 23 ff.) ergänzend zur Art ihres Geschäftsbetriebes, zu ihren Einnahmen und Ausgaben jeweils in den Monaten Februar bis Mai der Jahre 2019 und 2020 und den daraus in diesen Monaten jeweils erzielten Gewinnen bzw. Verlusten, ihrem Geschäftsergebnis in diesen beiden Jahren, ihrer Kostenstruktur und den Gründen für die während der Schließung fortlaufenden Raum- und Personalkosten vorgetragen und dies u. a. durch Vorlage betriebswirtschaftlicher Kurzberichte (Anlagen K 17 bis K 20 für 2020 und K 17a bis K 20a für 2019), betriebswirtschaftlicher Auswertungen mit Einzelkonten (K 18 bis K 20), von Kassenumsatzstatistiken (Anlagen K 21 bis K 23) und der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 (K 28 und K 29) unterlegt. Ferner hat sie zur Geschäftsentwicklung in der ersten Märzhälfte vorgetragen und hierzu Unterlagen eingereicht (Rechnungen aus der ersten Märzhälfte 2020, K 24 bis K 26 nebst einer Statistik über wöchentliche Anfragen, K 27). Schließlich hat sie zu dem Versuch eines Außerhausverkaufs aus einem Stand vor ihrem Geschäftslokal in der Zeit vom 10. bis 12.04.2020 vorgetragen, durch den sie einen Kassenumsatz von 625,50 Euro erzielt habe und den sie wegen Unwirtschaftlichkeit nicht fortgesetzt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz nebst Anlagen verwiesen.

Sie beantragt, unter Abänderung des am 25.05.2021 verkündeten Urteils das Versäumnisurteil vom 31.08.2020 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend; auf die Berufungserwiderung (Bl. 156 ff. d. A.), den Schriftsatz vom 01.06.2022 (Bd. II Bl. 7 ff. d. A.) und den nachgelassenen Schriftsatz vom 24.06.2022 wird verwiesen.

Der Senat hat im Termin vom 3. Juni 2022 nach persönlicher Anhörung des Geschäftsführers X. der Klägerin Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der von der Klägerin benannten und gemäß § 273 ZPO geladenen Zeugen. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen (Band II Bl. 29 ff. d. A.).

II. Die gemäß §§ 511 ZPO zulässige Berufung der Klägerin ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil es offensichtlich von einem anderen Bedingungswerk ausgeht, bei dem – wie hier nicht – die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger in den Bedingungen aufgeführt sind.

1. Die Voraussetzungen der Eintrittspflicht der Beklagten dem Grunde nach gemäß § 1 S. 1 VVG, Ziffer 3.1 AVB liegen vor. Denn die zuständige Behörde hat aufgrund des IfSG wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit und eines Krankheitserregers, dessen Nachweis meldepflichtig war, die Schließung des Betriebs der Klägerin angeordnet und die Klägerin hat die Anordnung auch befolgt.

a) Die Meldepflicht nach dem IfSG bestand aufgrund der CoronaMeldeV, durch die die Meldepflicht gemäß §§ 6 und 7 IfSG auf Covid-19 und SARS-CoV-2 auf der Grundlage des § 15 IfSG ausgedehnt wurde. Indem der Senat von Berlin nach Erlass dieser VO durch seine VO vom 21.03.2020 (und der Nachfolgeverordnungen) auf der Grundlage des § 32 IfSG angeordnet hat, dass Gaststätten für Publikumsverkehr nicht geöffnet werden dürfen, hat er als zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger zur Verhinderung deren Verbreitung beim Menschen eine Betriebsschließung von Gaststätten angeordnet. Dies kommt unter der Voraussetzung, dass sich der versicherte Betrieb an die VO hält, einer Betriebsschließung gleich. Denn der Betrieb einer Gaststätte zeichnet sich dadurch aus, dass Gäste innerhalb der Gasträume frisch zubereitete Speisen und Getränke konsumieren, wobei sie in der Regel bedient werden. Das Gebot, eine Gaststätte nicht für den Publikumsverkehr zu öffnen, bedeutet damit, dass die Gaststätte zu schließen ist. Da die Beklagte hier einen Gaststättenbetrieb gegen eine Betriebsschließung versichert hat, liegt damit eine bedingungsgemäße Schließung vor, auch wenn die Gaststätte von anderen Personen noch betreten werden darf und der Gaststättenbetrieb andere Geschäfte betreiben kann. Der nach der Verordnung erlaubte Außerhausverkauf könnte demzufolge nur dann einer vollständigen Schließung entgegenstehen, wenn der versicherte Gaststättenbetrieb bereits in der Zeit vor der Schließung seine Einnahmen in nicht nur unwesentlichem Umfang aus dem Außerhausverkauf von Speisen und Getränken erzielt hätte und auch diese Tätigkeit dem Betrieb sein Gepräge gegeben hätte. Dies ist hier nach dem Vorbringen der Klägerin nicht der Fall gewesen und stünde einer Eintrittspflicht der Beklagten vorliegend schon deshalb nicht entgegen, weil sie gemäß Ziffer 3.1.1 erster Halbsatz AVB auch bei einer teilweisen Schließung eintrittspflichtig ist. Im Hinblick auf die damit ebenfalls versicherte Teilschließung kommt es für den Anspruch dem Grunde nach ebenfalls nicht darauf an, ob die Klägerin in der Zeit vom 22.03.2020 bis zum 14.05.2020 einen Außerhausverkauf betrieben hat. Sie muss sich die hieraus erzielte Umsätze sowieso der Höhe nach anrechnen lassen. Dies folgt hier schon daraus, dass keine Tagespauschale vereinbart wurde, sondern eine Entschädigungsberechnung gemäß Ziffer 8.1 AVB.

b) Die Klägerin hat bewiesen, dass sie dem Verbot Folge geleistet und ihre Gaststätte in der Zeit vom 22.03.2020 bis 14.05.2020 tatsächlich geschlossen hatte. Davon ist der Senat aufgrund der Vernehmung der Zeugen Sch.., We. und Schu. überzeugt. Alle drei Zeugen haben für den Senat nachvollziehbar, widerspruchsfrei und anschaulich geschildert, welche jeweiligen Auswirkungen die Schließung auf ihre bisherige Tätigkeit für den Geschäftsbetrieb der Beklagten und teilweise auch – was die beiden Köche, die Zeugen Sch. und We., anbelangt – auf ihre privaten Unternehmungen hatte.

