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Private Krankenversicherung – Notwendigkeit einer Aknebehandlung

AG Frankfurt, Az.: 31 C 1923/15 (39), Urteil vom 13.10.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.214,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16.06.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag miteinander verbunden und streiten um die Erstattung von Aufwendungen für eine stationäre Heilbehandlung sowie für Arzneimittel.

Der Kläger ist bei der Beklagten im Tarif VC, Tarifstufe 2 privat krankenversichert. Auf die Inhalte der besonderen Tarifbedingungen (Bl. 8ff. d.A.) und der diesen zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Teil I (MB/KK 09) (Bl. 44ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Private Krankenversicherung – Notwendigkeit einer Aknebehandlung
Symbolfoto: ViktoriaNov44/Bigstock

Der Kläger leidet seit der Pubertät an Akneveränderungen u.a. im Gesicht, welche im Jahre 2009 zunahmen und einen schweren Verlauf aufwiesen. Er suchte verschiedene Hautärzte auf und unterzog sich einer Vielzahl ambulanter Heilbehandlungen, die erfolglos blieben. Im Jahr 2014 verschlimmerte sich die Akneerkrankung weiter. An den Wangen kam es zu 5-6 mm tiefen und reiskorn- bis erbsenkorngroßen nässenden Abszessen, aus denen Blut und Eiter tropfte. Er war mehrere Wochen arbeitsunfähig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Arztberichte Bezug genommen (Bl. 13ff. und 16ff. d.A.). Die Erkrankung nahm seine Hausärztin zum Anlass, ihn zur stationären Heilbehandlung in die Spezialklinik XXX einzuweisen. In der Einweisung vom XX.XX.2014 wurde als Diagnose eine ambulant therapieresistente Akne des Gesichts mit rezidierenden tiefen Geschwüren aufgeführt (Bl. 12 d.A.). Eine Kostenzusage lehnte die Beklagte mit Erklärung vom XX.XX.2014 ab. Die stationäre Behandlung fand in der Zeit vom 25.11. bis zum 12.12.2014 statt. Bis zum Tag der Entlassung kam es zu einer deutlichen Besserung der Akne und zur Schließung der nässenden Hautdefekte. Auch insoweit wird auf den vorgelegten Arztbericht verwiesen (Bl. 16ff. d.A.). Für die stationäre Heilbehandlung fielen Kosten in Höhe von 4.012,38 € an (Bl. 11 d.A.).

Die Klinikärzte verordneten dem Kläger zudem die Präparate „Symbioflor 1“ und „Omniflora N“ zur nachstationären ambulanten Behandlung. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 202,44 €.

Die Beklagte erstatte die Aufwendungen nicht.

Der Kläger behauptet, die stationäre Heilbehandlung sowie die Einnahme der Präparate „Symbioflor 1“ und „Omniflora N“ seien medizinisch notwendig gewesen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.214,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es fehle an der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Heilbehandlung, weil sämtliche in der Klinik durchgeführten Behandlungen auch problemlos ambulant hätten durchgeführt werden können. Gegen eine Notwendigkeit der stationären Heilbehandlung spreche auch der Umstand, dass es sich bei der klägerischen Akne um eine chronisch verlaufende Erkrankung handele und daher keine Akuterkrankung vorgelegen habe. Jedenfalls fehle es an der Erforderlichkeit eines Aufenthalts von 17 Tagen.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 15.10.2015 (Bl. 67f. d.A.) Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt des schriftlichen Sachverständigengutachtens des Professor XXX vom 11.03.2016 (Bl. 102ff. d.A.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 22.09.2016 (Bl. 142ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 4.012,38 € für die stationäre Heilbehandlung aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Versicherungsvertrag, §§ 1 Nr. 1, 2 und 3; 4 Nr. 1 und 4 MB/KK 09 und Nr. 1.12 der Tarifbedingungen.

