Skip to content

Private Unfallversicherung – Anhörung eines Privatgutachters von Amts wegen

OLG Koblenz – Az.: 10 U 716/11 – Urteil vom 02.03.2012

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 18. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung.

Zwischen den Parteien besteht ein Unfallversicherungsvertrag, den der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der N Versicherungsgruppe, abgeschlossen hatte. Die Grundsumme betrug 70.000 €; es war weiterhin eine Unfallrente von monatlich 1.740 € ab 50 % Invalidität versichert.

Der Kläger macht Ansprüche aus einem Unfall vom 19.5.2007 geltend, bei welchem er beim Rasenmähen in seinem Garten bestürzt und auf den linken Arm gefallen sei. In fachärztlichen Bescheinigungen zur privaten Unfallversicherung des Unfallchirurgen Dr. med. A. vom 8.6.2007 und 15.11.2007 sind eine dorsale Schulterluxation links, eine traumatische Rotatorenmanschettenläsion und eine Armplexusläsion links attestiert. In einem unfallchirurgischen Gutachten vom 27.12.2008 schätzte der Gutachter Dr. B. die Funktionsbeeinträchtigung des linken Arms auf 4/10 Armwert.

Die Beklagte zahlte an den Kläger zunächst 5.000 € und sodann nach Aufforderung durch den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers für die Beeinträchtigung des linken Arms weitere 14.600 €.

Gestützt auf eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. C. vom 25.11.2009 hat der Kläger mit Schreiben vom 15.12.2009 von der Beklagten 46.450 € und eine monatliche Rente in Höhe von 1.740 € ab Mai 2007 gefordert.

Der Kläger hat vorgetragen: Anlässlich des Unfalls vom 18.5.2007 habe er ohne Mitwirkung von Vorerkrankungen im Bereich des linken und des rechten Arms so schwere Schäden erlitten, dass ihm Ansprüche sowohl auf Auszahlung einer – weiteren – Teilinvaliditätsentschädigung als auch auf Zahlung einer monatlichen Unfallrente zustünden. Die bereits etwa zehn Monate nach dem Unfall eingetretene Teilinvalidität des rechten Arms sei, wie von Dr. C. bereits unter dem 4.5.2009 bescheinigt und in dessen Stellungnahme vom 21.3.2011 nochmals bestätigt, Folge einer Überbeanspruchung aufgrund der Schädigung des linken Arms. Hinsichtlich des linken Arms liege eine Beeinträchtigung von 8/10, hinsichtlich des rechten Arms eine solche von 5/20 vor, woraus sich ein Armwert von 1,025 errechnet, der multipliziert mit 70 eine Invalidität von 73,5 % ergebe. Hieraus folge bei einer Grundrente von 70.000,01 € ein Zahlungsanspruch von 51.450 €, der nach Abzug der gezahlten 19.600 € noch in Höhe von 31.850 € bestehe. Da der Invaliditätsgrad 50 % übersteige, stehe ihm ab Mai 2007 eine monatliche Rente in Höhe von 1.740 € zu, für die bis zur Klageerhebung vergangenen 34 Monate mithin 59.160 €, unter Einbeziehung weiterer 13 Monate (bis März 2011) 81.780 €.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 113.630 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. an ihn monatlich eine Unfallrente in Höhe von 1.740 €, im Voraus erstmals ab 1.4.2011, zahlbar bis zum 5. eines jeden Monats, zu zahlen;