Der Zeuge Schu. konnte hierzu Angaben machen, da er im Rahmen eines Minijobs zuständig war für die Leerung des Briefkastens, das Einsammeln und Sortieren von geschäftlichen Unterlagen wie etwa von Lieferscheinen und für die Kontrolle der Kellnerabrechnungen, so dass er pro Woche ca. dreimal in der Turnhalle gewesen sei und hierdurch sowohl die Schließung bemerkt habe als auch die Tatsache, dass es diese Unterlagen in der Zeit der Schließung nicht gegeben habe, insbesondere keine Kellnerabrechnungen. Auch wenn der Zeuge keine genauen Daten mehr angeben konnte, ist hierdurch für den Senat belegt, dass sich die Klägerin nicht über die Verordnung des Senats hinweggesetzt hat, was ohnehin schon deshalb sehr unwahrscheinlich ist, weil dies jedenfalls in Berlin von den Ordnungsbehörden bemerkt und unterbunden worden wäre. Dass der Zeuge zugleich stiller Gesellschafter der Klägerin ist, steht seiner Glaubwürdigkeit nicht entgegen, zumal der Zeuge bei seiner Vernehmung auf die Fragen des Senats zur tatsächlichen Schließung zunächst mit Unverständnis reagiert und daher eher widerwillig geantwortet hat; damit hat er deutlich werden lassen, dass er nicht bereit ist, mehr zu sagen als ihm auf konkrete Fragen in Erinnerung ist, und dass er keinerlei Neigung hatte, irgendeine Gefälligkeitsaussage zugunsten der Klägerin zu machen.

Die Zeugen Sch.. und We. haben als bei der Klägerin angestellte Köche dagegen plastisch die von ihnen erlebten Auswirkungen der Schließung der Küche geschildert. Der Zeuge Sch. hat nach der telefonischen Mitteilung seines Chefs über die Schließung erstmal seine Tochter besucht, der Zeuge We. hat in der Schließungszeit seine Gartenlaube saniert und von dem in dieser Zeit durchgeführten Grundputz berichtet. Auch bei diesen Zeugen hat der Senat trotz der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Geschäftsführern der Klägerin als weiterhin angestellte Köche keine Bedenken, dass sie die Wahrheit geschildert haben.

c) Die von der Beklagten geltend gemachten rechtlichen Gründe gegen eine bedingungsgemäße Schließung greifen nicht durch.

aa) Mit der VO des Berliner Senats vom 21.03.2020 – wie auch den Nachfolgeverordnungen – ordnete die zuständige Behörde im Sinne von Ziffer 3.1 AVB die (Teil-)Schließung des Betriebs der Klägerin an. Denn gemäß § 32 Satz 1 IfSG sind die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und 29 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Bei dem Berliner Senat als Regierung des Landes Berlin handelt es sich auch um die zuständige Behörde im Sinne der Bedingungen. Denn er ist als „Kopf der Verwaltung“ eine „Stelle“, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und damit sowohl im Rechtssinne (§ 1 Abs. 4 VwVfG) als auch nach den Bedingungen die zuständige Behörde. Denn wenn in den Bedingungen ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache Verwendung findet, ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts Anderes verstehen wollen. An solchen Zweifeln fehlt es. Aus den versicherten Tätigkeitsverboten gegen sämtliche Betriebsangehörige gemäß Ziffer 3.1.1 AVB kann nicht hergeleitet werden, dass Behörde im Sinne der Bedingungen nur die zur Gefahrenabwehr vor Ort zuständige Behörde sein soll (vgl. OLG Celle, Urteil vom 19.11.2021 – 8 U 123/21, RuS 2022, 15-21, Rn. 91 bis 98 zitiert nach juris).

bb) Auf die Rechtmäßigkeit der VO und die Nennung der zutreffenden Ermächtigungsgrundlage in der Verordnung kommt es aus der Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers nicht an.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (std. Rspr. des BGH, vgl. Urteil vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21, Rn. 10). Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass es sich um Bedingungen für gewerblich tätige Versicherungsnehmer handelt, so dass es auf ihr Verständnis ankommt. Ein Versicherungsnehmer in diesem Sinne darf aufgrund des Wortlauts und Regelungsgehalts der Ziffern 1 und 3 der AVB und des darin zum Ausdruck kommenden Zwecks der Versicherung, den versicherten Betrieb vor den wirtschaftlichen Auswirkungen behördlich angeordneter Maßnahmen, die die Behörde auf das IfSG stützt, berechtigterweise erwarten, dass bereits die behördliche Anordnung ausreicht, um Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auszulösen, und es nicht etwa ihm als Betroffener obliegen soll, die rechtliche Wirksamkeit der ihn belastenden Anordnung zu überprüfen und bei Zweifeln dagegen rechtlich vorzugehen.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verordnung bestehen zudem nicht. Das OLG Brandenburg hat zur Brandenburger VO ausführlich dargestellt, warum die VO wirksam ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 01.06.2021 – 2 U 13/21 –, Rn. 30 – 35, juris unter Hinweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 05.03.2021 – 11 S 17/21). Eine andere Auffassung vertritt der Senat nicht, zumal der BGH auf diese Ausführungen im Urteil vom 17.03.2022 Bezug genommen hat (BGH, Urteil vom 17. März 2022 – III ZR 79/21 –, Rn. 51, juris).

