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Privathaftpflichtversicherung – Einstandspflicht für alle Gefahren des täglichen Lebens

Haftpflichtversicherung: Einstandspflicht für tägliche Risiken

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden, dass die Privathaftpflichtversicherung des Klägers für einen Schaden aufkommen muss, der bei Baumfällarbeiten entstanden ist. Das Gericht sieht die Tätigkeit als Teil der Gefahren des täglichen Lebens und nicht als gewerbliche Aktivität. Die Versicherung hatte zuvor die Leistung abgelehnt, da sie von einer vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens ausging.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Haftpflichtversicherungsvertrag: Der Kläger besitzt eine Privathaftpflichtversicherung, die für Schäden aus dem täglichen Leben aufkommt.
  2. Schadensereignis: Bei Baumfällarbeiten entstand ein Schaden auf einem Nachbargrundstück.
  3. Leistungsablehnung der Versicherung: Die Versicherung lehnte die Deckung zunächst ab, mit dem Verweis auf vorsätzliche Schadensverursachung.
  4. Urteil des Landgerichts: Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage des Versicherungsnehmers zunächst ab.
  5. Berufung und Urteilsänderung: Auf Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht das Urteil.
  6. Abgrenzung von privatem und gewerblichem Risiko: Das Gericht entschied, dass die Baumfällarbeiten zum täglichen Leben zählen und nicht gewerblich sind.
  7. Verpflichtung der Versicherung: Die Versicherung ist zur Deckung des Schadens verpflichtet.
  8. Revisionsverbot: Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

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Der Streitfall: Baumfällarbeiten und die Frage des Versicherungsschutzes

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte einen komplexen Fall zu entscheiden, der sich um Baumfällarbeiten drehte, die von einem Eigentümer einer ehemaligen Eissporthalle durchgeführt wurden. Der Kläger, Besitzer der Halle, hatte die Arbeiten in Auftrag gegeben, um Sanierungsarbeiten am Dach vorzubereiten. Dabei wurden jedoch auch Bäume auf angrenzenden Grundstücken der Stadt D. gefällt, was zu einem Schadenersatzanspruch gegen den Kläger führte. Der Kern der Auseinandersetzung lag darin, ob dieser Vorfall unter den Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung des Klägers fiel.

Versicherungsrechtliche Bewertung des Falls

Die Haftpflichtversicherung des Klägers deckt Schäden aus Gefahren des täglichen Lebens. Die Versicherungsgesellschaft argumentierte jedoch, dass die Baumfällarbeiten nicht unter diesen Schutz fallen, da sie der Vorbereitung einer gewerblichen Tätigkeit dienten. Das Landgericht Saarbrücken folgte dieser Auffassung und wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Der Kläger legte daraufhin Berufung ein, da er der Meinung war, dass die Baumfällarbeiten als Teil der Gefahren des täglichen Lebens anzusehen seien.

Juristische Schlüsselkonzepte: Betrieb versus Privatleben

Ein zentraler Aspekt des Falles war die Unterscheidung zwischen Aktivitäten, die im Rahmen eines „Betriebes“ und solchen, die im Rahmen des „täglichen Lebens“ einer Privatperson stattfinden. Das Oberlandesgericht Saarbrücken stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Baumfällarbeiten kein Gewerbebetrieb in der Eissporthalle stattfand und die Arbeiten somit nicht im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit standen. Daher waren sie als Gefahren des täglichen Lebens zu werten, die von der Privathaftpflichtversicherung gedeckt sind.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken

Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und änderte das Urteil des Landgerichts Saarbrücken. Es wurde festgestellt, dass die Privathaftpflichtversicherung des Klägers den Schaden decken muss, da die Baumfällarbeiten als Teil der Gefahren des täglichen Lebens anzusehen sind. Darüber hinaus wurde der Kläger als Privatperson betrachtet, deren Aktivitäten nicht im Rahmen eines Betriebes oder Berufes stattfanden. Die Beklagte, die Versicherungsgesellschaft, wurde dazu verurteilt, dem Kläger den entsprechenden Schadenersatz zu leisten und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Fazit und Ausblick auf das Urteil

