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Ansprüche aus einer Sach- und Ertragsausfallversicherung

Versicherungsstreit um Technologiefortschritt und Zeitwert: OLG Brandenburg trifft wegweisende Entscheidung

In einem komplexen Fall, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verhandelt wurde, ging es um strittige Ansprüche aus einer Sach- und Ertragsausfallversicherung. Die Klägerin forderte von der Beklagten Versicherungsleistungen für eine in Brand geratene Schotterplaniermaschine. Während die Beklagte den Schaden nur teilweise regulierte, verlangte die Klägerin zusätzliche Zahlungen, die sich aus einem sogenannten „Technologiefortschritt“ und einer Zeitwerterhöhung zusammensetzten. Das Hauptproblem in diesem Fall lag in der Interpretation der Versicherungsbedingungen und der Ermittlung des korrekten Versicherungswerts.

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Die Rolle des Zeitwerts und der Gutachter

Das Landgericht hatte der Klage weitgehend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der Hauptforderung verurteilt. Zwei Gutachter kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Zeitwert der Maschine 273.000 € beträgt. Das Gericht folgte dieser Einschätzung und wies darauf hin, dass die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit der Gutachten vorlegen konnte.

Technologiefortschritt als entscheidender Faktor

Ein besonders interessanter Aspekt des Urteils war der Anspruch der Klägerin auf einen Betrag von 530.000 € für sogenannte Technologiefortschrittskosten. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin diesen Betrag gemäß den Versicherungsbedingungen verlangen kann, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der Sache in derselben Art und Güte nicht möglich ist. Die Klägerin hatte einen Kaufvertrag für eine neue Maschine vorgelegt, die sie für ca. 2,1 Millionen € erworben hatte.

Vertragsinterpretation und Rechtsauffassung

Das Gericht wies die Argumente der Beklagten zurück, die behauptete, dass eine Reparatur der beschädigten Maschine technisch möglich sei. Laut Gericht reicht es aus, dass die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung in derselben Art und Güte nicht möglich oder sinnvoll ist. Zudem betonte das Gericht, dass der Anspruch auf Zahlung des Technologiefortschritts nicht voraussetzt, dass grundsätzlich ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz zum Neuwert besteht.

Schlüsselerkenntnisse und Bedeutung des Urteils

Das Urteil des OLG Brandenburg könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen, in denen es um die Interpretation von Versicherungsbedingungen und die Ermittlung des Versicherungswerts geht. Es legt besonderen Wert auf die Rolle von unabhängigen Gutachtern bei der Ermittlung des Zeitwerts und öffnet die Tür für die Berücksichtigung von Technologiefortschrittskosten, die in der modernen Welt immer relevanter werden.


Das vorliegende Urteil

OLG Brandenburg – Az.: 11 U 279/22 – Urteil vom 07.06.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.09.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 6 O 144/19 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 610.600,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Sach- und Ertragsausfallversicherung. Grundlage der versicherungsvertraglichen Rechtsbeziehungen der Parteien war der zwischen den Parteien mit Wirkung zum 01.05.2016 zur Versicherungsnummer (X)geschlossene Versicherungsvertrag, dem die Bedingungen der Beklagten zur Sachversicherung VHV Industrieprotect Sachsubstanz in der Fassung vom 01.10.2011 (im Folgenden AVB der Beklagten) zugrunde lagen und deren Einzelheiten das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils auszugsweise wiedergegeben hat (LGU 2 ff.). Hierauf wird Bezug genommen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aufgrund eines Schadensereignisses vom … 2016, dass im Kern zwischen den Parteien unstreitig ist, Versicherungsleistungen für eine hierbei in Brand geratene Schotterplaniermaschine der Klägerin, die 1991 gebaut worden war. Die Beklagte, die den Schadensgrund nicht in Abrede stellt, regulierte den Schaden lediglich in Höhe von 215.711,18 €. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung weiterer 610.600,00 €, die sich aus einem „Technologiefortschritt“ und einer weiteren Zeitwerterhöhung zusammensetzen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Urteilstatbestand im angefochtenen Urteil ergänzend verwiesen, § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO.

Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend – mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung – mit einem der Beklagten am 14.09.2022 zugestellten Urteil stattgegeben und die Beklagte in der Hauptforderung antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 610.600,00 € aus dem Versicherungsvertrag zu. Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Versicherungsvertrag geschlossen worden, bei dem ein Brandschaden entstand und somit ein Versicherungsfall in Bezug auf die der Klägerin gehörende Schotterplaniermaschine eingetreten ist. Der Versicherungswert betrage 273.000,00 €, wovon mit Blick auf die teilweise Regulierung, die durch die Beklagte erfolgt sei, noch 80.000,00 € offen seien. Hierbei spiele es keine Rolle, ob die Maschine im rechtlichen Sinne als zerstört oder als beschädigt angesehen werden müsse. In beiden Fällen müsse die Beklagte den Zeitwert ersetzen, der nach dem Klägervortrag 273.000,00 € betragen habe und damit sowohl unterhalb der Grenze von 40 % des Neuwerts als auch unterhalb etwaiger Reparaturkosten gelegen habe. Insoweit geht das Gericht von einem Reparaturwert von deutlich über 273.000,00 € aus. Insoweit habe die Beklagte bereits nicht geltend gemacht, dass die Reparaturkosten unter 273.000,00 € liegen würden. Im Übrigen sei das Gegenteil durch die Schiedsgutachten verbindlich festgestellt worden. Die Gutachter D… und H… seien insoweit zum gleichen Ergebnis gekommen. Bei der getroffenen Feststellung des Zeitwerts handle es sich um die Feststellung eines Schadens im Sinne der zwischen den Parteien getroffenen Klausel über die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens. Sowohl der Gutachter D… als auch der Gutachter H… seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass vom Neuwert einerseits ein Abschlag für den Zustand, für das Alter der Maschine unter Berücksichtigung der Nutzungsdauererwartung zu machen sei, auf der anderen Seite aber auch die Instandhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen seien, welche zu einer Lebensverlängerung der Maschine geführt hätten. Insoweit seien die Feststellungen für das Gericht bindend, denn eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 26 Ziff. 4 Abs. 3 AVB liege nicht vor. Insbesondere habe die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die gutachterlichen Ansatzpunkte und Rechenwege der Schiedsgutachter falsch sein könnten. Ein schlichtes Bestreiten mit Nichtwissen begründe keine Unrichtigkeit der Feststellungen der Gutachter.

Darüber hinaus könne die Klägerin von der Beklagten einen Betrag i.H.v. 530.000,00 € als sogenannte Technologiefortschrittskosten verlangen. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 19 Ziff. 11 AVB. Danach habe der Versicherer die tatsächlich entstandenen Mehrkosten für die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sachen durch Technologiefortschritt zu ersetzen, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der Sache in derselben Art und Güte nicht möglich sei. Maßgeblich sei insoweit der Betrag, der für ein Ersatzgut aufzuwenden sei, das der vom Schaden betroffenen Sache in Art und Güte möglichst nahe komme. Hier habe die Klägerin den als Anlage K11 zur Akte gereichten Kaufvertrag über den Kauf einer anderen Schotterverteil- und Planiermaschine vorgelegt. Sie habe sich in dem Vertrag zur Zahlung eines Kaufpreises von ca. 2,1 Mill. € verpflichtet. In diesem Zusammenhang stehe einer Erstattung des Technologiefortschritts nicht entgegen, dass es sich hierbei um einen Mietkauf handle. Dieser sei verbindlich, denn der Klägerin stehe auf der Grundlage des eingereichten Vertrages ein Kündigungsrecht nicht zu. Unerheblich sei in diesem Fall, dass die Klägerin den zu zahlenden Kaufpreis über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren ratenweise zu zahlen habe. Insoweit liege auch die Voraussetzung vor, dass eine Wiederbeschaffung der Sache in derselben Art und Güte nicht möglich sei, denn die versicherte Maschine könne so, wie sie von der Klägerin ursprünglich erworben worden sei, nicht wiederbeschafft werden. Dies ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten D…, dem die Kammer gefolgt sei. Hinsichtlich des Technologiefortschritts sei das Gutachten D… als qualifizierter Parteivortrag zu würdigen (LGU 9). Um diesen Vortrag wirksam in Abrede zu stellen, hätte die Beklagte konkret eine anderweitige Erwerbsmöglichkeit der Klägerin darlegen müssen oder jedenfalls erläutern sollen, warum ihr ein solcher Vortrag nicht möglich sei. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten komme es auch nicht darauf an, ob eine Reparatur der ausgebrannten Maschine technisch möglich sei. § 19 Nr. 11 AVB verlange nämlich nicht, dass eine Reparatur unmöglich sei, sondern es reiche aus, dass die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der Sache in derselben Art und Güte nicht möglich oder sinnvoll sei. Hier lägen beide Tatbestandsvoraussetzungen vor. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten setze der Anspruch auf Zahlung des Technologiefortschritts auch nicht voraus, dass grundsätzlich ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz zum Neuwert bestehe. Dies ergebe die systematische aber auch die teleologische Auslegung von § 19 Abs. 11 der AVB der Beklagten. Hiernach seien keine Gründe dafür erkennbar, weshalb ein Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen so verstehen sollte, dass ihm die zusätzlichen Kosten für ein Technologiefortschritt nicht mehr zugute kommen können, weil er die Sache mangels Verfügbarkeit in alter Version nur dann ersetzt bekommen könnte, wenn er statt eines Anspruches auf Ersatz des Zeitwerts einen Anspruch auf Ersatz des Neupreises gehabt haben würde. Insoweit bestehe auch nicht die Gefahr einer ungerechtfertigten Bereicherung des Versicherungsnehmers, denn der Schutz des Versicherers erfolge darüber, dass das neu zu beschaffende Ersatzgut der vom Schaden betroffenen Sache in Art und Güte möglichst nahekommen müsse.

Dem klägerischen Anspruch könne auch nicht der Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Klägerin entgegengehalten werden. Insoweit habe die Beklagte schon nicht geltend gemacht, dass ein Organ der Klägerin die Fahrt, auf der die Maschine in Brand geraten ist, hätte begleiten müssen. Im Übrigen fehle es auch am Vortrag dazu, dass sich die Klägerin Handlungen ihrer Mitarbeiter als Repräsentanten zurechnen lassen müsse. Insoweit könne dahinstehen, ob überhaupt ein Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift vorliege.