cc) Es ist keine betriebsinterne Gefahr erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil vom 26. Januar 2022 a.a.O. geklärt, dass der Eintritt des Versicherungsfalles nicht die Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden, sogenannten intrinsischen, Infektionsgefahr voraussetzt.

d) Allerdings wird die Eintrittspflicht der Beklagten durch die Klauseln in Ziffer 3.4 auf die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger eingeschränkt.

aa) Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer im oben dargestellten Sinne wird die für ihn erkennbare Beschränkung der Eintrittspflicht auf „namentlich genannte“ bei der von ihm zu erwartenden Durchsicht des den Bedingungen beigefügten Wortlauts der Vorschriften trotz des Umstands, dass dort gar keine Krankheiten und Krankheitserreger namentlich genannt werden, sondern der Begriff „namentlich“ sich auf die Art und Weise der Meldepflicht bezieht, dahin verstehen, dass damit die in den beiden Vorschriften mit bestimmten Bezeichnungen aufgeführten und nummerierten Krankheiten und Krankheitserreger gemeint sein sollen. Dabei wird er die Beifügung des Auszuges aus dem IfSG nicht dahin verstehen, dass es für die Dauer des Vertragsverhältnisses allein auf das Vorliegen der in den dort abgedruckten §§ 6 und 7 IfSG aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger ankommen soll unabhängig von einer späteren Änderung des Gesetzes. Denn eine Verweisung auf den Gesetzesauszug ist in Ziffer 3.4 nicht enthalten. Zudem ist dort eine bestimmte Fassung des Gesetzes nicht genannt. Er wird Ziffer 3.4 daher dahin verstehen, dass alle zum Zeitpunkt einer behördlichen Schließungsanordnung in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des IfSG aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger gemeint sind. Für dieses Verständnis spricht auch der für ihn erkennbare Zweck der Versicherung (s. o.), seinen Betrieb vor den wirtschaftlichen Auswirkungen zu schützen, die durch behördliche Anordnungen aufgrund des IfSG ausgelöst werden. Da sich gefährliche Krankheiten und Krankheitserreger typischerweise neu entwickeln und/oder durch Modifikation fortentwickeln und sodann einen neuen „Namen“ erhalten und geänderte Krankheitssymptome auslösen können, ist der vereinbarte Versicherungsschutz nur dann effektiv, wenn er auch diese neuen, in einer alten Gesetzesfassung noch nicht genannten Krankheiten oder Krankheitserreger umfasst. Durch die Fortentwicklung von Erregern und Krankheiten wird demgegenüber ein vereinbarter Schutz gegen einen statisch festgelegten Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern im Laufe der Zeit immer geringer. Von einer solchen fortlaufenden Entwertung seines Versicherungsschutzes muss der Versicherungsnehmer nicht ausgehen, wenn ihm dies durch die Bedingungen nicht deutlich gemacht wird. Durch die Verweisung auf das IfSG ohne Einschränkung auf eine bestimmte bisherige Gesetzesfassung darf er vielmehr annehmen, dass das zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebliche Gesetz gelten soll (ebenso für die Auslegung gleicher oder vergleichbarer Bedingungen als dynamische Verweisung u. a.: OLG Celle, Urteil vom 18.11.2021 – 8 U 123/21, RuS 2022, 15.21, Rn. 42 ff. zitiert nach Juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 09.12.2021 – 7 U 164/21 Rn. 31 f.; OLG Bamberg, Urteil vom 28.10.2021 – 1 U 65/21 Rn. 39; aA OLG Koblenz, Urteil vom 09.02.2022 – 10 U 905/21, BeckRS 2022, 1723, dort Rn. 8 f.).

Dem Umstand, dass nach Ziffer 3.4 AVB humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG ausgenommen sind und dass diese Erkrankung in der im Auszug abgedruckten Fassung des § 6 an der angegebenen Stelle aufgeführt ist, wird er für die Frage, ob nur die dort aufgeführten Erkrankungen unabhängig von einer Fassungsänderung des Gesetzes versichert sein sollen oder nicht, es sich also um eine sogen. dynamische oder eine statische Verweisung – die nach Auffassung des Senats hier ohnehin nicht vorliegt, s. o. – handelt, weder in die eine noch in die andere Richtung eine Bedeutung beimessen, sondern schlicht zur Kenntnis nehmen, dass der Versicherer für diese spezielle Erkrankung keinen Versicherungsschutz übernehmen will.