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken unterstreicht die Bedeutung einer genauen Betrachtung der Umstände jedes Einzelfalls im Versicherungsrecht. Es zeigt, wie wichtig es ist, den Deckungsumfang einer Haftpflichtversicherungsvertrages genau zu verstehen und wie Aktivitäten als Teil des täglichen Lebens oder eines gewerblichen Betriebes klassifiziert werden können. Dieses Urteil dient als wichtige Referenz für ähnliche Fälle und wird sicherlich in zukünftigen versicherungsrechtlichen Diskussionen und Entscheidungen eine Rolle spielen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was umfasst der Deckungsbereich einer Privathaftpflichtversicherung, insbesondere im Hinblick auf die Gefahren des täglichen Lebens?

Eine Privathaftpflichtversicherung bietet Schutz vor finanziellen Risiken, die durch Schäden entstehen können, die Sie als Privatperson verursachen. Sie deckt die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den „Gefahren des täglichen Lebens“ ab.

Die „Gefahren des täglichen Lebens“ sind nicht genau definiert, aber sie umfassen allgemein Situationen, die im normalen Privatleben eines Menschen auftreten können. Es ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren tatsächlich täglich auftreten. Die Privathaftpflichtversicherung soll auch Deckung für außergewöhnliche Situationen bieten, in die ein Durchschnittsmensch geraten kann.

Die Deckungssumme ist der Höchstbetrag, den die Versicherung im Schadensfall abdeckt. Alle Mehrkosten, die durch einen Versicherungsschaden zusätzlich anfallen können, trägt der Versicherte trotz Haftpflichtversicherung selbst. Es wird empfohlen, eine Deckungssumme von mindestens 5 bis 10 Millionen Euro zu wählen, da insbesondere bei Personenschäden schnell hohe Kosten entstehen können.

Die Privathaftpflichtversicherung deckt typischerweise Schäden ab, die aus der Teilnahme am Straßenverkehr als Fußgänger und Radfahrer, aber auch als Rollschuh- oder Skateboardfahrer entstehen. Schäden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs sind jedoch nicht Gegenstand der Privathaftpflichtversicherung, da hierfür eine gesonderte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung erforderlich ist.

Die Privathaftpflichtversicherung gilt weltweit und bietet somit auch Schutz bei Schäden, die im Ausland verursacht werden.

Es ist zu beachten, dass die Privathaftpflichtversicherung in der Regel keine Schäden abdeckt, die absichtlich verursacht werden.

Wie wird die Abgrenzung zwischen privaten und gewerblichen Aktivitäten in Bezug auf Haftpflichtversicherungen rechtlich bewertet?

Die Abgrenzung zwischen privaten und gewerblichen Aktivitäten in Bezug auf Haftpflichtversicherungen wird rechtlich anhand verschiedener Kriterien bewertet.

Die private Haftpflichtversicherung deckt Schäden ab, die eine private Person verursacht, beispielsweise Personen-, Sach- oder Vermögensschäden. Im Gegensatz dazu deckt die Betriebshaftpflichtversicherung Sach-, Personen- sowie unechte Vermögensschäden und sichert das gesamte Unternehmen inklusive Personal ab. Die Berufshaftpflichtversicherung deckt ebenfalls Sach-, Personen- sowie echte Vermögensschäden ab, sichert jedoch einzelne Personen im Beruf.

Die Abgrenzung zwischen privaten und gewerblichen Aktivitäten erfolgt in der Regel anhand des Gesamtbildes der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung. Bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit in den gewerblichen Bereich fällt, ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.

In Bezug auf Versicherungen ist es wichtig zu beachten, dass private Unfallversicherungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind. Wenn jedoch auch private Risiken abgedeckt werden, muss der Prämienanteil, der hierauf entfällt, als Privatentnahme behandelt werden, die den Gewinn nicht mindern darf.

Es ist auch zu beachten, dass die Betriebshaftpflichtversicherung alle Mitarbeiter eines Betriebes absichert, von Auszubildenden bis zum Geschäftsführer. Sie deckt Schäden ab, die Dritten durch die Tätigkeit des Unternehmens entstehen.

