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Kfz-Kaskoversicherung – Wiederbeschaffungswert bei Geltendmachung eines Fahrzeugdiebstahls

Unklare Umstände erschweren Nachweis des Wiederbeschaffungswerts nach Fahrzeugdiebstahl

Im Zentrum des Versicherungsrechts steht oft die Frage nach der korrekten Leistungserbringung bei Schadensfällen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Kfz-Kaskoversicherung, die bei Fahrzeugdiebstahl den Wiederbeschaffungswert des entwendeten Fahrzeugs erstatten soll. Die Herausforderung liegt darin, den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Diebstahls festzustellen. Dies umfasst die Bewertung aller relevanten Faktoren, wie etwa Vorschäden, den Zustand und die Reparaturhistorie des Fahrzeugs.

Besondere Komplexität entsteht, wenn die Aktivlegitimation der Anspruch stellenden Partei infrage gestellt wird oder Unklarheiten bezüglich der Schadenshöhe bestehen. Die Gerichte sind in solchen Fällen gefordert, auf der Basis des Versicherungsrechts, der vorliegenden Beweislage und unter Berücksichtigung juristischer Grundsätze wie dem § 287 ZPO, der Schadensschätzung, eine Entscheidung zu treffen. Der Fokus liegt dabei auf der Klärung, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer Anspruch auf Leistungen aus der Kaskoversicherung hat, wobei sowohl die materiellen Aspekte des Fahrzeugs als auch die formellen Voraussetzungen der Versicherungsansprüche geprüft werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-4 U 50/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Berufung einer Klägerin in einem Fall zur Kfz-Kaskoversicherung bezüglich des Wiederbeschaffungswertes nach einem Fahrzeugdiebstahl abgelehnt, da die Klägerin weder ihre Aktivlegitimation ausreichend darlegen konnte noch konkrete Angaben zur Schadenshöhe gemacht hat.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Berufung: Das Gericht beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg einstimmig zurückzuweisen.
  2. Aktivlegitimation: Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass sie berechtigt ist, Ansprüche aus der Kfz-Kaskoversicherung geltend zu machen.
  3. Unklarheit über Wiederbeschaffungswert: Die Klägerin machte unzureichende Angaben zum Wiederbeschaffungswert des gestohlenen Fahrzeugs.
  4. Fehlende Beweise für Fahrzeugzustand: Es fehlten konkrete Beweise über den Zustand des Fahrzeugs, insbesondere hinsichtlich vorheriger Schäden und Reparaturen.
  5. Keine hinreichenden Tatsachen: Das Gericht fand, dass die Klägerin keine ausreichenden greifbaren Tatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO vorgelegt hat.
  6. Fehlende Zustimmung des Versicherten: Die Klägerin konnte nicht die erforderliche Zustimmung des Versicherten oder des Eigentümers des Fahrzeugs vorlegen.
  7. Ablehnung der Prozesskostenhilfe: Aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten wurde der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
  8. Widersprüche im Vortrag der Klägerin: Das Gericht stellte zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vortrag der Klägerin fest, was zur Entscheidung beitrug.

Der Streit um den Wiederbeschaffungswert nach Fahrzeugdiebstahl

Im Fokus des aktuellen Falles beim OLG Düsseldorf steht der Anspruch einer Klägerin gegen ihre Kfz-Kaskoversicherung, die den Wiederbeschaffungswert ihres gestohlenen Fahrzeugs, eines Audi A6, geltend macht. Der Fall, angesiedelt im komplexen Gebiet des Versicherungsrechts, beginnt mit einem Fahrzeugdiebstahl, der von der Klägerin bei ihrer Versicherung gemeldet wurde. Sie legte eine Abschrift des Versicherungsscheins vor und behauptete, Eigentümerin des Fahrzeugs zu sein, was sie später jedoch zurücknahm. Die Klägerin gab an, das Fahrzeug für 22.000 Euro erworben zu haben, wobei sie auf ein Gutachten verwies, das jedoch im Rechtsstreit nicht vorgelegt wurde. Zur Finanzierung des Kaufpreises wurde ein Darlehen aufgenommen und das Fahrzeug sicherungsübereignet.