3. an ihn 2.303,25 € Anwaltsvergütung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Sie bestreite den Unfallhergang, da der Kläger unterschiedliche Darstellungen abgegeben habe. Mit der erfolgten Abrechnung auf der Basis einer 4/10 Beeinträchtigung des linken Arms sei der Kläger mehr als hinreichend abgefunden. Der jetzt geklagte Schaden beruhe zu mindestens 10 % auf dem bereits im Jahre 2005 attestierten Schulter-Arm-Syndrom. Der Kläger sei – unstreitig – nicht auf den rechten Arm gefallen und dort auch in keiner Weise unfallbedingt beeinträchtigt. Zudem seien die Voraussetzungen der Ziffer 2.1.1.1 AUB 2000 nicht erfüllt, denn die auf den rechten Arm bezogene Invalidität sei nicht innerhalb eines Jahres eingetreten sowie nicht innerhalb von 15 bzw. 18 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von dem Kläger geltend gemacht worden.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage in Höhe von 4.900 € abgewiesen. Gegen die Teilabweisung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger trägt vor: Die Bewertung der Beeinträchtigung seines – unstreitig – durch den Unfall betroffenen linken Arms durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. D. sei nicht zutreffend. Bezüglich des linken Arms sei in Anbetracht der multiplen funktionalen Beeinträchtigungen auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet von 8/10 Armwert auszugehen. Auch sei die Einschränkung der Invalidität durch Berücksichtigung eines Vorschadens nicht zutreffend. Fehlerhaft sei auch, dass der Sachverständige die Veränderungen im rechten Schultergelenk ausschließlich für das Ergebnis degenerativer Prozesse, die weder unmittelbar noch mittelbar zu den Unfallfolgen in Beziehung stünden, halte. Die in dem MRT vom 28.4.2009 festgestellten massiven Schädigungen könnten nur dann eingetreten sein, wenn die geringfügig vorgeschädigte rechte Schulter durch Ausfall der linken Schulter heftig überlastet werden. Diesen Umstand habe der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. keine Bedeutung beigemessen. Seine sachverständigen Feststellungen seien insoweit fehlerhaft. Der derzeitige Zustand der rechten Schulter müsse als Folge von Überlastung durch Ausfall des linken Arms gesehen werden. Eine wissenschaftliche Dokumentation älterer vorgeschädigte Patienten liege nicht vor und könne somit auch nicht zum Gegenbeweis angeführt werden.

Der Kläger rügt, dass das Landgericht seinen Privatgutachter Dr. C. nicht als sachverständigen Zeugen zugeladen habe, und benennt diesen weiterhin als sachverständigen Zeugen. Des Weiteren macht der umfängliche Ausführungen dazu, dass das Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. D. fehlerhaft sei, und beantragt die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den Schlussanträgen des Klägers erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil zutreffend sei und macht geltend, die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung sei nicht zu beanstanden und könne im Berufungsverfahren nur ganz eingeschränkt überprüft werden. Die Bemessungen des gesetzlichen Versicherers hinsichtlich der Invalidität seien für die private Unfallversicherung unbeachtlich. Die Ausführungen des Dr. C. seien durch den gerichtlichen Gutachter berücksichtigt worden. Die Behauptung, die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. seien fehlerhaft, sei nicht begründet. Der gesamte Vortrag des Klägers bleibe im Übrigen bestritten.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Hinsichtlich der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Es wird weiterhin Bezug genommen auf das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. vom 28.9.2010 sowie auf dessen mündliche Erläuterung in der Verhandlung vom 30.3.2011.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger hat den Nachweis nicht erbracht, dass bei ihm insgesamt eine Invalidität in einer Höhe vorliegt, welche die von ihm gestellten weitergehenden Leistungsanträge begründen könnte.

Zutreffend ist das Landgericht aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gekommen, dass die bei dem Kläger vorliegende unfallbedingte Beeinträchtigung nur mit 5/10 Armwert zu bewerten ist, so dass ihm unter Berücksichtigung der von der Beklagten bereits geleisteten Zahlungen noch ein restlicher Anspruch von 4.900 € zusteht. Zutreffend hat das Landgericht weiterhin die Voraussetzungen für eine Rentenzahlung verneint, da die unfallbedingte Gesamtinvalidität des Klägers deutlich unter 50 % liege.

Auch der Senat geht bei seiner Würdigung des vorliegenden Sachverhalts von dem Gutachten des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen Professor Dr. D. nebst dessen Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht aus. Das Gutachten ist umfassend und berücksichtigt alle bezüglich des Klägers eingeholten ärztlichen Befunde und Stellungnahmen. Es ist auch für den Laien nachvollziehbar und in seinen Wertungen verständlich. An der Sachkunde des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. bestehen keine Zweifel.

Die Ausführungen des Dr. C., der für den Kläger als dessen Privatsachverständiger ärztliche Stellungnahmen abgegeben hat, sind nicht geeignet, die Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Es kam weder erstinstanzlich in Betracht noch ist es im Berufungsverfahren geboten, den Dr. C. als sachverständigen Zeugen gemäß den Beweisanträgen des Klägers zu vernehmen.