Für sein Verständnis der Klausel dahin, dass auch künftig im Gesetz aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger versichert sein sollen, spricht zudem, dass der Versicherer gemäß Ziffer 3.5.3 (3) AVB nicht haftet für Prionenerkrankungen; denn diese sind in der abgedruckten Fassung des § 6 IfSG nicht aufgeführt. Der Versicherungsnehmer wird diese Bestimmung daher als vorsorglichen Ausschluss ansehen, den der Versicherer für den Fall vorgesehen hat, dass diese Erkrankung nach dem IfSG meldepflichtig wird.

bb) Wenn der Versicherungsnehmer den Wortlaut der beigefügten §§ 6 und 7 IfSG sorgfältig liest, wird er auch erkennen, dass dort neben den speziell bezeichneten Krankheiten und Krankheitserregern auch Generalklauseln für Meldepflichten enthalten sind für den Fall des Auftretens einer bedrohlichen Krankheit, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 5), oder von Krankheitserregern, bei denen Hinweise auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit bestehen (§ 7 Abs. 2 IfSG). Wenn er Ziffer 3.4 AVB – trotz der verwirrenden, abweichenden Verwendung des Begriffs „namentlich“ in diesen beiden Vorschriften und den dort teilweise enthaltenen bloßen Umschreibungen von Krankheiten und Krankheitserregern nach dem Infektionsweg oder dem Ort ihres Auftretens/Ausbreitung – dahin versteht, dass es sich um alle in den §§ 6 und 7 IfSG mit einer Bezeichnung oder auch nur einer solchen Umschreibung genannten handeln soll, wird er davon ausgehen, dass demgegenüber behördliche Anordnungen, die auf die beiden vorgenannten Generalklauseln gestützt sind, nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, weil diese dann jedenfalls nicht „namentlich“ im Sinne der Bedingungen genannt sind. Dies wird sich ein verständiger Versicherungsnehmer damit erklären, dass behördliche Maßnahmen aufgrund von Generalklauseln besonders angreifbar und rechtlich unsicher sind. Dies gilt für die §§ 6 und 7 IfSG in besonderem Maße, weil danach die Meldepflicht und demzufolge auch die auf die Meldepflicht gestützten behördlichen Eingriffe grundsätzlich eine Aufnahme der Krankheit oder des Erregers in diese Normen voraussetzen. Er wird verstehen, dass der Versicherer für solcherlei aufgrund von Generalklauseln ergangene Maßnahmen keinen Versicherungsschutz übernehmen will.

cc) Vorliegend geht es allerdings nicht um Maßnahmen, die aufgrund dieser Generalklauseln getroffen wurden, sondern um eine auf der Grundlage des IfSG per VO erlassene Schließungsanordnung, die auf der Ausdehnung der namentlichen Meldepflicht gemäß §§ 6 und 7 IfSG nach der CoronaMeldeV beruht. Durch diese VO wurde die Meldepflicht auf eine bestimmte „namentlich“ genannte Erkrankung und einen bestimmten „namentlich“ genannten Erreger ausgedehnt und auf diese Weise der Katalog der gesetzlich gemäß §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erweitert. Es liegt damit durchaus eine namentliche Benennung im Sinne der Bedingungen vor, sie ist nur nicht direkt im Gesetz enthalten, aber durch eine Erweiterung des Gesetzes per VO einer unmittelbar gesetzlich statuierten Meldepflicht gleichgestellt worden. Der Unterschied besteht damit lediglich in der Anwendung einer anderen legislativen Regelungstechnik. Eine Rechtsunsicherheit ist damit im Gegensatz zu der Heranziehung einer bloßen Generalklausel nicht verbunden. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer wird der unterschiedlichen Gesetzestechnik daher keine Bedeutung beimessen und behördliche Schließungsanordnungen, die auf eine Katalogerweiterung der meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger per VO gestützt sind, derjenigen durch Gesetz gleichstellen (ebenso: Armbrüster in Prölss/Martin, Versicherungsrecht, 31. Auflage, AVB BS 2002 Rn. 8 m.w.N.; derselbe in COVuR 2021,36, Anm. zu LG Bochum v. 4.11.2020 – 13 O 40/20; Fortmann, VersR 2020, S. 1073 ff., S. 1078 Ziffer 3 m.w.N.; a. A. u. a. OLG Celle a.a.O. Rn. 47; OLG Stuttgart a.a.O. Rn. 36 m.w.N.; OLG Bamberg a.a.O. Rn. 42 – 44; OLG Rostock, Urteil vom 14.12.2021 – 4 U 37/21 Rn.59; Günther, VersR 2021, 1141, 1144).

Gegen diese Auslegung spricht nicht, dass die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Beschreibung des versicherten Risikos nicht analogiefähig sei; denn es handelt sich nicht um eine Analogie, sondern um die Auslegung von deren Reichweite aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers.

Da eine Verweisung auf den Auszug aus dem IfSG in Ziffer 3.4 nicht erfolgt ist, muss der Versicherungsnehmer die Beifügung des Auszugs auch nicht dahin verstehen, dass nur die beigefügten Paragraphen für den Versicherungsvertrag gelten sollen, mithin eine Ausdehnung der Meldepflicht gemäß § 15 IfSG ausgeschlossen sei.

Das häufig verwendete und auch von der Beklagten vorgebrachte Argument, der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehe, dass der Versicherer zum Zwecke einer verlässlichen Risikoeinschätzung den Versicherungsschutz auf zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannte meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger beschränken wolle, er verstehe, dass sein Vertragspartner kein unkalkulierbares Risiko eingehen wolle (so u.a. OLG Stuttgart a.a.O. Rn. 40), kann bei der vorliegenden dynamischen Verweisung nicht durchgreifen. Denn das Risiko, dass auch noch unbekannte Krankheiten oder Krankheitserreger seine Eintrittspflicht auslösen, geht der Versicherer bei der Vereinbarung einer dynamischen Verweisung auf das IfSG gerade ein, um seinem Versicherungsnehmer einen effektiven Schutz gewähren zu können.

