Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Gerichtsurteil klärt Ansprüche und Nachweisführung bei Unfallversicherungen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche medizinischen Nachweise benötigt man für die erfolgreiche Geltendmachung von Leistungen aus der privaten Unfallversicherung?
- Was bedeutet die Beweislast für Versicherte bei der Durchsetzung von Ansprüchen?
- Welche Rolle spielen bildgebende Verfahren beim Nachweis von Unfallfolgen?
- Wann sollte man einen spezialisierten Rechtsanwalt für Versicherungsrecht einschalten?
- Welche Fristen müssen bei der Meldung und Dokumentation von Unfallfolgen beachtet werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Regensburg
- Datum: 15.11.2023
- Aktenzeichen: 31 O 725/19
- Verfahrensart: Zivilverfahren bezüglich Ansprüchen aus privater Unfallversicherung
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine Servicemitarbeiterin bei der U. Bank AG in R., die Ansprüche aus zwei privaten Unfallversicherungen geltend macht. Sie behauptet, infolge eines Unfalls am 10.12.2013 ein Schädel-Hirn-Trauma mit dauerhaften Beeinträchtigungen erlitten zu haben.
- Beklagte: Eine Versicherungsgesellschaft, die die Ansprüche der Klägerin bestreitet. Sie argumentiert, dass die Klägerin keinen nachweislichen hirnorganischen Erstkörperschaden erlitten und die geltend gemachten Beeinträchtigungen psychosomatisch sind.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin fordert Invaliditätsleistungen und eine monatliche Rente aus zwei Unfallversicherungen wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die sie auf einen Unfall im Dezember 2013 zurückführt. Die Beklagte verweigert die Leistung und bestreitet die kausale Verbindung zwischen Unfall und den Gesundheitsproblemen.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob die Klägerin durch das Unfallereignis einen hirnorganischen Erstkörperschaden erlitt, der zu den geltend gemachten dauerhaften Beeinträchtigungen führte, und ob dafür Invaliditätsleistungen beansprucht werden können.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin es nicht beweisen konnte, dass der Unfall zu einer hirnorganischen Verletzung führte. Die Sachverständigengutachten konnten keine genaue Kausalität zwischen dem Unfall und den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen herstellen. Insbesondere konnte keine substantielle Hirnschädigung mittels bildgebender Verfahren sicher nachgewiesen werden.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit eines klaren kausalen Nachweises für Invaliditätsansprüche bei Unfallversicherungen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung. Der Streitwert beträgt 547.507,95 €.
Gerichtsurteil klärt Ansprüche und Nachweisführung bei Unfallversicherungen
Die private Unfallversicherung bietet finanziellen Schutz bei unerwarteten Unfällen und deren Folgen. Um einen Anspruch auf die vereinbarten Leistungen geltend zu machen, ist es entscheidend, einen Versicherungsfall nachzuweisen. Hierzu gehört die Dokumentation des Unfalls sowie der Nachweis der Unfallfolgen, was insbesondere bei psychischen Belastungen häufig übersehen wird. Eine sorgfältige Schadensmeldung und Beweissicherung sind unerlässlich, um Entschädigungszahlungen oder eine Unfallrente erfolgreich zu beantragen.
Im folgenden Abschnitt wird ein aktueller Gerichtsurteil beleuchtet, der wichtige Aspekte zur Nachweisführung und zu den Ansprüchen gegenüber der Unfallversicherung behandelt.
Der Fall vor Gericht
Unfallversicherung verweigert Leistung nach Schädel-Hirn-Trauma an Glastür

Eine ehemalige Bankmitarbeiterin ist vor dem Landgericht Regensburg mit ihrer Klage gegen eine Unfallversicherung gescheitert. Die Versicherung muss keine Invaliditätsleistungen aus zwei privaten Unfallversicherungen zahlen, da die Klägerin den Nachweis einer hirnorganischen Schädigung durch den Unfall nicht erbringen konnte.