Die stationäre Heilbehandlung in der Klinik XXX war medizinisch notwendig. Denn zum Zeitpunkt der Einweisung war im Rahmen einer Prognose davon auszugehen, dass der angestrebte Erfolg der Aknebehandlung durch weitere ambulante Maßnahmen nicht im gleichen Maße erzielt werden kann wie bei einer stationären Heilbehandlung und dass die spezifischen Einrichtungen des klinischen Krankenhausbetriebes zur Behandlung des bestehenden Leidens besser geeignet sind als die Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung in Therapiezentren. Hierfür spricht zunächst nach gesundem Menschenverstand der Umstand, dass die über Jahre von verschiedenen Hautärzten durchgeführten unterschiedlichen ambulanten Behandlungen zu keiner nachhaltigen Besserung führten, sondern sogar noch eine erhebliche Verschlechterung eintrat, die zu reiskorn- bis erbsenkorngroßen nässenden Abszessen im Gesicht, aus denen Blut und Eiter tropfte, sowie zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehreren Wochen führte. Die medizinische Notwendigkeit der stationären Heilbehandlung hat sodann der Sachverständige Professor XXX unter Berücksichtigung der außerordentlich langen Krankheitsgeschichte, der Schwere der Erkrankung in Form einer Mischdermatose, bestehend aus einer Neurodermitis und schweren akneiformen Abszessen, und der ambulanten Therapieresistenz sehr gut nachvollziehbar und eindrucksvoll bestätigt (§ 286 Abs. 1 ZPO). Der Sachverständige hat plausibel ausgeführt, dass der Kläger mit den systemischen Antibiotika die letzte Stufe der Therapie abszedierender Akne-Knoten gemäß der einschlägigen S2-Leitlinie erreicht hatte. Aufgrund dessen und unter Berücksichtigung der subjektiven Symptome der Hilflosigkeit und der Verzweiflung seien die Herausnahme aus dem Alltag und die Überführung in die spezifischen Einrichtungen eines Krankenhauses erforderlich gewesen. U.A. seien die Kontrolle des Patienten und die Verhinderung der Manipulation an den Aknepickeln im Rahmen einer stationären Behandlung effektiver möglich gewesen als bei einer ambulanten Therapie.

Als Indiz für die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung ist letztlich der Umstand anzuführen, dass es – im Gegensatz zu den ambulanten Therapiemaßnahmen – zu einer deutlichen Besserung der Hautstruktur und zu einer Schließung der nässenden Hautdefekte kam. Dass der spätere Erfolg nicht alleine als Rechtfertigung für die Notwendigkeit der stationären Heilbehandlung herangezogen werden kann, ändert nichts an seiner indiziellen Bedeutung im Rahmen der nach § 286 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Beweiswürdigung.

Gemäß den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen lag zum Zeitpunkt der Einweisung auch eine Akuterkrankung vor. Denn chronische Erkrankungen können durch eine erhebliche Verschlechterung akut werden, d.h. akut exacerbieren. Ein solcher Fall lag nach den Feststellungen des Sachverständigen vor. Letztlich kommt es aber auf das Vorliegen einer Akuterkrankung gar nicht an. Für die Notwendigkeit der stationären Heilbehandlung reicht es aus, wenn die spezifischen Einrichtungen des klinischen Krankenhausbetriebes zur Behandlung des bestehenden Leidens besser geeignet sind als die Möglichkeiten eines niedergelassenen Arztes oder eines Therapiezentrums. Genau das war – wie oben bereits ausgeführt – der Fall.

An der Erforderlichkeit der Dauer der Behandlung bestehen ebenfalls keine vernünftigen Zweifel.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung des nachstationär für die Präparate „Symbioflor 1“ und „Omniflora N“ aufgewendeten Betrages in Höhe von 202,44 €. Die Verordnung der Arzneimittel war medizinisch notwendig, weil es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Verordnung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Zudem hat die Beklagte nach § 4 Nr. 6 MB/KK 09 auch für Arzneimittel zu leisten, die sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben wie von der Schulmedizin anerkannte Arzneimittel, oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Arzneimittel zur Verfügung stehen. Professor XXX hat hierzu ausgeführt, dass es zwar keinen wissenschaftlichen Nachweis eines Zusammenhangs zwischen einer übermäßigen Besiedlung des Darms mit Pilzen („Candida albicans“) und einer Akneerkrankung gebe; es sei jedoch unstreitig, dass eine – hier festgestellte – Überbesiedlung mit „falschen“ Keimen nicht förderlich für die Gesundheit sei. Eine Darmsanierung mit der Reduzierung der Keime auf ein normales Niveau mit anschließenden Förderungsmaßnahmen zur Normbesiedlung sei ein gängiges Verfahren, weshalb die Verordnung im Rahmen der Gesamtbehandlung medizinisch korrekt gewesen sei. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Kläger nicht nur an Akne, sondern auch an Durchfällen und abdominellen Krämpfen litt.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1 S. 1 und 2, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 S.1 und 2, 108 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 4.214,82 € festgesetzt.

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