Soweit der BGH in dem Urteil vom 26.01.2022 a.a.O. dieses Argument bei der Auslegung von Bestimmungen, in denen selbst ein Katalog von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern enthalten ist, herangezogen und ausgeführt hat, der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde nicht davon ausgehen können, dass der Versicherer für unter Umständen erst Jahre nach dem Vertragsschluss auftretende Krankheiten und Krankheitserreger, bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich sei (Rn. 21), die Deckung übernehmen wolle, das Anliegen der Deckungsbegrenzung sei für den Versicherungsnehmer daher klar erkennbar (Rn. 37), ist diese Beurteilung auf der Grundlage des dort in den Bedingungen selbst enthaltenen Katalogs erfolgt und besagt nicht, dass sich der Versicherer bei einer dynamischen Verweisung gegenüber dem damit vereinbarten aktuellen Versicherungsschutz auf eine Unkalkulierbarkeit von künftigen unbekannten, bei Vertragsschluss noch nicht im IfSG oder einer auf dessen Grundlage ergangenen VO aufgenommenen Krankheiten und Krankheitserregern berufen könnte. Im Gegenteil darf der Versicherungsnehmer bei einer dynamischen Verweisung auf das IfSG gerade darauf vertrauen, dass er den nach dem Stand des Gesetzes erforderlichen und gebotenen Versicherungsschutz auch erhält.

ee) Dass jedenfalls vorliegend unter Vereinbarung der BBSG-19 die Beklagte tatsächlich auch einen solchen Schutz gewähren wollte, zeigt sich dem Versicherungsnehmer im Übrigen aus der Bestimmung über die Beitragsanpassung in Ziffer 14.3 AVB. Danach ist der Versicherer berechtigt, den vertraglich vereinbarten Beitragssatz zu Beginn des jeweiligen Versicherungsjahrs anzupassen. Die Anpassung erfolgt u. a. „entsprechend der bis zum Ende des Versicherungsjahrs erwarteten Entwicklung des Schadenbedarfs der Risikoart“. Der Versicherungsnehmer kann aufgrund dieser Berechtigung des Versicherers zur Beitragsanpassung wegen eines gestiegenen Schadensbedarfs davon ausgehen, dass auf diesem Wege auch die Entwicklung des IfSG und die Neuaufnahme von Krankheiten und Krankheitserregern – also das aktuelle Risiko für eine Betriebsschließung – versichert werden.

e) Würde man dieser Auslegung der Ziffer 3. 4 AVB nicht folgen wollen, wäre hier anders als in dem der Entscheidung des BGH vom 26.1.2022 zugrundeliegenden Fall mit einem abschließenden Katalog in den Bedingungen bei der sodann erforderlichen Inhaltskontrolle äußerst zweifelhaft, ob die Klausel den Transparenzanforderungen gemäß § 307 Abs. 1 BGB genügen würde. Zwar führt eine Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerkes für sich genommen noch nicht zur Intransparenz. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt lediglich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vergleiche BAG, Urteil vom 20. 03. 2019 – 7 AZR 98/17, Rn. 33 m.w.N.; BGH, Urteil vom 14.01.2014 – XI ZR 355/12 Rn. 37, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Eine solche Gefahr besteht hier aber deshalb, weil durch die Verwendung der Begrifflichkeit „namentlich genannt“ in Ziffer 3.4 AVB in Verbindung mit dem Wortlaut der §§ 6 und 7 IfSG Unklarheit herrscht, welche der dort aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger „namentlich“ benannt sein sollen im Sinne der Bedingungen (vgl. Lüttringhaus, VersR 2022, 73 ff., 76). Diese Frage stellt sich exemplarisch bei der für Gastronomiebetriebe besonders relevanten Frage, ob etwa die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG aufgeführten „mikrobiellen Lebensmittelvergiftungen“ „namentlich“ benannt sein sollen im Sinne der Bedingungen; denn diese Bezeichnung sagt nur etwas über den Weg aus, den die Erreger genommen haben, umfasst aber eine Vielzahl von Krankheiten und Krankheitserregern (vgl. Lüttringhaus, a.a.O.). Außerdem muss die Lektüre der vollständigen §§ 6 und 7 IfSG auch bei einem Juristen und erst recht bei einem in der Regel juristisch nicht ausgebildeten gewerblich tätigen Versicherungsnehmer zu verschiedenen offenen Fragen führen, etwa soweit dort auch nicht namentliche Meldungen von Erkrankungen geregelt sind, die insofern „namentlich“ bezeichnet sind, als sie den Ort der Entstehung (Krankenhaus) angeben bei „nosokomialen Infektionen“, so dass zweifelhaft ist, ob Versicherungsschutz besteht bei Erkrankungen, die von einem Krankenhaus ausgegangen sind und sich weiter ausgebreitet haben. Bei der Lektüre des § 7 Abs. 3 IfSG, der eine nichtnamentliche Nennung von bestimmten Erregern regelt, ist erst recht unklar, ob diese im Sinne der Bedingungen nun „namentlich“ genannt sein sollen oder nicht. Letztlich kann dies aus den obigen Gründen jedoch dahinstehen.

f) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass nach Ziffer 12 AVB ein Anspruch insoweit nicht besteht, als Schadenersatz auf Grund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechtes beansprucht werden kann (z.B. nach den Bestimmungen des IfSG, den Vorschriften über Amtshaftung oder Aufopferung oder EU-Vorschriften), und der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, unverzüglich entsprechende Anträge zu stellen.

Diese Klausel ist nach Auffassung des Senats schon deshalb unwirksam, weil sie einen objektiven Ausschlusstatbestand mit einer Obliegenheit zur Abwendung und Minderung des Schadens gemäß § 82 VVG vermengt und die Leistungsfreiheit entgegen § 87 VVG nicht an die dort geregelten Voraussetzungen in § 82 Abs. 3 und 4 VVG knüpft. Unabhängig davon bestehen solche Ansprüche nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2022 – III ZR 79/21).

