OLG Saarbrücken: Baumfällarbeiten zur Dachsanierung fallen unter Privathaftpflichtversicherung
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in seinem Urteil vom 20.12.2023 (Az.: 5 U 50/23) die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger wegen eines Schadenersatzanspruchs, der aus dem Fällen von Bäumen resultiert, Versicherungsschutz gewähren muss. Dies begründet sich dadurch, dass die Handlung des Klägers unter die versicherte gesetzliche Haftpflicht aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson fällt und nicht als Gefahr eines Betriebs oder Berufs angesehen wird.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken war erfolgreich.
- Die Handlung des Klägers, das Fällen von Bäumen, fällt unter die versicherte Haftpflicht für Gefahren des täglichen Lebens.
- Keine Verwirklichung der Gefahren eines Betriebes oder Berufs im Sinne der Versicherungsbedingungen.
- Das Fällen der Bäume diente der Vorbereitung von Sanierungsarbeiten und nicht der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit.
- Die Ansprüche des Klägers auf Versicherungsschutz sind fällig.
- Der Versicherungsschutz ist nicht wegen vorsätzlichen Handelns des Klägers ausgeschlossen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, eine Revision wird nicht zugelassen.
Übersicht
Die Privathaftpflichtversicherung ist ein unverzichtbarer Schutz für jeden, der vor den finanziellen Folgen von Schadenersatzansprüchen geschützt werden möchte. Sie deckt die Gefahren des täglichen Lebens ab, die von Privatpersonen ausgehen können. Dabei ist es wichtig, die genauen Eintrittspflichten des Versicherers zu verstehen, um im Schadensfall abgesichert zu sein.
Laut dem Ratgeber Versicherungsrecht ist der Versicherungsschutz unter anderem bei der Vernachlässigung der Aufsichtspflicht gegeben. Allerdings sind die Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes oder Amtes nicht von der Privathaftpflichtversicherung abgedeckt, wie das Urteil des BGH vom 13.09.2017 (IV ZR 302/16) zeigt. Die Verbraucherzentrale betont, dass die private Haftpflichtversicherung ein absolutes Muss für jeden ist, da sie vor den Gefahren des täglichen Lebens schützt.
Der Schutzbereich der privaten Haftpflichtversicherung umfasst Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens. Rechtsportal.de weist darauf hin, dass die Privathaftpflichtversicherung im Allgemeinen für die Gefahren des täglichen Lebens einsteht, jedoch Ausnahmen für ungewöhnliche und gefährliche Tätigkeiten bestehen.
Es ist jedoch wichtig, die Versicherungsbedingungen zu prüfen, um die genauen Eintrittspflichten des Versicherers zu verstehen. Denn der Begriff der Gefahren des täglichen Lebens ist weit gefasst und kann auch nicht alltägliche Risiken abdecken, wie Kunz Rechtsanwälte betonen.
Insgesamt bietet die Privathaftpflichtversicherung Schutz vor den finanziellen Folgen von Schadenersatzansprüchen, die aus den Gefahren des täglichen Lebens resultieren. Ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen besser zu verstehen und sich im Schadensfall abgesichert zu wissen.
Der Streitfall: Ein Baumfällvorhaben eskaliert
Ein Grundstückseigentümer und Kläger, der eine ehemalige Eissporthalle besaß, hatte das Vorhaben, das Dach des Gebäudes zu sanieren. Im Zuge der Vorbereitungen hierfür lud er Mitarbeiter der Stadtgärtnerei zu einem Ortstermin ein, um zu klären, welche Bäume gefällt werden dürfen. Daraufhin beauftragte er am 25. Februar 2021 Baumfällarbeiten, die noch am selben Tag durchgeführt wurden. Es wurden mehrere Bäume nicht nur auf seinem, sondern auch auf angrenzenden Grundstücken der Stadt gefällt, was zu einem Schadenersatzanspruch der Stadt in Höhe von 13.254,35 Euro führte. Der Kläger beanspruchte daraufhin Versicherungsschutz aus seinem bei der Beklagten bestehenden Privathaftpflichtversicherungsvertrag.
Versicherungsrechtliche Klarstellungen und Argumentationen
Die Privathaftpflichtversicherung des Klägers, basierend auf den Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB 2012) und den Risikobeschreibungen zur Privathaftpflichtversicherung (RBE privat 2016), deckt die gesetzliche Haftpflicht aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson ab. Die Versicherung argumentierte jedoch, die Handlung des Klägers, also das Fällen der Bäume, falle nicht unter diese Bedingungen, da es angeblich dazu diente, eine gewerbliche Tätigkeit vorzubereiten – die Sanierung und Wiederinbetriebnahme der Eissporthalle.