Die Rolle der Vorbeschädigungen und Reparaturen

Das Fahrzeug war in der Vergangenheit in Unfälle verwickelt und erlitt dabei Schäden, die repariert wurden. Die Klägerin behauptete, das Fahrzeug sei zum Zeitpunkt des Diebstahls mangelfrei und fachgerecht repariert gewesen. Es wurde jedoch ein Verkehrsunfall am 14.12.2016 dokumentiert, bei dem das Fahrzeug beschädigt und anschließend repariert wurde. Über weitere Schäden, die danach entstanden und in einer Schadenanzeige erwähnt wurden, fehlten detaillierte Angaben. Diese Unklarheiten über den Zustand des Fahrzeugs vor dem Diebstahl bildeten einen zentralen Punkt in der Auseinandersetzung mit der Versicherung.

Die juristischen Herausforderungen im Berufungsverfahren

Die Beklagte, die Versicherungsgesellschaft, bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin und stellte die Echtheit des Diebstahls infrage. Sie wies darauf hin, dass der tatsächliche Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nicht feststellbar sei, da unklar war, wie das Fahrzeug repariert worden sei. Darüber hinaus unterstellte die Beklagte der Klägerin arglistige Täuschung, unter anderem durch die Vorlage eines nicht zum Fahrzeug gehörenden Schlüssels. Das Landgericht Duisburg wies die Klage ab, da die Klägerin keine konkreten Angaben zur Schadenshöhe machen konnte. Die Klägerin legte daraufhin Berufung ein, konnte aber auch in diesem Verfahren keine überzeugenden Argumente vorbringen.

Entscheidung des OLG Düsseldorf und deren Begründung

Das OLG Düsseldorf beabsichtigte, die Berufung einstimmig zurückzuweisen, da die Klägerin weder ihre Aktivlegitimation noch den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs hinreichend darlegen konnte. Die Entscheidungen des Gerichts waren maßgeblich von der Unklarheit über den Zustand des Fahrzeugs und den fehlenden konkreten Angaben der Klägerin beeinflusst. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass das Fahrzeug mangelfrei und fachgerecht repariert worden war. Ferner war die Rechtsgrundlage ihrer Ansprüche fragwürdig, da sie nicht Eigentümerin des Fahrzeugs war und keine Zustimmung des tatsächlichen Eigentümers für die Versicherung vorlegen konnte. Das Gericht stützte sich in seiner Entscheidung auf § 287 ZPO, der eine Schätzung des Schadens unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, wobei die Klägerin die erforderlichen greifbaren Tatsachen nicht liefern konnte.

Diese Entscheidung des OLG Düsseldorf unterstreicht die Bedeutung präziser und glaubwürdiger Angaben in Versicherungsfällen, insbesondere bei komplexen Sachverhalten wie Kfz-Kaskoversicherungsansprüchen nach einem Fahrzeugdiebstahl. Sie zeigt auch, dass die Gerichte in Deutschland hohe Anforderungen an die Beweisführung stellen, insbesondere wenn es um die Feststellung von Schadenshöhen geht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird der Wiederbeschaffungswert eines Fahrzeugs ermittelt?

Der Wiederbeschaffungswert eines Fahrzeugs gibt an, welche Summe notwendig ist, um ein gleichwertiges Fahrzeug zu kaufen. Dabei sollen der Zustand und die Ausstattung dem Unfallwagen vor der Kollision entsprechen. Um den Wiederbeschaffungswert zu ermitteln, ziehen Sachverständige in der Regel die Schwacke-Liste oder die DAT-Liste heran, welche die ungefähren Restwerte von Gebrauchtwagen auf dem deutschen Markt auflisten. Allerdings stellen diese Preise nur Durchschnittswerte dar und berücksichtigen nicht individuelle Faktoren wie Laufleistung, Ausstattung oder Pflegezustand des Fahrzeugs.