Aufprall an Glastür mit schwerwiegenden Folgen
Die 1961 geborene Klägerin prallte im Dezember 2013 während ihrer Tätigkeit als Servicemitarbeiterin einer Bank in Regensburg mit dem Kopf gegen eine geschlossene Glastür. Sie erlitt eine nicht verschobene Nasenbeinfraktur, eine Nasenquetschung sowie eine Schädelprellung. In der Folge entwickelte die Frau erhebliche gesundheitliche Beschwerden: starke Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Sehprobleme und ein Schweregefühl im rechten Arm. Besonders beeinträchtigend waren für sie die kognitiven Defizite – sie konnte Gedanken nicht mehr zu Ende denken und nur noch kurze Texte lesen. Die Betroffene wurde später wegen voller Erwerbsminderung berentet.
Streit um Nachweis der Hirnschädigung
Die Klägerin forderte Invaliditätsleistungen aus zwei privaten Unfallversicherungen. Sie machte geltend, durch den Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma mit bleibenden Hirnschäden erlitten zu haben. Die Versicherung bestritt hingegen, dass ein hirnorganischer Erstschaden vorlag und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf den Unfall zurückzuführen seien.
Gericht folgt neuroradiologischem Gutachten
Ein gerichtlich bestellter Neuroradiologe kam nach Auswertung der MRT-Aufnahmen zu dem Schluss, dass die einzige festgestellte Auffälligkeit – eine Signalanhebung im linksfrontalen Marklager – nicht eindeutig als Unfallfolge einzuordnen sei. Er hielt eine nicht-traumatische Ursache für wahrscheinlicher. Das vom Gericht angewandte spezielle bildgebende DTI-Verfahren sei zudem nicht geeignet, mikrostrukturelle Schädigungen gerichtsfest nachzuweisen.
Beweislast nicht erfüllt
Das Landgericht wies die Klage ab. Nach den versicherungsvertraglichen Vereinbarungen musste die Klägerin mit dem Beweismaß des § 286 ZPO nachweisen, dass sie durch den Unfall eine Gesundheitsbeeinträchtigung im Sinne einer Erstverletzung und eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit erlitten hatte. Dieser Nachweis sei ihr nicht gelungen. Die von anderen Gutachtern gestellten Diagnosen eines organischen Psychosyndroms nach Schädel-Hirn-Trauma seien ohne den Nachweis einer hirnorganischen Schädigung durch ein bildgebendes Verfahren nicht haltbar.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die hohen Beweisanforderungen bei Invaliditätsansprüchen gegen private Unfallversicherungen. Versicherte müssen zwei wesentliche Aspekte nachweisen: Zum einen die unmittelbare Gesundheitsschädigung durch den Unfall (Erstverletzung) und zum anderen die daraus resultierende dauerhafte Beeinträchtigung. Während die Erstverletzung mit dem strengeren Beweismaß des § 286 ZPO nachzuweisen ist, genügt für den Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Dauerschaden der weniger strenge Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nach § 287 ZPO.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie nach einem Unfall Leistungen von Ihrer privaten Unfallversicherung beanspruchen möchten, müssen Sie besonders sorgfältig dokumentieren und nachweisen, dass der Unfall direkt zu einer Verletzung geführt hat. Lassen Sie sich unmittelbar nach dem Unfall ärztlich untersuchen und dokumentieren Sie alle Beschwerden detailliert. Für die dauerhafte Beeinträchtigung ist es wichtig, dass Sie regelmäßig einen Arzt aufsuchen und Ihre anhaltenden Beschwerden festhalten lassen. Achten Sie besonders auf die in Ihrem Vertrag genannten Fristen zur ärztlichen Feststellung und Geltendmachung der Ansprüche, da diese sonst verfallen können.
Der Nachweis eines unfallbedingten Dauerschadens und die Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber der Versicherung können eine komplexe Angelegenheit sein. Gerade bei Schädel-Hirn-Traumata ist eine detaillierte Dokumentation und medizinische Begutachtung entscheidend. Um Ihre Rechte optimal zu wahren und Fristen zu sichern, lohnt es sich, frühzeitig juristischen Rat einzuholen. Wir unterstützen Sie gerne bei der Prüfung Ihres individuellen Falls und der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche medizinischen Nachweise benötigt man für die erfolgreiche Geltendmachung von Leistungen aus der privaten Unfallversicherung?