Kern der juristischen Auseinandersetzung
Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage zunächst ab, da es der Auffassung war, die Tat des Klägers sei nicht durch die Privathaftpflichtversicherung gedeckt. Die Begründung fußte auf der Annahme, die Baumfällarbeiten hätten im Kontext einer gewerblichen Tätigkeit gestanden. Dagegen legte der Kläger Berufung ein und argumentierte, dass die Arbeiten lediglich der Sanierung des Daches dienten und somit als Gefahren des täglichen Lebens anzusehen seien, die durch seine Privathaftpflichtversicherung abgedeckt sein müssten.
Entscheidung des OLG Saarbrücken und ihre Begründung
Das OLG Saarbrücken gab der Berufung des Klägers statt und entschied, dass die Beklagte dem Kläger Versicherungsschutz zu gewähren habe. Das Gericht stellte fest, dass die durchgeführten Baumfällarbeiten unter die versicherte gesetzliche Haftpflicht des Klägers aus den Gefahren des täglichen Lebens fielen. Es fand keine Verwirklichung der Gefahren eines Betriebes oder Berufes statt, da zum Zeitpunkt der Baumfällung kein Gewerbebetrieb in der Eissporthalle existierte. Die Arbeiten dienten nicht der Vorbereitung einer gewerblichen Tätigkeit, sondern waren Teil privater Vermögensverwaltung, die auf die Sanierung der Halle abzielten.
Fazit: Versicherungsschutz bestätigt
Das Urteil des OLG Saarbrücken bestätigt, dass der Versicherungsschutz aus der Privathaftpflichtversicherung des Klägers für den Schadenersatzanspruch der Stadt greift. Damit wird klargestellt, dass die Handlungen des Klägers, spezifisch die Baumfällarbeiten zur Vorbereitung der Dachsanierung, als Gefahren des täglichen Lebens anzusehen sind und somit unter den Schutz der Privathaftpflichtversicherung fallen.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was deckt die Privathaftpflichtversicherung typischerweise ab?
Die Privathaftpflichtversicherung deckt typischerweise Schäden ab, die Sie versehentlich Dritten zufügen. Sie ist in Deutschland zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird aber aufgrund des hohen finanziellen Risikos, das nach einem Schaden auf den Verursacher zukommen kann, als unverzichtbar angesehen.
Die Versicherung tritt ein, wenn Sie gesetzlich haftbar sind, beispielsweise wenn Sie jemandem einen Schaden zufügen. Sie deckt sowohl Sach- als auch Personenschäden ab. Beispielsweise, wenn Sie vergessen, den Gehweg zu räumen und jemand stürzt und sich verletzt. Auch grobe Fahrlässigkeit ist in der Regel mitversichert, ausgeschlossen sind jedoch absichtlich verursachte Schäden.
Die Deckungssumme, also der Höchstbetrag, den die Versicherung im Schadensfall abdeckt, ist ein wichtiger Bestandteil der Privathaftpflichtversicherung. Sie sollte mindestens 5 bis 10 Millionen Euro betragen, idealerweise sogar bis zu 100 Millionen Euro, um das finanzielle Risiko für den Versicherungsnehmer möglichst gering zu halten.
Es gibt bestimmte Gruppen von Personen, die besonderen Schutz benötigen, darunter Haus- und Grundbesitzer, Tierhalter (z.B. von Hunden und Pferden), Besitzer von Öltanks, Bauherren, Besitzer von Motor- und Segelbooten, Surfbrettern, Flugmodellen und Kraftfahrzeugen, Personen im öffentlichen Dienst, und Jäger.
Einige Tarife enthalten auch eine Forderungsausfalldeckung. Diese tritt ein, wenn der Schadenverursacher nicht in der Lage ist, den Schaden zu begleichen. Allerdings ist diese Deckung nicht immer in den Basis-Tarifen enthalten und sollte daher vor Vertragsabschluss überprüft werden.
Es ist zu erwähnen, dass die Privathaftpflichtversicherung nur bis zur vereinbarten Deckungssumme leistet. Alle Mehrkosten, die durch einen Versicherungsschaden zusätzlich anfallen können, trägt der Versicherte trotz Haftpflichtversicherung selbst.
