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Wohngebäudeversicherung – Wasserschaden in Tiefgarage

LG Aachen – Az.: 9 O 426/20 – Urteil vom 01.07.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind über einen Wohngebäudeversicherungsvertrag unter der Versicherungsscheinnummer G X miteinander verbunden. Die Klägerin ist eine Hausverwaltung. Sie verwaltet für die Eigentümer die WEG-Anlage I-Straße 5b in B. Versicherungsnehmer ist dem Versicherungsschein zufolge die Klägerin für die WEG (Anlage K1, Bl. 33 d. A.). Versicherungsort ist die I-Straße 5b in B. Versichert sind unter anderem Schäden durch Feuer, Leitungswasser und Sturm. Eine Elementarschadendeckung ist zwischen den Parteien nicht vereinbart. Dem Vertrag liegen die Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Firmen Sachversicherung (VFS 2003) Teil A und C (Bl. 42 ff. d. A.; im Folgenden: VFS Teil A und C) zugrunde.

Die VFS sehen in Teil A u. a. folgendes vor:

„§ 15 Sachverständigenverfahren

1. Feststellung der Schadenhöhe

Der Versicherungsnehmer kann nach Eintritt des Versicherungsfalles verlangen. dass die Höhe des Schadens in einem Sachverständigenverfahren festgestellt wird. Ein solches Sachverständigenverfahren können Versicherer und Versicherungsnehmer auch gemeinsam vereinbaren.

2. Weitere Feststellungen

Das Sachverständigenverfahren kann durch Vereinbarung auf weitere Feststellungen zum Versicherungsfall ausgedehnt werden.

(…)

5. Verfahren nach Feststellung

Der Sachverständige übermittelt seine Feststellungen beiden Parteien gleichzeitig, weichen die Feststellungen der Sachverständigen voneinander ab, so übergibt der Versicherer sie unverzüglich dem Obmann. Dieser entscheidet über die streitig gebliebenen Punkte innerhalb der durch die Feststellungen der Sachverständigen gezogenen Grenzen und übermittelt seine Entscheidung beiden Parteien gleichzeitig.

Die Feststellungen der Sachverständigen oder des Obmannes sind für die Vertragsparteien verbindlich, wenn nicht nachgewiesen wird, dass sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen. Aufgrund dieser verbindlichen Feststellungen berechnet der Versicherer die Entschädigung.

Im Falle unverbindlicher Feststellungen erfolgen diese durch gerichtliche Entscheidung. Dies gilt auch, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern.

6. Kosten

Sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, trägt jede Partei die Kosten ihres Sachverständigen. Die Kosten des Obmannes tragen beide Parteien je zur Hälfte.

7. Obliegenheiten

Wohngebäudeversicherungsvertrag – Wasserschaden in Tiefgarage
(Symbolfoto: cunaplus/Shutterstock.com)

Durch das Sachverständigenverfahren werden die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers nicht berührt.“

Im Jahr 2008 kam es in dem Keller des streitgegenständlichen Gebäudes zu einem Wasserzutritt aus der Nachbartiefgarage. Zu dessen Folgen oder weiteren Vorfällen bis zum Jahr 2016 tragen die Parteien nicht vor.

Am 20.04.2016 informierten die Mieter O aus dem Untergeschoss rechts die Klägerin über aufsteigende Feuchtigkeit an den Wänden oberhalb der Fußleisten. Daraufhin wurde von der Klägerin die Firma S2 4 U, dort Herr P, aufgefordert, einen Ortstermin vorzunehmen und eine Schadensursache festzustellen. Herr P konnte bei dem Ortstermin am 22.04.2016 keine offensichtlichen Schadensursachen finden. Die Eigentümer, die Eheleute X2, beauftragten daher unter dem 11.05.2016 den Sachverständigen I mit der Schadenssuche. Am 19.05.2016 fand mit diesem ein Ortstermin statt.

Die Schadenursache konnte auch nach Prüfung der Rohrleitungen mittels Abdrücken der Fußbodenheizung und Kontrolle der Zählerstände, nämlich der Warm- und Kaltwasserzähler durch die Firma M und K2, nicht gefunden werden.

Zwischen dem 06.06.2016 und dem 07.06.2016 kam es aufgrund von Starkregen erneut zu einem Wassereinbruch in den Kellern. Aus der angrenzenden Tiefgarage lief Wasser in den Allgemein- und den Mieterkeller des Hauses I-Straße 5b. Das weitere Schadensbild, insbesondere ein Eindringen von Wasser in die Untergeschosswohnungen, ist zwischen den Parteien streitig.

Unter dem 15.06.2016 erstattete der Sachverständige I für die Klägerin ein Gutachten über den Schaden durch eindringendes Wasser aus der Tiefgarage (Anlagenkonvolut K3, Bl. 140 ff. d. A.). Danach soll es zweimal zu einer Überschwemmung der Tiefgarage gekommen sein. In Folge dessen sei Kapillarwasser an den Innenseiten der gemauerten Wände der Wohnungen hochgezogen und sichtbar geworden. An den Wänden sei leichte Feuchtigkeit feststellbar gewesen. Der Gutachter gelangt zu dem Schluss, dass wahrscheinlich die Pumpen im Schacht versagt hätten und so Wasser in die Tiefgarage habe fließen können.