Ein unabhängiger Sachverständiger sollte mit der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes beauftragt werden, da viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssen. Der Sachverständige prüft unter anderem die Laufleistung des Fahrzeugs, die Ausstattung, das Datum der Erstzulassung und den Pflegezustand. Der Wiederbeschaffungswert liegt in der Regel etwa 20 bis 25 Prozent über dem Zeitwert, da bei Ersterem die Gewinnmarge des Autohändlers einberechnet wird.


Das vorliegende Urteil

OLG Düsseldorf – Az.: I-4 U 50/23 – Beschluss vom 29.06.2023

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 06.03.2023 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – Einzelrichterin – durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28.07.2023.

2. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz wird zurückgewiesen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berufung der Klägerin gegen das im Tenor bezeichnete erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Duisburg hat keine Aussicht auf Erfolg. Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich vorliegen, beabsichtigt der Senat, das Rechtsmittel durch Beschluss zurückzuweisen, ohne dass es einer mündlichen Verhandlung bedarf.

I.

Die Klägerin macht einen Anspruch aus einer bei der Beklagten für das Fahrzeug Audi A6 mit dem amtlichen Kennzeichen … bestehenden Kaskoversicherung wegen eines von ihr behaupteten Fahrzeugdiebstahls geltend. Wegen der Einzelheiten der Versicherung wird auf die von der Klägerin vorgelegte Abschrift des Versicherungsscheins vom 13.03.2019 (Bl. 61 f. PKH-Heft = Anlage B1, Bl. 3 f. Anlagenband Beklagte) verwiesen; der Versicherung liegen die von der Beklagten vorgelegten AKB (Anlage B2, Bl. 19 ff. Anlagenband Beklagte) zugrunde.

Die Klägerin hatte ursprünglich behauptet, Eigentümerin des Fahrzeugs zu sein, wovon sie dann indes wieder abgerückt ist. Gekauft wurde das Fahrzeug unter dem 24.11.2016 von … für 22.000 Euro; in dem Vertrag wurde wegen Mängeln, Unfall- und anderer Schäden auf ein – im Rechtsstreit nicht vorgelegtes – Gutachten Bezug genommen (Anlage B7, Bl. 213 f. Anlagenband Beklagte). Zur Finanzierung des Kaufpreises beantragte … bei der … ein Darlehen; ferner wurde das Fahrzeug sicherungsübereignet (Anlage B8, Bl. 215 ff. Anlagenband Beklagte).

Das Fahrzeug wurde bei einem Verkehrsunfall am 14.12.2016 hinten rechts beschädigt; wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 14.12.2016 (Bl. 2 ff. Anlagenband Klägerin) verwiesen. Unter dem 13.03.2017 bestätigte dieser die sach- und fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs (Bl. 1 Anlagenband Klägerin).

Später wurde das Fahrzeug erneut beschädigt. Einzelheiten dazu sind nicht vorgetragen; die Klägerin gab diesbezüglich lediglich in ihrer Schadenanzeige vom 02.04.2019 an: „Vollkasko Schaden über Sohn …, auf mein Namen“ (Bl. 146 Anlagenband Beklagte).

Der Ehemann der Klägerin zeigte unter dem 25.03.2019 einen Diebstahl des Fahrzeugs an; im Ermittlungsverfahren 185 UJs 165/19, StA Duisburg, wurde indes kein Täter ermittelt. Bei Durchsuchungsmaßnahmen wurden am 21.09.2020 Teile des Fahrzeugs (zwei Airbags und eine Tür) aufgefunden; die Teile wurden einem Sohn der Klägerin am 18.01.2022 übergeben (Bl. 104 EA).

Die Klägerin meldete der Beklagten den Fahrzeugdiebstahl und übersandte ihr unter dem 02.04.2019 einen Schadenfragebogen (Anlage B3, Bl. 131 ff. Anlagenband Beklagte). Ferner übersandte sie der Beklagten einen Original-Fahrzeugschlüssel, einen Notschlüssel und eine Fernbedienung für die Heizung des Fahrzeugs (Anlage B4, Bl. 149 f. Anlagenband Beklagte), Die Beklagte ließ die Schlüssel durch den Sachverständigen … untersuchen, der in seiner Stellungnahme vom 22.05.2019 feststellte, dass der Notschlüssel nicht zu dem versicherten Fahrzeug gehörte; ferner fehlten zwei der drei Original-Fahrzeugschlüssel (Anlage B5, Bl. 160 ff. Anlagenband Beklagte).