Die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit kann auch durch die Art der Tätigkeit bestimmt werden. Eine Tätigkeit, die über die Nutzung und Vermögensverwaltung zur Fruchtziehung hinausgeht, kann als gewerbliche Tätigkeit angesehen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Abgrenzung zwischen privaten und gewerblichen Aktivitäten in Bezug auf Haftpflichtversicherungen anhand verschiedener Kriterien erfolgt, darunter die Art der abgedeckten Schäden, die Art der Tätigkeit und die Verkehrsanschauung.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 50/23 – Urteil vom 20.12.2023

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. April 2023 – 14 O 18/22 – abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des von der Stadt D. gegen ihn aufgrund eines Schadenereignisses vom 25. Februar 2021 erhobenen Schadenersatzanspruchs in Höhe von 13.254,35 Euro aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. xxxxx bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.603,20 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Privathaftpflichtversicherung, der Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen der Beklagten (AHB 2012, im folgenden AHB; Anlage K 13 im Anlagenband Kläger) und die Risikobeschreibungen und Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung (RBE privat 2016, im folgenden RBE; Anlage K 2 im Anlagenband Kläger) zugrundeliegen. Nach Ziff. I. RBE ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebs oder Berufs. Nicht versichert ist gemäß Ziff. I.1. RBE die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren einer nebenberuflichen Tätigkeit mit Ausnahme der in Ziffer II.3 und Ziffer XIV. RBE aufgeführten Tätigkeiten (Ziff. I.1.1. RBE), aus den Gefahren eines Diensts, Amts, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (Ziff. I.1.2. RBE) und aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung (Ziff. I.1.3. RBE).

Der Kläger ist Eigentümer der von ihm erworbenen ehemaligen Eissporthalle in D. in der K.. Da er das Dach des Gebäudes sanieren lassen wollte, fand am 18. Februar 2021 ein Ortstermin mit Mitarbeitern der Stadtgärtnerei D. statt, um abzuklären, welche Bäume im Umfeld des Gebäudes gefällt werden dürfen. Am 25. Februar 2021 gab der Kläger Baumfällarbeiten in Auftrag, die noch am selben Tag durchgeführt wurden. Gefällt wurden dabei auch mehrere Bäume auf an das klägerische Grundstück angrenzenden Grundstücken der Stadt D., die mithin in deren Eigentum standen. Deshalb wird der Kläger seitens der Stadt D. auf Schadensersatz in Höhe von 13.254,35 Euro in Anspruch genommen.

Mit der Klage begehrt der Kläger Versicherungsschutz wegen des gegen ihn geltend gemachten Haftpflichtanspruchs. Er hat behauptet, durch den Ortstermin habe er gerade die Situation verhindern wollen, die nunmehr eingetreten sei. Bei dem Termin seien ihm die Grundstücksgrenzen gezeigt und ihm mitgeteilt worden, dass er alle Bäume mit einem Durchmesser unter einem Meter fällen dürfe.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte ihm aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. xxx Versicherungsschutz wegen aller Haftpflichtforderungen der Stadt D. gegen ihn im Zusammenhang mit der Durchführung von Baumfällarbeiten am 25.02.2021 im Bereich der ehemaligen Eissporthalle in 66763 D., K., auf den Parzellen der Stadt D. zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens (§ 103 VVG) berufen.

Mit dem am 11. April 2023 verkündeten Urteil hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Haftpflicht des Klägers rühre nicht aus den allein versicherten Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson her; vielmehr seien die Bäume gefällt worden, um das Dach der Eissporthalle, die der Kläger wieder in Betrieb nehmen wolle, zu sanieren. Damit hätten die entsprechenden Arbeiten dazu gedient, eine gewerbliche Tätigkeit vorzubereiten.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Anspruch weiterverfolgt. Er meint, ein Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit bestehe nicht alleine deshalb, weil er beabsichtige, die Eissporthalle in Zukunft erneut zu eröffnen; vielmehr habe sich ein in der Privathaftpflichtversicherung gedecktes Risiko verwirklicht.