Der Zinssatzanspruch vor Rechtshängigkeit folge hinsichtlich des Zeitwertes aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. § 29 Abs. 2 der AVB, allerdings erst ab dem 13.01.2018. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Berechnung des Landgerichts verwiesen (LGU 12).

Gegen die Verurteilung durch das Landgericht wendet sich die Beklagte mit ihrer am 12.10.2022 eingelegten und sogleich in der Berufungsschrift begründeten Berufung. Sie verfolgt ihr Klageabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter und meint, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft einen restlichen Versicherungswert i.H.v. 80.000,00 € und Technologiefortschrittskosten i.H.v. 530.000,00 € zugesprochen habe. Zusammengefasst macht die Beklagte Folgendes geltend:

Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Teilverbindlichkeit der im Sachverständigenverfahren erstellten Gutachten bestünde. Hier liege nämlich insgesamt eine Unverbindlichkeit der Sachverständigengutachten vor, weil diese offensichtlich unrichtig seien. Falsch und überflüssig sei die Annahme, dass auch die weitere Klärung dahingehend, welche Kosten durch die Wiederbeschaffung aufzuwenden wären, vorgenommen worden sei. Der Annahme einer Teilverbindlichkeit des im Sachverständigenverfahren erteilten Obmann-Gutachtens stehe zudem entgegen, dass dieses ersichtlich unvollständig sei (BB 4).

Auch eine teilweise Aufrechterhaltung der im Sachverständigenverfahren getroffenen Feststellungen sei deshalb unzulässig. Hätte der Obmann zur Frage, wie der Technologiefortschritt bei der Ermittlung des Zeitwertes zu berücksichtigen sei, eine von der wirklichen Sachlage erheblich abweichende Feststellung getroffen, wäre das Obmann-Gutachten insgesamt unverbindlich. Dies müsse auch dann gelten, wenn das Obmann-Gutachten die Frage, wie Technologieschritt bei der Ermittlung des Zeitwerts zu berücksichtigen sei, gänzlich ausklammere. Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen Zeitwert und Technologiefortschritt könne das Obmann-Gutachten auch nicht in Teilen aufrechterhalten und als verbindlich angesehen werden.

Rechtsfehlerhaft sei jedenfalls der von der Vorinstanz vorgenommene Aufschlag für den aufgezwungenen Technologiefortschritt erfolgt. Aufgrund der lediglich entstandenen Beschädigung der Schotterplaniermaschine habe seitens der Klägerin bereits kein Anspruch auf Neuwertersatz in Höhe der Kosten für die Wiederbeschaffung bestanden und demzufolge auch kein Anspruch auf einen an eine Wiederbeschaffung geknüpften Aufschlag für Mehrkosten durch aufgezwungenen Technologiefortschritt. Dies ergebe eine Auslegung von § 19 Ziff. 11 der AVB. Insoweit sei auch § 23 der AVB zu berücksichtigten. Die Bedingungen differenzierten zwischen „Zerstörung“ und „Beschädigung“. Dementsprechend sei die Ansicht des Landgerichts zurückzuweisen, wonach sie gemäß § 23 Ziff. 1 lit. a der AVB einen Ersatz schulde. Bereits diese unzureichende Differenzierung führe zu einer Unrichtigkeit der im Sachverständigenverfahren eingeholten Gutachten. Unverständlich sei zudem, weshalb eine Reparatur im Streitfall nicht sinnvoll gewesen sein sollte. Dies habe die Vorinstanz nicht begründet, zumal die Reparaturkosten weitaus geringer gewesen wären als die Kosten einer Neuanschaffung.

Im Übrigen fehle es daran, dass eine Wiederherstellung der vom Schaden betroffenen Sache in derselben Art und Güte nicht möglich sei. Dies ergebe sich aus der Anlage K5 Anlage A1. Insoweit habe die Beklagte für ihre Behauptung, eine Wiederherstellung sei möglich, mehrfach Beweis angetreten, dem die Vorinstanz hätte nachgehen müssen. Wegen der einzelnen Berechnungen wird auf Blatt 8 der Berufungsbegründung verwiesen.

Im Übrigen habe sich die Beklagte auf die im Internet unter „Schotterplaniermaschine-SSP www.eisenbahndienstfahrzeuge.de“ abrufbaren Fotos bezogen und hierzu vorgetragen, dass die Beschädigungen der streitgegenständlichen Maschine sich in Grenzen gehalten hätten. Die Vorinstanz übersehe ferner, dass tatsächlich entstandene Mehrkosten für die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sache durch Technologiefortschritt gemäß § 19 Ziff. 11 der zugrundeliegenden Bedingungen nur bis zu der vereinbarten Gesamtentschädigungsgrenze ersetzt werden könnten. Dies führe zu einer Deckelung auch der Mehrkosten durch Technologiefortschritt.