Am 25.07.2016 teilte die Firma F, die mit der Trocknung des Gebäudes beauftragt war, mit, dass die Trocknung erfolglos aufgegeben werde, da sich immer weiter Wasser unter der Bodenplatte ansammle. Die Firma F nahm zudem im Juli/August bzw. November 2016 [Anmerkung: die Angaben variieren vgl. Bl. 12, 322, 363 d. A.] in den von der Feuchtigkeit betroffenen Wohnungen im UG thermografische Ortungen bzw. Leckageortungen im Bodenbereich vor, um so den Leitungsverlauf der Fußbodenheizung zu orten, damit u. a. auch die späteren Kernbohrungen zur Estrichtrocknung schadfrei gesetzt werden konnten. Eine Rohrleckage konnte hierbei jedoch nicht gefunden werden.

Im November 2016 wurde der Herr S3 als ehemaliger Bauleiter des Hauses damit beauftragt, die weiteren Arbeiten und die Suche nach der Schadensursache zu koordinieren. Ohne Abstimmung mit der Beklagten entfernte die Klägerin sodann den kompletten Estrich. Die Böden wurden von der Firma S2 4 U GmbH unter Erhalt der vorhandenen Rohrleitung nach und nach entfernt. Die Beteiligten waren zu diesem Zeitpunkt alle davon überzeugt, dass die Ursache des Schadens nicht in einem Rohrleitungsschaden begründet war, da der mit der Schadensursache beauftragte Bausachverständige I nicht den geringsten Hinweis auf einen solchen Rohrleitungsschaden hatte ausmachen können.

Streitig ist, ob beim Aufstemmen des Estrichs am 02.01.2017 in der rechten Wohnung Untergeschoss und am 03.01.2017 in der linken Wohnung Untergeschoss Undichtigkeiten an der Warmwasserzuleitung vor dem Warmwasserzähler festgestellt werden konnten. Die Klägerin informierte die Beklagte im Nachgang über einen Leitungswasserschaden, der mittlerweile jedoch durch die Firma M repariert sei. Der Beklagten wurde sodann ein Rohrstück mit erkennbarer Leckage übergeben.

In einem weiteren Gutachten vom 01.06.2017 (Anlagenkonvolut K 3, Bl. 189 ff. d. A.) beschreibt Herr I, dass in beiden betroffenen Wohnungen der vorhandene Estrich entfernt und geplatzte Warmwasserrohre gefunden worden seien. In der Wohnung S. sei das Rohr am Fallschacht geplatzt, sodass das Wasser durch die Haustechnik nach unten auf die Bodenplatte geflossen sei und sich von dort aus unterhalb des Estrichs verteilt habe. Am 04.07.2017 wurde in einem Ortstermin mit Herrn I festgestellt, dass die Untergeschosswohnungen sowie die neu verputzten Bereiche weitgehend abgetrocknet waren.

Die Beklagte forderte die Klägerin am 19.01.2017 zunächst zur Einreichung von Unterlagen zur Ursachenermittlung sowie zum Nachweis eines Rohrbruchs auf (Anlage BLD1, Bl. 310 d.A.). Das Schreiben wurde seitens der Klägerin nicht beantwortet. Mit Schreiben vom 21.03.2017 (Anlage BLD3, Bl. 317 ff. d. A.) forderte die Beklagte die Klägerin dazu auf, den Bericht einer Leckortungsfirma einzureichen oder mitzuteilen, wer die Leckage festgestellt habe und weshalb der Bodenbelag komplett entfernt wurde ohne Rücksprache mit der Beklagten zu halten.

Die Beklagte zahlte im Juli 2017 an die Firma F aufgrund einer Abtretung seitens der Klägerin auf die Rechnung vom 18.05.2017 (Anlagenkonvolut K 3, Bl. 175 f. d. A.) den Betrag in Höhe von 4.979,92 EUR.

Unter dem 25.07.2017 erfolgte seitens des Sachverständigen G eine gutachterliche Stellungnahme für die Beklagte (Anlage BLD5, Bl. 320 ff. d. A.). Der Sachverständige bezweifelt das Vorliegen eines Leitungswasserschadens. Die klaffende Öffnung im vorliegenden Rohrstück bedeute, dass es zu einem vergleichsweise heftigen Rohrbruch gekommen sein müsse, der im Zuge selbst einer einfachen technischen Ortung problemfrei gefunden worden wäre. Aus Sachverständigensicht erscheine es extrem zweifelhaft, dass eine rund 9,5 cm lange Rissbildung mit klaffender Öffnung im Untergeschoss nicht lokalisierbar gewesen sein soll. Auch die Firma F habe im Juli/August bzw. November 2016 thermografische Ortungen im Bodenbereich vorgenommen, um so den Leitungsverlauf der Fußbodenheizung zu orten, damit die Kernbohrungen zur Estrichtrocknung schadfrei gesetzt werden konnten. Auch hierbei sei die vermeintlich klaffende Öffnung im Rohrverlauf nicht geortet worden. Er gehe folglich davon aus, dass ein Folge-Schaden aus dem Überschwemmungsereignis aus Juni 2016 vorliege. Mit Abschluss der Gebäudetrocknung seien die Feuchtewerte wieder angestiegen. Hierdurch sei der Nachweis erbracht worden, dass vorliegend Erdfeuchte in das Gebäude eindringe. Dies sei den anwesenden Parteien im Zuge der Ortsbesichtigung am 04.07.2017 mitgeteilt worden. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 29.08.2017 eine Schadensregulierung ab (Anlage BLD6, Bl. 333 d. A.).