Die erfolgreiche Geltendmachung von Leistungen aus der privaten Unfallversicherung erfordert eine schriftliche ärztliche Invaliditätsfeststellung, die innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall bei der Versicherung vorliegen muss.
Unmittelbare Dokumentation nach dem Unfall
Sie müssen unmittelbar nach dem Unfall einen Arzt aufsuchen, der den Gesundheitserstschaden dokumentiert. Diese Erstdokumentation ist entscheidend, da Sie für die ursprüngliche Unfallverletzung einen Vollbeweis erbringen müssen.
Inhalt der ärztlichen Feststellung
Die ärztliche Dokumentation muss folgende Elemente zwingend schriftlich enthalten:
- Das konkrete Unfallereignis mit Datum
- Die genaue Bezeichnung der Gesundheitsschäden
- Den Nachweis des Zusammenhangs zwischen Unfall und Gesundheitsschäden
- Eine Aussage zur Dauerhaftigkeit der Schäden
Formelle Anforderungen
Die Invaliditätsfeststellung muss von einem approbierten Arzt durchgeführt werden. Bescheinigungen von nicht-ärztlichen Therapeuten wie Neuropsychologen oder Physiotherapeuten werden nicht anerkannt. Bei speziellen Verletzungen kann die Versicherung die Begutachtung durch einen entsprechenden Facharzt verlangen.
Zeitliche Vorgaben
Die ärztliche Feststellung muss die Dauerhaftigkeit der Schädigung innerhalb der ersten 12 Monate nach dem Unfall bestätigen. Die schriftliche Dokumentation muss der Versicherung spätestens nach 15 Monaten vorliegen. Eine bloße Untersuchung innerhalb dieser Frist oder eine spätere Zeugenaussage des Arztes reichen nicht aus.
Was bedeutet die Beweislast für Versicherte bei der Durchsetzung von Ansprüchen?
Die Beweislast in der privaten Unfallversicherung folgt dem Grundprinzip des Zivilrechts: Sie müssen als Versicherungsnehmer alle Tatsachen beweisen, aus denen Sie Ihre Ansprüche herleiten.
Nachweis des Unfallgeschehens
Als Versicherungsnehmer müssen Sie einen Vollbeweis für den Unfall und die unmittelbaren Gesundheitsschäden erbringen. Dies bedeutet, Sie müssen nachweisen:
- Das konkrete Unfallereignis
- Die dadurch verursachte Gesundheitsschädigung
- Die Dauerhaftigkeit der Schädigung
Anforderungen an die Kausalität
Für den Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschäden gelten unterschiedliche Beweismaßstäbe:
Für die unmittelbare Unfallverletzung gilt der strenge Beweismaßstab nach § 286 ZPO. Für die Spätfolgen reicht hingegen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nach § 287 ZPO aus.
Besondere Fallkonstellationen
Wenn mehrere Ursachen für einen Gesundheitsschaden in Frage kommen, müssen Sie den unfallbedingten Zusammenhang nachweisen. Ein typisches Beispiel: Wenn Sie nach einem Sturz eine Gehirnblutung erleiden, müssen Sie beweisen, dass der Sturz die Ursache der Blutung war und nicht umgekehrt die Blutung zum Sturz geführt hat.
Der Versicherer trägt seinerseits die Beweislast, wenn er sich auf Ausschlussgründe beruft. Macht die Versicherung etwa geltend, dass Vorerkrankungen mitgewirkt haben, muss sie dies beweisen.
Welche Rolle spielen bildgebende Verfahren beim Nachweis von Unfallfolgen?
Bildgebende Verfahren sind entscheidende Beweismittel beim Nachweis von Unfallfolgen in der privaten Unfallversicherung. Sie liefern objektive Befunde, die für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und Gesundheitsschaden von großer Bedeutung sind.
Arten bildgebender Verfahren und ihre Aussagekraft
Verschiedene bildgebende Verfahren kommen beim Nachweis von Unfallfolgen zum Einsatz:
- Röntgenaufnahmen: Sie eignen sich besonders gut zur Darstellung von Knochenbrüchen und -verletzungen. Wenn Sie einen Unfall erleiden, bei dem Sie sich möglicherweise einen Knochenbruch zugezogen haben, wird in der Regel zuerst eine Röntgenaufnahme angefertigt.