Der Kläger beantragt, das am 11.04. 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des von der Stadt D. gegen ihn aufgrund eines Schadenereignisses vom 25. Februar 2021 erhobenen Schadenersatzanspruchs in Höhe von 13.254,35 Euro aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. xxxxx bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint weiterhin, der Versicherungsschutz sei wegen vorsätzlichen Handelns des Klägers ausgeschlossen.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 10. Februar 2023 (Bl. 44 ff. A.) und des Senats vom 8. Dezember 2023 (Bl. 98 f. d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 11. April 2023 (Bl. 57 ff. d. A. Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet, denn das angefochtene Urteil beruht gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung. Die Beklagte hat dem Kläger wegen des von der Stadt D. geltend gemachten Haftpflichtanspruchs bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zu gewähren.

1.

Das Schadenereignis unterfällt dem Deckungsumfang des Haftpflichtversicherungsvertrages, weil es sich um eine gemäß Ziff. I. RBE versicherte gesetzliche Haftpflicht des Klägers aus den Gefahren des täglichen Lebens (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012, 172) und nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes handelt.

a.

Mit dem Fällen der Bäume um die Eissporthalle hat sich insbesondere nicht das Risiko eines Betriebes im Sinne von Ziff. I. RBE verwirklicht, weil es einen „Betrieb“ des Klägers überhaupt nicht gab.

(1)

Unter der Gefahr eines Betriebes ist die Gefahr zu verstehen, wegen des Betreibens eines (gewerblichen, kaufmännischen, landwirtschaftlichen oder freiberuflichen) Unternehmens auf Haftpflicht in Anspruch genommen zu werden (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1990 – IV ZR 212/89, VersR 1991, 293). Von „Gefahren eines Betriebs“, die dem Deckungsbereich der privaten Haftpflichtversicherung nicht unterfallen, kann indes überhaupt nur dann gesprochen werden, wenn ein „Betrieb“ als solcher vorhanden ist. Es müssen also persönliche und sachliche Vorkehrungen für eine auf Dauer ausgerichtete Erwerbstätigkeit getroffen werden, die als Betrieb gelten können (Schimikowski in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, BB PHV Muster-Bedingungsstruktur IX Rn. 8), der zudem nach außen hin als selbständiger, von der privaten Sphäre des Betriebsinhabers getrennter Lebensbereich in Erscheinung treten muss (BGH, Urteil vom 27. November 1961 – II ZR 169/59, VersR 1962, 33). Nach dem für die Auslegung von Versicherungsbedingungen vor allem maßgeblichen Bedingungswortlaut und dem Verständnishorizont des durchschnittlichen Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; Urteil vom 19. Februar 2014 – IV ZR 389/12, VersR 2014, 450; Urteil vom 25. Juli 2012 – IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208, jeweils mwN.; Senat, Urteil vom 20. Juli 2022 – 5 U 77/21) kann unter den Gefahren eines Betriebes nicht weitergehend jede Gefahr verstanden werden, die im Zusammenhang mit dem Vorhaben des Versicherungsnehmers steht, irgendwann einmal ein gewerbliches Unternehmen zu betreiben. Denn die Bedingungen knüpfen für die Abgrenzung der Gefahrenbereiche an das Bestehen eines Betriebes an und nicht an die bloße Absicht des Versicherungsnehmers, in Zukunft (möglicherweise) einen Betrieb zu eröffnen.

(2)

In Anwendung dieser Grundsätze haben sich beim Fällen der Bäume keine Gefahren eines Betriebs verwirklicht. Unstreitig betrieb der Kläger zu der Zeit, als die Bäume gefällt wurden, in der Eissporthalle keinen Gewerbebetrieb, und daran hatte sich auch bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht rund zwei Jahre später nichts geändert, nachdem der Kläger auch damals nur von seiner Absicht sprach, die Eissporthalle wieder in Betrieb zu setzen (Bl. 45 d. A.). Fehlt es aber schon an einem Betrieb im Sinne der Bedingungen, haben sich auch nicht dessen Gefahren realisiert. Die Baumfällarbeiten standen auch nicht in einem so engen Zusammenhang mit dem Beginn einer gewerblichen Betätigung, dass man sie deshalb den betrieblichen Gefahren zurechnen müsste. Sie dienten nach den unbestrittenen Angaben des Klägers dazu, Sanierungsarbeiten am Dach der Eissporthalle zu ermöglichen. Der bloße Erwerb der Halle und auch ihre Sanierung lassen sich aber noch keinem gewerblichen Unternehmen zuordnen; vielmehr gehören solche Tätigkeiten noch zum Bereich privater Vermögensverwaltung, denn sie waren auch dazu geeignet, die Vermietung oder Verpachtung der Halle vorzubereiten, worin ebenfalls keine gewerbliche Tätigkeit liegen und damit kein „Betrieb“ im Sinne der Bedingungen begründet würde. Ein notwendiger Zusammenhang dieser Arbeiten mit einem „Betrieb“ lag daher nicht vor.