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann habe das Fahrzeug am 24.03.2019 (Sonntag) gegen 17.00 Uhr zur … gebracht und den Fahrzeugschlüssel, wie zuvor mit der Werkstatt vereinbart, in eine Art Briefkasten geworfen; dies sei eine Einwurfsmöglichkeit an einer Außenwand, durch die der Schlüssel unmittelbar in das Büro gefallen und von außen nicht mehr erreichbar gewesen sei (vgl. Lichtbilder auf Bl. 109 f. GA). Am 25.03.2019 habe das Fahrzeug dann repariert werden sollen; ihr Ehemann habe es am 25.03.2019 wegen seines Schichtdienstes nicht zur Werkstatt bringen können. Ihr Ehemann habe am 25.03.2019 dann bei der Werkstatt angerufen und nach dem Stand der Reparatur gefragt, weil ihn ein Arbeitskollege an der Werkstatt hätte absetzen können. Ihm sei dann gesagt worden, dass das Fahrzeug nicht da sei und auch der Fahrzeugschlüssel nicht aufgefunden worden sei. Der Fahrzeugeigentümer … habe sie mit Erklärungen vom 15.12.2021 (Bl. 23.N PKH-Heft) und 24.01.2022 (Bl. 60 PKH-Heft) ermächtigt, den Schaden im eigenen Namen und auf Zahlung an sich selbst geltend zu machen. Das Fahrzeug habe einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 Euro gehabt. Es sei mangelfrei und fachgerecht repariert gewesen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten, da es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung handele. Ferner hat sie die Fahrzeugentwendung bestritten und die Vortäuschung des Versicherungsfalls behauptet. Ohnehin sei die Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs nicht feststellbar, da schon nicht vorgetragen sei, wie das Fahrzeug repariert worden sei. Zudem habe die Klägerin arglistig ihre Aufklärungsobliegenheit verletzt: In der Schadensanzeige habe sie angegeben, dass das Fahrzeug ihr gehöre und eine Sicherungsübereignung verneint; ferner habe sie den im Kaufvertrag angegebenen Vorschaden verschwiegen und darüber hinaus einen nicht zum Fahrzeug gehörenden Schlüssel vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Duisburg vom 06.03.2023 (Bl. 194 ff. GA) und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Hinweisbeschluss vom 26.07.2022 (Bl. 148 f. GA) darauf hingewiesen, dass die Klägerin weder die Voraussetzungen für eine Leistung an sie im Sinne von § 45 VVG dargetan habe noch zur Art und Weise der Reparatur der Vorschäden vorgetragen habe, so dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nicht geschätzt werden könne. Nach (nicht protokollierter) Wiederholung dieser Hinweise in der Sitzung vom 13.02.2023 (Bl. 192 GA) hat es mit dem von der Klägerin angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin aktivlegitimiert sei, die Entwendung des versicherten Fahrzeuges zu beweisen vermocht habe oder die Beklagte aufgrund einer etwaigen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei geworden sei, da es an hinreichend konkretem Vorbringen der Klägerin zur Schadenshöhe fehle. Die Klägerin habe das konkrete Ausmaß der unstreitig eingetretenen Vorschäden am streitgegenständlichen Fahrzeug sowie die Art und Weise der gegebenenfalls jeweils erfolgten Reparatur nicht dargelegt, sondern nur pauschal behauptet, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß und fachgerecht repariert worden sei. Vorschäden am versicherten Fahrzeug seien für die Höhe des Wiederbeschaffungswertes unmittelbar von Bedeutung. Zwar komme der Klägerin insoweit § 287 ZPO zugute. Auch für die Schadensschätzung seien aber greifbare Tatsachen erforderlich, die der Geschädigte im Regelfall im Einzelnen darlegen und beweisen muss. Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in der Form der Schätzung eines „Mindestschadens“, lasse § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu, wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen sei und das richterliche Ermessen „vollends in der Luft hängen“ würde. So sei es hier. Die Beweisangebote der Klägerin für ihre Behauptung, das Fahrzeug sei sach- und fachgerecht repariert worden, seien nicht zu berücksichtigen gewesen, da die Klägerin bereits nicht dargelegt habe, was für Schäden an dem Fahrzeug eingetreten seien und wie diese gegebenenfalls repariert worden seien. Insbesondere wäre es erforderlich gewesen, Angaben darüber zu machen, was für ein Vollkaskoschaden während der Besitzzeit ihres Sohnes, …, eingetreten sei. Der Klägerin helfe auch das Gutachten des Sachverständigen … vom 14.12.2016 nicht weiter; dieses könne nicht als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO herangezogen werden. Zum einen habe der Sachverständige keine Kenntnis von dem Vorschaden gehabt, welcher bereits vor dem Ankauf des Fahrzeuges eingetreten war, und zum anderen sei es erst später zu dem Vollkaskoschaden an dem streitgegenständlichen Fahrzeug gekommen,