Die Klägerin beantragte sodann die Durchführung des gemeinsamen Sachverständigenverfahrens. Die Klägerin benannte für sich den Sachverständigen I, die Beklagte den Sachverständigen G und in Abstimmung mit der Klägerin erfolgte unter dem 12.12.2017 die Benennung des Sachverständigen Q3 als Obmann. Der Auftrag für die Sachverständigen umfasste auch die Schadenursachenprüfung (Anlage BLD7, Bl. 334 mittig d. A.).

Im Gutachten vom 23.07.2018 (Anlagenkonvolut K3, Bl. 145 ff. d. A.) gelangt der Sachverständige I in Abweichung zu seinen Vorgutachten 2016 ohne weitere Ausführungen zu dem Ergebnis, dass die Feuchtigkeit in Wänden und Estrich vordergründig durch die Rohrbrüche verursacht worden sei. Es sei – ohne dass der Sachverständige hierbei zugegen war – in beiden Wohnungen ein gebrochenes Warmwasserrohr vorgefunden worden. Der Starkregen am 07.06.2016, mit eindringendem Wasser durch die Tiefgarage in den Keller und in die Wohnungen, habe den Wasserschaden verstärkt. Die eigentliche Ursache seien allerdings die defekten Warmwasserrohre gewesen. Das Starkregenereignis habe die Trocknungsphase verlängert. Der Gutachter G erstattete sein Gutachten unter dem 14.08.2018 (Anlagenkonvolut K3, Bl. 149 ff. d. A.) und wiederholte dort die Feststellungen, die er schon im Rahmen der gutachterlichen Stellungnahme vom 25.07.2017 getätigt hatte und riet, die Sache dem Obmann zu übergeben. U. a. heißt es in dem Gutachten wörtlich (Bl. 156 d. A).:

„Gleichwohl lässt die klaffende Öffnung im vorliegenden Rohrstück erkennen, dass es dort zu einem vergleichsweise heftigen Rohrbruch gekommen sein muss, der im Zuge selbst einer einfachen technischen Ortung problemfrei gefunden worden wäre.

So hatte die Firma F während eines laufenden Parallel-Schadens im OG eine rund 3,5 cm lange Rissbildung im Rohrverlauf im Bodenaufbau problemfrei punktgenau orten können.

Dahingegen erscheint es aus Sachverständigensicht extrem zweifelhaft, dass eine rund 9,5 cm lange Rissbildung mit klaffender Öffnung im UG nicht lokalisierbar gewesen sein soll.“ Entsprechende Bilder der Rohrstücke waren dem Gutachten beigefügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 14.08.2018 Bezug genommen.

Am 14.01.2019 fand ein Ortstermin statt, an dem der Gutachter G, der Gutachter I sowie der Gutachter Q3 teilnahmen. Die Wohnungen im UG wurden nicht besichtigt. Der Gutachter Q3 legt in seinem Gutachten dar, dass nach Angabe des Gutachter I sämtliche Instandsetzungsarbeiten ausgeführt und eine Besichtigung daher ohnehin entbehrlich sei. Der Gutachter Q3 gelangte in seinem Obmann-Gutachten vom 18.02.2019 (Anlage BLD11, Bl. 359 ff. d. A.) zu dem Ergebnis, dass Ursache für die umfangreichen Feuchtigkeitsschäden die niederschlagsbedingten Flutungen des gesamten Kellergeschosses gewesen seien und daher kein bedingungsgemäßer Leitungswasserschaden vorliege. Durch die Feuchtigkeitsmessungen des Gutachters I sei dokumentiert, dass der gesamte Estrich im Erdgeschoss fast bis zum Sättigungsgrad durchfeuchtet gewesen sei. Ein Nachweis über zwei im Nachhinein nach Demontage des Estrichs festgestellten Rohrbrüche lasse sich nicht verifizieren. Insbesondere sei eine Besichtigung der Schadstelle weder von Herrn G, noch von Herrn I durchgeführt worden. Es sei auszuschließen, dass bei einer Ortungsmaßnahme eine ca. 9 cm lange Rissbildung in der Leitung der Fußbodenheizung mit entsprechendem Wassereintritt nicht festgestellt worden wäre. Sachverständigenseits werde die Wahrscheinlichkeit höher eingeschätzt, dass beim Entfernen des Estrichs und der hierbei entstehenden, massiven Stemmeinwirkung die Leitungsführung beschädigt worden sei (vgl. Bl. 363 d. A.). Die festgestellten Leckagen seien unerheblich, da bereits durch die Überflutungen des Kellers umfangreichste Sanierungsmaßnahmen erforderlich geworden seien. Für unwahrscheinlich erachte er, dass Feuchtigkeit durch die erdberührenden Bauteile eindringe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.04.2019 (Anlage BLD12, Bl. 367 ff. d. A.) wandte sich die Klägerin an den Sachverständigen Q3 und forderte ihn auf, sein Gutachten zu überarbeiten, da es aus ihrer Sicht sachlich unvollständig sei und unrichtige Fakten enthalte.