b.

Ebenso wenig stützt sich der Haftpflichtanspruch, gegen den der Kläger Deckungsschutz begehrt, auf die Verwirklichung von Gefahren eines vom Kläger ausgeübten Berufs.

(1)

Unter einem Beruf versteht der allgemeine Sprachgebrauch und damit auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es – wie bereits gesagt (vgl. die Nachweise oben unter 1.a.(1)) – bei der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen ankommt, eine auf Dauer angelegte und dem Erwerb des Lebensunterhalts dienende Tätigkeit (BGH, Urteil vom 10. März 2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004, 591).

(2)

Einem so verstandenen „Beruf“ lässt sich das Handeln des Klägers vorliegend nicht zuordnen. Unabhängig von der Frage, ob etwa die dauerhafte Vermietung oder Verpachtung der Eissporthalle alleine wegen der dadurch erzielten Einkünfte, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden können, als „Beruf“ in Sinne von Ziff. I. RBE anzusehen wäre, lag das hier in Rede stehende Handeln des Klägers noch so weit im Vorfeld einer möglicherweise in Zukunft als Beruf anzusehenden Tätigkeit, dass sich Gefahren eines Berufs noch nicht verwirklicht haben. So wenig die Sanierung der Halle oder gar die vorbereitenden Arbeiten dafür schon als „Betrieb“ angesehen werden können, so wenig liegt darin eine berufliche Betätigung. Ob der Kläger überhaupt irgendwann einmal aus der Eissporthalle dauerhafte Einkünfte für seinen Lebensunterhalt erzielen wird, war im damaligen Zeitpunkt offen und ist es auch heute noch, denn der Kläger könnte – beispielsweise – die Halle vor oder nach der Sanierung verkaufen, ohne jemals dauerhafte Erträge zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erzielt zu haben. Dass bloße Fernziele bei der Verrichtung einer Tätigkeit diese schon wegen der Motivation des Versicherungsnehmers zu beruflichen (oder betrieblichen) Betätigungen machen, lässt sich den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen.

c.

Da die für die Abgrenzung der Risikobereiche relevanten Tatsachen nicht streitig sind und der Kläger als Versicherungsnehmer danach unzweifelhaft als von der Privathaftpflichtversicherung geschützte „Privatperson“ anzusehen ist, kommt es auf die Frage, ob der Formulierungsteil „nicht aus den Gefahren eines Betriebes oder Berufes“ in Ziff. I RBE dabei noch Teil der primären Risikobeschreibung ist und der Versicherungsnehmer daher beweisen muss, dass es nicht um ein berufliches Risiko geht (so OLG Köln, r+s 2016, 346; OLG Hamm, VersR 2012, 174; Schimikowski in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Aufl., BB PHV Muster-Bedingungsstruktur IX Rn. 5; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., MB PHV Abs. 1 Ziff. 1 Rn. 4; offen OLG Hamm, r+s 2016, 32) oder aber einen Risikoausschluss darstellt, den der Versicherer darlegen und beweisen muss (so OLG Oldenburg, VersR 2014, 1364; Littbarski in: MünchKomm-VVG 2. Auf., § 102 Rn. 13 f.; Schneider, VersR 2020, 667, 669; ders. in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 24 Rn. 98), nicht an. Allerdings hält der Senat das letztgenannte Verständnis der Bedingungen für vorzugswürdig, weil für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus der zitierten Formulierung eine ohne weiteres klare Beschränkung des Versicherungsschutzes auf sein zweifelsfrei privates und zugleich nachgewiesenermaßen nicht betriebliches oder berufliches Risiko nicht hinreichend deutlich werden dürfte. Vielmehr dürfte der Versicherungsnehmer aus dem Leistungsversprechen, Versicherungsschutz für alle Gefahren des täglichen Lebens zu genießen, die naheliegende Schlussfolgerung ziehen, die negative Aufzählung einzelner Tätigkeiten und Lebensbereiche stellten – in die Leistungsbeschreibung gekleidete – Ausnahmen von der Regel dar, wonach im Zweifel Deckungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung bestehen soll (OLG Oldenburg, VersR 2014, 1364; Schneider, VersR 2020, 667, 669; zu älteren Bedingungen auch BGH, Urteil vom 9. November 2011 – IV ZR 115/10, VersR 2012, 172 Rn. 13; Urteil vom 10. März 2003 – IV ZR 169/03, VersR 2004, 591). Indes gilt allgemein, dass der durchschnittliche VN nicht damit zu rechnen braucht, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389; Senat, Urteil vom 29. Juli 2020 – 5 U 2/20, VersR 2021, 168, 171).