Selbst wenn man davon ausgehen wolle, eine Reparatur der Schotterplaniermaschine sei nicht möglich, wäre die Frage, ob sie der Klägerin zusätzliche Kosten für Technologiefortschritt i.H.v. 530.000,00 € schulde, zu verneinen. Die Klägerin könne den Anteil „Kosten für Technologiefortschritt“ nicht losgelöst von einem unstreitig nicht bestehenden Anspruch auf Kosten der Wiederbeschaffung beanspruchen. Dies ergebe sich ebenfalls aus § 19 Ziff. 11 der AVB. Diese Vorschrift sei bei verständiger Betrachtung so auszulegen, dass dem Versicherungsnehmer im Streitfall ein Anspruch auf Mehrkosten durch Technologiefortschritt nicht zustehe (vgl. BB 10 ff.). Rechtsfehlerhaft gehe die Vorinstanz in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Klägerin durch Abschluss des aus der Anlage K 11 ersichtlichen Vertrages Mehrkosten durch Technologiefortschritt bereits „tatsächlich entstanden“ seien. Insoweit werde bestritten, dass der Vertrag überhaupt fortgeführt worden sei und aktuell fortbestehe. Bestritten werde, dass der Klägerin eine „USP 2000 C 2 Universalschotterverteil- und Planiermaschine“ überhaupt übergeben worden sei. Im Übrigen wäre die Klägerin ausweislich § 5 der Anlage K11 ohne Weiteres in der Lage, die Aufhebung des Vertrages zu provozieren. Im Übrigen könne der Vertrag jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden. Insoweit lässt der Wortlaut der Bestimmung „tatsächlich entstanden“ klar erkennen, dass die entsprechenden Kostenpositionen real angefallen sein müssen, um ersetzt werden zu können, was hier jedoch nicht der Fall sei. Zudem werde die Vergleichbarkeit der beiden Maschinen bestritten. Die neue Maschine verfüge über andere und weitgehendere Funktionen als die beschädigte Schotterplaniermaschine. Dass sich ein Teilbereich der Funktionen decken könnte, ändere daran nichts. Schließlich seien auch die abschließenden Ausführungen des Landgerichts zum Zinsschaden rechtsfehlerhaft.

Auch zweitinstanzlich sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass an dem Schadensobjekt zeitwertrelevante Instandsetzungs- und Wartungsmaßnahmen vorgenommen worden seien, die eine Zeitwerterhöhung von 80.000,00 € rechtfertigten. Die vorgenannte Erhöhung entbehre jeder Grundlage (BB 14).

Mit Schriftsatz vom 12.04.2023 hat die Beklagte ihren Vortrag weiter ergänzt.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht der I. Instanz zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung in Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, da die Beklagte nicht dargelegt habe, inwieweit das Landgericht von einer angeblichen Teilverbindlichkeit des Sachverständigenverfahrens überhaupt ausgegangen sein soll. Ferner lege die Berufung nicht dar, inwieweit das Urteil des Landgerichts auf Rechtsfehlern in Bezug auf den gesondert versicherten und mit eigenen Anspruchsvoraussetzungen ausgestatteten Anspruch auf Ersatz von Technologiekosten beruhe und deren Erheblichkeit für die Entscheidung beruht. Die Berufung lege wiederholt ihre bereits umfänglich in I. Instanz vorgebrachten Argumente dar, ohne damit die Voraussetzungen nach §§ 513, 520 Abs. 3 ZPO zu erfüllen.

Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Insbesondere liege eine Verbindlichkeit der im Sachverständigenverfahren eingeholten Gutachten vor, denn die Beklagte habe eine erhebliche Abweichung von der wirklichen Sachlage schon nicht dargetan. Die Feststellungen der Sachverständigen seien jedenfalls nicht offenbar unrichtig. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Obmann-Gutachten nicht ersichtlich unvollständig (BE 6 ff.).

Das Landgericht habe auch keinen Aufschlag für angeblich aufgezwungenen Technologiefortschritt vorgenommen. Die Beklagte verkenne weiterhin die vereinbarten Entschädigungsgrenzen, die das Landgericht richtig rechtlich gewürdigt habe.

Im Übrigen gebe es im Versicherungsrecht auch kein Bereicherungsverbot. Die dahingehenden und eher befremdlich wirkenden Gedankenspiele der Beklagten zu Lebensalter einer versicherten Sache, zu einer hoffnungsvollen „Lotterieversicherung“ gegen Ende der Lebenszeit einer Sache und zum „Glücksfalleintritt“ eines Versicherungsfalls gingen an ihrem vertraglichen Versprechen vorbei.

Unzutreffend seien schließlich auch die Schlussfolgerungen der Beklagten zum Technologiefortschritt, den das Landgericht zutreffend rechtlich berücksichtigt und insoweit die maßgeblichen Vorschriften der Vertragsbedingungen gewürdigt hat.

Richtig habe das Landgericht schließlich angenommen, dass ihr die Kosten mit Abschluss des Mietkaufvertrages über die Ersatzmaschine bereits entstanden seien. Es liege diesbezüglich keine fiktive Abrechnung vor. Im Übrigen könne die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr wirksam die vermeintlich fehlende Vergleichbarkeit der Maschinen bestreiten, denn dies habe sie erstinstanzlich nämlich nicht getan.

Zutreffend habe das Landgericht abschließend die Zinsen berechnet.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2023 und Schriftsatz vom 14.04.2023 hat die Klägerin ihren Vortrag weiterhin vertieft und ergänzt.