- Computertomographie (CT): Dieses Verfahren liefert detaillierte Schnittbilder des Körpers und ist besonders hilfreich bei der Beurteilung komplexer Frakturen oder zur Planung chirurgischer Eingriffe. Bei einem schweren Unfall mit Verdacht auf innere Verletzungen wird häufig ein CT durchgeführt.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist besonders wertvoll bei der Beurteilung von Weichteilstrukturen wie Bändern, Sehnen und Knorpel. Wenn Sie nach einem Unfall anhaltende Schmerzen in einem Gelenk haben, kann ein MRT Aufschluss über mögliche Verletzungen geben, die im Röntgenbild nicht sichtbar sind.
- Ultraschall: Dieses Verfahren eignet sich gut zur Untersuchung von Weichteilen und kann in Echtzeit durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Muskelverletzungen oder Sehnenrisse nach einem Unfall kann eine Ultraschalluntersuchung schnell Klarheit bringen.
Rechtliche Anerkennung und Beweiskraft
Bildgebende Verfahren haben vor Gericht eine hohe Beweiskraft, da sie objektive Befunde liefern. Allerdings müssen sie im Kontext der gesamten medizinischen Dokumentation betrachtet werden. Ein einzelnes Bild reicht in der Regel nicht aus, um einen Kausalzusammenhang zu beweisen.
Grenzen bildgebender Verfahren
Trotz ihrer Bedeutung haben bildgebende Verfahren auch Grenzen:
- Zeitpunkt der Untersuchung: Bildgebende Verfahren, die erst lange nach dem Unfall durchgeführt werden, haben eine geringere Beweiskraft. Wenn Sie einen Unfall erleiden, ist es daher wichtig, zeitnah eine ärztliche Untersuchung mit entsprechender Bildgebung durchführen zu lassen.
- Interpretation: Die Deutung der Bilder erfordert Fachwissen. Unterschiedliche Ärzte können zu abweichenden Einschätzungen kommen. In Streitfällen kann ein unabhängiges Gutachten erforderlich sein.
- Nachweis von Schmerzen: Bildgebende Verfahren können nicht alle Beschwerden nachweisen. Schmerzen sind oft subjektiv und lassen sich nicht immer durch Bilder belegen.
Bedeutung für Ihre Beweisführung
Wenn Sie nach einem Unfall Leistungen aus Ihrer privaten Unfallversicherung beanspruchen möchten, sollten Sie auf eine umfassende bildgebende Diagnostik bestehen. Bewahren Sie alle Aufnahmen und Befunde sorgfältig auf. Diese Dokumente können entscheidend sein, um den Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und Ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzuweisen und Ihren Anspruch auf Versicherungsleistungen zu untermauern.
Wann sollte man einen spezialisierten Rechtsanwalt für Versicherungsrecht einschalten?
Zeitpunkt der Kontaktaufnahme
Bei den ersten Anzeichen von Problemen mit der Versicherung ist schnelles Handeln geboten. Insbesondere wenn die Versicherung die Kostenübernahme verweigert oder Leistungen kürzen möchte, sollten Sie nicht zu lange warten. Die Einhaltung von Fristen ist im Versicherungsrecht besonders wichtig, da verspätete Meldungen zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können.
Typische Situationen
Ein spezialisierter Rechtsbeistand ist besonders relevant bei:
- Komplexen Schadensfällen mit unklarer Ursache oder mehreren Beteiligten
- Streitigkeiten über die Schadenshöhe oder den Umfang der Versicherungsleistung
- Ablehnung von Versicherungsleistungen trotz berechtigter Ansprüche
- Unklaren Formulierungen in Versicherungsbedingungen oder Verträgen
Vorteile frühzeitiger Unterstützung
Die fachliche Expertise ermöglicht eine präzise Einschätzung der Erfolgsaussichten. Durch jahrelange Erfahrung mit Versicherungsunternehmen können Ansprüche effektiver durchgesetzt werden. Eine professionelle Vertretung steigert die Chancen auf eine außergerichtliche Einigung und kann langwierige Gerichtsverfahren vermeiden.