Im Juli 2019 beauftragte die Klägerin sodann die Firma U + Q2 Q4 mit der Überprüfung des Obmann-Gutachtens. In diesem Rahmen wurde im Februar 2020 zusätzlich das Prüfbüro M2 zur Untersuchung der defekten Rohrstücke miteinbezogen. Dem Untersuchungsbericht des Prüfbüros M2 vom 26.02.2020 (Anlage K5, Bl. 212 ff. d. A.) ist zu entnehmen, dass drei Abschnitte von Aluminiumverbundrohrleitungen überprüft worden seien. Durch die Laboruntersuchung sollte geklärt werden, ob ein Materialfehler oder ein Installationsfehler Ursache für den Wasserschaden sei. Zusammenfassend wird festgestellt, dass die untersuchten Rohre über einen längeren Zeitraum mit zu hoher Temperatur des Mediums belastet worden seien. An einer Stelle sei zusätzlich die Herstellung einer Rohrverbindung fehlerhaft ausgeführt worden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 09.03.2020 (Anlage K6, Bl. 222f) legt Herr M2 dar, dass eine äußere Krafteinwirkung beim Ausbau des Estrichs und der Rohre als Ursache, wie es in dem Obmann-Gutachten heißt, nicht vorliege. Er stützt sich darauf, dass die Rohre durch den Innendruck aufgeweitet und ausgebeult sowie die Aluminiumverbundrohre voneinander gelöst seien. Die PE-Innenrohre würden Ausbeulungen nach innen aufweisen, obwohl die äußere Mantellage an dieser Stelle keine Ausbeulungen zeige.

Herr K, beschäftigt bei der Firma U + Partner, nahm unter dem 08.06.2020 schriftlich Stellung zu dem in Streit stehenden Leitungswasserschaden (Bl. 618 ff. d. A.). Herr K stellte zusammenfassend dar, dass durch die Laboruntersuchungen des Prüfbüros M2 plausibel nachgewiesen sei, dass die Rohrstücke schon vor dem Ausbau schadhaft gewesen seien. Die Schlussfolgerungen des Obmann-Gutachtens seien aus technischer Sicht nicht haltbar, da ein Zusammenhang zwischen der Leckage und den Abbrucharbeiten widerlegt sei.

Die Klägerin macht Ansprüche in folgendem Umfang geltend (Klageantrag zu 1):

Sanierungskosten 147.856,54 EUR

Mietausfallschaden 59.052,60 EUR

Kosten Obmann 883,34 EUR

Kosten Gutachter K 4.939,98 EUR

Kosten Labor M2 1.351,84 EUR

_____________________________________________

Gesamt 214.084,30 EUR

Die Klägerin behauptet, nach Entfernen des Estrichs sei durch die Firma S2 4 U festgestellt worden, dass die Ursache für den Schaden ausschließlich in einer Lochbildung in einer Warmwasserzuleitung, verortet vor dem Wasserzähler der Wohnungen gelegen habe. Diese Position habe dazu geführt, dass keine Veränderung der Zählerstände zu verzeichnen gewesen sei. Zudem seien die Leitungen durch die Dämmplatten, die Systemplatte der Fußbodenheizung, den Estrich und den Granitboden bedeckt und die anfangs minimalen Wasserverluste so nicht lokalisierbar gewesen. Schließlich hätte ein Schaden aus einem einmaligen Wassereintritt von außen bei professioneller Trocknung nach 14 Tagen trocken sein müssen und keinen Schaden hinterlassen, denn Wasser könne nur bei ständiger Feuchtigkeitsquelle nach oben aufsteigen. Das Obmann-Gutachten sei von groben Mängeln geprägt, die das Sachverständigenbüro U und Partner dargestellt habe. Der Obmann übernehme falsche Ausführungen des Sachverständigen der Beklagten. Insbesondere sei die Aufplatzung zwar oberflächlich 9,5 cm M2, die Lochbildung ersichtlich aber klein. Schließlich sei eine mechanische Beschädigung bei dem Ausbau des Estrichs dem Sachverständigenbüro U und Partner zufolge ausgeschlossen worden. Herr S3 und der Eigentümer X2 hätten Herrn K2 und dem Gutachter G ausnahmslos für Auskünfte und Ortstermin zur Verfügung gestanden. Insofern habe es unter anderem hinsichtlich der Instandsetzungen eine enge Abstimmung gegeben. Der Beklagten sei die Schadenanfälligkeit der Warmwasserzuleitungen des Hauses bekannt. Eine unmittelbare Information der Beklagten nach dem Wasserzutritt im Juni 2016 sei nicht erfolgt, da der Versicherungsmakler die Meldung mangels Elementarschadenversicherung für entbehrlich gehalten habe. Zur Sicherung der Warmwasserverfügbarkeit sei es erforderlich gewesen, die Rohre umgehend auszutauschen. Hinsichtlich der Anspruchshöhe behauptet die Klägerin, die Kosten für die Sanierung seien zur Beseitigung des Schadens notwendig gewesen. Der Mietausfallschaden beruhe auf diversen Mietminderungen.