Der im Senatstermin am 19.04.2023 zwischen den Parteien geschlossene Widerrufsvergleich ist mit Schriftsatz der Beklagten vom 11.05.2023 widerrufen worden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufungsbegründung enthält – entgegen der von der Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vertretenen Rechtsauffassung – den gem. § 520 Abs. 3 S. 2, Nr. 2 und 3 ZPO erforderlichen Inhalt.

A. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt (BGH, Beschl. v. 25.08.2020 – VI ZB 67/19, zit. n. juris Rn. 7). Der Berufungskläger hat deshalb lediglich diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (BGH, Beschl. v. 27.10.2020 – VI ZB 6/20, BeckRS 2020, 31235 Rn. 8; Urt. v. 02.04.2019 – XI ZR 466/17, NJW-RR 2019, 937 Rn. 13; Beschl. v. 04.11.2015 – XII ZB 12/14, NJW-RR 2016, 80 Rn. 6). Die Berufungsbegründung muss dabei auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein (BGH, Beschl. v. 25.08.2020 – VI ZB 67/19, zit. n. juris Rn. 7; Beschl. v. 07.05.2020 – IX ZB 62/18, NJW 2020, 2119, Rn. 11). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere, voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen (vgl. BGH, 19.03.2021 – IV ZB 97/19, NJW-RR 2021, 789 Rn. 5; Beschl. v. 07.05.2020 – IX ZB 62/18, NJW 2020, 2119).

B. Diesen Anforderungen wird die in der Berufungsschrift der Beklagten vom 27.09.2022 (eA 1 ff.) enthaltene Berufungsbegründung gerecht.

Die Berufungsbegründung ist nicht lediglich formelhaft. Sie greift die beiden zwischen den Parteien umstrittenen Punkte zur Frage der Zeitwerterhöhung und zum Technologiefortschritt – wie unter I. eingehend dargetan – auf und inhaltlich an. Insbesondere macht die Beklagte dadurch, dass sie die rechtliche Würdigung durch das Landgericht in Abrede stellt, einen Berufungsgrund im Sinne von § 513 Abs. 1 ZPO geltend. Inhaltlich erläutert die Beklagte in ihrer Berufungsschrift, weshalb das Urteil ihrer Ansicht nach keinen Bestand haben könne. Da zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich ist, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen und besondere formale Anforderungen nicht bestehen, ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (vgl. BGH, Beschl. v. 11.03.2014 – VI ZB 22/13, NJW-RR 2014, 760 Rn. 8). Dementsprechend war es nicht erforderlich, im Einzelnen zu bezeichnen, was die Beklagte unter „Teilverbindlichkeit“ versteht, wobei sich dies – anders als die Klägerin meint (BE 2) – durchaus den Ausführungen hierzu entnehmen lässt (S. 4 der Berufungsschrift; eA 4). Auch konnte die Beklagte die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumente „wiederholen“, die ihrer Ansicht nach gegen den vom Landgericht zugesprochenen Anspruch auf Ersatz der Technologiefortschrittskosten sprechen, denn sie hat diese in einen konkreten Kontext zum angegriffenen Urteil gestellt.

III.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht im tenorierten Umfang stattgegeben. Berufungsgründe sind nicht gegeben; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere – für die Beklagte als Berufungsführerin günstige(re) – Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen des Landgerichts kann vorab in vollem Umfang Bezug genommen werden. Mit Blick auf die Angriffe der Berufung ist insoweit lediglich in gebotener Kürze ergänzend Folgendes auszuführen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zunächst einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung von 80.600,00 €.

a) Auch wenn das Landgericht in der Begründung der angefochtenen Entscheidung den vorgenannten Betrag mit „80.000,00 €“ (LGU 6) bezeichnet hat und dies von den Parteien des Berufungsrechtsstreits nicht weiter angegriffen worden ist, war hiermit offensichtlich der zugesprochene, im Klageantrag (GA I 30) und auch im weiteren Verlauf der Klageschrift genannte Betrag in Höhe von 80.600,00 € gemeint (vgl. S. 18 der Klageschrift; GA I 46).

b) Der Anspruch der Klägerin folgt – worauf das Landgericht zutreffend abgestellt hat (LGU 6) – aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag zur Versicherungsnummer (X)(Anlage K 1; GA I 57 f.) unter Einbeziehung der AVB der Beklagten (GA I 67 ff.). Die Voraussetzungen eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls hat das Landgericht zutreffend herausgearbeitet und subsumiert.

Der Senat folgt der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsauffassung, wonach bei der Ermittlung des Zeitwerts der bei dem in Rede stehenden Schadensereignis beschädigten Maschine der von den Gutachtern im Schiedsverfahren übereinstimmend festgestellte Mehrbetrag für werterhaltende Maßnahmen in Höhe zu berücksichtigen ist und dass insoweit eine Bindungswirkung des Ergebnisses des Schiedsverfahrens besteht (LGU 7). In § 26 Ziff. 1 der AVB haben die Parteien vereinbart, dass sie nach Eintritt des Versicherungsfalls vereinbaren können, dass die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt wird.

a) Zutreffend hat das Landgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Parteien ein solches Schiedsverfahren vereinbart und hinsichtlich der Ermittlung des Zeitwerts unter Berücksichtigung der werterhaltenden Maßnahmen vom klägerseits benannten Sachverständigen D… ein Zeitwert von 273.000 € und vom beklagtenseits benannten Gutachter H… ein sogar darüber hinaus gehender Wert angesetzt worden sei (LGU 6). Diesen Feststellungen ist die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht entgegengetreten, weshalb sie auch für den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. ZPO zugrundezulegen sind.

b) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, das Landgericht hätte auf der Grundlage der genannten Gutachten eine Bindungswirkung nach § 26 Ziff. 4 Abs. 3 AVB verneinen müssen, vermag dies nicht zu überzeugen. Nach dieser Vertragsvorschrift ist die getroffene Feststellung nicht verbindlich, wenn nachgewiesen wird, dass sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Damit entspricht die Vereinbarung im Wesentlichen der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 1 S. 1 VVG.