Besonderheiten bei Unfallversicherungen
Bei Unfallversicherungen ist die unverzügliche Meldung des Unfalls besonders wichtig. Die Invalidität muss innerhalb eines Jahres nach dem Unfall auftreten und zeitnah von einem Arzt festgestellt werden. Geschönte Angaben zum Unfallhergang oder verschwiegene Vorerkrankungen können zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.
Welche Fristen müssen bei der Meldung und Dokumentation von Unfallfolgen beachtet werden?
Bei der privaten Unfallversicherung müssen Sie mehrere wichtige Fristen einhalten, um Ihre Ansprüche zu sichern. Die grundlegenden Meldefristen unterscheiden sich je nach Art des Schadens:
Unverzügliche Meldepflicht
Nach einem Unfall müssen Sie diesen unverzüglich und ohne schuldhaftes Zögern dem Versicherer melden. Dies bedeutet, Sie sollten den Unfall so schnell wie möglich melden und dabei ausreichend Informationen über den Unfallhergang bereitstellen.
Fristen bei Invalidität
Bei einer Invalidität gelten besonders wichtige Zeitvorgaben:
Die Invalidität selbst muss innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten sein. Einige Versicherungsverträge sehen auch verlängerte Fristen von 24 bis 36 Monaten vor.
Die ärztliche Feststellung der Invalidität muss ebenfalls innerhalb der 15-Monatsfrist erfolgen. Diese Frist ist besonders kritisch, da bei Versäumnis der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit werden kann.
Die Geltendmachung der Invaliditätsansprüche muss innerhalb derselben 15-Monatsfrist beim Versicherer erfolgen. Eine bloße Unfallmeldung reicht hierfür nicht aus.
Besondere Fristen bei Todesfall
Bei einem Unfalltod gelten deutlich kürzere Fristen:
- Die Meldung muss innerhalb von 48 Stunden erfolgen.
- Diese kurze Frist ist notwendig, damit der Versicherer die Todesursache durch eine Obduktion überprüfen kann.
Dokumentationspflichten
Für eine erfolgreiche Geltendmachung Ihrer Ansprüche sollten Sie:
- Direkt nach dem Unfall einen Arzt aufsuchen
- Den Unfall unverzüglich dem Versicherer melden
- Alle ärztlichen Unterlagen und Befunde sorgfältig aufbewahren
- Die Schadensanzeige zeitnah und vollständig ausfüllen
Der Versicherer muss Sie auf diese Fristen in Textform hinweisen. Erfolgt kein solcher Hinweis, kann sich der Versicherer nicht auf eine Fristversäumnis berufen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beweismaß des § 286 ZPO
Der § 286 ZPO legt fest, wie sicher ein Richter von einer Tatsache überzeugt sein muss, um sie als bewiesen anzusehen. Es reicht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit – eine absolute, zweifelsfreie Gewissheit ist nicht erforderlich. Der Richter muss nach seiner freien Überzeugung entscheiden, ob eine Behauptung als wahr oder unwahr einzustufen ist. Dabei spielt die Würdigung aller vorliegenden Beweise eine zentrale Rolle. Ein Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall muss nicht zu 100% bewiesen werden, dass der Beklagte zu schnell fuhr – es reicht, wenn das Gericht nach Prüfung aller Indizien davon überzeugt ist.
Hirnorganische Schädigung
Eine nachweisbare Verletzung oder Veränderung der Hirnsubstanz, die durch äußere Einwirkungen wie Unfälle oder Krankheiten verursacht wird. Diese Schädigungen können mittels bildgebender Verfahren (CT, MRT) festgestellt werden und müssen von rein funktionellen Störungen ohne erkennbare organische Ursache unterschieden werden. Die Diagnose ist besonders wichtig für Versicherungsansprüche, da nur eindeutig nachweisbare organische Schäden als Unfallfolgen anerkannt werden. Ein klassisches Beispiel ist eine durch einen Sturz verursachte Hirnblutung.