Des Weiteren behauptet sie im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.05.2021, dass der Sachverständige I ausdrücklich angeboten habe, weitere – nicht weiter konkretisierte – Unterlagen, die von ihm vor dem Ortstermin zusammengestellt worden seien, dem Obmann Q zu übergeben, damit er sie bei seiner Begutachtung berücksichtigen könne, was dieser jedoch zurückgewiesen habe. Außerdem habe der Sachverständige I in diesem Termin den Sachverständigen Paulsen darauf hingewiesen, dass nicht ein 9 cm langer Riss oder eine 9 cm große Aufplatzung in dem beschädigten Rohr vorliege, sondern es sich um eine so dünne und kleine Öffnung innerhalb dieser Stelle handele, dass eben nur in minimalstem Umfang Wasser im Laufe der Zeit ausgetreten sei.

Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, sie sei aktivlegitimiert. Eine Verwertung des Obmann-Gutachtens sei aufgrund der Mängel ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin 214.084,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.08.2017 zu zahlen;

2. an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltsgebühren zu zahlen in Höhe von 3.323,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe in Kenntnis des Wassereindringens von außen den Rückbau des Estrichs statt einer Leckageortung vorgenommen. Der Schaden sei nicht unverzüglich gemeldet und der massive Wassereinbruch 2016 verschwiegen worden. Die Rohre seien schließlich ohne Hinzuziehung der Beklagten ausgetauscht worden. Die Schadenspositionen der Klägerin seien allgemeine Sanierungsmaßnahmen.

Sie ist der Ansicht, das Obmann-Gutachten sei bindend, insbesondere fehle es an einer Ausnahme gemäß § 84 VVG. Der Vortrag der Klägerin sei insofern nicht zu berücksichtigen, da maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Abschluss der Feststellungen im Rahmen des Sachverständigenverfahrens gewesen sei. Die Beklagte ist der Ansicht, der Vortrag zur Anspruchshöhe sei nicht ausreichend. Die Klägerin würde darüber hinaus Entschädigungsgrenzen und die mangelnde Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nicht berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit den Versicherungsbedingungen zu.

a)

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne des § 44 VVG. Gemäß dem Versicherungsschein ist Versicherungsnehmer die Klägerin für die WEG I-Straße 5b. Die Versicherung für fremde Rechnung ist eine Abwandlung des Vertrages zugunsten Dritter. Inhaber der Ansprüche ist der Versicherte (§ 44 Abs. 1 VVG), Vertragspartner des Versicherers und verfügungsberechtigt über die Forderung ist allerdings nur der Versicherungsnehmer. Abgesehen von seiner Stellung als Gläubiger hat der Versicherte, soweit nichts anderes bestimmt ist, nicht die Rechte eines Vertragspartners. Der Versicherte kann grundsätzlich nicht über seine Ansprüche verfügen oder sie gerichtlich geltend machen (vgl. Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021 Rn. 1, VVG § 44 Rn. 1, 2 und 7).

b)

Im Ergebnis liegt allerdings kein Versicherungsfall vor. Der Obmann Q3 hat in seinem Gutachten vom 18.02.2019 festgestellt, dass Schadensursache die niederschlagsbedingten Flutungen des gesamten Kellergeschosses waren. Diese sind mangels Elementarschadenversicherung nicht vom streitgegenständlichen Versicherungsschutz umfasst.

Die im Sachverständigenverfahren getroffenen Feststellungen sind nach § 15 Nr. 5 VFS Teil A, § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG verbindlich. Die Klägerin muss sich wegen des Schadens am Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Obmanns festhalten lassen. Durch das Gutachten tritt Bindungswirkung in dem Umfang ein, in welchem die Parteien die Feststellung durch Sachverständige vereinbart haben. Die Parteien sind grundsätzlich an das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens gebunden. Diese Bindung kann nur durch den Nachweis einer erheblichen und offenbaren Unrichtigkeit im Rahmen eines Rechtsstreits aufgehoben werden.

Es ist der Klägerin nicht gelungen darzulegen, dass die vom Obmann festgestellte Schadensursache offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Daran sind strenge Anforderungen zu stellen, weil sonst der von den Parteien verfolgte Zweck in Frage gestellt würde, den Schaden möglichst rasch und kostengünstig zu regulieren (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2014 – IV ZR 281/14, juris Rn. 18) und Streit zu vermeiden. Schon deshalb ist bei den Kriterien, die diese befriedende Funktion entfallen lassen, Zurückhaltung geboten. Erforderlich ist eine erhebliche Abweichung, die auch als solche offenbar sein muss. Der Begriff der offenbaren Unrichtigkeit, darf zwar nicht auf seinen engen Wortsinn beschränkt werden. Führen schon in dem Gutachten ausdrücklich niedergelegte Erwägungen, die von einem Fachmann auf den ersten Blick als unrichtig erkannt werden, zu der Feststellung, dass das Gutachten unverbindlich ist, so liegt offenbare Unrichtigkeit vor. Maßgebend ist dabei der Kenntnisstand der Sachverständigen zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens. Ist der Sachverhalt unvollständig, weil eine Vertragspartei ihren Mitwirkungspflichten schuldhaft nicht nachgekommen ist, kommt eine Aufhebung aus diesem Grund nicht in Betracht. . Es ist von dem Sach- und Streitstand auszugehen, den die Parteien dem „Schiedsgutachter“ zur Beurteilung unterbreitet haben. Die Abweichung muss sich auf das Gesamtergebnis, nicht auf die Bewertung von Einzelpositionen beziehen. Neuer Sachvortrag, der nach der Abgabe des Sachverständigengutachtens z.B. während des Rechtsstreits vorgebracht worden ist, ist dagegen nicht zu berücksichtigen, da es für die Entscheidung über die Frage, ob das Gutachten offenbar unrichtig ist, nur darauf ankommen kann, ob den Gutachter bei der Beurteilung des ihm vorgelegten Materials offenbare Fehler unterlaufen sind. Neuer Sachvortrag bietet mithin keine Grundlage für die Prüfung der Fehlerhaftigkeit (vgl. BGH aaO, Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage, § 84 Rn. 23 ff. mwN; Langheid/Wandt/Halbach, 2. Aufl. 2016, VVG § 84 Rn. 24).