Mit der wirksamen Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens ist zur Sicherstellung der ökonomischen Wirkung auch eine Begrenzung der gerichtlichen Überprüfbarkeit der darin getroffenen Feststellungen verbunden. Diese Bindungswirkung erstreckt sich hierbei auf Feststellungen, über die der Sachverständige kraft der vertraglichen Vereinbarung auch entscheiden durfte (vgl. BeckOK VVG/Car, 18. Ed. 01.02.2023, § 84 Rn. 34). Beweisbelastet ist, wer die grundsätzliche Bindungswirkung der getroffenen Feststellungen nicht gegen sich gelten lassen will (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.03.2009 – 4 U 181/08, BeckRS 2009, 28251; OLG Naumburg, Urt. v. 16.01.2019 – 4 U 35/16, BeckRS 2019, 14485).

c) Dem Landgericht ist im Ergebnis und auch in der Begründung darin zu folgen, dass die Beklagte eine offensichtliche und erhebliche Abweichung im Streitfall nicht dargetan hat (LGU 6).

a) „Erheblich“ ist die Abweichung, wovon auch die Beklagte in ihrer Berufungsschrift ausgeht (dort S. 3), wenn der Stichentscheid die Sach- oder Rechtslage gröblich verkennt; „offenbar“ ist dies erst dann, wenn es sich dem Sachkundigen nach der gebotenen Prüfung mit aller Deutlichkeit aufdrängt (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.12.2016 – 12 U 106/16, NJW 2017, 277 Rn. 24; OLG Naumburg, a.a.O.). Die Unrichtigkeit kann dabei auf unrichtigen Bewertungsmaßstäben, falschen Berechnungs- oder Schätzgrundlagen oder der Außerachtlassung einzelner Erkenntnismöglichkeiten beruhen (BeckOK VVG/Car, a.a.O., § 84 Rn. 36).

b) Nach diesen Maßstäben bestehen hier bereits auf der Grundlage des Tatsachenvortrags der Beklagten keine Zweifel an der Bindungswirkung hinsichtlich des Zeitwerts der beschädigten Maschine, bei dem werterhaltende Maßnahmen der Klägerin als plausibel erachtet und übereinstimmend von den Gutachten beider Parteien in die Berechnung einbezogen wurden. Die Beklagte hat weder in der Berufungsbegründung noch im weiteren Schriftsatz vom 12.04.2023 tatsachenbasiert aufgezeigt, weshalb die Zeitwertbemessung durch die Sachverständigen beider Parteien offensichtlich unzutreffend sein sollte und dies zu einer erheblichen Unrichtigkeit der schiedsgutachterlichen Feststellungen geführt haben sollte. Insbesondere steht dem der Hinweis auf einen etwaigen wirtschaftlichen Totalschaden der Maschine nicht entgegen (vgl. Berufungsschrift S. 3). Auf eine vermeintliche „Teilverbindlichkeit des Obmann-Gutachtens kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, denn angesichts der übereinstimmenden Berücksichtigung werterhaltender Maßnahme in Höhe von 80.000 € bestand zwischen den beiden Parteigutachtern Konsens. Im Übrigen sind in den Versicherungsbedingungen der Beklagten Anhaltspunkte dafür, dass einzelne Schadenspositionen, die zwischen den Parteigutachtern übereinstimmend bewertet werden, nicht zu einer Verbindlichkeit der Feststellungen führen können sollen, nicht ersichtlich. Es besteht gerade der Sinn und Zweck in dem gewählten Gutachterverfahren, möglichst prozessökonomisch und kostensparsam zu einem für beide Parteien verbindlichen Ergebnis zu gelangen. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang auch das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen, dass an dem beschädigten Objekt zeitwertrelevante Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten vorgenommen worden seien (Berufungsschrift S. 14), denn es ist – wie bereits dargelegt – Aufgabe der beweisbelasteten Partei, jene Tatsache darzulegen und zu beweisen, die die offensichtliche und erhebliche Unrichtigkeit der schiedsgutachterlichen Feststellungen begründen. Das Bestreiten mit Nichtwissen begründet einen solchen Nachweis ebenso wenig wie die allgemeinen Spekulationen der Beklagten unter IV. in ihrer Berufungsschrift.

2. Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagten auf der Grundlage der vorgenannten Gründe einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung der erstinstanzlich zugesprochenen 530.000,00 € für die tatsächlich angefallenen Technologiefortschrittskosten. Diese Kosten sind nach § 19 Ziff. 11 AVB erstattungsfähig, was das Landgericht zutreffend herausgearbeitet hat.

a) In der vorgenannten Vorschrift hat sich die Beklagte unter den dort genannten Voraussetzungen zur Erstattung der Technologiefortschrittskosten verpflichtet. Einzige Einschränkung für die tatsächlich angefallenen Kosten ist insoweit die vertraglich vereinbarte „Entschädigungsgrenze“, ein Begriff, der in den AVB an mehreren Stellen verwendet wird (vgl. etwa in § 19 Ziffer 3 S. 1) und in § 24 Ziff. 1 AVB näher erläutert wird.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urt. v. 08.12.1999 – IV ZR 40/99, r + s 2000, 100).

bb) Ein solcher Versicherungsnehmer wird den Begriff der „Entschädigungsgrenze“ im Lichte der Begriffsklärungen des § 24 Ziff. 1 AVB verstehen und hierbei erkennen, dass es sich hierbei um eine betragsmäßige Begrenzung der Versicherungssumme handelt, nicht jedoch – wie die Beklagte vortragen lässt (vgl. Berufungsschrift S. 5 ff., 10 f.) – um eine inhaltliche Begrenzung die nur dann zum Tragen kommen könne, wenn grundsätzlich ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Neuwertersatz bestehe. Der Höchstbetrag war insoweit bei 10 % der Versicherungssumme maximal bei 10.000.000 € gedeckelt (vgl. hierzu BE 8 f.). Diesen Zusammenhang hat auch das Landgericht zutreffend gesehen (LGU 10).

Der von der Berufung angeführte § 21 AVB passt insoweit nicht. Eine Verknüpfung zwischen der Erstattung der Technologiefortschrittskosten und der Wiederbeschaffung ist den AVB so nicht zu entnehmen. Insbesondere ist ein Interesse der Klägerin als Versicherungsnehmerin – im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung – an einer solchen Begrenzung, die sich in dem Wort „Entschädigungsgrenzen“ nicht widerspiegelt und auch dem Kontext des § 24 AVB nicht zu entnehmen ist, nicht ersichtlich.

Im Übrigen führten nach allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätzen bei der Auslegung verbleibende Zweifel im Individualprozess gemäß der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Versicherers zur kundenfreundlichsten Auslegung (Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts- Handbuch, § 10. Allgemeine Versicherungsbedingungen und AGB-Recht Rn. 185; MAH VersR, § 1 Grundlagen des Privatversicherungsrechts Rn. 49). Selbst wenn man die von der Beklagten hierzu vertretene Rechtsauffassung für zumindest vertretbar halten wollte, wären solche Auslegungszweifel hier nicht von der Hand zu weisen, was jedenfalls zu ihren Lasten ginge. Überdies vermögen die Ausführungen des Landgerichts zu den bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu überzeugen (LGU 11).

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass die Annahme einer Teilverbindlichkeit des Obmann-Gutachtens insgesamt zu Unverwertbarkeit der vom Gutachter Dipl.-Ing. K… vom 25.06.2018 (Anlage K 14; GA I 189 ff.) in Bezug auf den diskutierten Technologiefortschritt führen würde. Die Feststellungen im Sachverständigenverfahren sind nach Literatur und Rechtsprechung nämlich nicht schon deshalb offenbar unrichtig, wenn sie bewusst unvollständig geblieben sind, sondern können dann teilweise bindend sein (BeckOK VVG/Car, a.a.O., § 84 Rn. 38 m.w.N.). Soweit das Landgericht die dahingehenden Ausführungen des Sachverständigen K… als substanziierten Parteivortrag der Klägerin qualifiziert hat, steht dies im Einklang mit der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt (vgl. BeckOK VVG/Car, a.a.O., § 84 Rn. 38 m.w.N.). Insbesondere gehört die Beantwortung von Rechtsfragen (etwa zum Umfang des Versicherungsschutzes) nicht zu den Aufgaben des Sachverständigen (vgl. statt vieler OLG Schleswig, Urt. v. 06.07.2006 – 16 U 67/05, NJW-RR 2007, 320), was der Sachverständige K… hier auch in seinem Obmann-Gutachten hinsichtlich der Berechtigung des Technologiefortschritts erkannt hat (S. XI; GA I 199). In einem späteren gerichtlichen Verfahren haben diese Feststellungen keine Bindungswirkung, sondern sind als Parteivortrag desjenigen zu werten, der das Gutachten einführt (vgl. hierzu eingehend Prölss/Martin/Voit, VVG, 31. Aufl. 2021, § 84 Rn. 21).

dd) Entgegen der von der Berufung vertretenen Rechtsauffassung enthalten die AVB keine Beschränkung der Technologiefortschrittskosten auf die vollständige Zerstörung der versicherten Sache. Zutreffend hat das Landgericht in diesem Zusammenhang herausgearbeitet, dass Technologiefortschrittskosten nach § 19 Ziff. 11 AVB auch dann zu erstatten sind, wenn „die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der Sache in derselben Art und Güte nicht möglich oder sinnvoll“ ist (LGU 9 f.). Hierbei hat sich das Landgericht zutreffend mit den vorprozessualen Gutachten beider Parteien auseinandergesetzt, die insoweit zu keiner Divergenz gelangt sind (LGU 10). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit umfassend auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, gegen die die Berufung inhaltlich nichts Substanzielles erinnert.

