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Krankenversicherungsvertrag – Kosten für physiotherapeutische Maßnahme

AG Coburg – Az.: 12 C 207/14 – Urteil vom 11.06.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Verfahren wird auf 237,– € festgesetzt.

Tatbestand

Krankenversicherungsvertrag - Kosten für physiotherapeutische Maßnahme
Symbolfoto: Von Africa Studio/Shutterstock.com

Mit der Klage begehrt der Kläger Zahlung aus zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag.

Der Kläger schloss mit der Beklagten unter der Versicherungsnummer … einen Krankenversicherungsvertrag. Dem Krankenversicherungsvertrag liegt der Tarif 2035 zugrunde.

Aufgrund eines degenerativen LWS-Syndroms und einer Implantation an der rechten Hüfte wurde dem Kläger am 10.10.2013 medizinisch notwendige manuelle Therapiebehandlung und medizinisch notwendige KG-Behandlung verordnet. Der Kläger nahm die Behandlung im Zeitraum zwischen dem 23.10.2013 und 17.12.2013 wahr. Die Behandlung erfolgte durch den staatlich geprüften Masseur und medizinischen Bademeister, Physiotherapeut und Lymphtherapeut Herrn …. Mit Rechnungsnummer … vom 11.12.2013 rechnete der Masseur die Krankengymnastik und Lymphdrainage zu einem Rechnungsbetrag in Höhe von 469,80 € ab. Die Beklagte rechnete die zu erstattende Leistung mit Abrechnungsschreiben vom 17.12.2013 ab.

Von den abgerechneten Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 469,80 € wurden 232,80 € erstattet. Der Differenzbetrag in Höhe von 237,– € wird mit der vorliegenden Klage weiterverfolgt.

Die Parteien haben folgende vertragliche Vereinbarung getroffen:

„2.1 Ambulante Heilbehandlung

Physikalisch-medizinische Leistungen (Heilmittel)

– 100 % wie ärztliche Leistungen (siehe Nr. 3 d)

…“

„3. Erstattungsfähige Leistungen

….

d) physikalisch medizinische Leistungen (Heilmittel)

als physikalisch-medizinisch Leistung gelten Inhalationen, Krankengymnastik und Übungsbehandlungen, Massagen, Hydrotherapie und Packungen, Wärmebehandlung, Elektrotherapie, Lichttherapie sowie medizinische Bäder, wenn sie von einem Arzt oder von Angehörigen staatlich anerkannte medizinischer Assistenzberufe erbracht werden.

Bei Leistung von Angehörigen medizinischer Assistenzberufe wird die GOÄ für die Kostenerstattung entsprechend zugrunde gelegt.“ …..

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte unrechtmäßig eine Kürzung der Rechnung vorgenommen habe. Die Regelung Nr. 2.1 in Verbindung mit Nr. 3 d) der Tarifbedingungen bei der Beklagten verstoße gegen § 307 BGB und sei unwirksam. Physikalisch-medizinische Leistungen werden von Angehörigen staatlich anerkannter medizinischer Assistenzberufe erbracht. Die für die Erstattung der vorliegenden Tarifbedingung zugrunde gelegten Ziffern der GOÄ seien hingegen offenkundig für die Erbringung der physikalisch-medizinischen Leistungen durch Ärzte zugeschnitten und für die Leistungserbringung durch Physiotherapeuten schlichtweg ungeeignet.

Infolgedessen sei Abrechnungsgrundlage für die streitgegenständliche Rechnung die Abrechnungssätze, welche sich an beihilfefähigen Erstattungssätzen für krankengymnastische Leistung orientiert habe. Die vorgenommene Abrechnung der Beklagten stünde insbesondere in Widerspruch zur Ziffer 2.1 (Tarifbedingungen), wonach 100 % wie ärztliche Leistungen erstattet werden. Es läge deswegen eine unangemessene Benachteiligung vor, da die Vertragsbedingungen unklar oder undurchschaubar sind. Ziffer 2.1 der Tarifbedingungen erwecke beim objektiven Leser zunächst den Eindruck, dass physikalisch-medizinische Leistungen zu 100 % erstattet werden würden. Erst in Ziffer Nummer 3 d) wird dann allerdings für die Erbringung der Leistung durch Angehörige medizinischer Assistenzberufe auf die entsprechende Zugrundelegung der GOÄ hingewiesen. Hierdurch findet in Ziffer 3 d) eine Einschränkung der Leistungspflicht der Beklagten statt, welche dem objektiven Leser vorher, zu Beginn der Tarifbedingungen in Ziffer 2.1 zunächst suggeriert werde. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass das Amtsgericht Coburg in seiner Entscheidung vom 29.12.2010, Aktenzeichen 12 C 758/10, dies zutreffend bewertet habe.

Der Kläger meint darüber hinaus bestünde Vertrauensschutz. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Coburg, Aktenzeichen 12 C 758/10, habe die Beklagtenseite nicht die Zulassung der Berufung beantragt und die Entscheidung widerspruchslos akzeptiert. In der Folge wurden dann Erstattungsabrechnungen des Klägers aus dem Jahr 2006 reguliert.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 237,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten einen Betrag in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Tarifbedingungen wirksam seien und insbesondere nicht gegen § 307 Absatz 1 BGB verstoßen würden. Es läge keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB vor. Die Ziffer 2 der Tarifbedingungen verweise ausdrücklich auf Nummer 3 d. In Ziffer 3 d erfolge dann die Klarstellung das für den Fall, dass die Leistungen nicht von einem Arzt, sondern von Angehörigen medizinischer Assistenzberufe erbracht werden, die Kostenerstattung nach der GOÄ erfolgen habet. Intransparenz sei nicht gegeben.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Eine Nacherstattung für Behandlungen durch die Beklagte sei aus Kulanzgründen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten erfolgt. Dem Schreiben der Beklagten ließe sich nicht entnehmen, dass sich diese in Zukunft nicht mehr auf ihre Tarifklausel berufen möchte.