Teilweise werden auch Verfahrensmängel als geeignet angesehen, um die Bindungswirkung entfallen zu lassen. Ein Gutachten, das für einen Fachmann nicht nachvollziehbar ist, das Mängel im Bewertungsverfahren enthält oder dessen Begründungen fehlerhaft sind, ist nicht bindend. Ein unvollständiger Sachverhalt wird als Verfahrensmangel, der die Bindung aufhebt, anerkannt, es sei denn, die rügende Person hat ihre Mitwirkungspflichten verletzt (Prölss/Martin/Voit, 31. Aufl. 2021, VVG § 84 Rn. 25 ff.).

Gemessen an diesen Voraussetzungen fehlt ausreichender Vortrag der Klägerin, ein Entfallen der Bindungswirkung der Feststellungen des Sachverständigen Q3 anzunehmen.

Die Parteien haben in § 15 Nr. 1 und 2 VFS bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe vereinbart, dass – wie hier – auf Verlangen des Versicherungsnehmers oder aufgrund Einigung der Parteien das Sachverständigenverfahren durchgeführt wird. Durch Vereinbarung vom 22.01.2018 (Bl. 334 d. A.) haben die Parteien den Auftrag für die Sachverständigen ausdrücklich gemäß § 15 Nr. 2 VFS um die Schadenursachenprüfung erweitert. Unstreitig ist das Sachverständigenverfahren entsprechend den Vorgaben in § 15 VFS ordnungsgemäß durchgeführt worden. Nachdem die von den Parteien jeweils benannten Sachverständigen ihre Gutachten erstattet hatten und sich nicht einigen konnten, war der zuvor als Obmann bestimmte Dipl.-Ing. Q3 berufen, abschließende Feststellungen zu treffen.

Das Obmann-Gutachten ist hinsichtlich seines verfahrensmäßigen Zustandekommens nicht zu beanstanden. Mangels gegenteiligen Vortrags sind die wechselseitigen Sachverständigengutachten den Parteien auch zugänglich gemacht worden – so explizit das Gutachten des Sachverständigen I gegenüber der Beklagten (vgl. auch Anlage BLD1, Bl. 335 d. A.).

Der Obmann hat zudem zutreffend auf den Sach- und Streitstand, den die Parteien den Gutachtern – bis zur Zeit der Gutachtenerstellung – unterbreitet haben, abgestellt und auf dieser Grundlage eine abschließende Entscheidung getroffen. Die Untersuchungen, die die Klägerin im Nachgang an das Obmann-Gutachten eingeleitet hat, konnten daher, soweit sie zu neuen Erkenntnissen führten, keine Berücksichtigung mehr finden.

Der Einwand der Klägerin, der Obmann gehe von offensichtlichen Fehlannahmen aus, genügt den genannten hohen Anforderungen nicht. Der Obmann hat sein Gutachten, entsprechend den Regeln des Sachverständigenverfahrens, auf Grundlage der Gutachten I und G erstellt.

Der Sachverständige G, den die Beklagte für das Sachverständigenverfahren auf ihrer Seite benannt hat, führte in seinem Gutachten zu dem betroffenen Rohrstück aus, dass es bei Sichtung der klaffenden Öffnung von rund 9,5 cm in dem vom Versicherungsnehmer überreichten Rohrstück einen vergleichsweise heftigen Rohrbruch im Untergeschoss gegeben haben müsse. Eine rund 3,5 cm lange – ausweislich der dem Gutachten beigefügten Lichtbilder – optisch vergleichbare Rissbildung sei im Obergeschoss bei einem Parallelschaden problemfrei geortet worden. Dem Gutachten beigefügte Lichtbilder zeigen sowohl das Rohr mit einer 3,5 cm Rissbildung als auch das mit einer 9,5 cm Rissbildung.

Der Gutachter I kam entgegen seiner zwei vorherigen für die Klägerin erstatteten Gutachten in dem im Rahmen des Sachverständigenverfahrens unter dem 23.07.2018 verfassten, lediglich vier Seiten umfassenden Gutachten ohne weitere Feststellungen und Begründung zu dem Ergebnis, dass Rohrbrüche für die Feuchtigkeit in den Wänden und dem Estrich ursächlich seien. Diese seien nach Entfernung des Estrichs vorgefunden worden. Angaben über die Größe der festgestellten Leckagen enthielt das Gutachten ebenso wenig wie Angaben zu dem übrigen Zustand der Rohre.