Mit ihrer gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten der Rechtsmittelbegründung wird auf die Berufungsbegründung vom 05.06.2023 (Bl. 48 ff. OLG-GA) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 13.02.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg, Aktenzeichen 6 O 137/21, die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.000 Euro nebst fünf Prozent über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin hat weder Umstände vorgetragen, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, noch konkrete Anhaltspunkte bezeichnet, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

1. Die Klägerin hat bereits ihre Aktivlegitimation nicht dargetan. Unstreitig ist sie nicht Eigentümerin des versicherten Fahrzeugs, so dass es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von §§ 43 ff. VVG handelt. Die Klägerin müsste daher gemäß § 45 Abs. 2 VVG dartun, entweder im Besitz des Versicherungsscheins zu sein oder dass der Versicherte zugestimmt hat, dass sie die Versicherungsleistung annimmt; ferner müsste der Versicherte gemäß § 45 Abs. 3 VVG seine Zustimmung zur Versicherung erteilt haben. Dies ist hier von der Klägerin nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat keine Ablichtung des Versicherungsscheins vorgelegt, sondern lediglich eine Abschrift (Bl. 61 f. PKH-Heft). Dass sie darüber hinaus auch im Besitz des Originalversicherungsscheins ist, hat die Klägerin weder dargelegt, noch ist dies sonst ersichtlich.

Die Klägerin hat auch keine Zustimmung des Versicherten dargetan – und zwar weder zur Leistungsannahme durch die Klägerin im Sinne von § 45 Abs. 2 VVG noch zur Kaskoversicherung durch sie im Sinne von § 45 Abs. 3 VVG. Die Erklärungen von … vom 15.12.2021 (Bl. 23.N PKH-Heft) und 24.01.2022 (Bl. 60 PKH-Heft) sind unerheblich. Denn unstreitig ist das Fahrzeug an die … sicherungsübereignet, so dass … gar nicht Eigentümer des Fahrzeugs ist, sondern die Bank. Aufgrund dessen kommt es nicht auf die Zustimmung von … an, sondern auf die Zustimmung der Bank. Diese hat weder die Zustimmung dazu erklärt, dass die Klägerin die Versicherungsleistung erhält, noch überhaupt dazu, dass die Klägerin eine Kaskoversicherung für das Fahrzeug abschließt – jedenfalls hat die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin solches weder vorgetragen, noch ist es sonst ersichtlich. Zwar ist der Darlehensnehmer – also … – nach den Darlehensbedingungen verpflichtet, eine Kaskoversicherung abzuschließen, so dass die Bank insoweit auch eine Zustimmung im Sinne von § 45 Abs. 3 VVG erteilt hat. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Versicherung durch einen unbeteiligten Dritten wie der Klägerin – zumal die im Darlehensvertrag vereinbarte Abtretung von Versicherungsansprüchen durch den Darlehensnehmer dann ins Leere laufen würde und die Bank gerade nicht gesichert wäre, sondern vielmehr durch die Absicherung eines am Vertrag unbeteiligten Dritten Gefahr laufen würde, ihr Sicherungsgut entschädigungslos zu verlieren.