ee) Auch soweit die Beklagte meint, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Erstattung der Technologiefortschrittskosten nicht vorlägen, verfangen die Ausführungen aus der Berufungsschrift der Beklagten nicht.

aaa) Die betrifft zunächst die mit der Berufung erneut aufgeworfene Frage zur möglichen Wiederbeschaffung und zur fehlenden Reparaturmöglichkeit, die das Landgericht zutreffend abgearbeitet hat (LGU 9 f.). Die Beklagte hat mit ihrer Berufungsbegründung weder dargelegt, dass die zerstörte Maschine – entgegen der Annahme des Landgerichts – doch noch am Markt erhältlich ist, was im Übrigen von den vorgerichtlich tätigen Schiedsgutachtern beider Parteien verneint worden war und vom Landgericht zutreffend herangezogen wurde (LGU 9). Auch bezogen auf die vom Landgericht berechneten Reparaturkosten zeigt die Berufung nicht auf, dass diese Berechnungen zur Unwirtschaftlichkeit der Reparatur fehlerhaft sein sollten (vgl. hierzu Berufungsschrift S. 6 f.). Die pauschale Behauptung, das von der Klägerin eingeholte Angebot der Anlage K 5 Anlage 1 (GA I 148) zur Schadensreparatur über einen Betrag in Höhe von 688.748,49 € sei überhöht, wird auch in der Berufungsbegründung nicht substanziiert angegriffen. Der Einwand der Berufung, dass das Landgericht nicht dargelegt habe, weshalb eine Reparatur der beschädigten Maschine nicht „sinnvoll“ sei ist mit Blick auf die Ausführungen auf S. 9, 10 im angefochtenen Urteil, wonach diese sowohl den Zeitwert als auch bei isolierter Betrachtung die Technologiefortschrittskosten überstiegen, nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen der vorgerichtlich tätigen Schiedsgutachter sogar mit höheren Kosten zu rechnen gewesen wäre und das Risiko der Nichtbrauchbarkeit mangels Zulassung bestanden habe (LGU 10). Mit all diesen Argumenten befasst sich der pauschal gehaltene Berufungsvortrag der Beklagten (S. 8 der Berufungsschrift) nicht. Die grundsätzliche Reparaturmöglichkeit der beschädigten Maschine hat das Landgericht nicht in Abrede gestellt, weshalb die dahingehenden Ausführungen der Berufung ins Leere gehen (vgl. Berufungsschrift S. 7).

bbb) Ohne Erfolg verbleibt auch der Berufungsvortrag, wonach die klägerseits geltend gemachten Technologiefortschrittskosten aufgrund einer bloßen Miete einer vermeintlichen Ersatzmaschine nicht tatsächlich angefallen seien (Berufungsschrift S. 12 f.). Abgesehen davon, dass die von der Berufung angeführte Entscheidung des OLG Schleswig vom 13.09.2021 (vgl. Berufungsschrift S. 13) hierzu schon im Ansatz nicht passt, überzeugt auch die Argumentation der Beklagten inhaltlich nicht. Die in § 19 Ziff. 11 enthaltene Technologiefortschrittsklausel enthält keine Regelung zur Neuwertspitze beim Technologiefortschritt. Maßgeblich sind vielmehr die „tatsächlich entstandenen Mehrkosten“. Dass diese hier angefallen sind, hat das Landgericht überzeugend begründet (LGU 8). Dieser Anfall war auch im Sinne der Berufungsbegründung „real“. Die Klägerin hat hierzu erstinstanzlich die Anlage K 11 vorgelegt. Weder der Inhalt noch die Durchführung des Vertrages waren erstinstanzlich von der Beklagten substanziiert bestritten worden. Soweit die Beklagte dies nunmehr in der Berufungsbegründung (im Übrigen weiterhin unsubstanziiert) bestreitet, handelte es sich zudem um neuen streitigen Vortrag, für den ein Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 ZPO mit der gem. § 520 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Berufungsbegründung nicht vorgetragen worden ist. Dies betrifft auch den Vortrag zur Vergleichbarkeit der erworbenen Ersatzmaschine (Berufungsschrift S. 13). Der Umstand, dass es sich hierbei um einen „Mietkauf“ handelt, ändert an dem Umstand des realen Anfallens im Sinne von § 19 Ziff. 11 AVB nichts, denn die Klägerin ist – auch wenn die Abzahlung des Mietkaufpreises ratenweise erfolgt – mit dem tatsächlichen Anfall der Kosten belastet (so auch überzeugend LGU 8).

3. Soweit die Berufung die vom Landgericht zugesprochenen Zinsen angreift, ist der dahingehende Vortrag der Beklagten – wie mit den Parteien im Senatstermin am 19.04.2023 erörtert – bereits nicht nachvollziehbar (vgl. S. 13 der Berufungsschrift). Für den Senat ist nicht erkennbar und auch anhand des Beklagtenvortrags nicht nachvollziehbar, dass das vorprozessuale Schiedsgutachterverfahren nicht abgeschlossen sei.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie betrifft im Kern vielmehr die Auslegung der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbedingungen und somit einen Einzelfall. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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