Auch kommt die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens und insbesondere auch die Bestellung der insoweit vom Kläger gewünschten Sachverständigen nicht in Betracht, da die Voraussetzungen gemäß § 412 ZPO für die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens nicht vorliegen.

Nach neuem Berufungsrecht ist das Berufungsgericht grundsätzlich nicht mehr vollumfängliche zweite Tatsacheninstanz. Vielmehr ist hinsichtlich der erstinstanzlich, auch aufgrund einer Beweiserhebung, getroffenen Feststellungen die Überprüfung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich darauf beschränkt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nur insoweit überprüfbar, als konkrete Anhaltspunkte erkennbar sind, insbesondere mit der Berufung schlüssig aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen dergestalt begründen, dass sich eine erneute Beweisaufnahme zur Ausräumung dieser Zweifel gebietet.

Vorliegend sind keine Fehler des Landgerichts bei der erfolgten Würdigung der erhobenen Beweise erkennbar. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist umfassend, in sich nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt weder gegen Denk-, Natur- noch Erfahrungssätze und ist insgesamt auch nach der eigenen Würdigung des Senats in der Sache zutreffend.

Die ärztlichen Stellungnahmen des Dr. C. sind nicht geeignet, die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. in Zweifel zu ziehen oder gar zu widerlegen und als fehlerhaft erscheinen zu lassen. Von Dr. C. befinden sich insgesamt 3 ärztliche Stellungnahmen bei der Akte, und zwar die Bescheinigung zur Vorlage bei der Unfallversicherung vom 4.5.2009 und eine weitere Stellungnahme mit einem ausführlichen Untersuchungsbericht zur Vorlage bei der Beklagten vom 25.11.2009, welche beide vom Kläger mit der Klageschrift überreicht wurden (Anlagen A5 und A 15). Weiterhin gibt es nach Erstattung des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen eine weitere Stellungnahme zur Vorlage bei der Beklagten vom 21.3.2011 (Bl. 107 ff. d. A.). Es findet sich in allen drei Stellungnahmen insoweit lediglich mit jeweils geringfügig abweichendem Wortlaut die Behauptung, dass eine Mehrbelastung des rechten Arms mit entsprechender Beeinträchtigung, die sich daraus ergebe, dass der linke Arm unfallbedingt nicht mehr eingesetzt werden könne, als Folgeschaden des Unfalls anzusehen sei. Eine Begründung für diese Auffassung, die der Sachverständige Professor Dr. Dr. D. anhand der wissenschaftlichen Literatur mit ausführlicher Begründung widerlegt hat, wird nicht gegeben. Auch werden keine Ausführungen dazu gemacht, welche besonderen Belastungen den Kläger treffen, die er früher mit dem linken Arm ausgeführt hat und nunmehr mit dem rechten ausführen muss. Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen des Dr. C. entsprechen nicht den Anforderungen, die an ein wissenschaftliches Gutachten zu stellen sind – insbesondere soweit seine Ausführungen bezüglich des rechten Arms in Rede stehen – und stellen lediglich bloße Meinungsäußerungen dar, wobei die Meinung mangels Begründung nicht nachvollziehbar ist.

Der Sachverständige Professor Dr. Dr. D. ist sowohl in seinem Gutachten als auch bei seiner Anhörung vor dem Landgericht auf die Stellungnahmen des Dr. C. eingegangen und hat diese ausführlich widerlegt. Seine Darlegungen, dass die Einschätzungen des Dr. C. nicht orthopädischen-unfallchirurgischen und neurologischen Erfahrungswerten entsprächen und auch nicht den in der entsprechenden Literatur angegebenen Mitteilungen, sind aufgrund seines ausführlich begründeten Gutachtens einerseits und den lapidaren Behauptungen des Dr. C., die in keiner Weise begründet oder wissenschaftlich untermauert sind, nachvollziehbar und verständlich.