2. Die Klägerin hat ferner den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nicht dargelegt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts. Ein Mindestschaden kann mangels konkreter Anknüpfungspunkte auf der Grundlage des Tatsachenvortrags der Klägerin nicht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Zwar ist die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung nicht einschlägig, da es hier nicht um die Kosten der Reparatur von überdeckenden Schäden geht, die im Bereich von Vorschäden eingetreten sein sollen: In solchen Fällen kommt es entscheidend auf die Abgrenzung der unterschiedlichen Schäden an, während es hier lediglich auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ankommt. Aber auch dieser kann hier nicht ermittelt werden, da die Klägerin zu dem Kaskoschaden, der nach dem Unfall vom 14.12.2016 eingetreten ist, trotz der mehrfachen Hinweise des Landgerichts nichts vorgetragen hat – auch nicht mit der Berufungsbegründung. Sie hat weder vorgetragen, wann und wie der Schaden entstanden ist, noch um was für einen Schaden an welchen Stellen des Fahrzeugs es sich überhaupt gehandelt haben soll. Der Zustand des Fahrzeugs nach dem Schaden ist damit völlig im Dunkeln.

Es genügt auch nicht, wenn die Klägerin lediglich pauschal behauptet, das Fahrzeug sei nach dem Schaden ordnungsgemäß sach- und fachgerecht wieder instandgesetzt worden und dies unter Zeugenbeweis stellt. Denn es wäre völlig unklar, zu welchen konkreten Tatsachen die Zeugen zu vernehmen wären, da gerade nicht vorgetragen ist, wo welche Schäden vorlagen und wie diese beseitigt worden sein sollen. Diese Umstände wären erst von den Zeugen zu bekunden, so dass es sich um einen – unzulässigen – Ausforschungsbeweis handeln würde. Anhaltspunkte für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind auch nicht ansatzweise dargetan.

3. Aufgrund dessen braucht sich der Senat mit den vielfältigen Widersprüchen im Vortrag der Klägerin nicht weiter zu befassen. Insbesondere braucht der Senat die Hintergründe des Fahrzeugerwerbs und der Überlassung an die Klägerin nicht aufzuklären, die völlig undurchsichtig sind. Auch ist widersprüchlich, dass der Ehemann der Klägerin am 28.03.2019 fernmündlich der Polizei erklärt hat, dass der hintere Sensor der Parkhilfe habe repariert werden sollen (Bl. 43 EA), während er bei seiner Vernehmung am 12.04.2019 bekundet hat, dass das Fahrzeug Wasser verloren und die rote Leuchte im Tacho geleuchtet habe (Bl. 63 EA). Ferner hat die Klägerin keine Stellung dazu genommen, warum in dem Schadensformular die Frage nach der Kenntnis von beim Vorbesitzer entstandener Schäden verneint wurde, obwohl in dem Kaufvertrag ausdrücklich auf ein entsprechendes Gutachten Bezug genommen wurde. Auch hat die Klägerin nicht erklärt, warum sie die Sicherungsübereignung des Fahrzeugs im Schadensformular verneint und einen unstreitig nicht zum Fahrzeug gehörenden Notschlüssel bei der Beklagten eingereicht hat. Schließlich ist die Behauptung der Klägerin, das Fahrzeug sei mangelfrei gewesen, bereits deshalb unzutreffend, weil es doch wegen Mängeln zur Reparatur gebracht worden sein soll.

III. Aus den vorstehenden Gründen ist auch der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

IV. Vorsorglich wird auf die kostenreduzierenden Folgen einer etwa beabsichtigten Rücknahme der Berufung bis zu einer Senatsentscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen.

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