Wie wird im Versicherungsrecht zwischen beruflichen und privaten Risiken unterschieden?
Im Versicherungsrecht wird eine klare Unterscheidung zwischen beruflichen und privaten Risiken getroffen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da eine Gefahr, die dem Privatbereich zuzuordnen ist, nicht von einer beruflichen oder betrieblichen Versicherung gedeckt wird und umgekehrt.
Die private Haftpflichtversicherung deckt Risiken im normalen Lebensalltag ab. Sie tritt ein, wenn Sie als Privatperson jemandem einen Schaden zufügen. Berufliche Risiken sind hierbei ausgeschlossen. Das bedeutet, wenn Handlungen, die aufgrund einer beruflichen Tätigkeit zu einem Schaden führen, sind nicht durch die private Haftpflichtversicherung abgedeckt.
Auf der anderen Seite gibt es die Berufshaftpflichtversicherung, die berufliche Risiken abdeckt. Sie tritt ein, wenn Sie in Ausübung Ihrer beruflichen Tätigkeit einem Dritten einen Schaden zufügen. Private Risiken sind in diesem Fall nicht abgedeckt.
Es ist wichtig zu beachten, dass bei Versicherungen, die sowohl private als auch berufliche Risiken abdecken, die Prämien entsprechend dem jeweils versicherten Risiko aufgeteilt werden müssen.
Die Grenze zwischen Freizeit und Beruf sollte von Versicherungsnehmern sehr scharf gezogen werden, da der Geltungsbereich ihrer Haftpflichtversicherung genau hier endet.
Insgesamt ist die Unterscheidung zwischen beruflichen und privaten Risiken im Versicherungsrecht von großer Bedeutung, da sie bestimmt, welche Art von Schaden von welcher Art von Versicherung abgedeckt wird.
Das vorliegende Urteil
OLG Saarbrücken – Az.: 5 U 50/23 – Urteil vom 20.12.2023
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. April 2023 – 14 O 18/22 – abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des von der Stadt ### gegen ihn aufgrund eines Schadenereignisses vom 25. Februar 2021 erhobenen Schadenersatzanspruchs in Höhe von 13.254,35 Euro aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ### bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.603,20 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Privathaftpflichtversicherung, der Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen der Beklagten (AHB 2012, im folgenden AHB; Anlage K 13 im Anlagenband Kläger) und die Risikobeschreibungen und Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung (RBE privat 2016, im folgenden RBE; Anlage K 2 im Anlagenband Kläger) zugrunde liegen. Nach Ziff. I. RBE ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebs oder Berufs. Nicht versichert ist gemäß Ziff. I.1. RBE die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren einer nebenberuflichen Tätigkeit mit Ausnahme der in Ziffer II.3 und Ziffer XIV. RBE aufgeführten Tätigkeiten (Ziff. I.1.1. RBE), aus den Gefahren eines Diensts, Amts, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (Ziff. I.1.2. RBE) und aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung (Ziff. I.1.3. RBE).
Der Kläger ist Eigentümer der von ihm erworbenen ehemaligen Eissporthalle in ### in der ###. Da er das Dach des Gebäudes sanieren lassen wollte, fand am 18. Februar 2021 ein Ortstermin mit Mitarbeitern der Stadtgärtnerei ### statt, um abzuklären, welche Bäume im Umfeld des Gebäudes gefällt werden dürfen. Am 25. Februar 2021 gab der Kläger Baumfällarbeiten in Auftrag, die noch am selben Tag durchgeführt wurden. Gefällt wurden dabei auch mehrere Bäume auf an das klägerische Grundstück angrenzenden Grundstücken der Stadt ###, die mithin in deren Eigentum standen. Deshalb wird der Kläger seitens der Stadt ### auf Schadensersatz in Höhe von 13.254,35 Euro in Anspruch genommen.
Mit der Klage begehrt der Kläger Versicherungsschutz wegen des gegen ihn geltend gemachten Haftpflichtanspruchs. Er hat behauptet, durch den Ortstermin habe er gerade die Situation verhindern wollen, die nunmehr eingetreten sei. Bei dem Termin seien ihm die Grundstücksgrenzen gezeigt und ihm mitgeteilt worden, dass er alle Bäume mit einem Durchmesser unter einem Meter fällen dürfe.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte ihm aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ### Versicherungsschutz wegen aller Haftpflichtforderungen der Stadt ### gegen ihn im Zusammenhang mit der Durchführung von Baumfällarbeiten am 25.02.2021 im Bereich der ehemaligen Eissporthalle in ### auf den Parzellen der Stadt ### zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens (§ 103 VVG) berufen.