Dass der Obmann schlussendlich zu einem ähnlichen Ergebnis kommt wie einer der Vorgutachter – hier wie der Gutachter G -, kann für sich betrachtet keinen Fehler darstellen und liegt in der Natur der Sache. Gerade der Streit über die abweichenden Feststellungen der Gutachter G und I sollte geklärt werden. Deshalb ist der tatsächliche Kenntnisstand der Sachverständigen zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens maßgeblich. Zu jenem Zeitpunkt hat der Obmann Feststellungen getroffen, die sachlich nachvollziehbar sind. Die getroffenen Feststellungen sind detailliert begründet. Insbesondere der Vergleich der beiden Rohrstücke zeigt bei Gegenüberstellung der 3,5 cm und der 9,5 cm großen „Aufplatzungen“ eine deutlich stärkere Beschädigung des streitgegenständlichen Rohrstücks (vgl. Bl. 355 d. A.). Der Rückschluss, dass eine derartige Beschädigung bei der vorhergehenden Leckageortung – wo doch auch die kleinere Beschädigung aufgefunden worden ist – hätte entdeckt werden müssen, ist nachvollziehbar. Der Obmann hat die Feststellungen der Gutachten – mögen die des Gutachter I auch äußerst knapp bemessen gewesen sein – auf ihre Plausibilität vor dem Hintergrund des mitgeteilten Schadenhergangs geprüft. Insofern legt er in seinem Gutachten auch nachvollziehbar dar, dass ein zusätzliches Eindringen von Erdfeuchte – wie es der Sachverständige G angenommen hatte – unwahrscheinlich sei. Die eigentliche Schadenstelle konnte von keinem der Gutachter eingesehen werden, da der Schaden bereits ohne Unterrichtung oder Hinzuziehung der Beklagten oder Gutachtern beseitigt und die – so die Behauptung der Klägerin – schadhaften Rohrleitungsstücke ausgetauscht worden sind. Feststellungen zu dem streitgegenständlichen Rohrstück enthielt nur das Gutachten G. Im Übrigen erhielt der Obmann die dem Gutachten G beigefügten Lichtbilder. Der Obmann musste folglich nicht davon aus gehen, dass der Zustand des Rohres zwischen den Parteien streitig ist, sondern durfte seine Bewertung allein anhand der Sichtung der Lichtbilder und dem Vortrag der Parteien diesbezüglich vornehmen. Er war daher insbesondere nicht gehalten, das Rohrstück einer – wie nachträglich durch die Klägerin mittels Rasterelektronenmikroskopie veranlasst (Anlagenkonvolut 3, Bl. 212 ff. d. A.) – detaillierten Prüfung zu unterziehen. Dazu gab es zu diesem Zeitpunkt keinen Anlass.

Im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Kenntnisstands des Sachverständigen ist es unerheblich, dass die Klägerin dem Obmann, der sein Gutachten unter dem 18.02.2019 erstattete, mit Schreiben vom 17.04.2019 (Anl. BLD12) diverse (vermeintliche) Fehlannahmen vorhielt. Die Klägerin – das trägt sie selber vor – hat sich durch die Feststellungen des Gutachters I zur Schadensursache betont kurz gefasst und muss anhand der Gutachtenerstattung des Herrn G festgestellt haben, dass dieser Details benennt – insbesondere zu dem Rohrstück – , die in ihrem Gutachten keinen Anklang finden. Insofern ist sie jedenfalls schuldhaft ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, indem sie diese im Vorfeld der Begutachtung des Obmanns unangegriffen ließ. Gleiches gilt für die erst im Rahmen der Klage und Replik vorgelegten weiteren Gutachten, deren Feststellung es ist, dass eine mechanische Beschädigung bei dem Ausbau des Rohres ausgeschlossen sei. Die Klägerin verkennt dabei, dass das Sachverständigenverfahren an Bedeutung verlieren würde, sofern es durch nachträglich abweichende Feststellungen und neuen Tatsachenvortrag, die dem Obmann nicht vorlagen und die von den Gutachtern bis zur Zeit der Gutachtenerstellung nicht unterschiedlich bewertet wurden, erschüttert werden könnte.

Schließlich vermag die Kammer auch keine Mängel im Bewertungsverfahren oder fehlerhafte Begründungen innerhalb des Obmann-Gutachtens zu erkennen.

c)