Die Corona-​Soforthilfen oder Liquiditätshilfen durch den Bund oder die Länder im Rahmen der Corona-​Pandemie fallen nicht unter Ziffer 12 AVB. Es handelt sich nicht um eine Entschädigungsleistung im Sinne der Anrechnungsklauseln (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 12 U 107/21 Rn. 71 m.w. N.). Nach dem klaren Wortlaut der Klausel setzt eine Anrechnung voraus, dass ein Schadensersatz auf Grund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beansprucht werden kann. Dagegen dienen die Corona-Soforthilfen des Bundes (für kleine Unternehmen, Soloselbständige und Freiberufler) und die Überbrückungshilfen des Bundes und der Länder, die jedenfalls teilweise auch für den streitgegenständlichen Zeitraum gewährt wurden, nicht der Entschädigung eines Ertragsausfalls, sondern der Überbrückung von Liquiditätsengpässen der Unternehmen, die seit dem 01.03.2020 im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entstanden sind, sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N). Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass in Berlin gewährte Soforthilfen vorrangig gegenüber Versicherungsleistungen waren.

Auch soweit die Klägerin durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld gemäß § 95 SGB III von ihrer Pflicht zur Lohnzahlung im streitgegenständlichen Zeitraum befreit wurde, stellt sich vorliegend die Frage der Anrechnung schon deshalb nicht, weil sich ein geringer Aufwand für Lohnkosten unmittelbar auf das Betriebsergebnis auswirkt und damit auch unmittelbar auf die Ermittlung der von der Beklagten zu leistenden Entschädigung gemäß Ziffer 8.1 AVB.

2. Der Anspruch ist auch der Höhe nach begründet.

a) Der Betrag von 30.000 Euro hält sich bei einer Haftzeit von maximal 30 Tagen und der maximalen Entschädigung für Schäden infolge Schließung bis zu 1/12 der vereinbarten Versicherungssumme von 400.000 Euro, also 33.333,33 Euro, innerhalb der Grenzen der Ziffer 8.1 und 9.2.1 AVB.

b) Der Klägerin steht dieser Betrag für die Haftzeit vom 22. März 2020 bis zum 20. April 2020 auch zu, weil ihr infolge der Schließung ein Gewinn in dieser Höhe gemäß Ziffer 8.1 AVB entgangen ist.

aa) Denn die Klägerin hat mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 01.06.2022 (Bd. II Bl. 23 ff. d. A.) und den hierzu eingereichten Unterlagen schlüssig dargetan und belegt, dass sie in den Monaten Februar bis Mai des Jahres 2019 einen durchschnittlichen Monatsgewinn in Höhe von 24.245,06 Euro bei einem durchschnittlichen Monatsumsatz in Höhe von 131.792,51 Euro erzielte, während sie in den Vergleichsmonaten des Jahres 2020 Verluste erlitt:

  • Februar 2019: + 27.042,14 Euro
  • März 2019: + 39.827,09 Euro
  • April 2019: + 38.178,98 Euro
  • Mai 2019: – 1.562,39 Euro.
  • Februar 2020: – 8.416,84 Euro
  • März 2020: – 50.612,46 Euro
  • April 2020: – 47.691,92 Euro
  • Mai 2020: – 40.675,95 Euro

Die Spanne der Betriebsergebnisse für den Monat März liegt damit bei 90.439,55 Euro, für den Monat April bei 85.870,90 Euro. Dies zeigt, dass sie in diesen Monaten auch nicht mehr die laufenden Kosten erwirtschaften konnte. Hierzu hat die Klägerin unwidersprochen zu den Personalkosten in Höhe von 33.130,05 Euro im März und von noch 15.019,79 Euro im April 2020 vorgetragen, dass bei ihr das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet und allein aufgrund dieses Umstandes die Personalkosten für den Schließungszeitraum nicht einfach auf „Null“ gedrückt werden konnten. Abgesehen davon habe sie auch ein erhebliches Interesse daran gehabt, das gut ausgebildete und zuverlässige Personal über den erwartet kurzen Schließungszeitraum zu behalten und nicht zur Konkurrenz abwandern zu lassen, da in den Serviceberufen gerade auch in der Gastronomiebranche akuter Personalmangel auch bereits in Jahr 2020 geherrscht habe.

Der Aufwand der Klägerin für Personalkosten im Schließungszeitraum war auf der Grundlage dieses Vorbringens rechtlich notwendig und wirtschaftlich begründet im Sinne von Ziffer 8.1 Absatz 2 AVB. Auch hinsichtlich des Aufwandes für die Miete in Höhe von monatlich 9.350 Euro liegen auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin die bedingungsgemäßen Voraussetzungen gemäß Ziffer 8.1 Absatz 2 AVB vor, weil Versuche der Geschäftsführung der Klägerin, beim Vermieter wegen der schließungsbedingten Umsatzausfälle eine – wenn auch nur anteilige – Mietminderung zu erhalten, erfolglos geblieben seien und sich der Aufwand für die Miete aufgrund des bestehenden und bis zum 31.12.2024 befristeten Mietvertrages nicht habe mindern lassen.

