LG Magdeburg – Az.: 11 O 1063/19 – Urteil vom 08.10.2019
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.530,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 05.01.2019 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin weitere 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2019 zu bezahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.
V. Zugleich beschlossen: Der Streitwert wird auf 5.530,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch aus einem Kaskoversicherungsvertrag (Nr. 0324-03.0.720.413.), den die Klägerin bei der Beklagten für ihren PKW Ford B-Max (…) mit einem Selbstbehalt von 300 € unterhält. Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB 2016 zugrunde.
Am 6.10.2018 kam die 83 jährige Klägerin mit ihrem Fahrzeug aufgrund eines Fahrfehlers von der Fahrbahn ab. Nach ihren Angaben wurde der Fahrfehler durch ein Augenblicksversagen, dem eine Sonnenblendung, möglicherweise auch ein Sekundenschlaf zugrunde lag ausgelöst.
Sie geriet auf die Gegenfahrbahn, setzte ihr Fahrzeug in einen Straßengraben und touchierte dabei auch einen Baum. Der Baum blieb stehen. Nach dem Ereignis wurde der Klägerin von vorbeikommenden Passanten geholfen. Sie fuhr mit dem nicht mehr fahrbereiten, aber noch fahrfähigen Fahrzeug, nach Hause und zeigte den Unfall der Versicherung an.
Der entstandene Fahrzeugschaden ist der Beklagten angezeigt und von der Beklagten sachverständig von einem Gutachter der Beklagten ermittelt als unverbindliche Kostenkalkulation mitgeteilt und abzüglich des Selbstbehalts mit 5.530 € bewertet worden.
Nach dem die Beklagte eine Schadensregulierung ablehnte, beantragt die Klägerin,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.530 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.1.2019 an sie zu zahlen, ferner an sie weitere 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2019 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuwenden.
Sie zweifelt an, dass die Klägerin aus eigener Motorkraft mit ihrem Fahrzeug nach Hause fahren konnte und meint, die Klägerin hätte es – versicherungsrechtlich erheblich – unterlassen, Feststellungen am Unfallort zu treffen, bzw. nachträglich Feststellungen unterlassen und damit Aufklärungsinteressen der Versicherung beeinträchtigt. Zuletzt führte sie – ohne es unterstellen zu wollen – aus, dass sie möglicherweise eine Trunkenheitsfahrt hätte aufdecken können, wenn die Klägerin Feststellungen getroffen hätte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist aus dem Versicherungsvertrag i. V. m. den vereinbarten AKB offensichtlich begründet.
Die Klägerin hat den Versicherungsfall bewiesen. Mangels anderweitiger Beweise hat ihre in jeder Hinsicht glaubhafte Anhörung in Verbindung mit dem Sachverständigengutachten genügt, den ihr obliegenden Beweis des Versicherungsfalls zu führen. Der Sachverständige der Beklagten, der den Unfallort besichtigt hat, hat den Unfallhergang für plausibel erklärt.
Insbesondere genügt der Vermerk in dem Gutachten, das Fahrzeug sei nicht fahrbereit gewesen, nicht aus, um die Glaubhaftigkeit der Klägerin und damit auch ihre Redlichkeit in Frage zu stellen.
Zum einen beruht dies Angabe des Sachverständigen „nicht fahrbereit“ auf einer nachträglichen Besichtigung, zum anderen lässt das in dem Gutachten mitgeteilte Schadensbild im Frontbereich und an der linken Seite auch nur erkennen, dass das Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher gewesen ist. Im Sinne der Straßenverkehrsordnung ist es damit nicht fahrbereit. Damit ist aber nicht festgestellt, dass es nicht mehr mit eigener Motorleistung von der Unfallstelle fortbewegt werden konnte. Weitere Indizien, die geeignet gewesen wäre, die Angaben der Klägerin zu erschüttern, hat die Beklagte nicht mitgeteilt und ergeben sich auch nicht aus den gutachterlichen Feststellungen zu den erforderlichen Ersatzteilen oder einem Abschleppunternehmer dessen Kosten im Leistungsprüfungsverfahren geltend gemacht worden wären.
Soweit die Beklagte Aufklärungs- und Obliegenheitsverletzungen wegen unterlassener Feststellungen am Unfallort bzw. nachträglicher Feststellungen gerügt hat, ist dieser Vorwurf offensichtlich unbegründet.
Denn andere Unfallbeteiligte und Geschädigte denen gegenüber Feststellungen zu treffen gewesen wären, hat es nicht gegeben. Ein Baum ist im Übrigen weder Unfallbeteiligter noch ein Geschädigter im Sinne des § 142 StGB sondern eine öffentliche Sache, wenn er auf einem öffentlichen Grund steht.
Soweit die zuständigen kommunalen Eigentümer des Baumes als Geschädigte in Betracht zu ziehen wären, träfe dies auch nur dann zu, wenn der Baum beschädigt, d.h. die Lebenserwartung des Baumes durch das Unfallereignis tangiert worden wäre. Das würde, weil der Baum eine Pflanze ist, voraussetzen, dass der so beschädigt worden wäre, dass seine Lebensfähigkeit im Sinne des jahreszeitlichen Wachstums von Blättern und Krone beeinträchtigt wäre (hierzu etwa KG Berlin, VRS 72, 380, bei juris). Das ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der touchierte Baum wurde fotografisch dokumentiert. Er steht offensichtlich noch. Mehr als einen möglicherweise abgebrochenen Ast und eine nicht rundherum sondern nur an der Anstoßstelle vertikal verlaufende Anstoßspur, die teilweise die Rinde abgeschliffen hat, lässt das Lichtbild nicht erkennen. Davon stirbt in aller Regel kein Baum. Weitere Beschädigungen des Baumes wurden bei der Besichtigung nicht festgestellt. Dass der Baum ersichtlich keine Blätter trägt beweist nichts. Es wurde im Winter, nämlich am 5.12.2018, dem Besichtigungsdatum, gefertigt (Bl. 50 d. A.). Um diese Jahreszeit tragen Bäume keine Blätter mehr.
Mit diesem Befund hat die Beklagte ihr Leistungsprüfungsverfahren abgeschlossen. Mangels weiterer konkreter Angaben, die ernsthaft auf einen Schaden am Baum schließen lassen, war eine Anhörung des Sachverständigen auch nicht mehr geboten (§ 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Denn die weiter vorgetragene Annahme eines Schädlingsbefalls war nur abstrakt theoretischer Natur, weil er zeitnah tatsächlich nicht festgestellt wurde.
Die Nebenforderungen folgen aus den §§ 280, 286, 288 BGB, die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.