Mit dem am 11. April 2023 verkündeten Urteil hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Haftpflicht des Klägers rühre nicht aus den allein versicherten Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson her; vielmehr seien die Bäume gefällt worden, um das Dach der Eissporthalle, die der Kläger wieder in Betrieb nehmen wolle, zu sanieren. Damit hätten die entsprechenden Arbeiten dazu gedient, eine gewerbliche Tätigkeit vorzubereiten.
Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Anspruch weiterverfolgt. Er meint, ein Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit bestehe nicht alleine deshalb, weil er beabsichtige, die Eissporthalle in Zukunft erneut zu eröffnen; vielmehr habe sich ein in der Privathaftpflichtversicherung gedecktes Risiko verwirklicht.
Der Kläger beantragt, das am 11.04. 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des von der Stadt ### gegen ihn aufgrund eines Schadenereignisses vom 25. Februar 2021 erhobenen Schadenersatzanspruchs in Höhe von 13.254,35 Euro aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ### bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint weiterhin, der Versicherungsschutz sei wegen vorsätzlichen Handelns des Klägers ausgeschlossen.
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 10. Februar 2023 (Bl. 44 ff. A.) und des Senats vom 8. Dezember 2023 (Bl. 98 f. d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 11. April 2023 (Bl. 57 ff. d. A. Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist begründet, denn das angefochtene Urteil beruht gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung. Die Beklagte hat dem Kläger wegen des von der Stadt ### geltend gemachten Haftpflichtanspruchs bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zu gewähren.
1. Das Schadenereignis unterfällt dem Deckungsumfang des Haftpflichtversicherungsvertrages, weil es sich um eine gemäß Ziff. I. RBE versicherte gesetzliche Haftpflicht des Klägers aus den Gefahren des täglichen Lebens (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012, 172) und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes handelt.
a. Mit dem Fällen der Bäume um die Eissporthalle hat sich insbesondere nicht das Risiko eines Betriebes im Sinne von Ziff. I. RBE verwirklicht, weil es einen „Betrieb“ des Klägers überhaupt nicht gab.
(1) Unter der Gefahr eines Betriebes ist die Gefahr zu verstehen, wegen des Betreibens eines (gewerblichen, kaufmännischen, landwirtschaftlichen oder freiberuflichen) Unternehmens auf Haftpflicht in Anspruch genommen zu werden (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1990 – IV ZR 212/89, VersR 1991, 293). Von „Gefahren eines Betriebs“, die dem Deckungsbereich der privaten Haftpflichtversicherung nicht unterfallen, kann indes überhaupt nur dann gesprochen werden, wenn ein „Betrieb“ als solcher vorhanden ist. Es müssen also persönliche und sachliche Vorkehrungen für eine auf Dauer ausgerichtete Erwerbstätigkeit getroffen werden, die als Betrieb gelten können (Schimikowski in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, BB PHV Muster-Bedingungsstruktur IX Rn. 8), der zudem nach außen hin als selbständiger, von der privaten Sphäre des Betriebsinhabers getrennter Lebensbereich in Erscheinung treten muss (BGH, Urteil vom 27. November 1961 – II ZR 169/59, VersR 1962, 33). Nach dem für die Auslegung von Versicherungsbedingungen vor allem maßgeblichen Bedingungswortlaut und dem Verständnishorizont des durchschnittlichen Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; Urteil vom 19. Februar 2014 – IV ZR 389/12, VersR 2014, 450; Urteil vom 25. Juli 2012 – IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208, jeweils mwN.; Senat, Urteil vom 20. Juli 2022 – 5 U 77/21) kann unter den Gefahren eines Betriebes nicht weitergehend jede Gefahr verstanden werden, die im Zusammenhang mit dem Vorhaben des Versicherungsnehmers steht, irgendwann einmal ein gewerbliches Unternehmen zu betreiben. Denn die Bedingungen knüpfen für die Abgrenzung der Gefahrenbereiche an das Bestehen eines Betriebes an und nicht an die bloße Absicht des Versicherungsnehmers, in Zukunft (möglicherweise) einen Betrieb zu eröffnen.