bb) Der Senat kann das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 1. Juni 2022 seinen Feststellungen zugrunde legen, da die Beklagte mit dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 24. Juni 2022 dieses Vorbringen nicht, jedenfalls nicht konkret bestritten hat. Soweit sie zum klägerischen Schriftsatz auf den Seiten 12-14 dahin Stellung genommen hat, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren Unterlagen der Anspruch der Höhe nach nicht dargetan sei und der bloße Verweis auf irgendwelche Anlagen keinen Sachvortrag ersetze, trifft dies nicht zu, weil die Klägerin im Einzelnen die Voraussetzungen für ihren Anspruch der Höhe nach vorgetragen und nur zum Nachweis auf die einzelnen Anlagen verwiesen hat. Mit der Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die betreffenden Monate mit Einzelkonten und den dazugehörigen Summen- und Saldenlisten, aus denen sich in allen Einzelheiten u. a. die erzielten Umsätze aus Trinkgeld, Tageseinnahmen und Veranstaltungen ersehen lassen, der Material-/Wareneinkauf, der daraus erzielte betriebliche Rohertrag, die Personal- und Raumkosten sowie die weiteren Kosten, das sich hieraus ergebende Betriebsergebnis und unter Berücksichtigung des weiteren Aufwandes das daraus folgende vorläufige Ergebnis vor Steuern, wobei die Klägerin durch die konkrete Bezugnahme auf diese Unterlagen die dortigen Zahlen nicht im Einzelnen vorzutragen braucht, ist nachgewiesen, dass die Umsatzerlöse im März und April 2020 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten massiv zurückgegangen sind. Denn dass die vorgelegten Unterlagen inhaltlich verfälscht wären und nicht den tatsächlich bei der Klägerin entstandenen Umsätzen und Kosten entsprechen würden, macht die Beklagte nicht geltend.

cc) Soweit die Beklagte darüber hinaus aus einem Urteil des Landgerichts Köln und aus einem Hinweisbeschluss des OLG Köln zitiert, betreffen die Zitate nicht den vorliegenden Fall und enthalten Rechtsausführungen zu der Frage, ob pandemiebedingte Umsatzeinbußen aus der Zeit vor der Schließung bei der anzustellenden Prüfung der hypothetischen Geschäftsentwicklung zu berücksichtigen sind. Insoweit hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung geltend gemacht, dass die Kausalität der Schließung noch nicht allein durch einen Vergleich der Zahlen aus 2020 mit den Zahlen aus dem Vorjahr nachgewiesen sei, weil bereits die pandemiebedingten Beschränkungen ab Februar 2020 schon vor der eigentlichen Schließung im Allgemeinen starke Umsatzausfälle zur Folge gehabt hätten und ohnehin dazu geführt hätten, dass die Gaststätten hätten schließen müssen.

Dies ist zwar auch nach Auffassung des Senats ein Gesichtspunkt, der bei der erforderlichen Prüfung der hypothetischen Entwicklung zu berücksichtigen ist. Durch die von der Klägerin vorgelegten Zahlen zeigt sich auch bereits ein erheblicher Rückgang des Gewinns im Februar, wobei nach der vorläufigen betriebswirtschaftlichen Auswertung noch ein minimaler Gewinn von 3.044,01 Euro erzielt wurde. Allerdings hat die Klägerin auch unter Zugrundelegung des vorgetragenen Verlustes von 8.416,84 Euro noch ein um mehr als 30.000 Euro monatlich besseres Ergebnis erzielt als in den Nachfolgemonaten. Soweit die Beklagte geltend macht, dass auf die Umsatzrückgänge in der ersten Märzhälfte und den Tagen unmittelbar vor Inkrafttreten der Schließungsverordnung abzustellen sei, hat die Klägerin vorgetragen, dass sie in der ersten Märzhälfte neben dem angebotenen Brunch auch weitere Umsätze durch gastronomische Veranstaltungen erzielte und hierzu die Anlagen K 24-26 vorgelegt. Darüber hinaus hat sie eine Statistik über die bei ihr in 2020 eingegangenen wöchentlichen Anfragen nach größeren gastronomischen Veranstaltungen als Anlage K 27 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass in der 10. und 11. Kalenderwoche 2020 (02.-15.03.) bei der Klägerin jeweils noch 43 bzw. 42 Buchungsanfragen für Hochzeiten, Weihnachtsfeiern und Ähnliches eingegangen waren, während es sodann coronaschließungsbedingt ab der 12. Kalenderwoche (16.-22.03.) nur noch 9 bzw. dann wöchentlich noch weniger Anfragen gab.

Dabei ist hier auch das Vorbringen der Klägerin auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 1. Juni 2022 zu ihrem Geschäftsmodell zu berücksichtigen, wonach sie in einer ehemaligen denkmalgeschützten X.halle in einem sehr großen Saal und weiteren angeschlossenen kleineren Räumen gastronomische Leistungen anbietet in der Weise, dass an den Wochenenden ein Brunch im großen Saal stattfindet und sie daneben gegen entsprechende Pauschalbuchung sowohl an den Wochenenden als auch durchaus wochentags gastronomische Großveranstaltungen anbietet, wie etwa Hochzeiten, Familienjubiläen und Ähnliches. Sie hat weiter vorgetragen, dass sie den angeschlossenen großen Biergarten in der wärmeren Jahreshälfte, dann sowohl an den Wochentagen als auch an den Wochenenden, betreibt. Dies zeigt, dass die Klägerin von der Schließung ab dem 22. März zusätzlich gerade dadurch betroffen war, dass die Schließung zu einer Zeit erfolgte, als der Biergartenbetrieb wieder hätte stattfinden können. Aus dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 1. Juni 2022 und den vorgelegten Unterlagen ergibt sich insoweit schlüssig und plausibel, dass die massiven Verluste der Klägerin in den Monaten März und April 2020 jedenfalls in dem hier geltend gemachten Umfang von 30.000 Euro auf die Schließung zurückzuführen sind, auch wenn man in Rechnung stellt, dass bereits die Pandemie als solche vor dem Inkrafttreten der die Gaststätten betreffenden Schließungsanordnungen erhebliche Auswirkungen auf die Anzahl der Gäste von Gastronomiebetrieben hatte und es deshalb bereits zuvor zu Umsatzeinbußen kam. Die Klägerin hat hier gleichwohl den festzustellenden erforderlichen Kausalverlauf zwischen der Schließung und dem erlittenen Verlust in der Haftzeit belegt, wie sich aus ihrem Vorbringen zur ersten Märzhälfte ergibt, zu dem sich die Beklagte ebenfalls nicht konkret geäußert hat.