Soweit die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.05.2021 (Bl. 643 ff. d. A.) erstmals vorträgt, dass der Gutachter I dem Obmann im gemeinsamen Ortstermin, an dem auch der Gutachter G teilgenommen hatte, ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der Riss nicht 9 cm groß, sondern nur eine „dünne und kleine Öffnung“ vorhanden gewesen sei, ist dieses Vorbringen verspätet im Sinne von § 296 Abs. 1 ZPO. Die Ausführungen zu der abweichenden Rissgröße und den übrigen Beschädigungen des Rohres sind nach den bisherigen Ausführungen der Beklagten im Nachgang des Obmanngutachtens vorgebrachte, damit neue und nicht zu berücksichtigende Tatsachen und Erkenntnisse. Damit bestreitet sie gleichsam, dass in dem gemeinsamen Ortstermin ein Hinweis an den Obmann hinsichtlich einer vermeintlich kleineren Lochbildung erfolgte. Insofern handelt es sich bei dem nachträglichen Vortrag der Klägerin um streitiges erhebliches Vorbringen. Denn der Obmann hätte – unterstellt der Hinweis sei erfolgt – eine im gutachterlichen Streit stehende Tatsachenfeststellung eines der Sachverständigen, konkret die Rissgröße von etwa 9 cm, jedenfalls nicht ohne weitere Erläuterungen seinem Gutachten zugrunde legen dürfen. In diesem Fall hätte er sich durchaus mit dem divergierenden Vortrag der Parteien auseinanderzusetzen gehabt. Da – ungeachtet eines ordnungsgemäßen Beweisangebots für diese Tatsache – vor diesem Hintergrund weitere Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf eine durchzuführende Beweisaufnahme, notwendig geworden wären, läge eine Verfahrensverzögerung vor. Gründe, weshalb der Vortrag erst nunmehr erfolgt, sind weder dargetan noch ersichtlich. Auf die entsprechenden Ausführungen der Kammer im Termin vom 26.05.2021 wurde ebenso wenig hierzu vorgetragen oder eine Schriftsatzfrist beantragt.

d)

Der Vortrag gebietet auch nicht, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, § 156 ZPO. Dem Vorbringen zu vermeintlichen Unterlagen, die der Gutachter I dem Obmann habe im Ortstermin übergeben wollen, mangelt es an einer hinreichenden Substantiierung. Die Klägerin hat weder dargelegt, welche Unterlagen dem Obmann hätten übergeben werden sollen, noch, welchen Inhalt diese gehabt hätten. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.05.2021 erstmals behauptet, dass explizit am Ortstermin über den Riss gesprochen worden sei, ist der Vortrag zudem widersprüchlich und ohne Beweisangebot. Dieser Gesprächsinhalt wurde in sämtlicher vorhergehender Korrespondenz sowie im hiesigen Verfahren – bis zum Schriftsatz vom 26.05.2021 – nicht erwähnt. Die Klägerin verhielt sich stattdessen über nunmehr 2 Jahre lediglich zu Erkenntnissen aus den nachträglich eingeholten Gutachten bzw. zu einer (nachträglich monierten) ungeprüften Übernahme der Feststellungen des Sachverständigen G. Auch im vorgerichtlichen Schreiben an den Obmann vom 17.04.2019 (BLD12, Bl. 367) wurden seitens der Klägerin lediglich fehlerhafte Annahmen aufgezählt, die diese dem bereits fertiggestellten und übersandten Obmann-Gutachten entnimmt. Es hätte jedoch seiner Zeit – sowie auch später – nichts näher gelegen, als auszuführen, dass der Obmann bereits im Vorfeld über seine vermeintlich unzutreffende Annahme explizit informiert worden wäre und sich dennoch im Gutachten dazu nicht verhalten habe. Auch in der Klageschrift (dort S. 11 = Bl. 17 d. A.) oder im Schriftsatz vom 11.05.2021 (dort S. 21 ff. = Bl. 512 ff. d. A.) fehlen entsprechende dahingehende Ausführungen im Zusammenhang mit der Darstellung des Sachverständigenverfahrens.

Dessen abschließendem Gutachten lagen im Übrigen die Lichtbilder beider Risse/Aufplatzungen zugrunde (3,5 cm und 9,5 cm). Deren Vergleich stellt unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen G einen wesentlichen Aspekt seiner Schlussfolgerung dar. Schließlich wurde von Klägerseite auch kein Gutachten vorgelegt, welches explizit sagt, dass das Rohr die streitgegenständliche Schadensursache sein muss. Auch das nachträglich durch den Herrn K eingeholte Gutachten gelangt lediglich zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen den Leckagen sowie den Abbrucharbeiten nicht gegeben sei. Durch das Labor M2 sei festgestellt worden, dass die übergebenen Rohrstücke von innen heraus aufgrund zu hoher Wassertemperatur geschädigt worden seien. Die Schlussfolgerung, dass eine derartige (auf den Lichtbildern zu erkennende) Rohrbeschädigung – im Vergleich zu der seiner Zeit erfolgreich georteten kleineren 3,5 cm-Beschädigung im OG ebenfalls – hätte erkannt werden müssen, wird insoweit von keinem der weiteren Gutachter angegriffen oder auch nur in Zweifel gezogen. Dass eine mechanische Beschädigung des Rohres erfolgt sei, ist nicht die entscheidende Feststellung des Obmann-Gutachtens. Vielmehr ist nach den Ausführungen des Obmanns entscheidend, dass die konkrete Beschädigung bei einer Leckageortung hätte entdeckt werden müssen und die Ursache für die konkreten Feuchtigkeitsschäden demgemäß die niederschlagsbedingten Flutungen seien. Diese Feststellung ist ohnehin nicht dadurch widerlegt, dass das übergebene Rohrstück – wobei bestritten ist, dass dies aus der streitgegenständlichen Immobilie stammt – möglicherweise beschädigt war.

Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 15 FVS Teil A, § 84 VVG, welche ein Entfallen der Bindungswirkung des Obmanngutachtens rechtfertigen würden, nicht dargelegt.

2. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

3. Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

4. Da ein Anspruch in der Hauptsache nicht besteht, hat die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 214.084,30 EUR

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