(2) In Anwendung dieser Grundsätze haben sich beim Fällen der Bäume keine Gefahren eines Betriebs verwirklicht. Unstreitig betrieb der Kläger zu der Zeit, als die Bäume gefällt wurden, in der Eissporthalle keinen Gewerbebetrieb, und daran hatte sich auch bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht rund zwei Jahre später nichts geändert, nachdem der Kläger auch damals nur von seiner Absicht sprach, die Eissporthalle wieder in Betrieb zu setzen (Bl. 45 d. A.). Fehlt es aber schon an einem Betrieb im Sinne der Bedingungen, haben sich auch nicht dessen Gefahren realisiert. Die Baumfällarbeiten standen auch nicht in einem so engen Zusammenhang mit dem Beginn einer gewerblichen Betätigung, dass man sie deshalb den betrieblichen Gefahren zurechnen müsste. Sie dienten nach den unbestrittenen Angaben des Klägers dazu, Sanierungsarbeiten am Dach der Eissporthalle zu ermöglichen. Der bloße Erwerb der Halle und auch ihre Sanierung lassen sich aber noch keinem gewerblichen Unternehmen zuordnen; vielmehr gehören solche Tätigkeiten noch zum Bereich privater Vermögensverwaltung, denn sie waren auch dazu geeignet, die Vermietung oder Verpachtung der Halle vorzubereiten, worin ebenfalls keine gewerbliche Tätigkeit liegen und damit kein „Betrieb“ im Sinne der Bedingungen begründet würde. Ein notwendiger Zusammenhang dieser Arbeiten mit einem „Betrieb“ lag daher nicht vor.
b. Ebenso wenig stützt sich der Haftpflichtanspruch, gegen den der Kläger Deckungsschutz begehrt, auf die Verwirklichung von Gefahren eines vom Kläger ausgeübten Berufs.
(1) Unter einem Beruf versteht der allgemeine Sprachgebrauch und damit auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es – wie bereits gesagt (vgl. die Nachweise oben unter 1.a.(1)) – bei der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen ankommt, eine auf Dauer angelegte und dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit (BGH, Urteil vom 10. März 2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004, 591).
(2) Einem so verstandenen „Beruf“ lässt sich das Handeln des Klägers vorliegend nicht zuordnen. Unabhängig von der Frage, ob etwa die dauerhafte Vermietung oder Verpachtung der Eissporthalle alleine wegen der dadurch erzielten Einkünfte, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden können, als „Beruf“ in Sinne von Ziff. I. RBE anzusehen wäre, lag das hier in Rede stehende Handeln des Klägers noch so weit im Vorfeld einer möglicherweise in Zukunft als Beruf anzusehenden Tätigkeit, dass sich Gefahren eines Berufs noch nicht verwirklicht haben. So wenig die Sanierung der Halle oder gar die vorbereitenden Arbeiten dafür schon als „Betrieb“ angesehen werden können, so wenig liegt darin eine berufliche Betätigung. Ob der Kläger überhaupt irgendwann einmal aus der Eissporthalle dauerhafte Einkünfte für seinen Lebensunterhalt erzielen wird, war im damaligen Zeitpunkt offen und ist es auch heute noch, denn der Kläger könnte – beispielsweise – die Halle vor oder nach der Sanierung verkaufen, ohne jemals dauerhafte Erträge zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erzielt zu haben. Dass bloße Fernziele bei der Verrichtung einer Tätigkeit diese schon wegen der Motivation des Versicherungsnehmers zu beruflichen (oder betrieblichen) Betätigungen machen, lässt sich den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen.