Auch der bereits im Februar 2020 erlittene Umsatzrückgang steht dem nicht entgegen. Denn selbst wenn man den im Februar 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat erlittenen Verlust in Höhe von 8.416,84 Euro als nicht schließungsbedingt aus den Verlustbeträgen in den Folgemonaten März und April 2020 heraus rechnen würde, verbliebe immer noch ein 30.000 Euro übersteigender Verlust von 42.195,62 Euro im März 2020 und von 39.275,08 Euro im April 2020. Der mit der Klage geltend gemachte Betrag von 30.000 Euro wäre auch unter Zugrundelegung dieser Zahlen für die Tage vom 22. März bis 20. April 2020 erreicht (42.195,62 Euro/31 Tage mal 9 Tage = 12.250,34 für März 2020; 39.275,08 Euro/30 Tage mal 20 Tage = 26.183,38 Euro für April 2020; Summe 38.433,72 Euro). Zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn man die Spanne der Betriebsergebnisse für den Monat Februar im Jahr 2019 und 2020 von 35.458,98 Euro (Februar 2019 Gewinn 27.042,14 Euro; Februar 2020 Verlust 8.416,84 Euro) als pandemiebedingte Einbuße von der jeweiligen Spanne der Betriebsergebnisse im März mit 90.439,55 Euro (März 2019 Gewinn 39.827,09 Euro; März 2020 Verlust 50.612,46 Euro) und im April von 85.870,90 Euro (April 2019 Gewinn 38.178,98 Euro; April 2020 47.691,92 Euro) abzieht. Auch dann verbleibt sowohl für den Monat März als auch für den Monat April jeweils ein entgangener Gewinn zuzüglich nicht gedeckter fortlaufender Kosten von mehr als 30.000 Euro.

dd) Der Senat folgt hingegen der Argumentation der Beklagten, dass es auf einen taggenauen Vergleich der Umsatzzahlen am Tag vor und nach der Schließung ankomme, und nur eine Differenz zwischen diesen Tagen als kausal anzusehen sei, nicht. Denn wenn der Versicherungsschutz nicht nur betriebsinterne Gefahren, sondern – wie vorliegend – auch von außen kommende Gefahren aufgrund einer Endemie oder einer Pandemie umfasst (s. o.), so gehen der Schließungsanordnung typischerweise bereits eine geraume Zeit zuvor eine längere Entscheidungsfindung der zuständigen Behörden, begleitet von einer breiten Diskussion in der Politik und Öffentlichkeit, voraus. Diese Vorwirkung der Schließung ist nach dem Sinn und Zweck der Versicherung, den Versicherungsnehmer vor den wirtschaftlichen Auswirkungen behördlicher Anordnungen aufgrund des Auftretens meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger zu schützen, umfasst. Anderenfalls würde der Versicherungsschutz ausgehöhlt und sein Ziel verfehlen. Käme es vorliegend als Vergleichsmaßstab auf den Samstag, den 21. März 2020 vor dem Inkrafttreten der Schließungsverordnung an, stünde der Klägerin keinerlei Anspruch zu, weil sie im Vorgriff auf die zu erwartende Verordnung in wirtschaftlich vernünftiger Handlungsweise an dem Wochenende vom 21./22. März 2020 keinen Brunch mehr abgehalten hat, sondern das letzte „Brunchwochenende“ am 15./16. März 2020 stattfand. Dies zeigt, dass bei der Ermittlung der kausalen Entschädigungsleistung unter Heranziehung der §§ 249 Abs. 1, 252 BGB eine Wertung vorzunehmen ist unter Berücksichtigung des Schutzzwecks de abgeschlossenen Versicherung, und dass deshalb bei einer pandemiebedingten Schließungsanordnung die Auswirkung der ihr vorangehenden Diskussion und Vorbereitung nicht außen vor gelassen werden darf.

ee) Die Klägerin hat schließlich auch dargelegt, dass sie versucht hat, trotz der Schließung Umsätze zu generieren, indem sie in den Tagen vom 10. bis 12. April 2020 versuchsweise an einem Stand vor ihrem Geschäftslokal Speisen und Getränke im zulässigen Außerhausverkauf anbot, wodurch sie jedoch keine nennenswerte Umsätze habe erzielen können, weshalb sie diesen Versuch auch wieder einstellte.

ff) Nach Allem liegen die Voraussetzungen für die Berechnung der Entschädigung gemäß Ziffer 8.1 in Höhe von 30.000 Euro vor.

c) Der Klägerin stehen auch die durch das Versäumnisurteil zugesprochenen Zinsen und außergerichtlichen Kosten aus dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) zu, weil die Beklagte mit dem Schreiben vom 15.04.2020 (Anlage K 6) ihre Eintrittspflicht mit der Begründung verneint hat, dass diese eine betriebsinterne Gefahr voraussetze, und mithin ihre vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt hat. Die außergerichtlichen Kosten sind der Höhe nach aus den Gründen des Versäumnis- und Schlussurteils vom 31.08.2020 begründet.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Stattgabe dem Grunde nach zugelassen, weil insoweit eine Divergenz zu den oben aufgeführten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte vorliegt bei der Auslegung der Ziffer 3.4 BBSG 19 hinsichtlich der Frage, ob auch solche Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bestimmung namentlich benannt sind, die durch die Ausdehnung der in §§ 6 und 7 aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger im Wege einer Verordnung gemäß § 15 IfSG auf weitere Krankheiten und Krankheitserreger meldepflichtig geworden sind.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!