2.

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versicherungsschutz ist auch fällig. Voraussetzung hierfür ist gemäß Nr. 1.1 AHB, dass der Kläger wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das (u. a.) einen Sachschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1961 – II ZR 10/59, BGHZ 36, 24, 29). Das ist hier der Fall, nachdem gegen den Kläger unstreitig von der Stadt D. wegen des Fällens dieser gehörender Bäume Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.

3.

Der Deckungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 103 VVG bzw. Ziff. 7.1 AHB ausgeschlossen, weil der Kläger vorsätzlich gehandelt hätte. Insoweit genügt zwar bedingt vorsätzliches Handeln des Versicherungsnehmers; indes muss sich der (bedingte) Vorsatz schon nach dem Wortlaut der Vorschrift auch auf die Herbeiführung des Schadens beziehen (Lücke in Prölss/Martin, VVG, § 103 Rn. 10 und AHB Ziff. 7 Rn. 5, jew. mwN.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 – IV ZR 163/97, VersR 1998, 1011 zu § 4 Abs. 1 Nr. 1 AHB a. F.). Einen entsprechenden Vorsatz des Klägers hat die für die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses darlegungs- und beweispflichtige (BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 – VI ZR 163/97, aaO; OLG Hamm, VersR 2019, 871) Beklagte schon nicht dargetan. Sie beruft sich insoweit auf einen vermeintlichen Erfahrungssatz, wonach jemand, der sich vor dem Fällen von Bäumen im Bereich der Grundstücksgrenze nicht über den Grenzverlauf kundig mache, billigend in Kauf nehme, auch Bäume zu fällen, die nicht auf seinem Grundstück stehen. Einen solchen Erfahrungssatz gibt es nicht, wie es überhaupt beim Vorsatz nicht angängig ist, mit Anscheinsbeweisen zu argumentieren, weil es insoweit kein durch die Lebenserfahrung gesichertes typisches Verhalten gibt (BGH, Urteil vom 4. Mai 1988 – IVa 278/86, VersR 1988, 683, Senat, Urteil vom 27. Mai 2009 – 5 U 481/08, zfs 2009, 699). Gegen einen auch nur bedingten Vorsatz des Klägers spricht mit Gewicht der von ihm behauptete Umstand, er habe einen Ortstermin mit der Stadt vereinbart um abzuklären, welche Bäume im Umfeld des Gebäudes gefällt werden dürfen. Das hat die Beklagte nicht widerlegt.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt gemäß § 48 GKG in Verb. mit § 3 ZPO 80 % der Schadenersatzforderung von 13.254,35 Euro, im Hinblick auf die der Kläger Versicherungsschutz begehrt (Senat, Urteil vom 29. Juli 2020 – 5 U 2/20, VersR 2021, 168; Urteil vom 8. Februar 2012 – 5 U 370/11, ZfS 2012, 458), also 10.603,48 Euro.

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