Eine Vernehmung des Dr. C. als sachverständigen Zeugen gemäß § 414 ZPO war weder vor dem Landgericht geboten noch kommt sie für den Senat in Betracht. Der sachverständige Zeuge soll Tatsachen oder Zustände bekunden, für deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich ist. Nicht in den Aussagebereich des sachverständigen Zeugen gehören von ihm gezogene Schlussfolgerungen oder Wertungen. Diese sind dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorbehalten. Der Kläger erstrebt mit der Benennung des Dr. C. als sachverständigen Zeugen nicht die Einführung besonderer Befunde, die dieser erhoben hat, sondern Ausführungen dazu, dass die von diesem getroffenen Wertungen zutreffend und die des gerichtlich bestellten Sachverständigen falsch seien. Dies sind jedoch keine Fragen, die ein Zeuge beantworten kann, da es sich nicht um die Mitteilungen von Tatsachen handelt. Es stellt damit keinen Verfahrensfehler dar, dass das Landgericht es unterlassen hat, den Dr. C. als sachverständigen Zeugen zu laden.

Auch ist nicht – entsprechend den Anträgen des Klägers in der Berufungsbegründung – ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung anordnen, wenn es das eingeholte Gutachten für ungenügend erachtet. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. behandelt alle sich aus dem vorliegenden Sachverhalt ergebenden Fragen umfassend, verständlich und nachvollziehbar mit ausgiebiger wissenschaftlicher Begründung. Es lässt keine Fragen offen. Die vom Kläger hiergegen vor gebrachten Einwendungen sind in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Soweit der Kläger im Einzelnen die Ausführungen des Sachverständigen bestreitet, ist dies unbeachtlich, da die aufgrund der Sachkunde des Sachverständigen gemachten fachlichen Ausführungen einem bloßen Bestreiten durch den Kläger nicht zugänglich sind. Der Kläger müsste schon – wenn auch mit laienhafter Vereinfachung – darlegen, aus welchen Gründen er die Ausführungen des Sachverständigen für fehlerhaft hält. Soweit er sich hierfür erstinstanzlich die ärztliche Stellungnahme des Dr. C. eingeholt hat, ist diese – wie bereits ausgeführt – zur Widerlegung des Sachverständigengutachtens ungeeignet. Soweit er ansonsten behauptet, die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. seien fehlerhaft, und zum Beweis hierfür die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Entscheidend für die Einholung eines neuen Gutachtens ist der Umstand, ob das Gericht das Gutachten für unbrauchbar hält. Die nicht weiter substantiierten Behauptungen einer Partei, deren Rechtsposition durch das Gutachten nicht gestützt wird, das Gutachten sei fehlerhaft, ist kein Kriterium für die Einholung eines neuen Gutachtens. Im Übrigen ist die Frage, ob ein Gutachten fehlerhaft ist oder nicht, auch nicht einer Beweisaufnahme durch ein weiteres Gutachten zugänglich. Ein weiteres Gutachten kann nur dann eingeholt werden, wenn das vorliegende erste Gutachten nach der Überzeugung des Gerichts die dem Sachverständigen gestellten Fragen nicht hinreichend beantwortet, wenn es erkennbare Fehler enthält, wenn es nicht nachvollziehbar oder in sich widersprüchlich ist. Diese Mängel sind bei dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. nicht gegeben.

Eine Ladung des Dr. C. als Sachverständiger kam und kommt ohnehin nicht in Betracht. Bei vorgelegten Privatgutachten handelt es sich um qualifizierten substantiierten Parteivortrag. Keine Partei kann deshalb verlangen, dass der Privatgutachter in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit erhält, sein Gutachten zu erläutern, oder dass sie Gelegenheit erhält an den Privatsachverständigen Fragen zu richten (MünchKommZPO/Zimmermann, 3. Aufl. § 402 Rdn.9). Allerdings steht es der Partei offen, ihren Privatgutachter zu ihrer Unterstützung in die mündliche Verhandlung mitzubringen und sich von ihm etwaige Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen vorformulieren zu lassen. Auch kann das Gericht dem zur Unterstützung der Partei anwesenden privaten Sachverständigen gestatten, selbst Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen. Auf diese Möglichkeit hatte das Landgericht den Kläger hingewiesen und ihm anheimgestellt, ob er selbst den Privatgutachter Dr. C. zu mündlichen Verhandlung mitbringen will. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

Der Bestellung eines privat für eine Partei tätig gewesenen Gutachters zum Sachverständigen stünde zudem schon entgegen, dass diese seine Vortätigkeit zwangsläufig als Beeinträchtigung der gebotenen Neutralität einzustufen ist und ihn schon deshalb von gerichtlicher Bestellung ausschließt.

Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs es bei Unklarheiten aufgrund von Widersprüchen zwischen gutachterlichen Äußerungen eines gerichtlichen Sachverständigen und solchen eines Privatgutachters geboten ist, eine Ausräumung dieser Unklarheiten durch Anhörung und gegebenenfalls Gegenüberstellung des Gerichtssachverständigen und des Privatgutachters zu versuchen, äußerstenfalls auch ein neues gerichtliches Gutachten eines anderen Sachverständigen anzuordnen (vgl. BGH – IV ZR 190/08 -, VersR 2011 S. 552 m. w. Nachw.) kann der Senat, wie dargelegt, mit dem Landgericht vorliegend derartige Unklarheiten nicht feststellen. Zudem sieht er nicht, wie eine „Anhörung“ und „Gegenüberstellung“ des Privatgutachters D. als in der vorliegend dem Kläger angebotenen Weise bewerkstelligt werden kann, den Gutachter von sich aus im Termin zu stellen, wovon er keinen Gebrauch gemacht hat.

Im Übrigen ist festzustellen, dass bezüglich des rechten Arms – unabhängig von der medizinischen Frage, ob aufgrund einer Überbeanspruchung dieses Arms die vom Kläger hier beklagten Beschwerden auf den Unfall zurückgeführt werden können – schon die formalen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Gemäß 2.1.1 AUB 2000, deren Geltung zwischen den Parteien vereinbart sind, ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistungen aus der Unfallversicherung zum einen, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität), und dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten (bzw. 18) nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer beim Versicherer (der Beklagten) geltend gemacht worden ist. Dabei müssen sich die ärztlichen Feststellungen und die Geltendmachung auf die Symptome und Beschwerden beziehen, auf die als Unfallfolgen die Invalidität gestützt werden soll. Wenn – wie vorliegend – unfallbedingte Beeinträchtigungen unterschiedlicher Gliedmaßen behauptet werden, müssen die formellen Voraussetzungen der Invaliditätsfeststellung bezüglich jedes Körperteils erfüllt sein. Das ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers hinsichtlich des rechten Arms nicht der Fall. Der Unfall, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet, ereignete sich am 18.5.2007. Die Jahresfrist war damit am 18.5.2008 abgelaufen und die Frist von 15 Monaten zur ärztlichen Feststellung sowie Geltendmachung der Invalidität am 18.8.2008, die von 18 Monaten am 18.11.2008. Wann die Beeinträchtigung des rechten Arms eingetreten ist, d.h. innerhalb der Jahresfrist oder nach Ablauf eines Jahres lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht konkret entnehmen. Jedenfalls hat er sich bereits in der Klageschrift darauf berufen, dass die Teilinvalidität des rechten Arms durch das ärztliche Attest des Dr. C. vom 4.5.2009 festgestellt und der Beklagten mit Schreiben vom 12.5.2009 mitgeteilt worden sei. Damit ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass bezüglich des rechten Arms die Leistungsvoraussetzungen schon deshalb nicht gegeben sind, weil weder die ärztliche Feststellung noch die Geltendmachung der Teilinvalidität des rechten Arms fristgerecht erfolgt sind. Hierauf hat auch die Beklagte mehrfach hingewiesen.

Zutreffend hat das Landgericht damit die Klage abgewiesen soweit sie den dem Kläger noch zuerkannte Betrag von 4.900 € überstiegen hat. Nicht zu beanstanden ist auch die Entscheidung bezüglich der Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 159.190 € (Einmalbetrag: 26.950 = 31.850 € ./. erstinstanzlich zuerkannter 4.900 €; Rente: Rückstände Mai 2007 bis Einreichung der Klage Februar 2010: 34 Monate à 1.740 € = 59.160 €; laufende Rente: 42 Monate à 1.740 € = 73.080 €) festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!