Auf die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein weitergehender Anspruch auf Zahlung von Behandlungskosten in Höhe von 237,– € zu.

Die Beklagte hat nach Ziffer 3. d des geschlossenen Versicherungsvertrages Nummer 7373174-536 Tarif 2035, also nach den Grundsätzen der GOÄ abgerechnet. Der Kläger hat den nach der GOÄ errechneten Betrag in Höhe von 232,80 € erstattet erhalten. Ein weitergehender Anspruch aus der Rechnung vom 17.12.2013 besteht nicht.

Die Ziffer 3 d des Tarifs 2035 ist wirksamer Vertragsbestandteil geworden und der Leistungsanspruch des Klägers wird entsprechend durch diese Bestimmung begrenzt. Die streitgegenständliche Tarifbestimmung ist gemäß §§ 305 ff. BGB Vertragsbestandteil geworden und hält einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.

Der generelle Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ist eröffnet, da es sich bei den Tarifbestimmungen der Beklagten um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Absatz 1 BGB handelt.

Die Klausel ist weder überraschend, noch intransparent.

Eine Klausel ist im Sinne des § 305 c BGB überraschend, wenn zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht. Dass die Klausel möglicherweise unüblich ist, reicht nicht aus, ebensowenig genügt es, wenn sie für den Kunden unerwartet kommt. Vielmehr muss der Klausel ein Überrumplungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen.

Nach der getroffenen vertraglichen Vereinbarung werden die Kosten grundsätzlich erstattet, jedoch nur bis zu einer Höhe, die ein Arzt nach den Grundsätzen der GOÄ berechnen kann. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer Privatversicherung ist damit ohne Weiteres zu entnehmen, dass eben nur diese Kosten erstattungsfähig sind.

Insoweit ist die Argumentation des Klägers zutreffend, dass die GOÄ nach § 1 Absatz 1 GOÄ grundsätzlich nur die Vergütung durch einen Arzt vorsieht. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Anwendbarkeit der GOÄ als Berechnungsgrundlage auch für physiotherapeutische Leistungen in einem Versicherungsvertrag vereinbart werden kann.

Private Krankenversicherungen haben grundsätzlich ein Interesse daran, ihr Kostenrisiko kalkulieren zu können, so dass es ihnen frei steht, Tarife für die jeweiligen Leistungen festzulegen, solange sie dies mit dem Versicherungsnehmer wirksam vereinbaren. Sofern der Versicherungsnehmer die Erstattung nicht durch die Sätze der GOÄ begrenzt haben will, ist ihm unbenommen, einen anderen Tarif zu wählen (so Amtsgericht München, 16.12.2011, Aktenzeichen 154 C 20217/11).

Mithin ist die Klausel nicht im Sinne des § 305 c Absatz 1 BGB überraschend.

Auch ist die Klausel nicht intransparent nach § 307 BGB, so dass keine unangemessene Benachteiligung des Klägers vorliegt.

Nach § 307 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Danach ist eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Absatz 1 BGB dann anzunehmen, wenn eine AGB-Klausel entweder mit wesentlichen Grundgedanken des durch sie verdrängten dispositiven Rechts unvereinbar ist oder wenn sie wesentliche, aus der Natur des Vertrages sich ergebende Rechte oder Pflichten so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Zudem kann eine unangemessene Benachteiligung dann gegeben sein, wenn eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist (sogenanntes Transparenzgebot).

Die von der Beklagten verwendete Klausel erschließt sich ohne Weiteres einem aufmerksamen und sorgfältigen Vertragspartner. Es ist ohne Weiteres erkennbar, dass zunächst unter Ziffer 2.1 angegeben wird „100 % wie ärztliche Leistung siehe Nr. 3 d“. Unter 3 d ist dann ausdrücklich aufgeführt, dass die Abrechnung nach der GOÄ erfolgt. Insoweit geht klar hervor, dass Angehörige staatlich anerkannter medizinischer Assistenzberufe eine Abrechnung nach der GOÄ vornehmen können und dass diese Kosten zu 100 % reguliert werden. Damit wird auch nicht der Vertrag derart eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Es erfolgt eine Erstattung jedoch nur zu den Sätzen der GOÄ (so auch Amtsgericht München, 16.12.2011, Aktenzeichen 154 C 20217/11).

Auch ist nicht der beihilfefähige Höchstsatz heranzuziehen. Vorliegend wurde eine Bestimmung wirksam getroffen, nämlich, dass nach den Sätzen der GOÄ abzurechnen ist. Für die Heranziehung beihilfefähiger Höchstsätze ist mithin kein Raum.

Auch kann sich der Kläger nicht wirksam auf Vertrauensschutz berufen.

Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Kläger erklärt, dass ein Verzicht auf die vereinbarte Tarifklausel erfolgen wird. Es erfolgte lediglich eine Nacherstattung für das Kalenderjahr 2006. Die Erstattung weitere Rechnungen wird seitens des Klägers nicht behauptet. Insbesondere wird nicht behauptet, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger in irgend einer Art und Weise ausdrücklich erklärt hat, auf die vereinbarte Tarifklausel zu verzichten.

Mangels Bestehen einer Hauptforderung sind auch die Nebenforderungen von der Beklagten nicht zu ersetzen.

Es war die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Berufung hatte zu erfolgen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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