c. Da die für die Abgrenzung der Risikobereiche relevanten Tatsachen nicht streitig sind und der Kläger als Versicherungsnehmer danach unzweifelhaft als von der Privathaftpflichtversicherung geschützte „Privatperson“ anzusehen ist, kommt es auf die Frage, ob der Formulierungsteil „nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes“ in Ziff. I RBE dabei noch Teil der primären Risikobeschreibung ist und der Versicherungsnehmer daher beweisen muss, dass es nicht um ein berufliches Risiko geht (so OLG Köln, r+s 2016, 346; OLG Hamm, VersR 2012, 174; Schimikowski in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Aufl., BB PHV Muster-Bedingungsstruktur IX Rn. 5; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4; offen OLG Hamm, r+s 2016, 32) oder aber einen Risikoausschluss darstellt, den der Versicherer darlegen und beweisen muss (so OLG Oldenburg, VersR 2014, 1364; Littbarski in: MünchKomm-VVG 2. Auf., § 102 Rn. 13 f.; Schneider, VersR 2020, 667, 669; ders. in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 24 Rn. 98), nicht an. Allerdings hält der Senat das letztgenannte Verständnis der Bedingungen für vorzugswürdig, weil für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus der zitierten Formulierung eine ohne weiteres klare Beschränkung des Versicherungsschutzes auf sein zweifelsfrei privates und zugleich nachgewiesenermaßen nicht betriebliches oder berufliches Risiko nicht hinreichend deutlich werden dürfte. Vielmehr dürfte der Versicherungsnehmer aus dem Leistungsversprechen, Versicherungsschutz für alle Gefahren des täglichen Lebens zu genießen, die naheliegende Schlussfolgerung ziehen, die negative Aufzählung einzelner Tätigkeiten und Lebensbereiche stellten – in die Leistungsbeschreibung gekleidete – Ausnahmen von der Regel dar, wonach im Zweifel Deckungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung bestehen soll (OLG Oldenburg, VersR 2014, 1364; Schneider, VersR 2020, 667, 669; zu älteren Bedingungen auch BGH, Urteil vom 9. November 2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012, 172 Rn. 13; Urteil vom 10. März 2003 – IV ZR 169/03, VersR 2004, 591). Indes gilt allgemein, dass der durchschnittliche VN nicht damit zu rechnen braucht, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389; Senat, Urteil vom 29. Juli 2020 – 5 U 2/20, VersR 2021, 168, 171).
2. Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versicherungsschutz ist auch fällig. Voraussetzung hierfür ist gemäß Nr. 1.1 AHB, dass der Kläger wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das (u. a.) einen Sachschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1961 – II ZR 10/59, BGHZ 36, 24, 29). Das ist hier der Fall, nachdem gegen den Kläger unstreitig von der Stadt ### wegen des Fällens dieser gehörender Bäume Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.
3. Der Deckungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 103 VVG bzw. Ziff. 7.1 AHB ausgeschlossen, weil der Kläger vorsätzlich gehandelt hätte. Insoweit genügt zwar bedingt vorsätzliches Handeln des Versicherungsnehmers; indes muss sich der (bedingte) Vorsatz schon nach dem Wortlaut der Vorschrift auch auf die Herbeiführung des Schadens beziehen (Lücke in Prölss/Martin, VVG, § 103 Rn. 10 und AHB Ziff. 7 Rn. 5, jew. mwN.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 – IV ZR 163/97, VersR 1998, 1011 zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 AHB a. F.). Einen entsprechenden Vorsatz des Klägers hat die für die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses darlegungs- und beweispflichtige (BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 – VI ZR 163/97, aaO; OLG Hamm, VersR 2019, 871) Beklagte schon nicht dargetan. Sie beruft sich insoweit auf einen vermeintlichen Erfahrungssatz, wonach jemand, der sich vor dem Fällen von Bäumen im Bereich der Grundstücksgrenze nicht über den Grenzverlauf kundig mache, billigend in Kauf nehme, auch Bäume zu fällen, die nicht auf seinem Grundstück stehen. Einen solchen Erfahrungssatz gibt es nicht, wie es überhaupt beim Vorsatz nicht angängig ist, mit Anscheinsbeweisen zu argumentieren, weil es insoweit kein durch die Lebenserfahrung gesichertes typisches Verhalten gibt (BGH, Urteil vom 4. Mai 1988 – IVa 278/86, VersR 1988, 683, Senat, Urteil vom 27. Mai 2009 – 5 U 481/08, zfs 2009, 699). Gegen einen auch nur bedingten Vorsatz des Klägers spricht mit Gewicht der von ihm behauptete Umstand, er habe einen Ortstermin mit der Stadt vereinbart um abzuklären, welche Bäume im Umfeld des Gebäudes gefällt werden dürfen. Das hat die Beklagte nicht widerlegt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt gemäß § 48 GKG in Verb. mit § 3 ZPO 80 % der Schadenersatzforderung von 13.254,35 Euro, im Hinblick auf die der Kläger Versicherungsschutz begehrt (Senat, Urteil vom 29. Juli 2020 – 5 U 2/20, VersR 2021, 168; Urteil vom 8. Februar 2012 – 5 U 370/11, ZfS 2012, 458), also 10.603,48 Euro.