Nasenbeinfraktur
Ein Bruch des Nasenbeins, der häufig durch direkte Gewalteinwirkung auf die Nase entsteht. Bei einer „nicht verschobenen“ Fraktur bleiben die Bruchstücke in ihrer normalen anatomischen Position. Die Diagnose erfolgt durch klinische Untersuchung und Röntgenaufnahmen. Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad – bei nicht verschobenen Frakturen ist oft eine konservative Therapie ausreichend. Relevant im Versicherungsrecht für die Bewertung der Verletzungsschwere und möglicher Folgeschäden. Geregelt in der Gliedertaxe vieler Unfallversicherungen.
Signalanhebung im Marklager
Eine in der Magnetresonanztomographie (MRT) sichtbare Veränderung im weißen Hirngewebe (Marklager). Diese Auffälligkeit kann verschiedene Ursachen haben – von altersbedingten Veränderungen bis zu Verletzungsfolgen. Für Versicherungsfälle ist die Ursache der Veränderung entscheidend. Gemäß medizinischer Fachliteratur muss für die Anerkennung als Unfallfolge ein eindeutiger zeitlicher und kausaler Zusammenhang mit dem Unfallereignis nachweisbar sein. Die bloße Existenz einer Signalanhebung reicht als Beweis nicht aus.
Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma
Ein Komplex von psychischen und neurologischen Symptomen, der nach einer Kopfverletzung auftreten kann. Typische Beschwerden sind Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel und Stimmungsschwankungen. Für die Anerkennung als Versicherungsfall nach § 178 VVG muss ein kausaler Zusammenhang zwischen Unfall und Symptomen nachgewiesen werden. Die Diagnose erfordert sowohl neurologische als auch psychologische Untersuchungen. Beispiel: Gedächtnisstörungen nach einem Fahrradsturz mit Kopfverletzung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 286 ZPO (Beweismaß für Tatsachenfeststellung):
Nach § 286 ZPO ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, den Nachweis einer Gesundheitsbeeinträchtigung und ihrer Dauerhaftigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu führen. Dies gilt insbesondere für die Erstverletzung und die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit.
Im vorliegenden Fall war die Klägerin verpflichtet, die dauerhaften Schäden und deren Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 10.12.2013 zu beweisen, was ihr nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend gelang. - § 287 ZPO (Beweiserleichterung bei Schadenshöhe und Kausalität):
Bei der Kausalitätsprüfung nach § 287 ZPO reicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit aus. Dies betrifft insbesondere die Ursächlichkeit der behaupteten Erstverletzung für die geltend gemachten dauerhaften Schäden.
Im Fall wurde geprüft, ob das Schädel-Hirn-Trauma mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die kognitiven und physischen Beeinträchtigungen der Klägerin verantwortlich ist. Das Gericht verneinte dies auf Grundlage der vorgelegten Gutachten. - § 1 AUB 99 (Voraussetzungen für Invaliditätsleistungen):
Gemäß den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 99) liegt ein Anspruch auf Invaliditätsleistung nur vor, wenn die dauerhafte Beeinträchtigung innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintritt und innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt sowie beim Versicherer gemeldet wird.
Die Klägerin konnte nach Ansicht des Gerichts nicht nachweisen, dass die geltend gemachten Schäden innerhalb der vertraglich vorgegebenen Fristen ausreichend ärztlich dokumentiert und beim Versicherer geltend gemacht wurden. - § 7 AUB 88 (Nachweispflichten bei Invalidität):
Die Bedingungen nach AUB 88 verlangen ebenfalls, dass die Invalidität spätestens innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintritt und ärztlich bestätigt wird. Zudem ist eine Frist von drei Monaten für die Geltendmachung einzuhalten.
Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin auch diesen Anforderungen nicht gerecht wurde, da die Symptome nicht rechtzeitig und ausreichend nach den Anforderungen der Versicherungsbedingungen nachgewiesen wurden. - § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht):
Der Grundsatz der Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB könnte ergänzend für Ansprüche herangezogen werden, wenn nachgewiesen wird, dass ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten vorliegt, etwa durch Verletzung von Informationspflichten.
Im konkreten Fall sah das Gericht keinen Grund zur Annahme, dass die Beklagte eine Pflichtverletzung begangen hat, da die Ansprüche auf Grundlage der vertraglichen Bedingungen und des Beweisrechts geprüft wurden.
Das vorliegende Urteil
LG Regensburg – Az.: 31 O 725/19 – Endurteil vom 15.11.2023
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